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Foren => Mikrofoto-Forum => Thema gestartet von: Richard Scholz in Februar 02, 2019, 10:29:21 VORMITTAG

Titel: Parasiten bei Würmern: Gregarinen
Beitrag von: Richard Scholz in Februar 02, 2019, 10:29:21 VORMITTAG
Geehrtes Forum,
die meisten Tümpler werden schon die Beobachtung gemacht haben, dass die biologische Diversität in Gewässerproben meist innerhalb von Tagen stark zurückgeht. Oft sind es Würmer wie  Aeolosoma, Pristina oder Tubifex, die sich in vitro auf Kosten anderer Lebensformen massenhaft vermehren. Da ein typisches Tümplermikroskop nicht unbedingt für die fotografische Dokumentation bis zu mehrerer Millimeter großer Gliederwürmer ausgerüstet ist, habe ich versucht, die sehr bewegungsfreudigen Wurm-Beifänge unter dem Deckglas in partikelarmen Fundortwasser ,,festzulegen"  und mehrere Einzelaufnahmen zu ,,stitchen".
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/245742_11404313.jpg)
(Pristina longiseta ("Schnauzenwürmchen"), Stitchversuch. An der ,,Schnauze" baumelt ein Zieralgenfragment)

Einige Wurm-Exemplare haben hierbei dem Deckglasdruck nicht standgehalten und sind zerplatzt.
Dabei wurden seltsame Protozoen (ca. 80µmx15µm) freigesetzt, die auf den ersten Blick an einen ,,primitiven" Ciliaten erinnern (alle Aunahmen DIC) :

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/245742_64923656.jpg)

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/245742_44624228.jpg)

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/245742_17654054.jpg)

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/245742_52727599.jpg)

Aber bei näherer Betrachtung fällt auf, dass abgesehen von einem Zellkern wichtige,  für einen Ciliaten typische Bauelemente oder Organellen wie z.B. eine Mundöffnung fehlen. Die Protozoen sind zudem unbeweglich und starr. Nach einigem hin und her bin ich in der Literatur auf Gregarinen gestoßen, die als Parasiten u.a. in Wenigborstern wie Regenwürmern vorkommen. Im ,,Praktikum der Protozoologie" findet sich der Hinweis(S. 134): ,,Es gibt zahlreiche Gregarinen, die ausgesprochen wirtsspezifisch leben, sie werden immer wieder in ein und demselben Wirt gefunden". Zudem gibt es eine Grafik, die den komplexen Lebenszyklus der Gregarine  Monocystis sp. in den Samenblasen des Regenwurms zeigt:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/245742_14347911.jpg)

Da Würmer in Wasserproben keine Seltenheit sind, hat vielleicht jemand ähnliche Beobachtungen gemacht und kann zu einer Bewertung meines etwas wackeligen Bestimmungsversuches einen Beitrag leisten ?
Beste Grüße

Richard
Titel: Re: Parasiten bei Würmern: Gregarinen
Beitrag von: Michael Plewka in Februar 03, 2019, 08:54:41 VORMITTAG
hallo Richard,

vielen Dank für Deine Dokumentation, die u.a. dadurch für mich interessant ist, weil sie verdeutlicht, wie unterschiedlich unsere Methoden sind: ich persönlich versuche, vor der Beobachtung mit dem Mikroskop große Organismen (u.a. auch Nematoden)  auszusortieren, weil sie die Beobachtung von kleineren Organismen (beispielsweise Rädertieren oder Ciliaten) durch ihre Bewegungen erheblich stören.  Insofern habe ich bei größeren Würmern ziemlich Erfahrungsdefizite und kann deshalb zu Deinen Beobachtungen nichts sinnvolles beitragen.  Mir sind diese Protisten auch noch nie in Proben bewusst aufgefallen. Es ist mir aber eingefallen, dass Holger Adelmann mal vor längerer Zeit einen Beitrag (allerdings zu Lumbricus) geschrieben hat:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=6050.0 (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=6050.0)

Vielleicht hilft das ja weiter.

