Mikro-Forum

Foren => Mikroskopie-Forum => Thema gestartet von: Florian D. in Oktober 26, 2019, 18:40:48 NACHMITTAGS

Titel: Falscher Epidot
Beitrag von: Florian D. in Oktober 26, 2019, 18:40:48 NACHMITTAGS
Glückauf Forum!

Vorgestern erstand ich auf der Mineralienmesse München (Neudeutsch: "The Munich Show") einen Epidot aus dem "Lago Falin, Vil di Viú, Piemont", den ich zu einem Dünnschliff vewursten wollte. Bei der Betrachtung des letzteren kamen mir aber Zweifel. Zunächst mal ein paar Bilder unter der Stereolupe.
Man erkennt einerseits  schöne grüngelbe Kristalle, die einen orthorhombischen Eindruck machen. Dann kleinere sechseckige flaschengrüne Kristalle, die aus zahlreichen Plättchen zusammengesetzt erscheinen, sieht man auf dem  1. Bild jetzt nicht so gut).
Im Dünnschliff sind diese Kristalle jedoch gut zu sehen (Bilder 2 und 3).
Mit gekreuzten Polarisatoren erscheinen diese Kristalle höchstens weiss, obwohl die Schliffdicke eher so um die 45-50 mu beträgt. Von der Seite betrachtet, zeigen sie jedoch höhere Interferenzfarben. (Bild 4). Ist das vielleicht Chlorit?
2V ist nicht sonderlich gross, und optisch positiv (Bild 5).


Viele Grüsse
Florian
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: Florian D. in Oktober 26, 2019, 18:43:57 NACHMITTAGS
Hier noch ein paar Bilder von den anderen Mineralen im Dünnschliff!
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: Florian D. in Oktober 26, 2019, 19:13:36 NACHMITTAGS
Das sieht mir eher nach einem Epidot aus:
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: Klaus Herrmann in Oktober 26, 2019, 19:41:36 NACHMITTAGS
Hallo Florian,

das Stemibild erinnert mich gar nicht an Epidot und das 2.  deutet eher auf: 
ZitatIst das vielleicht Chlorit?
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: bergarter in Oktober 26, 2019, 23:08:24 NACHMITTAGS
grüß Dich

warum " falscher Epidot"?

Epidot und Zoisit,  könnt`man`s nicht so vermuten?

grüß Dich

Gerd
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: Florian D. in Oktober 27, 2019, 00:14:31 VORMITTAG
Jetzt habe ich mal einen der langen Kristalle mit mehr oder weniger rechteckigem Querschnitt am Spindeltisch vermessen.
2V=8 (-3;19) Grad. Die akute Bisektrix fällt dabei mit der langen Kristallachse zusammen. Der Brechungsindex ist durchgehend höher als der von Bromnaphthalin (1.66) und der Kristall ist optisch negativ (da bin ich mir nicht ganz sicher). Die Doppelbrechung ist recht klein. Insbesondere die Lage der akuten Bisektrix spricht gegen Epidot und Zoisit. Bei diesen sollte die spitze Bisektrix nämlich senkrecht auf der  langen Kristallachse stehen.
Könnte das Vesuvian sein?

Hier Bilder von Epidoten aus der Gegend:
https://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/LokationMineralData?param=4109,1039,0

Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: bergarter in Oktober 27, 2019, 01:01:12 VORMITTAG
grüß Dich Florian

Da ich ja auch bloß rate , kann ich mich an höherdimensionalen Bestimmungen leider nicht beteiligen
Zumal ich auch nicht mitmessen könnte.

grüß Dich
Gerd
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: olaf.med in Oktober 27, 2019, 11:52:40 VORMITTAG
Lieber Florian,

Dein idiomorpher Kristall ist sicher Vesuvian - sehr gut bestimmt! Er ist tetragonal, also einachsig negativ mit der optischen Achse in Richtung der Längserstreckung. Dass Deine Spindeltischwerte ein 2V von ca. 10° ergeben ist ganz normal. Kleine 2V-Winkel sind immer mit riesigen Fehlern behaftet, je größer 2V wird umso genauer werden die Werte. Den Chlorit glaube ich Dir auch unbesehen.

Das ist ja mal 'ne Leistung: am Donnerstag ein Gestein gekauft und am Samstag schon einen Dünnschliff selbst gefertigt und die mikroskopische Diagnose durchgeführt. Respekt!

