Hallo,
ich möchte Euch ein kleines "Schmakerl" zeigen, auch wenn das Foto nicht ganz so gut ist. Der Berstein, in dem sich die Inkluse befindet, ist leider voll von Rissen, so dass es zu vielen Reflektionen kommt. Zudem sind die Inklusen ja hohl, was auch manchmal Schwierigkeiten beim Fotografieren bereitet:
Wenn ich von oben draufblitze schillern die Flügel weiß, wenn ich von unten beleuchte erscheint alles schwarz :'( oder es ist alles einfarbig (gelber Thrips in gelbem Bernstein), so dass man garnix erkennt >:(.
Nach langem Probieren und Überlegen ??? habe ich dann von unten durch einen Blaufilter beleuchtet und zusätzlich von seitlich über zwei Lichtleiter geblitzt. Resultat: gelber Thrips in blauem Bernstein!
Warum "Schmankerl"? Das Tier ist eine neue Art der Gattung Eocranothrips. Bisher sind aus dieser Gattung nur 3 Individuen aus Baltischem Bernstein, eines aus Bitterfelder Bernstein und eines aus Rovno-Bernstein bekannt. Nur eines der 5 genannten ist ein Männchen. Rezente Vertreter dieser Gattung gibt es nicht.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/138220_30067102.jpg)
Eocranothrips n.sp. (männlich). In Baltischem Bernstein (Eozän, ca. 40 Mio Jahre alt) aus Polen (Fundort nahe Danzig).
Das Tier ist winzig und hat eine Körperlänge (ohne Fühler) von nur 0,9mm.
Foto: mit Nikon M-Plan 20 als Stack aus 34 Einzelbildern.
Präparation des Steins wie hier beschrieben https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=18039.msg137857#msg137857.
Herzliche Grüße
Manfred.
Hallo Manfred,
eine interessante Aufnahme. Das Tierchen ist also ausgestorben (keine rezente Vertreter mehr vorhanden).
Du schreibst: ,,Nur eines der 5 genannten ist ein Männchen", was meinst Du damit?
Ich habe vier Arten im Netz gefunden:
† Eocranothrips annulicornis (Bagnall, 1923)
† Eocranothrips compacticornis (Schliephake, 1999)
† Eocranothrips leptocerus (Schliephake, 1999)
† Eocranothrips samlandi (Schliephake, 1999)
Wie heißt die neue Art, hast Du sie entdeckt?
Bei Eocranothrips n.sp., was bedeutet das ,,n.sp." ?
Ich weiß, ich stelle viele Fragen, aber ich bin halt nicht vom Fach und habe keine Lust alles im Netz zu suchen.
Die kleinen Tierchen interessieren mich immer mehr.
Herzliche Grüße
Winfried
Hallo Winfried,
gut recherchiert!
Es wurde je beschriebener Art nur ein eniziges Individuum entdeckt. Die Beschreibungen basieren also alle auf Monotypie (nur ein Holotypus, keine Paratypen).
† Eocranothrips annulicornis (Bagnall, 1923) beschrieben durch Monotypie, Holotypus 1 Weibchen, in der Sammlung von Bagnall, heute im British Museum of Natural History in London.
† Eocranothrips compacticornis (Schliephake, 1999) beschrieben durch Monotypie, Holotypus 1 Männchen, Bernsteinsammlung Hoffeins.
† Eocranothrips leptocerus (Schliephake, 1999) beschrieben durch Monotypie, Holotypus 1 Weibchen, Bernsteinsammlung Hoffeins.
† Eocranothrips samlandi (Schliephake, 1999) beschrieben durch Monotypie, Holotypus 1 Weibchen, Bernsteinsammlung Hoffeins.
† Eocranothrips sp. (publiziert in: Shmakov A.S. & Perkovsky, E.E. 2009: Thrips (Thysanoptera, Insecta) from Rovno Amber, Eocene of Ukraine. Palaeontological Journal 43: 669-674. 1 Weibchen. Art durch Lage im Stein nicht bestimmbar.
Mein Männchen ist also das zweite je entdeckte Männchen neben 4 Weibchen. Das Tier unterscheidet sich in mehreren wichtigen Merkmalen stark von den Weibchen bzw. dem Männchen der oben aufgezählten Arten. Es ist eine neue, bisher unbekannte Art (n.sp. bedeutet nova species, also nichts anderes als neue Art).
Ich bereite momentan eine Publikation über Thysanopteren-Inklusen in Baltischem Bernstein vor. Die neue Art wird neben weiteren dort publiziert. Hier also sozusagen ein "exklusives Vorab-Foto".
Herzliche Grüße
Manfred.
Hallo Manfred!
Tolle Arbeit die du hier präsentierst!
