Glückauf Forum,
nach der Beschäftigung mit Vesuvian und Epidot sah ich mich gezwungen, mich näher mit der sogenannten Dispersion der Doppelbrechung auseinanderzusetzen. Damit ist gemeint, dass die Doppelbrechung in einigen Kristallen mehr oder weniger stark mit der Wellenlänge variiert. Dann stimmen die Interferenzfarben, die man im Dünnschliff bei gekreuzten Polarisatoren beobachtet, nicht mehr mit jenen überein, die in der Michel-Levy Tafel abgebildet sind und die man an Kompensatoren beobachtet.
Man unterscheidet dann "übernormale" und "unternormale" Interferenzfarben. Bei übernormalen Interferenzfarben, sind die Interferenzfarben der ersten Ordnung leuchtender, und ähneln mehr jenen die man nach der Michel-Levy Tafel für die normale 2. Ordnung erwarten würde. Bei sehr niedriger Doppelbrechung erscheinen die Schliffe zudem blau statt grau.
Dies tritt auf, wenn die Doppelbrechung mit wachsender Wellenlänge abnimmt, also im Roten kleiner ist als im Blauen.
Bei unternormalen Farben sind die Farben der ersten Ordnung hingegen dumpfer und manchmal beobachtet man sogar eine Inversion der Farbfolge. Bei niedriger Doppelbrechung erscheinen die Schliffe blau oder lederbräunlich.
Dies tritt auf, wenn die Doppelbrechung mit wachsender Wellenlänge zunimmt, also im Roten grösser ist als im Blauen.
ich habe jetzt versucht, diesen Effekt zu simulieren, siehe Graphik.
Dazu habe ich angenommen, dass der Brechungsindex linear mit der Wellenlänge variiert.
Bezogen auf die Wellenlänge ist die "Dispersion von Delta n" also negativ im übernormalen Fall und positiv im unternormalen Fall.
Entlang der mittigen Horizontalen Linie findet man die normalen Farben, wie man sie für einen Schliff der Dicke 25 mikron erwarten würde (Michel Levy).
Die nach oben oder unten verschobenen horizontalen Linien entsprechen dem, was man sieht, wenn man einen unter- oder übernormalen Schliff betrachtet und dabei einen Kompensator verwendet, denn dieser kann zwar die effektive Doppelbrechung verändern, nicht aber die Dispersion derselben.
Hätte man schliesslich einen Keil eines dispergierenden Kristalls, so würde der Brechungsindex entlang von Linien die durch den Ursprung verlaufen, variieren.
Olaf hat hierzu auf seiner Homepage ein schönes Beispiel:
ftp://ftp.min.rub.de/pub/Medenbach/Kristalloptik/spezielles.ppt
Was ich persönlich besonders bemerkenswert finde ist, dass das Bild eine Periodizität aufweist. Es gibt ein Motiv, dass entlang einer Diagonalen wiederholt. Dieses Motiv ist zudem spiegelsymmetrisch. Dies erklärt, dass man im unternormalen Fall eine Inversion der Farben im vergleich zum normalen oder übernormalen Fall beobachtet. Die Periodizität erklärt auch, warum man in den verschiedenen Ordnungen immer wieder eine ähnliche Farbreihung beobachtet.
Noch etwas Technisches: Die Farben wurden unter der Annahme einer Schwarzkörperlichtquelle mit 4100 Grad berechnet.
Meine LED hat diese Farbtemperatur, wenngleich sie doch vor allem im Blauen stark von einer thermischen Lichtquelle abweicht.
Viele Grüsse
Florian
Lieber Florian,
es ist grandios was Du alles machst (und kannst - ich wäre damit völlig überfordert). Meine höchste Hochachtung.
Zwei Anregungen habe ich zu Deiner Grafik:
- Kannst Du den normalen Farbverlauf als Band in der Mitte darstellen, evtl. sogar mit feinen Linien nach oben und unten gegen die anomalen Bereiche angegrenzt. Das würde sicher die Betrachtung erleichtern.
