Hallo Forumgemeinde,
bevor ich eine Idee weiter verfolge, möchte ich folgende Frage zum Mikrotomschneiden grundlegend für mich klären (habe leider keine Mikrotomerfahrungen):
Ich möchte als Ziel Kleinstinsekten hoch aufgelöst in 3D aufnehmen, indem ich von diesen jeweils eine ca. 10µ Scheibe abschneide , den Korpus fotografiere und dann die 2D Slice-Bilder in 3D umrechne.
Dazu würde ich auf eine präzise, motorisch angetriebene Linearschiene das Messer befestigen wollen und alle Bewegungen (Schnitt, Entfernen der abgeschnittenen "Scheibe" vom Meser, Bildaufnahme usw.) automatisieren.
Ist so etwas - bevorzugt als Gefrieschnitt - von der Schneidbarkeit per Mikrotommesser realisierbar oder könnte es mit dem Messer (nachlassende Schärfe) oder der Schnitthomogeniotät während der ca. 100-500 Schnitte je Objekt Probleme geben?
Sicherlich gibt es hier erfahrene "Mikrotomisten", die mir mit ihrem Rat helfen können, evtl. unnötige Zeit und Arbeit in ein "Sackgassenprojekt" zu stecken.
LG
Bernd
Hi,
ich bin auch nur ausgebildeter Laie. Aber ich schneide gelegentlich Pflanzen und Tiere.
10 µm sind für Viecher etwas dick?
Carsten
Hallo Bernd,
Sollen die Schnitte auch noch gefaerbt werden?
Einige Arbeitsschritte lassen sich mit viel Aufwand automatisieren: https://www.leicabiosystems.com/histology-equipment/
Kritisch ist aber auch dann noch das Aufnehmen der Schnitte (Aufnahme der Schnitte, Transport zum Wasserbad, Strecken, Aufnahme auf Objekttraeger, in der richtigen Reihenfolge). Gefrierschnitte brauchen Einzelbehandlung: https://www.youtube.com/watch?v=tA7S75MFdNk
Paraffinschnitte fuegen sich im guenstigsten Fall zu einem Band zusammen. https://www.youtube.com/watch?v=_50IiLGoqVE Da kommen eine Menge Schnitte zusammen, wenn der Block 1 cm breit ist, das Insekt 1 mm lang, sind das bei 5 um Schritten schon 200 Schnitte, also ein Band von 2 m.
In der Praxis gab es bei meinen Serienschnitten immer Luecken; wenn sich Schnitte aufrollen, der Block zu warm wird oder das Messer abstumpft. Man braucht immer Dutzende Versuche (identische Objekte), bis mal mit Glueck eine einigermassen komplette Serie dabei ist. http://library.ioz.ac.cn/bitstream/000000/8505/1/Insect%20morphology%20in%20the%20age%20of%20phylogenomics_.pdf
Schnitte von Insekten sind ohnehin problematisch, da das Chitinskelett fuer Paraffinschnitte eigentlich zu hart ist. Das Material wird z.T. stark verzerrt. Deshalb die Frage, geht es um die Histologie oder doch nur um das Exoskelett (im zweiten Fall sind solche Serienschnitte fuer die 3D-Rekonstruktion kein guter Weg).
Oder machen Sie doch lieber gleich Micro-CTs :) https://www.youtube.com/watch?v=qZ6YlNC-dBM
Beste Gruesse,
Jon
Hallo Bernd,
das ist auf jeden Fall ein interessantes Projekt.
Zu überlegen wäre, ob man ein brauchbares Auflicht-Foto vom Block nach dem Abtragen einer Schicht bekommen könnte. Im Block selbst werden sich die Verzerrungen durch die Schnitteinwirkung ja weniger bemerkbar machen als in dem dünnen Schnitt, der dann als "Abfall" einfach zur Seite gewischt werden würde.
Möglicherweise wäre hier noch Software-Einsatz nötig, um alles, was nicht in der Scharfeebene liegt aus den Einzelbildern auszublenden
Viele Grüße,
Bob
Hallo Bernd,
wenn da etwas Literatur hilft:
Jonas Pichat, Juan Eugenio Iglesias, Tarek Yousry, Sebastien Ourselin,
Marc Modat, A Survey of Methods for 3D Histology Reconstruction, Medical Image Analysis (2018),
doi: 10.1016/j.media.2018.02.004
Das ist eine Übersicht mit vielen Literaturzitaten. So etwas wie Du vorhast, ist schon häufiger beschrieben worden, auch für Gefrierschnitte, und auch zur anschließenden Bildverarbeitung zum 3-D-Stapel. Für Paraffinschnitte von Pflanzen habe ich das Vorhaben aufgegeben, im angeschnittenen Paraffinblock sehen die Querschnitte nicht so dolle aus, das Paraffin stört.
