Hallo Freunde,
eine große Rolle in der analytischen Chemie spielen die Fragen, welche Menge eines Stoffes vorhanden sein muß, damit er mithilfe einer bestimmten chemischen Reaktion
noch nachgewiesen werden kann und in welcher Mindest-Konzentration darf er darüberhinaus vorliegen.
Diese geringste Stoffmenge wird als Erfassungsgrenze (Emich), Reaktionsgrenze (Maljarow) oder Nachweisgrenze bezeichnet.
Kontrovers wird dagegen der allgemeine Wert der Erfassungskonzentration (Grenzkonzentration, Verdünnungsgrenze) diskutiert (Maljarow, Feigl)
Benedetti-Pichler und Rachele stellten die Überlegung an, daß grundsätzlich wenige (100) Moleküle ausreichen, um eine bekannte Reaktion qualitativ ausführen zu können,
einer Masse von etwa 10 hoch -20 Gramm entsprechend, und 10 hoch -16 Gramm für eine quantitativ messbare Reaktion.
Die praktischen Grenzen liegen zum Einen in der (mikroskopischen) Beobachtbarkeit, zum Anderen in den dann schnell wachsenden Störungen durch Verunreinigungen
und den auch physikalischen Einflüssen durch die Gefäßwände.
Die praktische unterste Nachweisgrenze (für wohlgemerkt chemische Verfahren) liegt nach Benedetti-Pichler bei etwa 10 hoch -14 Gramm, die erreicht wurde
beim Nachweis von 10 hoch -14 Gramm Barium-Ion in einem Tropfen von 1pl (Pikoliter) und 12 µm Durchmesser einer o,oo1% Lösung als BaSO4-Niederschlag.(Vergrößerung 400x)
Am Beispiel des Eisen(3)nachweises mithilfe der Thiocyanat-Reaktion habe ich versucht, die Erfassungsgrenze für Eisenionen zu erkunden.
Im Jander-Blasius und im "Feigl" wird diese mit 0,25 µg, bei Maljarow aber mit 0,002 µg Eisen (also 2 Nanogramm) angegeben.
Mit den Einzelheiten (unterschiedliche Verdünnungen u.a.) will ich Euch nicht langweilen.
Der Nachweis wurde letztendlich bei einer Verdünnung von 0,1 mg Fe(3)/ml in einem "capillary cone" durchgeführt.
Im Bild 1 ist die (noch nicht vollständige) Manipulator-Anordnung für die Ultramikrochemie (also untere µg-Bereiche und darunter) zu sehen.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures009/224241_14645893.jpg) (http://www.directupload.net)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures009/224241_63610713.jpg) (http://www.directupload.net)
Die Gefäße ("capillary cones") haben hier einen maximalen Innendurchmesser von 1,3 mm. Diese wurden mir dankenswerterweise in größerer Stückzahl aus normalen "Schmelzpunktröhrchen"
von meinem bewährten Glasbläser, Herrn Andreas Heinecke aus Ilmtal in Thüringen hergestellt.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures009/224241_57902434.jpg) (http://www.directupload.net)
Die Probe wurde mithilfe einer Kapillarpipette und einem Mikromanipulator in die Spitze des Konus gebracht und dann das Volumen mithilfe der geometrischen Formel für den Kegel errechnet.
Eine merkliche Abnahme des Volumens während der Bestimmung wurde nicht beobachtet.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures009/224241_25189593.jpg) (http://www.directupload.net)
Das Volumen in der Konusspitze beträgt danach etwa 3 nl (Nanoliter)
mit einem Glasfaden wurden einige kleine Kristalle KSCN in die Spitze geschoben.
Es zeigt sich dann unter dem Mikroskop unmittelbar eine schwach rosa Färbung der Probeflüssigkeit, die leicht reproduzierbar ist
und die Bildung des Nachweismoleküls anzeigt.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures009/224241_26140383.jpg) (http://www.directupload.net)
Mit der gegebenen Konzentration (0,1mg/ml) ergibt sich so eine nachgewiesene Stoffmenge von 0,3 ng, die somit noch deutlich
unterhalb der Angabe von Maljarow liegt.