Sag, von diesem Tier ist nur das Chitin übergeblieben, wieso? Ich dachte, die werden mumifiziert wie bei deinem Archankothrips.
Liebe Grüße
Franz
Hallo Franz,
ich stelle hier als Antwort mal einen Bericht von Prof. Dr. Wolfgang Weitschat (Geologisch-Paläontologisches Institut der Universität Hamburg) rein.
"Im Bernstein eingeschlossene Fossilien nennt man Inklusen. Die Einbettung von pflanzlichen und tierischen Organismen im Baumharz gilt als einzigartiges Naturphänomen. Wie ein gläserner Sarg umschließt das fossile Harz Jahrmillionen alte Lebewesen und erlaubt die dreidimensionale Beobachtung ihrer feinsten Strukturen. Inklusen unterscheiden sich von anderen Fossilien dadurch, dass die Organismen meist lebend in das klebrige Harz gerieten. Es entsteht so der Eindruck einer Momentaufnahme des bewegten Lebens und zwar der letzten Sekunden.
Der bei weitem größte Anteil der Inklusen wird in den Schlauben gefunden. Die klebrigen Harzflächen wirken wie ein Fliegenfänger. Die Mehrzahl der Inklusen ist auf den Schichtgrenzen der einzelnen Harzflüsse zu finden. Etwa 30% der Schlauben enthalten Einschlüsse.
In vielerlei Hinsicht sind Inklusen anders als die übrigen Fossilen. Wer würde schon auf die Idee kommen, ein im Bernstein eingeschlossenes Insekt als ,,Versteinerung" zu bezeichnen? In früheren Zeiten hat es sicher nicht an Versuchen gefehlt, ein auf so wunderbare Weise konserviertes Insekt aus dem Harz herauszulösen. Wie groß muß jedoch die Enttäuschung gewesen sein, als man feststellte, das dies zum vollständigen Zerfall des Einschlusses führte. Der Grund dafür ist, dass es sich bei Bernsteininklusen prinzipiell nur um dünn ausgekleidete Hohlräume handelt. Erhalten ist lediglich die widerstandsfähige und schwer zersetzbare Chitinhülle, innen sind Inklusen, abgesehen von wenigen Ausnahmen, hohl. Trotz dieses wenig günstig erscheinenden Umstandes ist die Harzkonservierung bezüglich der Erhaltung von Feinstrukturen und Beobachtungsmöglichkeiten einzigartig in der Paläontologie. Die Art der Fossilisation erlaubt es, Strukturen bis zur Auflösungsgrenze des Lichtmikroskopes zu untersuchen."
Inklusen sind also fast immer hohl. Kritisch für das Fotografieren ist, wenn sich die Chitinhülle komplett auflöst oder sich vom Bernstein ablöst. Dann treten diese weißen Schillereffekte beim Draufblitzen auf.
Anders ist es bei Kopal (z.B. aus Madagaskar), der ja wesentlich jünger ist. Da ist tatsächlich das Insekt (komplett) enthalten.
Beste Grüße
Manfred.
Hallo Manfred!
Besten Dank, sehr interessant!
Hast du schon mal Fluoreszenz bzw. IR-Mikroskopie an deinen Präparaten probiert?
IR z.B. ab 950nm geht ja durch Chitin durch.
Liebe Grüße
Franz
Hallo Franz,
habe ich leider noch nicht. Dazu fehlen mir - da ich als Leherer und nicht an einem Institut arbeite - die Möglichkeiten.
Herzliche Grüße
Manfred.
Hallo Manfred!
Das klingt extremer als es ist....du kannst dir ja auch mit LED´s und Dunkelfeld helfen (für den Versuch), allerdings brauchst du im Falle des IR-Versuchs einen SW-Sensor zum Betrachten und Fotografieren.
Hallo Franz,
ich habe mich damit noch nie befasst. Was meinst Du wäre der Vorteil in der Darstellung?
Grüße
Manfred.
Hallo Manfred!
Ich könnte mir vorstellen, dass du einfach ergänzende Informationen dadurch erhältst, möglicherweise ergeben sich aussagekräftige Overlays mit den lichtmikroskopischen Aufnahmen. In anderen Bereichen wird das bereits so gemacht.
Man sollte es einfach mal ausprobieren!
Hallo Franz,
wie müsste ich vorgehen? Ich bin nie abgeneigt Neues auszuprobieren.
Momentan denke ich da an ein Tier, bei dem ich die Fühler wegen Verwerfungen im Bernstein nicht sehen kann.
Gibt es eine Anleitung für den IR- / Fluoreszensaufbau?
Danke für die Anregungen
Manfred.
Hallo Manfred!
