Hallo in die Runde,
das Anfertigen von Dauerpräparaten von bdelloide Rädertiere ist im Amateurbereich nicht weit verbreitet. Da die Tiere die unangenehme Eigenart haben, sich beim geringsten Kontakt mit der Fixier-Flüssigkeit zusammenzuziehen, müssen sie vor dem Fixieren narkotisiert werden. Die im Profibereich verwendeten Narkotika kommen wegen Ihrer Giftigkeit oder gesetzlicher Beschränkungen (Cocain) für den Amateur nicht in Frage und die meisten Amateure beschränken sich deshalb auf Lebendbeobachtungen.
Da mir die Herstellung von Dauerpräparaten bei monogonaten Rädertieren einigermaßen gelungen ist (siehe den Bericht im Schwesterforum: http://www.mikro-tuemplerforum.at/viewtopic.php?f=45&t=304), habe ich mein Glück mit einer etwas modifizierten Methode bei Rotaria neptunia versucht, die ich hier vorstellen möchte.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/193270_47107968.jpg)
Bild 1: R. neptunia, Übersicht, PL10; A: ventral; B: lateral, Eosin
Die Tiere wurden mit 20% MgCl2-Lösung (2g 20g MgCl2-Hexahydrat auf 100ml Wasser) betäubt und nach ca. 5 min in Frischwasser umgesetzt. Im Frischwasser expandieren die Tiere innerhalb einiger Stunden und versterben dann einigermaßen gestreckt. Fixierung in 4% Formaldehyd (ca. 2h). Ein Tier wurde für ca. 5 min mit Eosin gefärbt. Der Einschluss erfolgte in ca. 0,4% Formaldehydlösung.
In Bild 1 erkennt man, dass die Tiere nicht vollständig expandiert sind. Vor allem der Fuß wurde nicht vollständig ausgefahren. Obwohl die Trochi expandiert sind, wurden die Cilien des Räderorgans nicht entfaltet. Rumpf und Kopf scheinen ansonsten voll entspannt zu sein.
Ein Vorteil eines Dauerpräparates ist, dass der innere Aufbau der Tiere gut sichtbar ist:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/193270_39483781.jpg)
Bild 2: R. neptunia, Übersicht, PL25; A: ventral; B: lateral, Eosin
Folgend möchte ich noch kommentarlos ein paar Impressionen zeigen:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/193270_31939709.jpg)
Bild 3: R. Neptunia, Muskel, PL100
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures007/193270_61302538.jpg)
Bild 4: R. Neptunia, nicht expandierter Fuß, PL100
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/193270_28000798.jpg)
Bild 5: R. Neptunia, Trochus, Eosin, PL100
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/193270_52076402.jpg)
Bild 6: R. Neptunia, Trophi, PL100; A: ventral; B: lateral, Eosin
Ich denke, dass es diese Methode in Ihrer Einfachheit auch Amateuren ermöglicht, Dauerpräparate von bdelloiden Rädertieren zu erstellen und damit die Lebendbeobachtung durch Detailstudien zu ergänzen.
Viele Grüße,
Michael
Hallo Michael,
hochinteressanter Beitrag!
Da ich in Kursen auf Vergleichs- also Dauerpräparate angewiesen bin, hilft mir das schon weiter; das will ich gerne ausprobieren.
Kokain gibts, glaube ich, in kleinen Tüten am Bahnhof :-)
Grüße
Wolfgang
Hallo Michael,
interessanter Bericht, die Möglichkeit ein regungsloses Rädertierchen in aller Ruhe zu betrachten, ist schon interessant, aber an zwei Stellen erscheint mir etwas seltsam:
Zitat20% MgCl2-Lösung (2g MgCl2-Hexahydrat auf 100ml Wasser)
und
ZitatDer Einschluss erfolgte in ca. 0,4% Foraldehydlösung
Du sprichst von Dauerpräparat, wenn ich vermute, dass 0,4% Formaldehydlösung gemeint ist, dann ist dass doch wohl kein Einschlussmittel, mit dem sich Dauerpräparate herstellen ließen?
vlg
Timm
Hallo Michael
20 % ist nicht 2 g / 100 ml (= 0 2 %9
MfG Claus
Zitat von: cle in April 11, 2016, 15:09:25 NACHMITTAGS
Hallo Michael
20 % ist nicht 2 g / 100 ml (= 2 %)
Bei LIDL gibt es Brausetabletten Magnesium, kann man die nehmen ?
