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Foren => Mikrofoto-Forum => Thema gestartet von: Michael Müller in April 11, 2016, 13:19:09 NACHMITTAGS

Titel: Dauerpräparate von Rotaria neptunia
Beitrag von: Michael Müller in April 11, 2016, 13:19:09 NACHMITTAGS
Hallo in die Runde,

das Anfertigen von Dauerpräparaten von bdelloide Rädertiere ist im Amateurbereich nicht weit verbreitet. Da die Tiere die unangenehme Eigenart haben, sich beim geringsten Kontakt mit der Fixier-Flüssigkeit zusammenzuziehen, müssen sie vor dem Fixieren narkotisiert werden. Die im Profibereich verwendeten Narkotika kommen wegen Ihrer Giftigkeit oder gesetzlicher Beschränkungen (Cocain) für den Amateur nicht in Frage und die meisten Amateure beschränken sich deshalb auf Lebendbeobachtungen.
Da mir die Herstellung von Dauerpräparaten bei monogonaten Rädertieren einigermaßen gelungen ist (siehe den Bericht im Schwesterforum: http://www.mikro-tuemplerforum.at/viewtopic.php?f=45&t=304), habe ich mein Glück mit einer etwas modifizierten Methode bei Rotaria neptunia versucht, die ich hier vorstellen möchte.

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/193270_47107968.jpg)
Bild 1: R. neptunia, Übersicht, PL10; A: ventral; B: lateral, Eosin

Die Tiere wurden mit 20% MgCl2-Lösung (2g 20g MgCl2-Hexahydrat auf 100ml Wasser) betäubt und nach ca. 5 min in Frischwasser umgesetzt. Im Frischwasser expandieren die Tiere innerhalb einiger Stunden und versterben dann einigermaßen gestreckt. Fixierung in 4% Formaldehyd (ca. 2h). Ein Tier wurde für ca. 5 min mit Eosin gefärbt. Der Einschluss erfolgte in ca. 0,4% Formaldehydlösung.
In Bild 1 erkennt man, dass die Tiere nicht vollständig expandiert sind. Vor allem der Fuß wurde nicht vollständig ausgefahren. Obwohl die Trochi expandiert sind, wurden die Cilien des Räderorgans nicht entfaltet. Rumpf und Kopf scheinen ansonsten voll entspannt zu sein.
Ein Vorteil eines Dauerpräparates ist, dass der innere Aufbau der Tiere gut sichtbar ist:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/193270_39483781.jpg)
Bild 2: R. neptunia, Übersicht, PL25; A: ventral; B: lateral, Eosin

Folgend möchte ich noch kommentarlos ein paar Impressionen zeigen:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/193270_31939709.jpg)
Bild 3: R. Neptunia, Muskel, PL100

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures007/193270_61302538.jpg)
Bild 4: R. Neptunia, nicht expandierter Fuß, PL100

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/193270_28000798.jpg)
Bild 5: R. Neptunia, Trochus, Eosin, PL100

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/193270_52076402.jpg)
Bild 6: R. Neptunia, Trophi, PL100; A: ventral; B: lateral, Eosin

Ich denke, dass es diese Methode in Ihrer Einfachheit auch Amateuren ermöglicht, Dauerpräparate von bdelloiden Rädertieren zu erstellen und damit die Lebendbeobachtung durch Detailstudien zu ergänzen.

Viele Grüße,

Michael


Titel: Re: Dauerpräparate von Rotaria neptunia
Beitrag von: liftboy in April 11, 2016, 13:49:56 NACHMITTAGS
Hallo Michael,

hochinteressanter Beitrag!
Da ich in Kursen auf Vergleichs- also Dauerpräparate angewiesen bin, hilft mir das schon weiter; das will ich gerne ausprobieren.
Kokain gibts, glaube ich, in kleinen Tüten am Bahnhof :-)

Grüße
Wolfgang
Titel: Re: Dauerpräparate von Rotaria neptunia
Beitrag von: treinisch in April 11, 2016, 13:50:29 NACHMITTAGS
Hallo Michael,

interessanter Bericht, die Möglichkeit ein regungsloses Rädertierchen in aller Ruhe zu betrachten, ist schon interessant, aber an zwei Stellen erscheint mir etwas seltsam:

Zitat20% MgCl2-Lösung (2g MgCl2-Hexahydrat auf 100ml Wasser)

und

ZitatDer Einschluss erfolgte in ca. 0,4% Foraldehydlösung

Du sprichst von Dauerpräparat, wenn ich vermute, dass 0,4% Formaldehydlösung gemeint ist, dann ist dass doch wohl kein Einschlussmittel, mit dem sich Dauerpräparate herstellen ließen?

vlg
Timm
Titel: Re: Dauerpräparate von Rotaria neptunia
Beitrag von: cle in April 11, 2016, 15:09:25 NACHMITTAGS
Hallo Michael
20 % ist nicht 2 g / 100 ml (= 0 2 %9

MfG Claus
Titel: Re: Dauerpräparate von Rotaria neptunia
Beitrag von: cle in April 11, 2016, 15:22:00 NACHMITTAGS
Zitat von: cle in April 11, 2016, 15:09:25 NACHMITTAGS
Hallo Michael
20 % ist nicht 2 g / 100 ml (=  2 %)

Bei LIDL gibt es Brausetabletten Magnesium, kann man die nehmen ?
MfG Claus
Titel: Re: Dauerpräparate von Rotaria neptunia
Beitrag von: Michael Müller in April 11, 2016, 15:24:36 NACHMITTAGS
Hallo Timm,

Du hast natürlich recht, es muss heißen: 20g MgCl2-Hexahydrat auf 100ml Wasser - ich habe das im Beitrag korrigiert.

