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Foren => Mikrofoto-Forum => Thema gestartet von: Klaus Herrmann in Oktober 01, 2009, 15:03:25 NACHMITTAGS

Titel: Lack-Krimi
Beitrag von: Klaus Herrmann in Oktober 01, 2009, 15:03:25 NACHMITTAGS
Hallo zusammen,

ich will die Werkstoffthemen mit einer kriminaltechnischen Untersuchung an einem Sachbeschädigungs-Thema weiter führen.
Ein Freund bat mich vor einiger Zeit um Unterstützung: auf sein "heilix Blechle" wurde ein Attentat verübt mit bösen Folgen für den Lack: er war durch eine unbekannte Flüssigkeit so geschädigt, dass eine Neulackierung fällig war.  Ja so was gibt es!

Nun war guter Rat teuer (in diesem speziellen Fall nicht, weil ich die Untersuchung gemacht habe  ;) ).
Die Befürchtung es könnte sich um Flußsäure handeln wurde nicht bestätigt - das wäre sehr gefährlich gewesen, weil diese Säure schwer heilende Wunden verursachen kann!

Aber was dann? Und ist es überhaupt eine Säure. Er hat mir eine Lackprobe geschickt (ziemlich klein, weil ich ja Mikroskopiker bin ;D). Wenn die Probe so klein ist, muss man sehr genau überlegen, was man damit alles machen will, weil man ja keine "Mehrfachschüsse" hat.

Zuerst war zu klären: Säure oder nicht? Das geht mit einem Multibereichs-PH-Papier: Ergebnis: starke Säure!

Nun musste ich noch versuchen einen mikrochemischen Nachweis zu machen, um zu klären welche Säure vorliegt. Mit einem Tropfen dest. Wasser habe ich einen Extrakt gemacht und diesen geteilt: zu Hälfte gab ich Silbernitratlösung mit der Salzsäure nachgewiesen werden kann , zur anderen Hälfte Bariumchloridlösung mit der Schwefelsäure nachgewiesen werden kann. Der sofort auftretende weise mikrokristalline Niederschlag von BaSO4 war eindeutig für Schwefelsäure.
Bilder: erst ein Lacksplitter mit schwarzer Verfärbung (ein Hinweis auf Schwefelsäure in hoher Konzentration, sie wirkt verkohlend auf Lack und Pigmente). Dann PH-Papier: rotviolett deutet auf starke Säure hin.

Im dritten Bild ist die weiße Fällung des Bariumsulfats zu sehen, die eindeutig für Sulfat-Anionen ist, da ich schon die Säure nachgewiesen habe, also in diesem Fall H2SO4 Schwefelsäure!

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures001/20185_50726992.jpg)

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures001/20185_1013293.jpg)

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures001/20185_45598209.jpg)
Titel: Re: Lack-Krimi
Beitrag von: liftboy in Oktober 01, 2009, 18:38:41 NACHMITTAGS
Hallo Klaus,
perfekt!
Schöne Dokumentation, Hut ab.
Gruß
Wolfgang
Titel: Re: Lack-Krimi
Beitrag von: Fahrenheit in Oktober 01, 2009, 19:38:15 NACHMITTAGS
Guten Abend Klaus!

Respekt, eine wirklich interessante Analyse! Wahrscheinlich warst Du in einem Deiner vorangegangenen Leben Kriminaler - oder von der andren Seite.  ;D

Die oxidierten Stellen auf der abgebildeten Lackschuppe sind ja recht filigran - ob ein Wachs auf dem Lack da als Schutzschild gewirkt hat?

Herzliche Grüße
Jörg
Titel: Re: Lack-Krimi
Beitrag von: Klaus Herrmann in Oktober 01, 2009, 20:52:30 NACHMITTAGS
Hallo Jörg,

ZitatWahrscheinlich warst Du in einem Deiner vorangegangenen Leben Kriminaler - oder von der andren Seite

ich bin im jetzigen Leben Chemiker und schon genau so lang Mikroskopiker.

Zu der Zeit, in der ich intensiv Mineralien gesammelt habe, lagen mir manchmal kleinste Mineralsplitter vor, die ich in Schmelzpunktröhrchen geworfen habe um darin Reaktionen zu machen wie in einem Reagenzglas. Ein Schmelzpunktröhrchen ist eine Glaskapillare mit einem Querschnitt von etwa 1 mm²!
Die "Pipetten" waren Schmelzpunktröhrchen, die ich mir ausgezogen habe. Damit konnte ich Reagenzlösungen bis an den "Boden" des Mikroreagenzglases bringen. Die Reaktionen habe ich dann unterm Stemi verfolgt.

Dagegen war das schon vergleichsweise "großtechnisch" ;) Aber immer spannend!

Eine aufpolierte Wachsschicht hilft gegen konzentrierte Schwefelsäure nicht, sie ist ja nur ein Hauch dick. Ich vermute, dass es Batteriesäure war und die ist maximal 30%ig. Mit hochkonzentrierter Schwefelsäure wären die Angriffe viel intensiver. Aber es hat auch schon so gereicht für einen Totalschaden am Lack - sprich komplette Neulackierung war nötig!

Was für ein Glück, dass es Werkstoffversagen und Schäden gibt, sonst hätten die Labore ja nichts zu tun! ;D