MfG Claus
Hallo Timm,
Du hast natürlich recht, es muss heißen: 20g MgCl2-Hexahydrat auf 100ml Wasser - ich habe das im Beitrag korrigiert.
Ein Dauerpräparat mit wässrigem Einschluss ist durchaus möglich. Das Problem ist, dass der Deckglasrand gut abgedichtet werden muss. Wenn gewünscht, kann ich gerne eine genauer Anleitung nachliefern. Lt. Literatur sollten diese Präparate dann auch Jahre halten. Mein ältestes Präparat ist ca. 9 Monate alt und - bis auf fortschreitende Entfärbung wegen des Formaldehyds - noch einwandfrei.
Ein Einschluss in Kunstharz klappt bei Rädertieren nicht, da sie die nötige Entwässerung nicht vertragen. Einen Einschluss in Glyzerin und in Includal A habe ich ebenfalls erfolgreich ausprobiert.
Viele Grüße,
Michael
Hallo Claus,
da haben sich unsere Antworten überschnitten - der Fehler bei der Konzentrationsangabe ist behoben.
Ob Du mit Brausetabletten die nötige Konzentration herstellen kannst und die Rädertiere die Aromen und das CO2 vertragen, glaube ich nicht. MgCl2 ist über Ebay billig zu erhalten und ist als Lebensmittelzusatz zugelassen und ungiftig.
Liebe Grüße,
Michael
Hallo Michael,
versuch doch mal die Tierchen in Polyvinylactophenol einzubetten. Ich habe damit bei Bärtierchen sehr gute Erfahrungen gemacht.Was bei denen geht, geht bei Rotatorien bestimmt auch. Viel Erfolg!
Hallo Thilo und Dünnschliffbohrer,
vielen Dank für Eure Hinweise zu den unterschiedlichen Einschlussmöglichkeiten.
@Dünnschliffbohrer:
Polyvinylactophenol als wasserlösliches Einschlussmittel wollte ich schon immer mal ausprobieren. Halten darin auch Färbungen? Kennst Du eine Bezugsquelle?
@Thilo:
Den Einschluss in Euparal habe ich bei den Rädertieren getestet. Dabei gibt es zwei Probleme:
- Durch eine noch so schonende Entwässerung über die Alkoholreihe schrumpfen die inneren Organe der Rädertiere sehr stark zusammen, während die äußere Hülle nicht schrumpft. Dies führt zu unbrauchbaren Präparaten. Bei allen anderen Protisten, bei denen ich diesen Einschluss getestet habe, ist dieser Effekt zwar auch vorhanden, aber nicht so stark. Ich dachte auch lange, dass ich bei der Entwässerung irgendwas falsch mache, bis ich im Gray gelesen habe, dass bei Rädertieren keine schonende Möglichkeit für die Entwässerung bekannt ist und deshalb ein wässriger Einschluss empfohlen wird.
- Selbst wenn die Entwässerung klappen würde, kollabieren die "hohlen" Rädertiere aufgrund osmotischer Prozesse beim Überführen in Euparal. Man müsste dann in sehr verdünntes Euparal überführen, das dann über einen möglichst langen Zeitraum eindicken sollte. Diesen Versuch habe ich mir erspart.
- Der Brechungsindex der Kunstharze ist relativ hoch. Dies ist erwünscht bei Amplitudenobjekten (z.B. gefärbten Tieren), da so die Farben leuchtender herauskommen. Ungefärbte Rädertiere sind aber leider praktisch reine Phasenobjekte. Ein Einschluss im ein hochbrechendes Medium verringert den Kontrast und die Tiere sind nahezu unsichtbar.
Deshalb war es mir wichtig, einen Einschluss zu wählen, bei dem auf eine Entwässerung verzichtet wird und bei dem der Brechungsindex nicht zu hoch ist. Der Einschluss in Wasser (mit Formaldehyd als Konservierungsmittel) erfüllt diese Voraussetzungen und ergibt - bei sorgfältiger Durchführung - ebenfalls jahrelang haltbare Präparate.
Alternativ dazu habe ich auch Präparate in Glyzerin erstellt. Hier ist der Einschluss etwas einfacher und die Haltbarkeit liegt bei Jahrzehnten. Das Problem ist eher, dass frisch fixierte Tiere erst nach einer wochenlangen Liegezeit in Glyzerin als Präparat eingeschlossen werden können. Da sich die Augflecken der Tiere aber (auch im wässrigen Präparat) bereits nach einigen Tagen entfärben, sind diese in Glyzerin nicht mehr sichtbar, im frischen wässrigen Einschluss aber schon.