Herzliche Grüße,

Olaf
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: Florian D. in Oktober 28, 2019, 22:26:08 NACHMITTAGS
Hallo Olaf,

Deine Blumen freuen mich natürlich, allerdings bin ich mir mit dem Vesuvianit noch nicht sicher, vor allem deshalb, weil ich konoskopisch nur optisch positive Minerale im Dünnschliff finde. Daher habe ich den Kristall jetzt nochmal in Methyleniodid gespindelt und auch mit Berek Kompensator untersucht, siehe anhängende Bilder. Das gamma des Bereks verläuft NW-SO, der Kristall ist NO-SW orientiert. Aus den Spindeldaten weiss ich, dass die spitze Bisektrix, also, wenn der Kristall tatsächlich einachsig ist, die Hauptachse, entlang der Längserstreckung des Kristalls verläuft, was ja zu tetragonal passen würde. Aus dem Laufen der Interferenzfarben bei Verdrehung des Bereks schliesse ich jedoch, dass der Kristall so in Subtraktionsstellung liegt, siehe Bilder 1-34  stimmt das?  Damit wäre der Kristall optisch Positiv. Laut Tröger kann Vesuvianit allerdings bei geringem Eisen- , Titan und dafür hohem Wassergehalt auch optisch positiv sein "Wiluit", Tabelle 70-2.
Der Kristall ist ziemlich dick, ca. 1mm. Die geringe Zahl an Interferenzordnungen zeigt, dass der Kristall eine sehr niedrige Doppelbrechung von ca. 0.003 aufweist. Der Brechungsindex n=1.74 von Methyleniodid scheint gut zu passen, was man daran sieht, das gelbes Licht hier  ungebrochen den Kristall passieren kann und ihn gelblich erscheinen lässt. 
Bild 5 zeigt den Kristall nochmal unter einer anderen Orientierung. Man sieht, dass der Querschnitt tatsächlich (abgeschnitten) rechteckig ist, was ja zu tetragonal und Vesuvianit passen würde.

Viele Grüsse
Florian
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: Florian D. in Oktober 28, 2019, 23:07:26 NACHMITTAGS
Als letzter Nachtrag für heute die Auswertung der Spindeldaten des Kristalls in Methyleniodid. Das sieht doch eher nach einem nichtverschwindenden Wert von 2Vz von 21.6 Grad aus. Tröger schreibt aber, dass Vesuvianite oft anomale Werte von 2V liefern.
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: Florian D. in Oktober 29, 2019, 09:46:00 VORMITTAG
Habe gerade eine Arbeit zu Wiluit aus dem Jahre 2017 gefunden:
https://rd.springer.com/article/10.1007/s00269-017-0885-2
Dort wurden 2 Kristalle aus Russland mit allen möglichen modernen Techniken untersucht.
Demnach unterscheidet sich Wiluit von Vesuvianit durch die Einlagerung von Bor in tetraedrische Vakanzen des Vesuvianits.
Damit einher geht eine Verkürzung des c/a-Ratios, die wohl den Wechsel von optisch negativ zu Positiv erklärt.
Der Einbau von Borat ist wohl ein Anzeichen relativ hoher Bildungstemperaturen.

Im Hinblick auf die optische Untersuchung sind folgende Zitate sehr interessant:
"Numerous investigations of wiluite (Prendel 1887; Lyachovich 1954, 1955) demonstrated anomalously biaxial optical character with values of the 2 V angle attaining 30–35° independently of the growth sector."

"Both samples investigated in this work are optically biaxial (+). The refractive indices for both samples in the white light are in the ranges: α ≈ β = 1.725‒1.726 (2), γ = 1.728‒1.730 (2). The samples demonstrate anomalous birefringence with the observed 2V angle of 20–45° (for 1), and 2V < 5° (for 2), which is probably induced by a compositionally induced strain (stress birefringence) by analogy with garnets (Shtukenberg et al. 2001)."

Sowohl die Brechungsindices als auch die anomalen Werte von 2V passen ausgezeichnet zu den Beobachtungen an meinen Kristallen.

Als eigenständiges Mineral ist Wiluit offiziell erst 1998 beschrieben worden:
https://rruff-2.geo.arizona.edu/uploads/CM36_1301.pdf
Auch in dieser Arbeit werden die anomalen optischen Eigenschaften und eine starke sektorielle Zonierung hervorgehoben. Letztere sehe ich auch in den Dünnschliffen.
Interessant hierzu auch
https://www.researchgate.net/publication/270579885_The_symmetry_of_vesuvianite
wo diese Zonierung durch einen Phasenübergang von P4 zu P2 Symmetrie erklärt wird.