Ich habe dir einmal die Links zu meiner Lieblingsprofessorin kopiert:
http://www.univie.ac.at/mikroskopie/4_advanced/ir/1_einleitung.htm
http://www.univie.ac.at/mikroskopie/4_advanced/uv/1_einleitung.htm
Autofluoreszenz kann man relativ einfach im Durchlichtdunkelfeld machen, wenn man entweder gleich mit der Halogenlampe einem blauen Erregerfilter "Blaulichtfluoreszenz" macht, oder mit einer blauen LRD machen, das gelbe Sperrfilter nicht vergessen!
Die Frequenzen kann man googeln. Man kann den Aufbau bei Aussicht auf Erfolg dann auch wissenschaftlicher angehen....:-))
Liebe Grüße
Franz
Hallo Manfred,
meinen Glückwunsch zu der gefundenen Inkluse und ihrer gelungenen Ablichtung.
Bei unter einem Millimeter Körperlänge muss das Harz schon sehr klar sein oder der Einschluss nahe der Oberfläche liegen, um den Einschluss überhaupt zu entdecken. Wie bist Du auf diese Rarität gestoßen?
Zu dem Stichwort "abgelöste Chitinhülle": Hier gab es vor Jahren eine freudige Überraschung, als ich beim Durchmustern einer Schlaube auf einen Käfer stieß, dessen obere Hälfte von der darüber liegenden Schicht getrennt war. Blauäugig wie ich war, wurde die noch bestehende Verbindung mit dem Fingernagel abgebrochen.
Das Ergebnis - ich meine es ist ein Baummulmkäfer, 3mm lang - darf ich hoffentlich in Deinem Beitrag einmal zeigen.
Herzliche Grüße und Danke für Deinen Beitrag
Frank
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/138298_47439672.jpg) (http://s432.photobucket.com/user/eisenmeteorit/media/Forum/Baummulmkaumlfer_zpsf3d1f3d9.jpg.html)
Hallo Frank,
wow, das ist selten so zu sehen. Tolles Objekt und tolles Foto! Hoffentlich hält es sich auf Dauer! Bernstein altert ja und vermutlich leider auch die Inkluse, die nun an der Oberfläche liegt. Ist das auch Baltischer Bernstein?
Der Einschluss bei meinen Winzlingen muss immer sehr nahe an der Oberfläche liegen, ich präpariere mir die Steine zurecht und schleife bis nahe an das Tier heran. Ich habe die Vorgehensweise hier geschildert: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=18039.0.
Auch hier ist nochmals ein Foto: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=18072.0.
Die Steine kaufe ich bei unterschiedlichen Händlern in Polen und Litauen oder auf Ebay entweder schon als dünne Scheibchen oder ich säge mir das so zurecht und verkaufe den restlichen verbleibenden Stein wieder.
Herzliche Grüße und danke für's Zeigen Deiner Rarität.
Manfred.
Hallo Franz,
Danke für die Links!
Beste Grüße
Manfred.
mir lag der Hinweis auf IR Mikroskopie auch schon auf der Tastatur, aber Franz war schneller;
wenn es euch nichts ausmacht wäre es schön wenn die LINKS auch öffentlich wären
PS: Peter h(öbel) hier im Forum hatte schon einige Male etwas dazu gezeigt und wäre ggf (d)ein Ansprechpartner, sicher für das primär nicht sichtbare Licht berufener ist als ich ;)
Hallo Stefan,
Vielen Dank.
Welcher Link ist nicht öffentlich? ??? Es sollten natürlich alle öffentlich sein!?
Grüße
Manfred.
Hallo Manfred,
ui des Lesens war wohl nicht mehr so ganz mächtig , entschuldige bitte
und auch von mir Gratulation zur Entdeckung
jetzt bin ich aber wieder beruhigt. ;D
Ich bin ja noch nicht so lange in diesem Forum und habe schon begonnen meine "falschen Einstellungen" zu suchen!
Liebe Grüße
Manfred.
Hallo Manfred,
Du schreibst: ,,Mein Männchen ist also das zweite je entdeckte Männchen neben 4 Weibchen. Das Tier unterscheidet sich in mehreren wichtigen Merkmalen stark von den Weibchen bzw. dem Männchen der oben aufgezählten Arten. Es ist eine neue, bisher unbekannte Art (n.sp. bedeutet nova species, also nichts anderes als neue Art)."
Es ist also nicht:
† Eocranothrips annulicornis (Bagnall, 1923)
† Eocranothrips compacticornis (Schliephake, 1999)
† Eocranothrips leptocerus (Schliephake, 1999)
† Eocranothrips samlandi (Schliephake, 1999)
Kannst Du mir die wichtigen Merkmale, die Du entdeckt hast bitte beschreiben, denn ich möchte mehr von diesen Tierchen erfahren.