Viele Grüße
Michael
ZitatPolyvinylactophenol als wasserlösliches Einschlussmittel wollte ich schon immer mal ausprobieren. Halten darin auch Färbungen? Kennst Du eine Bezugsquelle?
Bei den Färbungen weiss ich das nicht so genau. Viele halten sich angeblich nicht, habe aber dazu keine eigenen Erfahrungen, weil ich fast nie färbe. Aber Chloropyll bei Algen, z.B.
Euglena hatte sich über viele Jahre gehalten, ist aber schließlich dann doch braun geworden. Die Präparate waren aber nicht umrandet.
Ich hatte mein Fläschchen vor Jahren in Berlin bei Fiebig gekauft. Ob die es regelmäßig haben, weiss ich nicht. Mal fragen, vielleicht können die zumindest weiter helfen.
Hallo Michael,
herzlichen Glückwunsch! Wirklich ganz super gelungen, Deine Dauerpräparate!
Ich habe mich auch an Dauerpräparaten von bdelloiden Rädertieren versucht und hab nur verstümmelte Gebilde erzeugt. Allerdings scheint es bei mir an der Entwässerung usw. gelegen zu haben. Zur Abtötung im gestreckten Zustand habe ich die "Heißwasser-Methode" verwendet. CO2 hat nicht funktioniert und diverse andere Mittelchen auch nicht. Hat mit dem kochenden Wasser halbwegs funktioniert, aber Deine MgCl2-Methode scheint viel besser zu sein. Nur wie dann weiter?
Aufgrund der geringen Oberflächenspannung von Alkohol ist es auch sehr schwierig die Tierchen zu pipettieren, die wirbeln vor lauter Konvektionsströmungen ganz wild darin herum. Im Wasser zu bleiben wäre darum auch gut.
Wie dichtest Du die Deckgläser ab wenn Du in einer wässrigen Lösung ein Dauerpräparat herstellst? Ist da ein Euparal-Ring drum und wenn ja, wie kriegst Du das hin?
Viele Grüße
Jens
Hallo Jens und Thilo,
danke für Eure Berichte zur Präparation. Mit diesen Problemen habe ich auch lange gekämpft. Vielleicht hilft es Euch, wenn ich über die Verfahren berichte, mit denen ich die besten Erfahrungen gemacht habe.
Wässriger Einschluss in Formaldehyd-WasserDie meisten Tiere können direkt in Formaldehyd-Wasser oder – nach ca. 24h Fixierungszeit – in Glyzerin eingeschlossen werden. Da die Augflecken der Rädertiere sich durch den Aufenthalt in Formaldehyd relativ schnell entfärben, habe ich mich für die erste Methode entschieden, da diese erlaubt, die Präparate noch vor der vollständigen Fixierung zu verwenden. Der wässrige Einschluss ist am schonendsten, da keine Nachbehandlung nötig ist.
- Die Tiere werden in einen kleinen Tropfen 0,4%-Formaldehyd auf dem Objektträger gebracht.
- Um das Deckglas wasserdicht abzuschließen, muss es vollständig mit Vaseline umrahmt werden. Dazu verstreicht man etwas Vaseline auf dem Handballen und streiche mit den Deckglasrändern eine kleine Menge ab. An jedem Deckglasrand ist jetzt ein dünner Vaseline-Steg angebracht.
- Das Deckglas wird auf den Tropfen mit den Tieren gelegt und vorsichtig angedrückt. Durch eine Mikroskopkontrolle kann so die Schichtdicke vorsichtig optimiert werden.
- Ist die gewünscht Schichtdicke erreicht, wird der Objektträger unter den Deckglasrändern mit einem Feuerzeug vorsichtig erhitzt. Die Vaseline schmilzt auf und gewährleistet nach dem Abkühlen einen luftdichten Abschluss
- Zur Sicherheit sollte das Deckglas noch mit transparentem Nagellack umrahmt werden. Dazu fixiert man zuerst die Ecken mit jeweils einem Tropfen Nagellack und lässt min. 30 min durchtrocknen. Nun kann gefahrlos die überstehende Vaseline mit einem Alkohol getränkten Tuch entfernt werden. Nun wird das Deckglas vollständig umrahmt (die Ecken nicht vergessen).