Viele Grüsse
Florian


Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: bergarter in Oktober 29, 2019, 12:41:04 NACHMITTAGS
grüß Dich

wenn der Tröger ins Spiel kommt, will ich doch auch einige Zeilen daraus beifügen.
Der schreibt beim Zoisit: das es oft "eine innige Ummantelung oder gesetzlose Durchwachsung von Zoisit mit Pseudozoisit, mit Klinozoisit und Epidot gäbe "
so wie ich es auf Deinen Dünnschliffbildern sehe.
Ich kenn`nur ein  - farbiges - Bild von Vesuvian - beim Mac Kenzie - wo  mir dieser extrem punktig gestreift  vorkommt, ähnliches sehe ich bei den Vesuvianbildern aus der Literatur, welche Du angegeben hast.
Deine weißen und grauen " flächengestreiften " Kristallflächen sind m. M. völlig glatt.
Beim Wiluit meint der Tröger, der könne schon mit Zoisit und Klinozoisit verwechselt werden - Du mußt schon wirklich aufpassen !

Was ich gerne wissen wollte, denn Epidot hast Du in Deinem Dünnschliff wohl nicht gefunden ( außer dem Stereokristall ),
ob es Bilder vom Pleochroismus von Deinem Dünnschliff gibt.
Und Spaltflächen, unterschiedliche Spaltbarkeiten der gezeigten Minerale wären sehr kennzeichnend.
Hast Du da noch mehr Bilder?


grüß Dich
Gerd
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: Florian D. in Oktober 29, 2019, 13:25:34 NACHMITTAGS
Grüss Dich Gerd,

Ich tue mich noch sehr schwer, den Dünnschliff zu interpretieren. Eigentlich habe ich den "Epidot" ja gekauft und geschliffen, weil ich gehofft hatte, dann auch wirklich sicher Epidot im Dünnschliff studieren zu können. Da tue ich mich jetzt schwer damit.
Allerdings sind die Einzelkristalle, die ich bisher angesehen habe, Vesuvianite im weiteren Sinne, und sicher keine Epidote oder Zoisite.

Ich habe inzwischen gelesen, dass heute nur der borhaltige Vesuvianit als Wiluit bezeichnet wird. Tröger bezeichnet auch einen Vesuvianit, in dem SiO2 durch 2 H2O ersetzt wird, als Wiluit, weil dieser auch optisch positiv ist. Das macht man heute nicht mehr.

Pleochroismus habe ich keinen festgestellt. Es gibt einige Minerale mit Spaltflächen. Epidot hat 1 gute Spaltbarkeit, Vesuvianit keine. Das muss ich  mir noch mal ansehen. Dann werde ich auch versuchen, noch mehr Bilder zu machen.

Viele Grüsse
Florian
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: olaf.med in Oktober 29, 2019, 16:43:35 NACHMITTAGS
Lieber Florian,

ich hatte nie Zweifel daran, dass es sich bei Deinem Mineral um Vesuvian (nicht Vesuvianit, das ist ein Gestein im deutschen Sprachgebrauch) handelt. Dieser ist in der Regel optisch anormal, sodass mich sein Verhalten auch nicht wundert. Ansonsten stehe ich als klassischer und konservativer Mineraloge den nomenklatorischen Haarspaltereien eher skeptisch gegenüber. Den Namen Wiluit gibt es sicher schon seit mehr als hundert Jahren, ihn jetzt einer Variatät zuzuordnen, die man nur mittels ausgefeilter physikalisch-chemischer Methoden eingrenzen kann, halte ich für nicht sehr zielführend. Aber so ist sie nun einmal, die internationale Kommission aus Superbeamten in ihrer unendlichen Güte :).

Herzliche Grüße,

Olaf

Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: Florian D. in Oktober 29, 2019, 16:55:42 NACHMITTAGS
Hallo Olaf,

ja, über die Sinnhaftigkeit des Namens Wiluit kann man streiten. Zumindest versteht man aber inzwischen, warum der Vesuvian (irgenwo hatte ich gelesen, "Vesuvian" sei veraltet, und man müsse jetzt "Vesuvianit" sagen) manchmal optisch positiv ist, und wie die anomalen Werte von 2V zustandekommen.