- Ich würde diese schöne Grafik einer breiteren Interessentengemeinde zugänglich machen. Dafür bietet sich der "Leitfaden zur Dünnschliffmikroskopie" von Raith, Raase und Reinhardt an. Ich könnte da gerne vermitteln, da ich zwei der Autoren sehr gut kenne.
Nochmals - Hut ab!
Olaf
Hallo Florian,
sind diese anomalen Interferenzfarben durch anormale Dispersion verursacht? Wenn ja, würde man dann nicht für jedes Mineral mit anomalen Interferenzfarben einen eigenen Farbverlauf errechnen müssen?
Neugierige Grüße
Erik
Hallo Erik,
gute Frage.
Nein, anomale Interferenzfarben sind nicht durch anomale Dispersion erzeugt.
Anomale Dispersion bedeutet, dass der Brechungsindex mit der Wellenlänge zu und nicht abnimmt, wie dies bei der normalen Dispersion der Fall ist. Dies ist nur im Bereich von Absorptionslinien der Fall.
Wenn es um Interferenzfarben geht, interessieren wir uns aber nicht für die Dispersion des Brechungsindex an sich, sondern der der Brechungsindexdifferenzen für 2 Polarisationsrichtungen.
Allerdings hast Du recht, dass anomale Interferenzfarben nicht gleich anomale Interferenzfarben sind, sondern materialabhängig. Das ist ja auch der Grund, weshalb ich diese Graphik erstellt habe.
Zumeist wird der Parameter N= Delta n_D/(Delta n_F-Delta n_C) angegeben, der von den Brechungsindexdifferenzen bei den Fraunhoferlinien C, D und F abhängt. Von anomalen Interferenzfarben spricht man im engeren Sinne nur, wenn N=0 bzw. Delta n_D =0. Die Farben sind übernormal, wenn N>0 und unternormal, wenn N<0. Ist der Betrag von N >30, sehen die Interferenzfarben normal aus.
Viele Grüsse
Florian
Hallo Florian ,
die ΔnD u.s.w. beziehen sich bei uniaxialen Kristallen also auf N=n₀D-nₑD/(n₀F-nₑF)-(n₀C-nₑC) für optisch negative Kristalle und nₑ-n₀ für positive. Funtioniert dies auch für biaxiale Kristalle mit den minimal und maximal nα-nγ??
Gruß
Jürgen
Hallo Jürgen,
Die Graphik gilt zunächst einmal für jede Orientierung des Kristalls. Entlang jeder beliebigen Richtung wird man ein Delta n_D und auch eine Variation d Delta n/ d lambda beobachten.
Letztere kann man durch die Delta n_F - Delta n_C ausdrücken, wie du richtig angemerkt hast. Allerdings müssen sich die Delta n nicht unbedingt auf die ordentlichen und ausserordentlichen Richtugen beziehen, obwohl das für Tabellierungen natürlich vorzuziehen ist.
Daher kann diese Graphik auch für zweiachsige Kristalle verwendet werden.
Ich bin gerade dabei, die Graphik so umzugestalten, dass Delta n_F - Delta n_C als x-Achse verwendet wird und Delta n_D als y-Achse. Dann ist die Steigung von Geraden N=Delta n_D/(Delta n_F-Delta n_C) was Rinne-Berek als die "Reziproke Dispersion der Doppelbrechung" bezeichnen, die man für die Hauptbrechungsindices wohl auch tabelliert finden kann.
Ich bitte noch um etwas Geduld.
Viele Grüsse
Florian
... hat man Dispersion der Achsen, sollte es doch möglich sein, allein durch Drehen des Dünnschliffs zwischen übernormalen und unternormalen Farben zu wechseln. Muss das mal mit meinem Brookit probieren.