Wenn man die Bilder sieht, kann man sich auch vorstellen, daß der Wert nochmals gedrittelt werden kann und dann bei 0,1 ng, d,h.: 100 Pikogramm läge.
K.L. Maljarow, Qualitative Anorganische Mikroanalyse (1954)
A.A. Benedetti-Pichler, Identification of Materials (1964)
H.M. El-Badry, Micromanipulators and Micromanipulation (1963)
F.Feigl, Spot Tests in Inorganic Analysis (1958)
mikrochemische Grüße
Reinhard
Große Klasse Reinhard.
Ein Vorteil hat deine Forschung: die Entsorgungskosten dürften minimal sein!
Eine Frage: auf dem Bild sieht es für mich aus, als ob man winzige Kriställchen von Eisenrhodanid sieht - oder täuscht das? Wäre eigentlich auch seltsam, bei den geringen Konzentrationen und der guten Löslichkeit.
Hallo Reinhard,
kannst Du als Meister kleinster Mengen und Zahlen abschätzen, wie viele Nanoliter nötig sind, um einen Lösungsfilm zwischen OT und Deckglas zu erzeugen, der so ,,präsent" ist, dass ein randlich angelegter Kristall noch Kontakt bekommt?
Und noch eine direkte Frage zu Deinen spannenden Versuchen. Ist es Zufall, dass sich das ,,Adhäsionsverhalten" von Eisen(III)- und Eisen(III)-thiocyanat-Lösung im Konus verändert hat? Soll heißen, hast Du die Luftblase nur ,,aufgestochen"?
Viele Grüße,
Heiko
Hallo Klaus, hallo Heiko,
danke für Eure fachmännischen Kommentare.
Klaus: die vermeintlichen Kristalle sind "Rauschartefakte", wahrscheinlich infolge des Stauchens der Bilddaten für die Einstellung im Forum.
Heiko: Die für eine vollständige "Füllung" des Spaltraumes unter einem Deckglas notwendige Menge Flüssigkeit hängt wahrscheinlich
vom Druck ab, mit dem Du ggf. das Deckglas auflegst. Wenn Du nicht drückst, wahrscheinlich auch von der Viskosität.
Das können wahrscheinlich die Physiker hier besser ableiten.
Für Wasser kann ich das aber gerne mal messen.
Übrigens: Ein Tropfen einer wässrigen Flüssigkeit wird meist mit einem Volumen von 25 µl angegeben.
Und: die Eigenschaften des Mikrotropfens im Konus haben sich wahrscheinlich nicht wesentlich verändert; die veränderte "Lage" ist durch das "Einschieben"
der Kristalle bedingt
viele Grüße
Reinhard
Ja, bitte gerne Reinhard, litere den Spalt einmal aus.
Viele Grüße,
Heiko
Guten Abend Reinhard,
ZitatÜbrigens: Ein Tropfen einer wässrigen Flüssigkeit wird meist mit einem Volumen von 25 µl angegeben.
Da möchte ich doch etwas Zweifel anmelden: Auf meinem uralten Tropfenzähler (KOSMOS-Versand steht:20 Tropfen ≙ 1ml → 1Tropfen ≙ 50µl. Für meine Mini-Kulturen
à 15ml gebe ich mit einer Mikroliterpipette 5µl Rohmilch dazu. (Ich habe die Angaben aus dem Streble/Krauter auf meine Verhältnisse umgerechnet) Zwei Tropfen wären da zuviel.
aber das nur als Randbemerkung.
Gute Nacht
Heinrich
Hallo Heinrich,
das hat mir jetzt doch keine Ruhe gelassen.
Möglicherweise ist das Problem etwas komplexer.
Folgender Versuch:
Eine Eppendorf 20µl; eine Eppendorf 50µl; gelbe Original-Pipettenspitzen; etliche Versuche mit Aqua dest. in senkrechter Position
bei der 20er fallen die Tropfen, bevor die Spitze ganz entleert ist;
bei der 50er fallen ziemlich genau drei Tropfen.