Viele Grüsse
Florian
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: Florian D. in Oktober 29, 2019, 22:34:14 NACHMITTAGS
Zitat von: olaf.med in Oktober 29, 2019, 16:43:35 NACHMITTAGS
Den Namen Wiluit gibt es sicher schon seit mehr als hundert Jahren, ihn jetzt einer Variatät zuzuordnen, die man nur mittels ausgefeilter physikalisch-chemischer Methoden eingrenzen kann, halte ich für nicht sehr zielführend.

Lieber Olaf,

Dein Zitat oben lässt mich keinen Schlaf finden. Wenn etwas zeigt, dass dies das wahre Wesen der Mineralogie ist, dann ist es doch Deine Gerätesammlung, oder ;-)

Viele Grüsse
Florian
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: olaf.med in Oktober 30, 2019, 09:08:56 VORMITTAG
Lieber Florian,

Mit meiner flapsigen Bemerkung wollte ich Dir keinesfalls den Schlaf rauben! Natürlich sind die klassischen mineralogischen Methoden, wie z.B. die Kristalloptik, auch ausgefeilte physikalisch-chemische Methoden, aber doch mit überschaubaren Mitteln durchzuführen.  Wenn man aber ein Röntgen-Einkristallgoniometer bemühen muss, um festzustellen wie die Kationen auf den Gitterplätzen sitzen, ist das meiner Meinung nach sehr fragwürdig.

Der Viridin von der klassischen Typlokalität in den Ardennen muss nun Kanonait heißen wegen solcher Spielchen - nicht nur in meinen Augen ein Schwachsinn.

Herzliche Grüße, Olaf
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: Florian D. in Oktober 30, 2019, 22:02:58 NACHMITTAGS
Lieber Olaf,

in dem supplementary material zu dem  sehr schönen Artikel
Gnos, E., & Armbruster, T. (2006). Relationship among metamorphic grade, vesuvianite "rod polytypism," and vesuvianite composition. American Mineralogist, 91(5-6), 862-870.

finden sich chemische Analysen und die Abmessungen der Elementarzellen von über 20 Vesuvianen.
Daraus habe ich das Verhältnis von a/c gebildet und daraus den Winkel zwischen der (001) und der (101) Fläche berechet.
Die sollte man ja mit einem Goniometer einfach messen können. In folgender Graphik habe ich diesen Winkel über dem Borgehalt aufgetragen. Fernerhin sind die Vesuviane, die überhaupt nachweisbar Bor enthielten, rot eingefärbt.
Der mit dem höchsten Borgehalt ist übrigens ein "echter" Wiluit aus Wiluy.
Für Leute wie Du, die Goniometer nach Dutzenden zählen, solle also die Identifizierung borhaltiger Vesuviane, ob man diese nun Wiluite nennt oder nicht, nicht schwer fallen.

Viele Grüsse
Florian

Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: olaf.med in Oktober 31, 2019, 08:52:36 VORMITTAG
Lieber Florian,

beeindruckend gute Abhängigkeit und bei der Genauigkeit der Goniometermessung sicher gut anwendbar. Wäre einen Versuch wert, aber setzt natürlich geeignetes Material vorraus (idiomorphe Kristalle mit gut messbaren Flächen, gute Analytik zur Kontrolle).

Herzliche Grüße,

Olaf
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: Florian D. in Oktober 31, 2019, 19:01:18 NACHMITTAGS
Hier ist noch ein Mineral im Schliff, mit dem ich nichts anfangen kann.
Ich vermute aufgrund des Reliefs auch einen Brechungsindex um die 1.7. Die Interferenzfarben sind wohl anomal. Bekomme kein definiertes konoskopisches Bild.

PS: Sehe gerade, dass Grossular oft anomale Interferenzfarben zeigt. Das würde ja gut als Paragenese zu Vesuvian passen.

Viele Grüsse
Florian
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: olaf.med in Oktober 31, 2019, 20:37:34 NACHMITTAGS
Lieber Florian,

das ist der gesuchte Epidot mit seinen "übernatürlichen" Interferenzfarben.

Herzliche Grüße, Olaf
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: Florian D. in Oktober 31, 2019, 21:32:02 NACHMITTAGS
Da staune ich aber, weil die Doppelbrechung praktisch 0 ist.
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: derda in Oktober 31, 2019, 21:50:40 NACHMITTAGS
Hallo Florian,

konntest du Pleochroismus erkennen?

