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Foren => Mikrofoto-Forum => Thema gestartet von: Martin Kreutz in Oktober 21, 2019, 20:31:39 NACHMITTAGS

Titel: Oscillatoria chlorina
Beitrag von: Martin Kreutz in Oktober 21, 2019, 20:31:39 NACHMITTAGS
s. Kamptonema chlorinum (= syn. Oscillatoria chlorina) (https://realmicrolife.com/dinamoeba-mirabilis/)
Titel: Re: Oscillatoria chlorina
Beitrag von: Fahrenheit in Oktober 22, 2019, 09:39:23 VORMITTAG
Lieber Martin,

vielen Dank für den schönen und spannenden Beitrag!

Mit welchem Objektiv und Kontrastverfahren hast Du die letzte Aufnahme gemacht? In diesem Bild fehlt die entsprechende Beschriftung ...
Die Auflösung dieser Aufnahme finde ich wirklich ganz hervorragend.

Herzliche Grüße
Jörg
Titel: Re: Oscillatoria chlorina
Beitrag von: Michael Müller in Oktober 22, 2019, 10:25:37 VORMITTAG
Hallo Martin,

Doppelbrechung biologischer Systeme ist immer eine sehr spannende Sache. Vielen Dank, dass Du Deine Beobachtungen mit uns geteilt hast.
Doppelbrechung basiert darauf, dass in einem Material die elektrische Leitfähigkeit - und damit letztlich auch der Brechungsindex - bei Lichtfrequenzen unterschiedlich in verschiedenen Raumrichtungen ist. Bei einem anisotropen Kristall ist das leicht einsichtig: unterschiedliche Gitterkonstanten in verschiedenen Raumrichtungen beeinflussen die Leitfähigkeit und es kommt zur Doppelbrechung.
Bei biologischen Materialien kommt es zu Formdoppelbrechung, wenn gleichartige, nicht sphärische Teilchen - z. B. Kettenmoleküle - einer isotropen Substanz mit gleicher Orientierung in ein isotropes Medium abweichender Brechzahl eingebettet sind. Dadurch ist die el. Leitfähigkeit entlang der langen Moleküle anders als senkrecht dazu und es kommt zur Doppelbrechung. Diese molekularen Strukturen werden durch das Wachstum der Organismen aufgebaut und deshalb gibt die Formdoppelbrechung Informationen über die mikroskopisch ansonsten nicht zugängliche Struktur der Materialien im Organismus.
Bei Deinen Bildern ist das gesamte Zellinnere der Oscillatoria doppelbrechend, da sich die Interferenzfarbe der gesamten Alge mit ihrer Orientierung ändert. Bei den "Lamellen" scheint der Effekt nur besonders ausgeprägt zu sein. Die für die Doppelbrechung verantwortlichen Schichten sind (immer?) viel kleiner als die Lichtwellenlänge und mit einem Lichtmikroskop nicht auflösbar. Die Lamellen sind wohl auch aus dem selben Material wie die Zellwand, Ihre Schichtung wäre dann senkrecht zu der Schichtung der Zellwand ausgerichtet und hätte dann die komplementäre Interferenzfarbe zu der der Zellwände - was nicht der Fall ist.
Die Lamellen im annähernden Abstand der Lichtwellenlänge würden bestenfalls als optisches Gitter wirken und das Licht in unterschiedliche Richtungen in sein Spektrum aufspalten. Deshalb halte ich die Lamellen nicht für die Ursache der Doppelbrechung, sondern den submikroskopisch ausgerichteten Inhalt der Zellen.
Ich finde es immer lohnend, biologische Systeme auch mit polarisiertem Licht zu untersuchen, das das oft erstaunliche Informationen z.B. über Wachstumsrichtungen etc. gibt.

Vielen Dank für dieses interessante Beispiel von Doppelbrechung und viele Grüße

Michael
Titel: Re: Oscillatoria chlorina
Beitrag von: Ole Riemann in Oktober 22, 2019, 11:38:13 VORMITTAG
Hallo Martin,

vielen Dank für diesen farbenfrohen Beitrag. Ich kann mich gut daran erinnern, wie Du mir am Pillersee vor einigen Jahren genau diese Blaualge gezeigt hast ("an der hyalinen Kappe kannst Du die erkennen"). Leider hatten wir damals keine Möglichkeit, polarisiertes Licht einzusetzen.

Danke auch an Michael für die physikalischen Erläuterungen als Hintergrundinformation.

Beste Grüße

Ole

Titel: Re: Oscillatoria chlorina
Beitrag von: limno in Oktober 22, 2019, 16:18:27 NACHMITTAGS
Hallo Martin,
eine ungewöhnliche Cyanophycacee. Beim Artnamen habe ich zunächst gestutzt,  wird doch  'chloros' meist mit "gelbgrün" übersetzt, was bei dieser Blaualge ja gerade nicht der Fall ist. Im "Werner" (S. 159) steht aber der Hinweis, dass 'chloros' auch mit "fahl" oder "bleich" übersetzt werden kann. Man denke hier an die Chlorose als Krankheitssymptom infolge eines Magnesiummmangels. Nur aufgrund des Musters und der Form würde man hier auf ein (vergammeltes) Cyanobakterium tippen. (Fritz Clemens Werner: Wortelemente lateinisch-griechischer Fachausdrücke in den biologischen  Wissenschaften).@Michael: Danke für die aufschlussreiche Erläuterung zur Doppelbrechung.
Farbenfrohe Grüße von
Heinrich
Titel: Re: Oscillatoria chlorina
Beitrag von: Martin Kreutz in Oktober 22, 2019, 19:39:13 NACHMITTAGS
Hallo,

vielen Dank für eure Rückmeldungen! Ich habe Oscillatoria chlorina auch deshalb nochmal gezeigt, um meine alten Dias im Keller nochmal etwas strahlender zur Geltung zu bringen.

@Jörg: Das letzte Bild ist das einzige, welches nicht auf Dia aufgenommen wurde, sondern es ist erst 4 Tage alt und mit DIK-HR aufgenommen (d.h. mit voll immergierten System und Obj. 100 X). Anders erreicht man diese Auflösung nicht. Schichtdicke muss natürlich auch stimmen, also fast Null!

@Michael: Danke für Deine Erläuertungen zur Doppeltbrechung!

@Ole: Echt, hatten wir die auch unter der Optik gehabt!? Dass Du das behalten hast!

Martin
Titel: Re: Oscillatoria chlorina
Beitrag von: JB in Oktober 24, 2019, 23:02:41 NACHMITTAGS
Hallo Martin,

Vielen Dank fuer diese faszinierende Dokumentation. Das ist wirklich aussergewoehnlich.

Respekt fuer die messerscharfe Beobachtungsgabe! Dieser Effekt ist schon andernorts gesehen worden, ohne als solcher erkannt worden zu sein: http://www.wunderkanone.de/Misc/Misc/ (Bild 8)

Beste Gruesse,

Jon