Gruss,
Florian
Hallo Florian ,
da Du wohl gerade mit einem Brookit experimentierst , interessieren dich vielleicht diese Daten, wenn Du nicht schon einen Satz hast. Dummerweise entsprechen die Wellenlängen nicht genau denen der Fraunhofer – Serie C-D-F. Sie liegen etwas höher oder tiefer. Ist aber vielleicht nicht so kritisch.
λ nm nα nβ nγ
435,83 2,7695 2,7836 2,9416
491,61 2,6717 2,6769
546,07 2,6154 2,6160 2,7402
579,07 2,5904 2,5900 2,7091
607,27 2,5739 2,5718 2,6882
671,63 2,5443 2,5403 2,6519
690,75 2,5375 2,5328 2,6429
707,27 2,5317 2,5265
Leider fehlen für nγ zwei Wellenlängen.
Die Daten stammen aus Radhakrishnan 1951 ,,The optical properties of Titanium-Dioxide",
hier die Variante Brookit
Gruß
Jürgen
Jürgen, vielen Dank!
Zum Abschluss des Abends noch eine kleine Einsicht, die mir gerade kam, aber vielleicht selbstverständlich ist:
Mein Anlass, mich mit dieser Dispersion näher zu beschäftigen war ja der, dass ich mit dem Kompensator im Falle der Epidote die Interferenzordnung nicht bestimmen konnte. Damit hatte ich bis gerade eben immer noch Schwierigkeiten.
Der Punkt ist der: Ob eine Interferenzfarbe unter- oder übernormal ist, wird durch das relative Vorzeichen der Doppelbrechung und der Dispersion der Doppelbrechung bestimmt. Normalerweise setzen wir das Vorzeichen der Doppelbrechung einfach als positiv. Mit einem Kompensator verschieben wir die Doppelbrechung bei allen Wellenlängen idealerweise um den gleichen Betrag. Damit bleibt die Dispersion, die sich ja als Differenz der Doppelbrechung im Blauen und im Roten darstellen lässt, konstant. Ist der Kompensator jedoch in Subtraktionsstellung, kann sich das Vorzeichen der Doppelbrechung selbst jedoch umkehren. Dann wird man selbst für einen an sich übernormalen Epidot unternormale Farben beobachten. Insbesondere ist der Farbverlauf um Delta n=0 herum nicht mehr symmetrisch, wie wir das von den normalen Farbverlauf her vielleicht erwartet hätten.
Viele Grüsse
Florian
Hallo Florian ,
genau dieses Problem habe ich mit Deinem Diagramm. Wenn ich mir am Objekt nicht die Addition und Subtraktion nacheinander anschaue, würde ich wohl leicht die anomale Dispersion übersehen können (positive Steigung N).
Aber auch das weiß-grau im negativen Bereich, könnte als ,,normale" Subtraktion durchgehen, wenn die normale Doppelbrechung sich im Bereich von ROT I bewegt.
Da die anomale Dispersion sich nicht auf die ordentliche und außerordentliche Richtung beschränkt,
ist eine Überprüfung an jeder Kornlage möglich und auch erforderlich!?
Grüße
Jürgen
Hallo Jürgen,
Ja, das Problem, anhand der Interferenzfarbe festzustellen, welche Ordnung nun gerade vorliegt, ist genau das Problem, dass ich mithilfe des Diagramms lösen wollte.
Ein zweiachsiger Kristall kann durchaus entlang einer Achse übernormale und entlang einer anderen Achse unternormale Farben zeigen.
In triklinen Kristallen sind sogar die Richtungen extremaler Dispersion unabhängig von den Richtungen extremaler Doppelbrechung.
Man wird also im Extremfall tatsächlich für jedes Kristallkorn mit Kompensator und Diagramm die Interferenzordnung ausfuchsen müssen.
Letztendlich ist man dann wahrscheinlich schon froh, wenn man die maximale Doppelbrechung zwecks Vergleichs mit tabellierten Werten angeben kann.
Für diese würde ich dann auch N abschätzen, wenn man es denn braucht.