Viele Grüße
Horst
Hallo Bernd,
ich nehme an du hast vergessen zu sagen, dass du das ganze für dein Rasterelektronenmikroskop haben willst.
Da gibt es einige automatisierte Verfahren, die allerdings nur für sehr kleine Probenvolumina geeignet sind und dann auch noch sehr lange Zeiten für die Bildregistrierung erforden.
Die Schnittdicken sollten nicht viel grösser als die laterale Auflösung sein, also mit 10µm Schnitten läuft da nichts.
Pro Bildserie und Rekonstruktion sind je nach Auflösung und Probengrösse REM Laufzeiten von Stunden, Tagen oder Wochen notwendig, innerhalb dieser Zeit der Elektronenstrahl absolut Pixelgenau stehen muss oder immer wieder automatisch nachkorrigert werden muss. Zeiss hat dafür extra ein Multi-Beam Rasterelektronenmikroskop entwickelt bei dem viele Elektronen Elektronenstrahlen parallel arbeiten.
Es gibt im Prinzip drei Verfahren:
1) Schneiden mit dem Ultramikrotom nach Epoxyeinbettung vom Block und Aufnahme der Schnitte auf Bändern oder Siliziumwafern die ins REM gebracht werden. (SEM Array Tomography)
2) Schneiden mit einem im REM befindlichen Ultramikrotom, Entfernen des Schnitts und Aufnahme der verbliebenen Blockoberfläche (Serial Block-Face Scanning EM)
3) Schneiden des Epoxyblocks mit dem fokussierten Ionenstrahl (Focused-Ion-Beam) und Aufnahme der jeweils verbliebenen Oberfläche (FIB-SEM Tomography).
Wenn du unter den jeweiligen Stichworten in Klammern googelst wirst du sehen, dass die jeweiligen benötigte Ausrüstung schnell den Preis deines REMs übersteigen und ein Selbstbau (es sei denn du hättest eine genial einfache Idee) wenig
aussichtsreich erscheint.
viele Grüsse
Wilfried
Danke für euere Anregungen!
@Wilfried
solch eine Miemik würde ich nicht ins REM einbauen wollen, das angedachte Projekt wäre eine Mikro/Makrofotografische Aufnahmetechnik. Wenn diese automatisch laufen könnte, hätte die Zeit keine Priorität (ist ja ein Privatprojekt).
@Horst
danke für die Links (an die ich erstmal nicht kostenfrei herankomme). Ich würde gerne Parafin und Kunsttoffe zum Einbetten vermeiden wollen, um mir die Entwässerungsschritte zu ersparen, die ohne sehr oft die natürliche Haltung und Aussehen der Insekten verschlechtern.
@Jon
mich interessiert ausschließlich das Exoskelett und die Aufnahmen wollte ich - wie Bob richtig erkannt hat - vom Block machen und die dünnen Schnitte verwerfen. Das Chitin schwer schneidbar ist, ist erstmal ein guter Hinweis für mich!
Ist denn die Idee abwegig, die Objekte im Eisblock einzubetten und in einer Kältekammer mit einem hochturigen Diamantfräser / Säge schrittweise oberflächlich abzutragen?
Wie schon gesagt, benötige ich "nur" die Außenkonturen der Insekten.
LG
Bernd
Hallo Bernd,
ich konnte die von Horst zitierte Literaturstelle bei Resarchgate frei herunteladen. Leider ist sie mit etwas über 8 MB zu groß fürs Forum. Ich hab sie Dir per Mailanhang geschickt.
Viel Spaß bei der Lektüre!
Rainer
Hallo Rainer,
... das ist aber überaus nett von dir, Danke!
LG
Bernd
Zitat von: bernd552 in September 15, 2019, 18:41:28 NACHMITTAGS
@Jon
mich interessiert ausschließlich das Exoskelett und die Aufnahmen wollte ich - wie Bob richtig erkannt hat - vom Block machen und die dünnen Schnitte verwerfen. Das Chitin schwer schneidbar ist, ist erstmal ein guter Hinweis für mich!
Hallo Bernd,
Aha, jetzt verstehe ich, was Sie meinen. Wenn die Histologie nicht gebraucht wird, machen Sie es sich mit dem Schneiden unnoetig schwierig. Wuerde es eine optische Rekonstruktion nicht auch tun? Dann kann man naemlich auch, etwas realistischer, bei Zimmertemperatur arbeiten. Bei Gefrierschnitten muessten Sie die Kameraoptik bei unter Null bis auf mm an die Objekte bringen (sonst reicht die Aufloesung nicht aus), und das bei jedem Schnitt.