Viele Grüße

Erik
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: olaf.med in Oktober 31, 2019, 22:07:07 NACHMITTAGS
Lieber Florian,

wie kommst Du denn auf dieses schmale Brett? Auf Deinem letzten Bild sind doch Farben bis zur zweiten Ordnung erkennbar!

Herzliche Grüße, Olaf
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: Florian D. in Oktober 31, 2019, 22:50:27 NACHMITTAGS
Lieber Olaf,

ich glaube nicht, dass das Farben bis zur 2. Ordnung sind. Zum Beleg ein paar Bilder mit dem Berek Kompensator.
1. Berek in Nullstellung (30),
2. Berek 34
3. Berek 38
4. Berek 43
Die Kristalle sind teilweise von Klebstoff umgeben, der auf dem 1. Bild schwarz erscheint und allgemein die Phasenverschiebung allein durch den Berek wiedergibt.
Auf dem 2. Bild ist der Hintergrund gerade mal grau, das Mineral jedoch , je nach Orientierung, tiefblau oder gelbbraun gefärbt.
Auf dem 3. Bild sind sowohl Mineral als auch Hintergrund mehr oder weniger weiss,,
auf dem 4. Bild Mineral als auch Hintergrund gelb bis rot erster Ordnung.
Die Doppelbrechung ist also praktisch null, nur in, oder nahe der Auslöschungsstellung treten anomale Farben auf.

Viele Grüsse
Florian
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: derda in November 01, 2019, 08:15:12 VORMITTAG
Hallo Florian,

immerhin sieht man eine Wechselwirkung, die mit steigendem Kippwinkel natürlich schwächer wird. Ausserdem startest du auch schon bei einem recht starken Gangunterschied. Wenn du monochromatisch arbeitest gibt es ja nur Kipppositionen mit totaler Auslöschung.

Ich bin kein Epidotspezialist, habe aber einen Schliff in dem der Epidot einen starken Pleochroismus in einem sehr eigenen grün-braun zeigt.

Viele Grüße

Erik
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: olaf.med in November 01, 2019, 08:28:00 VORMITTAG
Lieber Florian,

da sieht man wieder einmal  wie problematisch Bestimmungen nach Bildern sind.

Ich bin aber immer noch nicht überzeugt! Lass doch mal die Spielerei mit dem  Berek-Kompensator und benutze nur den Lambda-Schieber. Ich bin überzeugt, dass Du in den roten Bereichen dieses Kristallaggregats beim Drehen des Tischs einmal Subtraktion bis Schwarz bekommst und 90 Grad weiter ein helleres Rot der zweiten Ordnung.

Übrigens zeigen nur Eisen-reiche Epidote einen deutlichen Pleochroismus und zeisiggrüne Eigenfarbe (Pistazit).

Herzliche Grüße, Olaf

Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: Florian D. in November 01, 2019, 09:02:33 VORMITTAG
Also das Mineral hat allenfalls eine leicht gelbgrüne Eigenfarbe, zeigt aber keinen Pleochromismus.
Mit dem Rot I Kompensator zeigen sich nur leichte Abweichungen von Rot I.
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: Florian D. in November 01, 2019, 09:17:13 VORMITTAG
Hier von anderer Stelle.
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: olaf.med in November 01, 2019, 09:46:46 VORMITTAG
Lieber Florian,

nach Meiner Meinung handelt es sich eindeutig um Epidot. Vergleiche doch einfach mal mit meinen Bildern (http://homepage.rub.de/olaf.medenbach/index.html (http://homepage.rub.de/olaf.medenbach/index.html), > Downloads > Mineraloptik, Polmi Teil III, Folien 21-25).

Herzliche Grüße,

Olaf
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: Florian D. in November 01, 2021, 19:53:45 NACHMITTAGS
Zitat von: Florian D. in Oktober 30, 2019, 22:02:58 NACHMITTAGS
Lieber Olaf,

in dem supplementary material zu dem  sehr schönen Artikel
Gnos, E., & Armbruster, T. (2006). Relationship among metamorphic grade, vesuvianite "rod polytypism," and vesuvianite composition. American Mineralogist, 91(5-6), 862-870.

finden sich chemische Analysen und die Abmessungen der Elementarzellen von über 20 Vesuvianen.
Daraus habe ich das Verhältnis von a/c gebildet und daraus den Winkel zwischen der (001) und der (101) Fläche berechet.
Die sollte man ja mit einem Goniometer einfach messen können. In folgender Graphik habe ich diesen Winkel über dem Borgehalt aufgetragen. Fernerhin sind die Vesuviane, die überhaupt nachweisbar Bor enthielten, rot eingefärbt.
Der mit dem höchsten Borgehalt ist übrigens ein "echter" Wiluit aus Wiluy.
Für Leute wie Du, die Goniometer nach Dutzenden zählen, solle also die Identifizierung borhaltiger Vesuviane, ob man diese nun Wiluite nennt oder nicht, nicht schwer fallen.