Viele Grüsse
Florian
Hallo Jürgen,
jetzt bin ich auch ins Grübeln geraten. Du hast natürlich völlig recht: Sobald ich Dispersion zulasse, gibt es mehrere Kombinationen aus Doppelbrechung und Dispersion, die zu der selben Interferenzfarbe führen und auch die Farbfolge, die man mit Kompensator sieht, wird für Alle die Gleiche sein.
Gruss
Florian
Zitat von: Florian D. in November 02, 2019, 23:25:44 NACHMITTAGS
was ich persönlich besonders bemerkenswert finde ist, dass das Bild eine Periodizität aufweist. Es gibt ein Motiv, dass entlang einer Diagonalen wiederholt. Dieses Motiv ist zudem spiegelsymmetrisch.
Die Lage der anomalen Dispersion ( braunes Feld )auf der X-Achse ( siehe Diagramm oben ) sollte sich entlang derselben mit veränderter Kornlage (höhe der Doppelbrechung )verschieben ?
Somit würde dein Diagramm eine spezielle Lage von vielen Möglichen sein? Lediglich der Hintergrund (Kornlage, Doppelbrechung) würde sich ändern?
Auf er anderen Seite, in deinem Versuch mit dem ,,falscher Epidot ,, hast Du mit dem Berek ja die Dispersion kompensiert, obwohl es Körner in verschiedenen Lagen gibt und dies über einen großen Bereich des Gangnterschiedes des Kompensators?
Jürgen
Hallo Jürgen,
versteh ich jetzt nicht. Das Diagramm liefert mir für jede Kombination aus Doppelbrechung und Dispersion die richtige Farbe. Aber jede Farbe kommt in dem Diagramm mehrmals vor. Deshalb ist der Rückschluss von der Interferenzfarbe auf Doppelbrechung und Dispersion nicht eindeutig. Kristalle mit verschiedener Lage haben verschiedene Werte der Doppelbrechung und Dispersion, das ändert aber nichts am Diagramm.
Die richtige Interferenzordnung kann man an einem Kristallkeil bestimmen. Dort wo die Dicke d=0, verschwinden sowohl Doppelbrechung als auch Dispersion. Damit hat man einen absoluten Bezugspunkt, ab dem man die Ordnung zählen kann.
Gruss
Florian
Hallo Florian ,
die Tabelle aus einer Arbeit zeigt , dass man , je nach dem , aus welchem Wertrepaar man die delta n bestimmt , für biaxiale Kristalle drei N`s bestimmen kann:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/259592_3663598.jpg) (https://www.pic-upload.de)
somit ist die Steigung N Richtungsabhängig.
Bemüht man nun die Maxima und Minima , wie im Fall von Brookit , können über- oder unternomale Farben auftreten
nγ-nα nγ-nβ nβ-nα
N 18,74 22,82 -2,10
je nach Kornlage , beobachtet man in einer der obigen Richtungen , oder auch jede Lage dazwischen.
Gruß
Jürgen
Glückauf Forum!
Ich habe ein bisschen Literaturstudium betrieben:
Im neunzehnten Jahrhundert hat man sich intensiv mit der Dispersion der Doppelbrechung auseinandergesetzt. Dies kam mit der Doktorarbeit von Arthur Ehringshaus 1916, vielleicht besser bekannt aufgrund des von ihm ersonnenen Ehringhausschen Kompensators, zu einem gewissen Abschluss. Es folgte 1920 von ihm ein zusammenfassender Artikel "Über Dispersion der Doppelbrechung bei Kristallen" im Neuen Jahrbuch für Mineralogie, Geologie udn Paläontologie, pp. 557-618, Bd. 43, in dem eine Tabelle der Doppelbrechungen, Dispersionen und "Ehringhauszahlen" N für viele Minerale und Substanzen enthalten ist.
Ich habe diese abgetippt und angehängt. Da Ehringhaus 1948 gestorben ist, sollte auch das Copyright kein Problem mehr sein.