Mein Schluss:
im vorgegebenen Versuchsrahmen haben die Tropfen ein Volumen von etwa 17 µl.
jetzt kommst Du ;) ;)
viele Grüße
Reinhard
Ja, Reinhard, solche Versuche haben wir Mitte der 60er Jahre im letzten Jahrtausend auch in der Schule gemacht. Danach dasselbe mit einem Tropfen Spüli auf einen Liter Wasser - dann gab's die große Überraschung. Quintessenz: die Qualität des Aqua dest. (ich nehme als sicher an, dass Du solches benutzt hast), ist entscheidend.
Herzliche Grüße,
Olaf
Das Material des Tropfers und die Form der Mündung dürfte auch von großer Bedeutung sein - ich hatte aus der Glaszeit auch noch den Wert 25 im Hinterkopf aber es sollte ,mich nicht wundern, wenn der bei m.o.w. hydrophoben Kunststoffen geringer ist.
Gruß
Rolf
Hallo Heiko,
hier noch das Ergebnis Deiner Anfrage:
Gegeben: ein OT, gereinigt und trocken; ein Deckglas (18x18) ger. und trocken; aqua dest.; Eppendorf mit entspr. Spitzen
Ergebnis: unter 1 µl auch bei Druck (auf Deckglas) keine vollständige Füllung des Spaltraumes
ab 2 µl vollständige Füllung unter Druck
ab 3 µl vollständige Füllung weitg. ohne Druck
ab 5 µl beginnender Austritt über die Deckglasgrenze unter Druck
ab 10 µl Austritt über Deckglas ohne Druck
Das heißt: für Deine Zwecke brauchst Du etwa 10 µl unter dem Deckglas, insbesondere, wenn außen ein Kristall (und kein Fl.Tropfen) zu liegen kommt
Und nun noch für die Rechner: (in der Hoffnung, mich nicht bis auf die Röhrenknochen zu blamieren!!)
Wenn also dann bis zum Austritt der Fl. 10 µl unter dem Deckglas sind, und das Deckglas 18mmx18mm misst, bedeutet das:
Der Flüssigkeitsfilm hat eine Dicke von etwa 30 Femtometern (3,1x10 hoch -8 µm) ??? :o
viel Spaß beim Nachrechnen
Reinhard
ZitatUnd nun noch für die Rechner: (in der Hoffnung, mich nicht bis auf die Röhrenknochen zu blamieren!!)
Wenn also dann bis zum Austritt der Fl. 10 µl unter dem Deckglas sind, und das Deckglas 18mmx18mm misst, bedeutet das:
Der Flüssigkeitsfilm hat eine Dicke von etwa 30 Femtometern (3,1x10 hoch -8 µm) ??? :o
Hallo Reinhard,
also ich komme auf 31 Mikrometer was doch etwas realistischer wäre. ;D
viele Grüsse
Wilfried
Hallo Wilfried,
mein Fehler war, daß ich das Volumen von 10 µl mit 10 µm(hoch3) gesetzt habe; es sind aber natürlich 10mm(hoch3)
Das macht den Faktor 10(hoch9)
:-[ :-[ :-[ :-[
Reinhard
Hallo Reinhard,
ich liebe Mikrochemie und habe diese Anordnungen auch im Studium schon bewundert, was ich kenne ist allerdings grobschlächtig und gigantisch, gegen das was Du da tust. Extrem genial! Gerne mehr :-)
Herzliche Grüße
Timm
P.S: Mit diesen Methoden könnten ganze Schulklassen über Dekaden experimentieren und kein Chemikalienbehälter würde messbar leichter :-)
Vielen Dank, Reinhard, das tut der Vorstellbarkeit sehr gut.
Grüße, Heiko
Hallo Timm,
vielen Dank für Dein großes Lob aus dem Munde eines weiteren "real life"-Chemikers !!
Das spornt mich an, nun auch die "schwierigen" Seiten der Mikrochemie zu beleuchten:
z.B. die Mikrokolorimetrie und Mikrotitrationen und und...
herzliche Grüße
Reinhard