Liebe Pflanzenfreunde,
seit längerem ist es mir nicht gelungen, eine Pflanze, die ich präpariert habe, auch zu bestimmen. Heute möchte ich Euch ein Süßgras zeigen (Familie Poaceae). Die Familie gehört mit rund 12000 Arten zu den artenreichsten weltweit. Das macht die Bestimmung natürlich nicht einfach.
*** Bestimmung erfolgt als Hirschzungen-Rispenhirse (Panicum clandestinum) - siehe unten im Thread ****
Vielleicht kann aber jemand aus dem Forum helfen, daher versuche ich mein Gras hier so gut wie möglich zu beschreiben. Das schöne Gras steht seit Jahren in unserem Garten und ist auf jeden Fall keine einheimische Art und stammt aus dem Gartenhandel.
Bild 1: So schaut's aus

Wir sehen eine ca. 80 cm hohe, ausladende Staude. Die Pflanze ist hoch gebunden, die Halme kippen in der Regel nach den ersten stärkeren Sommerregen, das nimmt uns dann aber zu viel Platz weg.
Bild 2: Die Blätter

Die Blätter sind zwischen 8 und über 20 cm lang und um die 2,5 cm breit. Sie weisen die typische parallele Nervatur auf, mit einem ausgezeichneten Mittelnerv und etwa 10 weiteren Hauptnerven. Dazwischen liegen weitere, kleinere Leitbündel.
Bild 3: Die Nervatur

Die Blattoberfläche ist glatt nit tastbarer Nervatur, die Blattränder sind basal behaart, die Haare gehen aber ab dem etwa dem ersten Viertel zur Spitze hin in eine Zähnung über, die dem Blattrand einen rauen Griff verleihen.
Die Blattscheiden entspringen an den Knoten und umschließen den Spross komplett. Sie sind ebenfalls rundum mit ca. 1 mm langen Trichomen behaart. Es können mehrere Blätter an einem Knoten stehen.
Bild 4: Behaarte Blattscheiden

Die Knoten haben einen Durchmesser von ca. 4 mm und sind damit gegenüber den Internodien mit 2 bis 3 mm deutlich verdickt. Die Internodien sind leicht geriffelt und tragen viele Reihen von kleinen Sternhaaren, die unter der Lupe als weiße Pünktchen erkennbar sind. Beides dient vermutlich dazu, beim Wachstum die Reibung zwischen Blattscheide und Spross zu verringern beziehungsweise ein Anhaften zu vermeiden.
Bild 5: Knoten und Internodien

Die unscheinbaren grünen Blüten erscheinen am Ende des Sprosses an einem kegelförmigen Blütenstand (zusammengesetzte Ähre), der sich mit der Samenreife weiter verlängert. Die einzelnen, etwa 3,5 mal 1,5 mm großen Blüten sind von behaarten Spelzen (Brakteen?) umschlossen und grün mit einer rötlichen Färbung zur Sonnenseite. Dabei sind nicht alle möglichen Plätze besetzt: viele sind leer, die Blüte wohl abgefallen. Siehe Bild 7. Ob mittlerweile nur noch die befruchteten Blüten anstehen?
Bild 6: Zusammengesetzte Ähre (Doppelähre), CC BY-SA 3.0, aus Wikipedia von User Shazz

Bild 7a: Der Blütenstand meines Grases

Wer findet den kleinen Gast?

- er ist unbeschadet wieder im Garten gelandet.
Bild 7b: Eine Einzelblüte unter dem Präparationsmikroskop.

Eine schnelle Einzelaufnahme mit dem Handy durchs Okular. Das kleine Ding hat natürlich keine Kameraadaption.
Bleibt noch ein Blick in die Kinderstube. Wenn jemand Ableger haben möchte: gerne.