Ein Dauerpräparat mit wässrigem Einschluss ist durchaus möglich. Das Problem ist, dass der Deckglasrand gut abgedichtet werden muss. Wenn gewünscht, kann ich gerne eine genauer Anleitung nachliefern. Lt. Literatur sollten diese Präparate dann auch Jahre halten. Mein ältestes Präparat ist ca. 9 Monate alt und - bis auf fortschreitende Entfärbung wegen des Formaldehyds - noch einwandfrei.

Ein Einschluss in Kunstharz klappt bei Rädertieren nicht, da sie die nötige Entwässerung nicht vertragen. Einen Einschluss in Glyzerin und in Includal A habe ich ebenfalls erfolgreich ausprobiert.

Viele Grüße,

Michael
Titel: Re: Dauerpräparate von Rotaria neptunia
Beitrag von: Michael Müller in April 11, 2016, 15:41:42 NACHMITTAGS
Hallo Claus,

da haben sich unsere Antworten überschnitten - der Fehler bei der Konzentrationsangabe ist behoben.

Ob Du mit Brausetabletten die nötige Konzentration herstellen kannst und die Rädertiere die Aromen und das CO2 vertragen, glaube ich nicht. MgCl2 ist über Ebay billig zu erhalten und ist als Lebensmittelzusatz zugelassen und ungiftig.

Liebe Grüße,

Michael
Titel: Re: Dauerpräparate von Rotaria neptunia
Beitrag von: Dünnschliffbohrer in April 11, 2016, 19:54:04 NACHMITTAGS
Hallo Michael,
versuch doch mal die Tierchen in Polyvinylactophenol einzubetten. Ich habe damit bei Bärtierchen sehr gute Erfahrungen gemacht.Was bei denen geht, geht bei Rotatorien bestimmt auch. Viel Erfolg!
Titel: Re: Dauerpräparate von Rotaria neptunia
Beitrag von: Michael Müller in April 12, 2016, 08:19:36 VORMITTAG
Hallo Thilo und Dünnschliffbohrer,

vielen Dank für Eure Hinweise zu den unterschiedlichen Einschlussmöglichkeiten.

@Dünnschliffbohrer:
Polyvinylactophenol als wasserlösliches Einschlussmittel wollte ich schon immer mal ausprobieren. Halten darin auch Färbungen? Kennst Du eine Bezugsquelle?

@Thilo:
Den Einschluss in Euparal habe ich bei den Rädertieren getestet. Dabei gibt es zwei Probleme:

Deshalb war es mir wichtig, einen Einschluss zu wählen, bei dem auf eine Entwässerung verzichtet wird und bei dem der Brechungsindex nicht zu hoch ist. Der Einschluss in Wasser (mit Formaldehyd als Konservierungsmittel) erfüllt diese Voraussetzungen und ergibt - bei sorgfältiger Durchführung - ebenfalls jahrelang haltbare Präparate.
Alternativ dazu habe ich auch Präparate in Glyzerin erstellt. Hier ist der Einschluss etwas einfacher und die Haltbarkeit liegt bei Jahrzehnten. Das Problem ist eher, dass frisch fixierte Tiere erst nach einer wochenlangen Liegezeit in Glyzerin als Präparat eingeschlossen werden können. Da sich die Augflecken der Tiere aber (auch im wässrigen Präparat) bereits nach einigen Tagen entfärben, sind diese in Glyzerin nicht mehr sichtbar, im frischen wässrigen Einschluss aber schon.


Viele Grüße

Michael
Titel: Re: Dauerpräparate von Rotaria neptunia
Beitrag von: Dünnschliffbohrer in April 12, 2016, 18:51:04 NACHMITTAGS
ZitatPolyvinylactophenol als wasserlösliches Einschlussmittel wollte ich schon immer mal ausprobieren. Halten darin auch Färbungen? Kennst Du eine Bezugsquelle?

Bei den Färbungen weiss ich das nicht so genau. Viele halten sich angeblich nicht, habe aber dazu keine eigenen Erfahrungen, weil ich fast nie färbe. Aber Chloropyll bei Algen, z.B. Euglena hatte sich über viele Jahre gehalten, ist aber schließlich dann doch braun geworden. Die Präparate waren aber nicht umrandet.