Die aus der Dispersion und Brechungsindex berechneten N Werte stimmten nicht immer mit denen in Ehringhaus' Tabelle überein. Nach vergleich mit den Originalergebnissen war dies in allen Fällen auf Druckfehler zurückzuführen. Ich habe diese korrigiert.
Vielleicht hat ja jemand Lust, einige der Minerale oder Substanzen selber zu analysieren?
Das Verständnis der Materie war von 100 Jahren eigentlich schon erschöpfend. In den Arbeiten von Hlawatsch (s. u.) konnte dieser sogar die beobachteten spektralen Kurven herleiten. Der Leucocyclit erhielt seinen Namen von der beobachteten zyklischen Wiederholung schwarzer und weisser Interferenzfarben. Davon hat Olaf med. ja ein schönes Beispiel auf seiner Homepage.
Auch die Inversion der "normalen" Farbfolge für kleine negative Ehringhauszahlen N war beobachtet und verstanden.
Hlawatsch, C. "IX. Bestimmung der Doppelbrechung für verschiedene Farben an einigen Mineralien." Zeitschrift für Kristallographie, Mineralogie und Petrographie 21.2 (1902): 107-156.
Hlawatsch, Carl. "Bestimmung der Doppelbrechung für verschiedene Farben an einigen Mineralien." Zeitschrift für Kristallographie, Mineralogie und Petrographie 23.5 (1904): 415-450.
Viele Grüsse
Florian
Glückauf Forum,
Ein Preprint zu diesem Thema ist nun unter diesem Link verfügbar:
https://hal.archives-ouvertes.fr/hal-03520222/document
Viele Grüsse
Florian
Guten Abend Florian,
was du so alles ablieferst. Ich schaffe es leider nicht, mich mal eben so da reinzulesen, geschweige denn es wirklich nachzuvollziehen.
Trotzdem vielen Dank fürs Teilen und für deine Arbeit an diesem Thema.
Viele Grüße,
Erik
Hallo Florian,
danke für diese unglaublich tolle Arbeit!
LG
Michael
Ich konnte kürzlich einen Carl Zeiss Jena Ehringhaus ,,Drehkompensator mit Kombinationsplatte aus Kalkspat von ,,je"1 mm Einzeldicke" erwerben, passend zu meinem CZJ Amplival POL d/u.
Dieser Untertitel beschreibt unter Abschnitt 2 des von A. Ehringhaus 1939 veröffentlichten Beitrag ,,Drehkompensatoren mit besonders großem Messbereich" die Funktion eines Kompensators für den Gangunterschied Γ von 0- 130 λ.
Ein nicht unwesentlicher Teil der Ausführungen in diesem Beitrag beschäftig sich mit der korrekten Auffindung des Dunkelstreifens der vollständigen Kompensation, somit die korrekte Ablesung des Drehwinkels des Kompensators.
Bei solch hohen Gangunterschieden, ist das menschliche Auge nicht/kaum in der Lage, weißes Licht der spektralen Zusammensetzung von weißem Licht höherer Ordnungen zu unterscheiden.
Beobachtet man eine Mineralplatte von z.B. Γ ~ 60λ und dreht den Kompensator in Richtung der höheren Ordnungen, sieht man nur weiß der höheren Ordnungen, bis dann bei Annäherung an die Kompensationsstellung Streifen bunter Farben auftreten, die nach überschreiten dieses Bereiches wieder schnell in das weiß der höheren Ordnungen übergeht. Ziemlich Mittig der bunten Streifen befindet sich dann entweder ein dunkler Streifen oder zwei dunkle Streifen in einem mehr oder weniger großen Abstand zueinander. Zwischen den beiden dunklen Streifen befindet sich der sogenannte weiße Leucocyklitstreifen .
Die Natur der ,,bunten Streifen ,,und die Möglichkeit der Simulation dieser Farben hat Florian in seiner fantastischen Erweiterung der Michel-Lévy Tafel demonstriert und sie ist zum Verständnis im Umgang mit Kompensatoren mit besonders großem Messbereich sehr hilfreich.