Bei dieser Art der Präparation verbleiben nahezu immer einige Luftblasen unter dem Deckglas, die aber weiter nicht stören.
Über die Langzeitstabilität solcher Präparate kann ich nichts sagen. Mein ältestes (und noch recht schlampig gemachtes) Präparat stammt aus dem Juni letzten Jahres. Da auch die Präparation von Ciliaten angesprochen wurde, möchte ich zwei Bilder aus diesem Präparat zeigen:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/193408_23277031.jpg)
Lacrymaria olor und Coleps sp., Fixiert mit Formaldehyd, gestackt mit Picolay aus 3 EinzelaufnahmenDieses Bild ist schon älter und wurde ca. 1 Monat nach Präparateerstellung aufgenommen. Im Laufe der Zeit entfärben sich die Präparate:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/193408_40833457.jpg)
Pediastrum sp., Aufnahme heute, Fixiert mit FormaldehydDer Vorteil dieser Präparationsmethode ist, dass eine Nachbehandlung der Objekte zum Einschluss nicht nötig ist. Selbst die Fixierung muss noch nicht vollständig abgeschlossen sein, da die Objekte im Präparat ,,nachfixiert" werden.
Will (oder muss) man kleine Objekte entwässern, so haben sich bei mir zwei Methoden bewährt:
- Entwässern mit einer Färbebrücke: Viele Objekte haben an der Oberfläche genügend Eiweiß, so dass sie direkt auf ein Deckglas fixiert werden können. Durch die Denaturierung des Eiweiß kleben die Objekte dann am Deckglas fest. Das Deckglas kann dann auf einen Objektträger mit Abstandshaltern (z. B. aufgeklebte Abschnitte eines andern Objektträgers) ,,über Eck" gelegt werden und die Alkohollösungen können unter das DG pipettiert bzw. wieder abgesaugt werden, ohne das das Objekt verloren geht. Das DG kann dann direkt für das Präparat verwendet werden. Oft wird empfohlen, das DG vorher mit Glyzerin-Eiweiß zu behandeln. Damit habe ich aber keine Erfahrung.
- Wenn Objekte partout nicht auf dem DG haften wollen (und sie groß genug sind) färbe und entwässere ich mit Siebtöpfchen. Dazu klebe ich mit Heißkleber ein Stück eines möglichst dicht gewebten Stoffes auf ein Ende eines kleinen Plastikröhrchens (Durchmesser ca. 5 mm). Dieses Siebtöpfchens stelle ich in eine Uhrglasschale in die ich etwas Probenwasser gebe und pipettiere die Objekte in das Röhrchen. Durch Zugabe von Formaldehyd werden die Objekte im Röhrchen fixiert. Um das Austrocknen bei einer längeren Fixierdauer zu vermeiden, decke ich die Lösung mit einen kleinen, runden Deckel ab, dessen Ränder ich mit Vaseline eingeschmiert habe. Durch die Form der Uhrglasschale erzielt man so einen guten Luftabschluss. Nach der Fixierung wird die Fixierlösung außerhalb des Röhrchens abgesaugt und mit den aufsteigenden Alkoholreihen ersetzt. Ggf. kann auch gefärbt werden. Die Objekte bleiben bis zum Ende im Siebtöpfchen und werden erst vor dem Einschluss mit einem scharfen Strahl mit der Pipette ausgespült.
Zum Fixieren habe ich mit schwacher Formaldehydlösung (ca. 4%) auch bei Ciliaten gute Erfahrungen gemacht. Der Erfolg mag aber artspezifisch sein. Die meisten ,,Unglücke" passieren bei mir bei der Nachbehandlung.
Ich hoffe Euch damit ein wenig weiter geholfen zu haben.
Viele Grüße
Michael
Hallo Michael,
danke für die Hinweise.
Wie gesagt: echt tolle Präparate. Hätte nie gedacht, dass man das so gut hinbekommt.
(Gerne würde ich auch paar Bilder von Ciliaten oder anderen kleinen Wasserbewohnern als Dauerpräparat sehen, man findet dazu nicht viel und es heißt immer, die Dauerpräparate sind so unansehnlich, dass es sich nicht lohnt...)
Das motiviert mich, auch nochmal die Präparation von bdelloiden Rädertieren als Dauerpräparat zu versuchen.
Viele Grüße
Jens