Ich hatte mein Fläschchen vor Jahren in Berlin bei Fiebig gekauft. Ob die es regelmäßig haben, weiss ich nicht. Mal fragen, vielleicht können die zumindest weiter helfen.
Titel: Re: Dauerpräparate von Rotaria neptunia
Beitrag von: Jenz in April 12, 2016, 21:21:32 NACHMITTAGS
Hallo Michael,

herzlichen Glückwunsch! Wirklich ganz super gelungen, Deine Dauerpräparate!

Ich habe mich auch an Dauerpräparaten von bdelloiden Rädertieren versucht und hab nur verstümmelte Gebilde erzeugt. Allerdings scheint es bei mir an der Entwässerung usw. gelegen zu haben. Zur Abtötung im gestreckten Zustand habe ich die "Heißwasser-Methode" verwendet. CO2 hat nicht funktioniert und diverse andere Mittelchen auch nicht. Hat mit dem kochenden Wasser halbwegs funktioniert, aber Deine MgCl2-Methode scheint viel besser zu sein. Nur wie dann weiter?
Aufgrund der geringen Oberflächenspannung von Alkohol ist es auch sehr schwierig die Tierchen zu pipettieren, die wirbeln vor lauter Konvektionsströmungen ganz wild darin herum. Im Wasser zu bleiben wäre darum auch gut.

Wie dichtest Du die Deckgläser ab wenn Du in einer wässrigen Lösung ein Dauerpräparat herstellst? Ist da ein Euparal-Ring drum und wenn ja, wie kriegst Du das hin?

Viele Grüße
Jens
Titel: Re: Dauerpräparate von Rotaria neptunia
Beitrag von: Michael Müller in April 13, 2016, 10:41:27 VORMITTAG
Hallo Jens und Thilo,

danke für Eure Berichte zur Präparation. Mit diesen Problemen habe ich auch lange gekämpft. Vielleicht hilft es Euch, wenn ich über die Verfahren berichte, mit denen ich die besten Erfahrungen gemacht habe.

Wässriger Einschluss in Formaldehyd-Wasser
Die meisten Tiere können direkt in Formaldehyd-Wasser oder – nach ca. 24h Fixierungszeit – in Glyzerin eingeschlossen werden. Da die Augflecken der Rädertiere sich durch den Aufenthalt in Formaldehyd relativ schnell entfärben, habe ich mich für die erste Methode entschieden, da diese erlaubt, die Präparate noch vor der vollständigen Fixierung zu verwenden. Der wässrige Einschluss ist am schonendsten, da keine Nachbehandlung nötig ist.
Bei dieser Art der Präparation verbleiben nahezu immer einige Luftblasen unter dem Deckglas, die aber weiter nicht stören.
Über die Langzeitstabilität solcher Präparate kann ich nichts sagen. Mein ältestes (und noch recht schlampig gemachtes) Präparat stammt aus dem Juni letzten Jahres. Da auch die Präparation von Ciliaten angesprochen wurde, möchte ich zwei Bilder aus diesem Präparat zeigen:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/193408_23277031.jpg)
Lacrymaria olor und Coleps sp., Fixiert mit Formaldehyd, gestackt mit Picolay aus 3 Einzelaufnahmen

Dieses Bild ist schon älter und wurde ca. 1 Monat nach Präparateerstellung aufgenommen. Im Laufe der Zeit entfärben sich die Präparate:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/193408_40833457.jpg)
Pediastrum sp., Aufnahme heute, Fixiert mit Formaldehyd

Der Vorteil dieser Präparationsmethode ist, dass eine Nachbehandlung der Objekte zum Einschluss nicht nötig ist. Selbst die Fixierung muss noch nicht vollständig abgeschlossen sein, da die Objekte im Präparat ,,nachfixiert" werden.

Will (oder muss) man kleine Objekte entwässern, so haben sich bei mir zwei Methoden bewährt:
Zum Fixieren habe ich mit schwacher Formaldehydlösung (ca. 4%) auch bei Ciliaten gute Erfahrungen gemacht. Der Erfolg mag aber artspezifisch sein. Die meisten ,,Unglücke" passieren bei mir bei der Nachbehandlung.

Ich hoffe Euch damit ein wenig weiter geholfen zu haben.

Viele Grüße

Michael


Titel: Re: Dauerpräparate von Rotaria neptunia
Beitrag von: Jenz in April 17, 2016, 10:45:17 VORMITTAG
Hallo Michael,

danke für die Hinweise.

Wie gesagt: echt tolle Präparate. Hätte nie gedacht, dass man das so gut hinbekommt.

(Gerne würde ich auch paar Bilder von Ciliaten oder anderen kleinen Wasserbewohnern als Dauerpräparat sehen, man findet dazu nicht viel und es heißt immer, die Dauerpräparate sind so unansehnlich, dass es sich nicht lohnt...)

Das motiviert mich, auch nochmal die Präparation von bdelloiden Rädertieren als Dauerpräparat zu versuchen.

Viele Grüße
Jens