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=35452.msg261973#msg261973
« Antwort #16 am: Januar 11, 2022, 12:16:54 Nachmittag »
Im Wesentlichen handelt es sich bei diesen ,,bunten Streifen" im Kompensationsbereich ,um die Farbabfolge der Chromocyklit-Farben, die im Gegensatz zu den ,,normalen Interferenzfarben" entstehen, wenn mehr als nur eine Wellenlänge innerhalb des sichtbaren Spektrums, gleichzeitig destruktive interferieren. Hier spielt die Dispersion der Doppelbrechung in verstärktem Masse eine wesentliche Rolle.
Beim Zusammentreffen besonderer Verhältnisse, tritt nicht nur ein dunkler Streifen auf, sondern gleich zwei, dazwischen befindet sich der Leukocyklitstriefen.
Die besonderen Verhältnisse entstehen aus der Kombination der N-Zahl (siehe Florians Arbeit) des Kompensators und der N-Zahl des Objekts , die sogenannte relative Dispersion der Doppelbrechung.
In den folgenden Bildern habe ein Spalt-Täfelchen aus Anhydrit von ca 3 x 5 mm Fläche und einer mittleren Dicke von 660 µm , entsprechend Γ = 29050 nm (~ 53λ), beobachtet.
Kompensator aus Kalkspat //c N= 23,6 und das Objekt Anhydrit //(001) N = 111.
Die erste Bildserie zeigt das Anhydrit Täfelchen bei geringer Vergrößerung mit einem 6X Objektiv , um gleichzeitig Hintergrund und Bereiche verschiedener Dicke erfassen zu können . Die Abstufungen der Kompensator-Kipp-Stellung betragen beginnend mit 0° über 5° , 20 ° bis 40°. Danach zwei Vergrößerungen des Kompensations-Bereichs.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures013/342805_36849274.jpg) (https://www.pic-upload.de)
Bild 1 Kompensator ° Grad. Im Hintergrund das Kompensator-Kreuz bei Nullstellung.
Anhydrit in weiß hoher Ordnung.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures013/342805_63208015.jpg) (https://www.pic-upload.de)
Bild 2 Kompensator in ca 5 ° Stellung. Diese geringe Drehung lässt auch Messungen
kleiner Gangunterschiede bis ca 6 λ zu.Hintergrung.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures013/342805_32001227.jpg) (https://www.pic-upload.de)
Bild 3 . Bei Fortführung der Drehung ( Kippung ) des Kompensators passiert lange Zeit nicht mehr, wie hier am Beispiel bei 20°.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures013/342805_19575591.jpg) (https://www.pic-upload.de)
Bild 4 , bei ca 40° Kippwinkel zeigen sich im Bildbereich Mitte , unten ,rechts die ersten Chromocyklit-Farben . Das Anhydrit-Täfelchen hat in diesen Bereich eine andere Dicke als in den anderen Bereichen
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures013/342805_41962596.jpg) (https://www.pic-upload.de)
Bild 5 , ein vergrößerter Bereich der Chromocyklit-Streifung , hier mit nur einem mittigen dunkelen Streifen.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures013/342805_42119052.jpg) (https://www.pic-upload.de)
Bild 6 , wiederum eine anderer Bereich unterschiedlicher Dicke. Der dunkle Streifen erscheint nun links und rechts des Leukocyklit-Streifens.
Schönen Vatertag
Jürgen
Lieber Jürgen,
das ist ja ein sehr schönes Experiment und Geschenk zum Vatertag!
Anbei eine Skizze, wie das in dem erweiterten Michel Lévy Diagramm aussieht.
Anhydrit hat ja praktisch keine Anomalität, die N- Linie ist sehr steil (grün). Bei gegebener Dicke (Doppelbrechung) befindet man sich auf dem Schnittpunkt der durchgezogenen und gestrichelten grünen Linien.