Viele Grüsse
Florian

Nachdem ich vor einigen Monaten in der Bucht tatsächlich ein Zweikreisgoniometer relativ günstig erstehen konnte, und letzte Woche auf den Münchener Mineralientagen echten Wiluit aus dem Vilui Fluss in Russland wohlfeil erstehen konnte, hier ein Versuch, diese Winkel zu messen.
Leider sind die Kristalle dafür eigentlich viel zu gross und die Winkel auch aufgrund von Oberflächenstrukturen nicht genau zu messen. Einen Versuch war es trotzdem wert.
Wenn ich keine tetragonale Symmetrie voraussetze, erhalte ich folgende Werte für die Verhältnisse der Achsenlängen
E1/E2:  0.9762
E3/E2:  0.7474
E3/E1:  0.7656
wobei E3 die wirtelige Achse ist.
Für die Winkel zwischen den Achsen
Winkel E1, E2:  87.53
Winkel E1, E3:  87.36
Winkel E3, E2:  90.39
Die ersten beiden Paare weichen schon deutlich von den erwarteten 90 Grad ab.
In dem dritten Bild sieht man die Flächenpole in stereographischer Darstellung. Rot: obere Halbkugel, Blau: untere Halbkugel. "+" gemessen, "x" kleinster Quadrate Fit.

Viele Grüsse
Florian
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: Florian D. in November 01, 2021, 22:54:51 NACHMITTAGS
... jetzt noch der Fit, wenn man tetragonale Symmetrie voraussetzt.
Damit ergibt sich ein Steigungswinkel aus den a und c Achsen von 53,1 Grad, was mit einer  borhaltigen Vesuvianvarietät kompatibel wäre.
Allerdings beträgt der mittlere Fehler in den Einzelmessungen wohl fast 2 Grad. Vielleicht findet sich ja mal ein kleiner perferkterer Wiluit, der sich besser vermessen lässt.
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: hugojun in November 02, 2021, 10:45:00 VORMITTAG
Hallo Florian,
die Messungen mit dem Zwei-Kreis -Goniometer sind eine sehr schöne Ergänzung zu den Ergebnissen mit dem Spindeltisch und den Dünnschliffen.
Wie Olaf weiter oben beschrieben hat , ist die Beschaffenheit des Probematerials  für die Genauigkeit wichtig.
Wenn Anhaftungen und/oder Verwachsungen die Messung an den Flächen stören, könnte man nicht  mit einem feineren Lichtstrahl
eine Verbesserung der Reflexe erreichen?

LG
Jürgen
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: olaf.med in November 02, 2021, 11:56:25 VORMITTAG
Lieber Florian, lieber Jürgen,

ich glaube hier kann man nur auf einen kleineren und perfekteren Kristall hoffen. Dieser Felsbrocken hat mehr von einem "Realkristall" als man sich für Goniometer-Messungen wünscht. Der feinere Lichtstrahl nützt nicht, wenn die Flächen selbst durch Wachstumsfehler verkippt sind. Wir haben ja auch schon früher diskutiert, wie dramatisch sich chemischer Zonarbau auf das Gitter des sehr komplexen Minerals Vesuvian auswirkt (optische Anomalie, Zonarbau ...). Das hat natürlich direkt auch Auswirkung auf das Wachstum und damit die Morphologie.

Herzliche Grüße,

Olaf
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: Florian D. in November 02, 2021, 12:27:25 NACHMITTAGS
Hallo Jürgen,

die Lichtquelle projiziert ja einen feinen kreuzförmigen Strahl  auf die Kristallflächen.
Das Problem ist, dass dieses in ein ganzes Büschel von Kreuzen reflektiert wird. Welches ist jetzt das Richtige?
Der Hauptfehler wird aber daher rühren, dass die Kristallflächen sich in unterschiedlicher Entfernung vom Drehzentrum befinden. Leider habe ich zuwenig Justierspielraum, um dies kompensieren zu können.