In Deinen Bildern (vor allem im 2. bzw. 4. Bild) sieht man   eine große Anzahl ??Zellkerne?? in rundlichen Zellen.  Auf der Suche nach Holgers Beitrag bin ich noch auf einen Artikel von JOSEPH zum Thema "Amoebocyten in Lumbricus" gestoßen:
https://www.zobodat.at/pdf/TRIEST_18_0001-0060.pdf (https://www.zobodat.at/pdf/TRIEST_18_0001-0060.pdf)

Beste Grüße
Michael Plewka
Titel: Re: Parasiten bei Würmern: Gregarinen
Beitrag von: Richard Scholz in Februar 03, 2019, 12:25:46 NACHMITTAGS
Hallo Michael,
vielen Dank für den Link und die Literaturstelle ! Ich habe die banale Präparation der Wurmprobe (Wurm in ,,reinem" Wasser) nur deshalb erwähnt, weil  hierdurch gewährleistet war, dass die Gregarinen mit Sicherheit aus dem Inneren des Wurmes stammten. Nebenbei:  Leider habe ich bisher kein für Wasserproben geeignetes ,,Anthelminthikum" gefunden, das diese ,,Störenfriede" selektiv in Miniaquarien eliminieren könnte.  Bei den  von Dir angesprochenen rundlichen Zellen bin ich meinerseits bisher davon ausgegangen, dass es sich um Körperzellen des  geplatzten Wurmes handelt. Aber es wäre natürlich auch denkbar, dass Stadien aus dem Lebenszyklus der Gregarine vorliegen. Leider entziehen sich die mikroskopisch kleinen Würmer aus Wasserproben einer gezielten Präparation der von diesen Parasiten besiedelten Organe (Darm, Samenblase ....) .

Viele Grüße

Richard
Titel: Re: Parasiten bei Würmern: Gregarinen
Beitrag von: JB in Februar 03, 2019, 19:55:22 NACHMITTAGS
Hallo Richard,

Eine tolle Dokumentation, danke dafuer!

Es scheint sich tatsaechlich um Gregarinen zu handeln, Unterfamilie Monocystinae.

In der Liste der Wirtstiere ist Pristina longiseta Ehrenberg, 1823 nicht verzeichnet. Da findet sich nur P. minuta (Stephenson, 1914) als Wirt von Monocystis octavi Righi, 1974 (ein Darmparasit). Righi war anscheinend Oligochaetenspezialist https://en.wikipedia.org/wiki/Gilberto_Righi , so dass die Angaben zum Wirt wohl zuverlaessig sind.
https://books.google.co.uk/books?id=YxNOPQN7LJQC&pg=PA413

Damit ist u.a. folgendes moeglich:
1) Die Gregarinen sind schon bekannt, aber die Literatur ist nicht auffindbar
2) Die Gregarinen sind schon bekannt, wurden aber nie bis auf die Art bestimmt
3) Es handelt sich um eine bekannte Gregarine, aber das Wirtstier war noch unbekannt
4) Es handelt sich um eine noch nicht beschriebene Gregarinenart

Die Taxonomie der Unterfamilie Monocystinae ist extrem anspruchsvoll. Es gibt keine brauchbare Revision der Gruppe und jede Menge schlecht beschriebener Arten in der Literatur. Die Gattungen sind nur sehr grob morphologisch definiert und spiegeln wohl kaum die tatsaechlichen Verwandtschaftsverhaeltnisse wider.

Folgendes waere aber hilfreich:

- Morphologie der freipraeparierten Trophozoiten (allein schon um die Cytopili zu sehen): Zupfpraeparate (Insektennadeln 000) in physiologischer Salzloesung (z.B. Earthworm Ringer: NaCl, 151 mM ; KCI, 2.7 mM; CaCl2, 1.8 mM; MgSO4, 0.4 mM)
- Gleitbewegung der Trophozoiten sichtbar?
- Ort der Infektion: Darm, Coelom, Samenblasen? (Quetschpraeparate und Histologie; zum Glueck scheinen sich die Wuermer ja gut zu vermehren)
- Morphologie der "Sporen" (Oocysten)


Literatur:
Treatise on Zoology—Anatomy, Taxonomy, Biology . The Gregarines: The Early Branching Apicomplexa. Volumes 1 and 2. Edited by I. Desportes and J. Schrével . Leiden (The Netherlands) and Boston (Massachusetts): Brill, 2014

Viel Erfolg,

Jon
Titel: Re: Parasiten bei Würmern: Gregarinen
Beitrag von: Richard Scholz in Februar 04, 2019, 11:50:18 VORMITTAG
Hallo Jon,
vielen Dank für Deine detaillierte und informative Antwort !
Wenn mir wieder  eine ,,verwurmte" Probe unterkommt, werde ich versuchen, gezielt ein besseres Präparat anzufertigen und weitere Stadien zu dokumentieren.

Beste Grüße

Richard