Zur Taxonomie der Tierchen braucht man mit Sicherheit kein IR- oder UV - Licht-Verfahren.
Herzliche Grüße
Winfried
Hallo Winfried,
es ist keine von den 4 genannten Arten. Die Taxonomie der Thysanopteren beruht oft auf Längenverhältnissen und der Anzahl bestimmter Borsten. Diese sind innerhalb der Arten konstant, aber zwischend den Arten eben verschieden.
Bei meiner neuen Art ist die Chaetotaxis (die Beborstung) des Prothorax anders als bei den bisher bekannten. Aber auch die Antennen sind ganz anders als z.B. bei E. samlandii.
Die ganz genaue Beschreibung der neuen Art möchte ich hier noch nicht reinstellen, aber sobald sie publiziert ist schicke ich Dir einen Sonderdruck oder ein pdf!
Vielleicht nur so viel: Das Tier passt nicht in folgendes Schema der Abmessungen:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/138354_43209450.jpg)
Aus Schliephake (1999): Fossile Thrips of the Baltic and Saxonian Tertiary Amber from the Collections of Hoffeins.
Wobei:
pL: Teillänge Fühlerglied 3 - 9
tL: Gesamtlänge
s.ioc.: Interoccelarborsten
D oc: Distanz der Ozellen
s.poc.: Länge der Postoccellarborsten
s.pok: Länge der Postokularborsten
s.am: Länge der prothorakalen Anteromarginalborsten
D. am: Distanz der prothorakalen Anteromarginalborsten
s. ml: Länge der prothorakalen Mediolateralborsten
s.pa: Länge der prothorakalen Posteroangularborsten
s.mpm Länge der medianen prothorakalen Posteromarginalborsten
D mpm: Distanz der medianen prothorakalen Posteromarginalborsten
Sind nur die wichtigsten ... manchmal gibt es noch innere (interior) und äußere (exterior)
Natürlich gibt es auch an den anderen Brustsegmenten und am Abdomen Borsten oder Form- und Längenmerkmale, die zur Bestimmung einer Art wichtig sind.
Hier auch noch mal ein Bild, um darzustellen, wo das ganze "Geborste" liegt!
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/138354_55245798.jpg)
Das ist nicht ganz so einfach und es gehört schon viel Übung und Erfahrung dazu, diese Tiere sicher ansprechen zu können. Wer hier Taxonomie betreiben möchte, der muss erst mal mit den rezenten Arten klarkommen. Auch die können sehr viele Probleme bereiten, wenn man der europäischen Kontinent verlässt. Bezüglich einiger Gattungen (z.B. Elaphrothrips, das sind große Tiere von oft über 1 cm Körperlänge, die in den Tropen vorkommen) wurden schon ganze Monographien geschrieben, mit denen man gar nichts anfangen kann. Der Autor hat Merkmale gewählt, bei denen sich herausstellte, dass sie variabel sind. Folglich sind die Bestimmungsschlüssel Müll und funktionieren nicht!
Herzliche Grüße
Manfred.
Hallo Manfred,
danke für die Informationen, da erscheint das was ich bisher über die Thysanopteren gelesen habe in einem anderen Licht. Die Auswertung der Messwerte wird, so wie ich das recherchiert habe, mit einer Software gemacht, die die Werte mit bekannten Arten vergleicht. Hast Du eine spezielle Software zum Vermessen der Tierchen?
Herzliche Grüße
Winfried
Hallo Winfried,
ich benutze zur Bestimmung rezenter Arten keine Software. Es gibt diese Software für Arten, die Schädlinge an Kulturpflanzen sind. Es sind - selbst in Mitteleuropa - beiweitem nicht alle Arten in der Software verzeichnet.
Da hilft nur der alte gute Bestimmungsschlüssel!
Außerhalb der europäischen Fauna ist eine Bestimmung oft nur durch Lesen vieler Erstbeschreibungen und den Vergleich mit dem Typusmaterial möglich.
Ich glaube Laurence Mound (et. al.?... müsste ich nachschauen) hat mal eine Software gemacht, die man mit bestimmten Werten "füttert". Man erhält dann eine grobe Eingrenzung für fossile Gattungen / Familien. Das kann sinnvoll sein, wenn man einige Merkmale nicht gut sehen kann, weil das Fossil eine ungünstige Lage hat. Ich habe diese Softwarte selbst nicht, habe aber Laurence mal gebeten die Daten eines Tieres auszuwerten. Aber wie gesagt, das hilft nur weiter bis zu Familien und evtl. Gattungen.
Herzliche Grüße
Manfred.