Bild 8: Jungpflanze, ca. 8 cm

Ich hoffe, die Beschreibung ist für einen Bestimmungsversuch ausreichend. Wenn ich wichtige Details unterschlagen habe, fragt gerne nach, die Pflanze steht ja im Garten und ich kann jederzeit nachlegen. eine Ausnahme bilden die Blüten, die sind durch.
Präparation:Geschnitten habe ich den frischen Spross inklusive anliegender Blattscheide. Beim freistehenden Schnitt löst sich die Blattscheide regelmäßig vom Spross und muss extra präpariert werden. Die Schnittdicke auch hier 50 µm.
Nach einer Schnittfixierung in AFE für ca. 9 Stunden wurden die Schnitte in Aqua dest. überführt. Eine weitere Vorbehandlung habe ich nicht vorgenommen.
Gefärbt habe ich mit W3Asim II nach Rolf-Dieter Müller für 7 Minuten mit einmaligem kurzen Erwärmen bis kurz vor den Siedepunkt.
Eine Beschreibung der Färbung findet Ihr hier:
W3Asim II im Vergleich auf der Seite des MKB.
Nach der Färbung wurden die Schnitte in Aqua dest. für 24 Stunden mit mehrmaligem Wechsel sanft differenziert.
Eingedeckt sind die Schnitte - nach gründlichem Entwässern in reinem Isopropanol - in Euparal.
Technik:Die Aufnahmen sind auf dem Leica DMLS mit dem 5x NPlan sowie den 10x, 20x und 40x PlanApos entstanden. Die Kamera ist eine Panasonic GX7, die am Trinotubus des Mikroskops ohne Zwischenoptik direkt adaptiert ist. Die Steuerung der Kamera erfolgt durch eine Smartphone App, die neben der Fernsteuerung des Auslösers auch die notwendigen Einstellungen zur Verschlusszeit und den Weißabgleich erlaubt. Der Vorschub erfolgt manuell anhand der Skala am Feintrieb des DMLS.
Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.
Nun zu den SchnittenZunächst der Spross.
Bild 9a-f: Ungefärbte Schnitte, Bilder 9d und f mit Beschriftung und Maßstab. Alle Aufnahmen gestapelt.





Die Übersicht in Bild 9a hab' ich leider vergeigt. Ich bin vor Beginn der Aufnahmereihe wohl noch mal ganz sanft an den Objekttisch gestoßen

.
Ansonsten zeigen die ungefärbten Schnitte schön, dass man auch ohne weitere Präparation alle wesentlichen Details erkennen kann. Die Verteilung der Chloroplasten ist natürlich nur am Frischmaterial zu erkennen. Hier gibt es an der Außenseite einige flache Inseln mit Assimilationsgewebe und auch die Zellen des Markparenchyms haben jeweils einig Chloroplasten.
Seine Stabilität erhält der Spross durch einen ausgeprägten Sklerenchymring direkt unter der Epidermis.
Die Leitbündel zeigen die typische, vom Klassiker Mais bekannte Form mit zwei großen Tracheiden an den Seiten, einem zentralen Phloem am äußeren Ende und unter dem Xylem am inneren Ende noch eine Lakune, in der Reste von Versteifungsringen zu erkennen sind.
Informationen zu den Abkürzungen in den Bildern 9d und f sowie den folgenden beschrifteten Bildern findet Ihr wie immer auf der Webseite des MKB:
Tabelle mit den Kürzeln und den zugehörigen allgemeinen Erläuterungen.
Und nun das Ganze in Farbe!

Bilder 10a-f: Die gleichen Ausschnitte wie in der Serie 9, nun gefärbt mit W3Asim II, Bilder 10c und f mit Beschriftung. Auch hier wieder alle Aufnahmen gestapelt.






Diesmal ist die Übersichtsaufnahme schön mittig. Aber leider sind mir alle schnitte wegen des massiven Sklerenchymrings gerissen. Im Bild 10c sind die oben angesprochenen Trichome als kleine Grübchen erkennbar (TR) zu erkennen, ansonsten gibt es nichts Neues zu entdecken.
Bleiben die Schnitte von den Blattscheiden. Diese sind etwas verzogen, da sie sich beim schnitt gelöst haben.
Bilder 11a-c: Blattscheide, Bild 11c mit Beschriftung. Alle Aufnahmen gestapelt.



Die Blattscheide nimmt schon den typischen Aufbau eines Grasblattes vorweg. Leider ist von den Trichomen nichts mehr zu erkennen. Die parallel verlaufenden Leitbündel sind von einer erweiterten Leitbündelscheide umgeben, oberhalb und unterhalb sitzen an den Oberflächen Sklerenchymstränge, die auch beim Blatt selbst tastbar sind. Zwischen den Leitbündeln finden sich im Schwammparenchym große, vermutlich lysigene Lakunen.
Vielen Dank fürs Anschauen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen. Diesmal insbesondere auch Hinweise zur Bestimmung meines Grases.
Herzliche Grüße
Jörg