Vielleicht sind die Literaturstellen hier interessant: https://press3.mcs.anl.gov//bigdig/files/2017/09/Nguyen-Shared-BigDig2017-Towards-high-throughput-3D-insect-capture.pdf
Jon
Hallo Jon,
an der Photogrametrie habe ich mich schon mit Hilfe eines Profis auf diesem Gebiet (Forumsmitglied Sushidelic)mit Diatomeen leider erfolgslos versucht. Sobald das Objekt nicht rund wie ein Käfer ist sondern haarig wird, versagen die Punktewolken.
Z.Zt. gibt es leider keine bezahlbare 3D Software, die feinste Details wie Haare beherrschen kann.
Auch hier werden eher wenig detaillierte Objekte gescant.
https://www.tu-darmstadt.de/universitaet/aktuelles_meldungen/archiv_2/2018/2018quartal2/neuesausdertueinzelansichtbreitespalte_204992.de.jsp
Das "kalte" Objektivproblem sehe ich als keine unlösbare Hürde.
LG
Bernd
... noch eine Verständnisfrage zum Mikrotomschneiden:
Wird das Messer nach dem Schnitthub beim zurückfahren in die Ausgangsposition von dem Block angehoben?
Danke schon mal.
LG
Bernd
Lieber Bernd,
gute Mikrotome schneiden mit einer Retraktion. Nach dem Schnitt wird das Messer angehoben und vor dem nächsten Schnitt wieder in Position gebracht. Zweck ist zum einen das Schonen des Messers, das ohne Retraktion etwas über den Block radieren würde, zum anderen ein Schonen des Blocks selbst. Der letzte Punkt macht sich vor allem beim Semischneiden bemerkbar und Kunststoffschneiden ohne Retraktion ist nahezu unmöglich.
Dein Projekt interessiert mich im Übrigen sehr. Leider kann ich zu Deinem Vorhaben, die Insekten mit dem Gefriermikrotom zu schneiden, nichts beitragen. Ich schneide meine Viecherl entweder paraffin- oder kunststoffeingebettet. Paraffin dürfte für Deine Absichten kaum in Frage kommen, da die Strukturen im Block nur verwaschen und von feinen kristallinähnlichen Strukturen umgeben erscheinen. Kunststoff wäre eventuell eine Alternative, jedoch bedarf es dafür eines umfangreichen Fixier- und Einbettungsverfahrens. Dafür erscheinen die eingebetteten Strukturen kristallklar, so klar, dass ich denke, dass sich so die leidige Überlagerung der Haare beim Durchfokussieren nur schwer lösen lassen. Ein ganz auf die Schnelle durchs Stereomikroskop gefertigtes Bild füge ich bei. Natürlich würde man bei der Photographie mit höheraperturigen Objektiven durchs Mikroskop eine wesentlich höhere Schärfe und vor allem eine wesentlich höhere Tiefenschärfe erzielen können.
Ein weiteres Problem der Kunststoffeinbettung ganzer Tiere liegt darin, dass die Durchdringung des Tiers mit dem Kunststoff Öffnungen zumindest im Integument voraussetzt, sonst gibt es Lücken im Block. Auch in meinem Beispiel zeigt sich dies, obwohl hier nur der Kopf eingebettet wurde. Außerdem kommt es beim Kunststoff schnell dazu, dass sich das Integument vom umgebenden Kunststoff löst. Dann erscheint aufgrund der Lichtbrechung rund um das Integument ein silberner Rand. Schließlich erfordert das Kunststoffschneiden in hohem Maße Stabilität sowohl des Mikrotoms als auch des Messers. Soweit der Block nicht absolut homogen in der Dichte ist, gibt es immer wieder Scharten im Messer, ein Problem, dass beim Serienschnitt vor allem beim Paraffinschneiden wegen der Härte des Paraffins und der verhältnismäßigen Weichheit des Paraffins immer wieder auftritt. Ich habe leider keine Ahnung, ob sich diese Probleme beim Gefrierschneiden vermeiden lassen. Es bedürfte zumindest eines äußerst raschen Frierens zur Vermeidung von Kristallen und von den üblichen Zusätzen beim Gefrierschneiden.
Viel Erfolg und schöne Grüße
Jürgen
Hallo Jürgen,
in deiner Antwort steckt für mich bzw. für mein Vorhaben "die halbe Miete"! Danke dafür.