Viele Grüsse
Florian


Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: hugojun in November 02, 2021, 13:07:33 NACHMITTAGS
Hallo Olaf, hallo Florian,

danke für Einführung in die Goniometrierer -Real-Welt. Schade, dass die schöne Feinmechanik
so leicht ausgetrickst werden kann. :'(
LG
Jürgen
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: Florian D. in November 04, 2021, 11:03:24 VORMITTAG
Glückauf!

Zum Vergleich habe ich jetzt noch einen Vesuvianit aus dem Aostatal, der nur wenige mm Kantenlänge hat, vermessen. Dieser ist wohl aus der gleichen Fundstelle wie der "falsche Epidot", war aber richtig als Vesuvianit beschriftet. Die Vermessung war wesentlich einfacher und wohl auch präziser, obwohl sich auch hier auf einigen Flächen mehrere Reflexe zeigten. Anbei ein Bild des Muttergesteins mit Kriställchen und des montierten Kristalls. Überraschenderweise war die Aufstellung anders, als ich ursprünglich erwartet hatte. Auch einige Flächen (121) und (12-1), hatten andere Indices, als ich erwartet hatte. Dies zeigte sich jedoch schnell in grossen Abweichungen der gefitteten von den gemessenen Achsenpositionen.
Mein Auswerteprogramm habe ich auch weiter verfeinert.
Das Längenverhältnis zwischen der c und der a-Achse beträgt 0.7603, bzw der arctan davon 52.75 Grad, was ausgezeichnet zu dem Plot in Post #17 passt.
Für den Wiluit ergab sich zum Vergleich 53.09 Grad, die wohl nicht sehr genau sind, aber zu Wiluit passen.

Viele Grüsse
Florian

Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: olaf.med in November 04, 2021, 11:57:42 VORMITTAG
Lieber Florian,

das sieht ja nach einer wirklich guten und brauchbaren Messung aus. Prima!

Herzliche Grüße, Olaf
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: hugojun in November 04, 2021, 19:49:39 NACHMITTAGS
Hallo Florian ,

Hallo Florian
wirklich interresant .
Um am Ball zu bleiben:
Dein Diagramm in Antwort  #17 bezieht sich auf die Tabelle 5 in Gnos, E., & Armbruster, T. (2006)?

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures012/311935_42750725.jpg) (https://www.pic-upload.de)

Ist der Bor Gehalt eher ein Parameter der Mineral-Bezeichnung oder eher der Typ-Lokalität?
Woher stammen die Angaben der Längenverhältnisse zwischen der c und der a-Achse zur Erstellung des Diagramms?

LG
Jürgen




Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: Florian D. in November 04, 2021, 23:05:01 NACHMITTAGS
Hallo Jürgen,

die Daten sind aus dem Supplementary material zu dem zitierten Artikel:
http://www.minsocam.org/msa/ammin/toc/2006/MJ06_Data/MJ06_Data.html

Viele Grüsse
Florian
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: PolMik in November 05, 2021, 00:46:37 VORMITTAG
Hallo Florian,
es gibt nur Vesuvian, mit bis zu 4,7% B2O3 wird der dann Wiluit genannt. Warum die Bezeichnung eingeführt wurde, wissen nur Mineralogen. Vesuvianit ist eine schmerzende Neuschöpfung. So etwas gibt es auch nicht als Gestein. Das ändert nichts an deiner interessanten Bearbeitung.
LG
Michael
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: Florian D. in November 05, 2021, 08:35:13 VORMITTAG
Hallo Michael,

ich sehe "Vesuvianit" als eine Anpassung an die internationalen Gepflogenheiten, werde aber versuchen, in Zukunft von "Vesuvian" zu sprechen.

Viele Grüsse
Florian
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: olaf.med in November 05, 2021, 09:11:06 VORMITTAG
Lieber Florian,

prinzipiell hat Michael völlig recht. Das gleiche gilt übrigens auch für "akute Bisektrix"  ;D ;D ;D. Im deutschen Sprachgebrauch ist das schlicht die spitze Bisektrix (analog obtuse=stumpf). Das Wort Vesuvianit existiert aber tatsächlich und bezeichnet ein Gestein aus vorherrschend Vesuvian.

Ja, wir Mineralogen sind schon ein komisches Völkchen :).