Mit dem Calcitkompensator wandert man entlang der roten Linie mit Steigung N=23.6, bis man die Leukozyklitlinie (blau, gestrichelt) schneidet. Man sieht, dass der gefundene Gangunterschied deutlich zu klein sein wird. Wenn man den genauen Gangunterschied ermitteln will, bräuchte man also noch einen zweiten Kompensator aus einem anderen Material mit anderem N.
Viele Grüsse
Florian
Hallo Jürgen,
Zitat... Carl Zeiss Jena Ehringhaus ,,Drehkompensator mit Kombinationsplatte aus Kalkspat von ,,je"1 mm Einzeldicke" erwerben ... von A. Ehringhaus 1939 veröffentlichten Beitrag ,,Drehkompensatoren mit besonders großem Messbereich" die Funktion eines Kompensators für den Gangunterschied Γ von 0- 130 λ.
Interessant, zumal bei Ebay gerade ein CZJ-
Kippkompensator (Microval-Serie) für diesen Messbereich über die Theke gewandert ist. Ich frage mich gerade, welche Vor- bzw. Nachteile zwischen diesen beiden Versionen eigentlich bestehen...
Viele Grüße aus Berlin
Michael
Hallo Florian,
danke für die Einordnung der scheinbar simplen Erklärung der Verhältnisse in meinem Experiment.
Die praktische und rechnerische Ermittlung der tatsächlichen Lage der Kompensation beschreib Ehringhaus an einem Beispiel wie folgt.
Praktischer Teil :
,,Beispiel 1. Kompensation einer Quarzplatte || c, d = 3,984 mm.
An der Kompensationsstelle zeigen sich beiderseits, also innen und außen von
einem weißen Leukocyklitstreifen, zwei dunkle Streifen mit Farbsäumen. Diese
sehen sich auf den ersten Blick so ähnlich, dass man im Zweifel ist, welchen der beiden
man als Stelle der vollkommenen Kompensation im weißen Licht ansprechen soll.
Bei genauerer Beobachtung erkennt man jedoch, dass die Farbsäume an jedem
Streifen in umgekehrter Anordnung zueinander liegen, d. h. der äußere Streifen
zeigt innen Rot und außen Blau, der innere innen Blau und außen Rot. Da von
der Leukocyklitstelle mit Ν = — 2,13 aus der richtige Streifen nur in Richtung
auf Null abnehmender N -Werte liegen kann, so kommt nur der innere Streifen als
richtige Kompensationsstelle in Frage."
Theoretischer Teil:
Anschließend folgt noch die rechnerische ,,Kompensation" anhand des Kompensator -Tafelwerks und eine Kompensations-Formel.
Ich habe aus gutem Grund auf den mathematischen Beweis aus Ehringnhaus Arbeit an dieser Stelle verzichtet.
LG
Jürgen
Zitat von: MiR in Mai 19, 2023, 08:50:43 VORMITTAG
Hallo Jürgen,
Zitat... Carl Zeiss Jena Ehringhaus ,,Drehkompensator mit Kombinationsplatte aus Kalkspat von ,,je"1 mm Einzeldicke" erwerben ... von A. Ehringhaus 1939 veröffentlichten Beitrag ,,Drehkompensatoren mit besonders großem Messbereich" die Funktion eines Kompensators für den Gangunterschied Γ von 0- 130 λ.
Interessant, zumal bei Ebay gerade ein CZJ-Kippkompensator (Microval-Serie) für diesen Messbereich über die Theke gewandert ist. ...
Viele Grüße aus Berlin
Michael
8) :-X
Zitat von: MiR in Mai 19, 2023, 08:50:43 VORMITTAG
Hallo Jürgen,
...
Ich frage mich gerade, welche Vor- bzw. Nachteile zwischen diesen beiden Versionen eigentlich bestehen...
Viele Grüße aus Berlin
Michael
Hallo Michael,
welche beiden ,,Versionen ,,meinst du genau?