Ich denke, ich werde mich an die Gefrierfixierung heranwagen (die ich für die Gefriertrocknung bereits fürs REM optimiert habe) und erstmal versuchen, mit einem höchstturigen Diamantwerkzeug den Block nach und nach abtragen.
Bestimmt tauchen noch Fragen auf, deshalb bin ich froh, hier Praktiker vorzufinden ;). Mit Erwartung vieler erster Misserfolge, halte ich dich gerne auf dem Laufenden.
LG
Bernd
Hallo in die Runde,
bevor ich mich in die Bastelei stürze, muß ich für mich noch eine grundlegende Frage klären.
Wenn ich z.B. von einer Hohlkugel (Färbung wie ein durchschnittliches Chitin) 1µ Gefrierabschnitte mache, sehe ich im Block immer nur einen Ring oder scheinen durch das Eis auch die unteren Bereiche durch und verschlechtern somit den Kantenkontrast?
Ist das Eis bei den Gefrierschnitten wie ein Eiswürfel aus dien Tiefkühlshrank transparent oder milchig weiß (durch Lufteinschlüsse / andere Zusätze)?
Gibt es evtl. fürs Gefriermikrotomschneiden nach dem Stand der Technik für das Wasser kontraststeigernde Pigment oder Farbzusätze?
Zur Erinnerung: Ich will Slice-Mikroaufnahmen vom Block und nicht von den Schnitten machen um - analog zum visible Human Projekt https://en.wikipedia.org/wiki/Visible_Human_Project - hierzu müssen für die Bilderkennung der Software gute Kantenkontraste der Objekte vorhanden sein.
DAnke schon mal.
LG
Bernd
Hallo Bernd,
nur so eine Vermutung: Die Art wie Eis kristallisiert, wird sich in bestimmten Grenzen steuern lassen, aber da bleibt immer eine variable Einflussgröße.
Wie wäre es mit gefärbtem Kunststoff? Epoxidharz kann man färben, und wenn man einen feinen Farbstoff nimmt, der zudem nicht abrasiv ist, hättest Du immer genau Deine eine Ebene des Objekts. Bei dunkler Einfärbung würde man auch in das Chitin nicht weit hineinsehen können.
Viele Grüße,
Bob
Hallo Bob,
um eine natürliche Haltung der Kleintiere halbwegs zu erhalten, möchte ich die Entwässerungs - und Einbettschritte möglichst umgehen.
Evtl. kann das Wasser für die Gefrierschnitte satt und lichtschluckend eingefärbt werden.?
LG
Bernd
Hallo Bernd,
das Wasser sollte sich doch einfärben lassen, wobei sich zwei Optionen ergeben: "Tinte" oder "Tusche".
Viele Grüße,
Bob
Zitat von: Bob in Oktober 06, 2019, 14:23:25 NACHMITTAGS
das Wasser sollte sich doch einfärben lassen, wobei sich zwei Optionen ergeben: "Tinte" oder "Tusche".
Hallo Bob,
ich vermute mal (ohne dass ich bisher solche Experimente durchgeführt habe), dass weiß bzw. hell als Einfärbung zum Chitin einen besseren Kontrast geben könnte.
Bei weiß fallen mir nur Mikrobubbles oder Füllstoffe wie TiO2 ein, wie die Zweiteren längerfristig auf die Messerschärfe wirken ist auch noch zu klären.
LG
Bernd
Zitat von: bernd552 in Oktober 05, 2019, 11:47:06 VORMITTAG
Wenn ich z.B. von einer Hohlkugel (Färbung wie ein durchschnittliches Chitin) 1µ Gefrierabschnitte mache, sehe ich im Block immer nur einen Ring oder scheinen durch das Eis auch die unteren Bereiche durch und verschlechtern somit den Kantenkontrast?
Die Auflösung entlang der optischen Achse ist schlechter als in der Fokusebene. Wie schlecht hängt von der Schärfentiefe des Systems, also von der Objektiv-NA und der Beleuchtungsart ab. grundsätzlich sind tiefere Sachen unscharf zu sehen (je tiefer desto unschärfer). Deswegen erkennt man z.B. bei einer fluoreszenten Hohlkugel die Seiten sehr gut, den Boden und das Dach aber sehr viel schwächer (mehr, bzw. weniger Farbstoff im scharfen Bereich). Aber da bei der Hohlkugel mindestens auf einer Seite der Oberfläche in den benachbarten Ebenen nichts ist sollte das unproblematisch sein, wenn es nur auf die äußeren Konturen ankommt.
Steffen