Herzliche Grüße, Olaf
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: Florian D. in November 05, 2021, 10:01:03 VORMITTAG
Wikipedia behauptet ja, "Vesuvian" sei veraltet, aber zumindest Olafs Meinung zu Wikipedia kenne ich ja und würde mich ihr hier ohne Probleme anschliessen.  Gibt es denn eine Kommission, die die korrekten deutschen Mineralnamen definiert?
Viele Grüsse
Florian

Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: olaf.med in November 05, 2021, 10:30:16 VORMITTAG
Lieber Florian,

nach meiner Kenntnis gibt es keine Kommission für deutsche Mineralnamen, aber eine alte und gute Tradition! Ich glaube man sollte nicht alles den Anglizismen opfern, ohne dass ich ein ewig Gestriger wäre.

Herzliche Grüße,

Olaf
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: PolMik in November 05, 2021, 10:42:44 VORMITTAG
Lieber Olaf, lieber Florian,
wie schon geschrieben, das ist eine tolle Arbeit, die Florian hier vorgestellt hat. Meine Mineralogie- und Kristallographie- Bücher sind tatsächlich schon etwas angestaubt. Da gibt es noch kein Vesuvianit. Im englischen Sprachraum scheint es so benannt zu sein. Mein auch schon angestaubtes Fachwörterbuch englisch-deutsch kennt  auch Vesuvianite. In meinen Petrographie-Büchern gibt es auch noch kein Vesuvianit. Letztlich ändern die Bezeichnungen nichts am schönen Ergebnis. Von Wikipedia lasse ich mich auch nur selten inspirieren. Mir ist auch nicht klar, wie ich Wiluit unter dem Mikroskop von Vesuvian/Vesuvianit unterscheiden könnte. In der Praxis sind mir diese Minerale noch nicht unter den Hammer gekommen, sollte sich so ein Verdacht ergeben, weiß ich jetzt aber, wo ich zwei echte Experten finde.  :) Auf jeden Fall ist das doch eine gute Gelegenheit meine Mineralogiekenntnisse aufzufrischen.
LG
Michael
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: olaf.med in November 05, 2021, 11:20:43 VORMITTAG
Lieber Michael,

da wir schon einmal beim Schulmeistern sind  ;D ;D ;D:
ZitatIm englischen Sprachraum scheint es so benannt zu sein

Bitte er, Minerale sind bis auf wenige Ausnahmen, wo bestimmte Eigenschaften benannt wurden, wie zum Beispiel die Hornblende, immer maskulin, und ein Gendern gibt es hier glücklicherweise (noch????) nicht!

Zu Deiner Frage: es gibt keine Möglichkeit den Wiluit vom Vesuvian auf einfachem Wege mit dem Pol-Mikroskop zu unterscheiden. Das gilt auch für viele andere Minerale die nach den strengen überbürokratischen Regeln der Internationalen Kommission (CNMMN der IMA = Commission for New Minerals and Mineral Names der International Mineralogical Association) mit eigenständigen Namen belegt wurden. Bei Mischkristallreihen ist das immer die 50% Grenze der Besetzung einer Gitterposition durch die beiden sich substituierenden Elemente. Wie soll man das aber ohne Einkristall-Diffraktometrische Untersuchung feststellen können??? Da ergibt sich leider häufig die Frage nach der Sinnhaftigkeit.

Herzliche Grüße,

Olaf
Titel: Re: Falscher Epidot
Beitrag von: PolMik in November 05, 2021, 19:26:28 NACHMITTAGS
Lieber Olaf,
du hast natürlich Recht, es heißt er.  :D Bei meinem Krümelkram habe ich schon genug Probleme die Minerale einzuordnen. Epidot meinetwegen, Farbe, Kornform, Bruch, Spaltbarkeit, optisch negativ zweiachsig (nur sehr selten zu erkennen), Auslöschungswinkel 0-2°, 2. bis 3. Ordnung,  geringe Doppelbrechung.  Sehr in der Nähe von Vesuvian, der auch optisch negativ wäre. Ich denke nicht, dass ich die im Normalbetrieb unter dem Mikroskop unterscheiden könnte. Zumal die auch nebeneinander vorkommen können. Da auch noch Kunstnamen für Vesuvian mit Borgehalten einzufügen, das ist für die normale Praxis übertrieben. Da kann ich dir nur zustimmen. Um so mehr war es toll zu sehen, wie Florian das hier hingekriegt hat.
LG
Michael