LG
Jürgen
Hallo Jürgen,
ich glaube, dass ist ein Mißverständnis, hinsichtlich dessen was wir unter Dreh-und Kippkompensator verstehen.
Drehkompensator
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=26236.msg197304#msg197304
bzw. Meßkompensator mit azimutaler Drehung
bzw. https://www.mikroskop-online.de/Mikroskop%20BDA/30-050a-1%20%20AMPLIVAL%20pol.pdf, Seite 11
Kippkompensator
siehe ebenfalls den vorherigen Link
Messkompensator 0-130 Lambda
Wie ich sehe, ist das im Internet sehr unterschiedlich was man nun mit Drehen und Kippen meint ...
Du hast also den Messkompensator 0-130Lambda, oder ?
Viele Grüße aus Berlin
Michael
Hallo Michael,
leider werden auch in der Literatur gerne die Begriffe vertauscht. Den Kippkompensator,
den Ehringhaus in seiner Arbeit als Drehkompensator bezeichnet ist auch ein Kippkompensator.
Messbereiche von 0 - 6λ oder eben 0 - 130λ. Bild oben
Dann gibt es noch die Azimutalen – Drehkompensatoren. Die mir bekannten für das Amplival
haben Messbereiche der Gangunterschiede von 1/32 λ , 1/16 λ , 1/8 λ und1/4 λ .Bild unten
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures013/342863_63208015.jpg) (https://www.pic-upload.de)
Ich hoffe wir sind wieder auf dem gleichen Gangunterschied. ::)
Für den Beitrag habe ich den Kipp- Kompensator 0 - 130 lambda eingesezt.
LG
Jürgen
Hallo Jürgen,
ja sieht so aus! Es ist nur die Frage in Kompensations- oder Additionsstellung oder irgendetwas dazwischen ... ;)
Viele Grüße
Mic hael
PS: Wenn ich deine Bildunterschriften gleich aufmerksamer gelesen hätte, hätte mir eigentlich gleich klar sein müssen was Sache ist...
Hallo Florian ,
Ich habe mal eine Stelle mit dem vermeintlichen weißen Leukocyklit-Streifen unter gekreuzten und unter parallelen Analysatoren betrachtet.
Sub-normale Farben scheinen da tatsächlich nicht im Spiel zu sein, trotz sehr hoher Doppelbrechung.
Die Umschaltung von + pol auf // pol ergeben genau die Komplementärfarben, wie sie am Keil zu erwarten sind ( wenn + pol ) und es gibt auch keine Umkehrung der Farb-Abfolge.
Ich glaube, dass hier der Fall wie unter Kapitel 3, letzter Absatz deiner Arbeit ganz gut beschrieben ist:
,,Thus, for thick slabs,
it becomes difficult to estimate the interference order.
Specifically, a slab with a thickness d such that the
Quantity d* (ΔnF – ΔnC ) / (λC – λF)
is integer will show the same interference colours with
a compensator as a mineral without DoB (that is, the
usual colours form the Michel–Lévy chart). However,
the point of complete extinction will no longer correspond
to the zeroth interference order. If this quantity
is half integer, the interference colours will be
those observed on a mineral without DoB with parallel
polariser and analyser direction, as rotation of
the analyzer by θ = π/2 corresponds to an overall
phase shift of 2θ = π."
gekreuzte Analysatoren
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures013/342905_63208015.jpg) (https://www.pic-upload.de)
parallele Analysatoren
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures013/342905_32001227.jpg) (https://www.pic-upload.de)
LG
Jürgen
Weder für Anhydrit noch für Calcit würde ich mit dem Auge sichtbare anomale Farben erwarten. Von daher passt das ja.
Viele Grüsse
Florian
Hallo,
ein sehr interesanter Bericht. Leider verstehe ich davon noch nicht so viel. Vom Studium her bin ich ja Kristallstrukturanalytiker, aber halt mit einem Röntgendiffraktometer und viel Software...
Mittlerweile verfüge ich ja auch über ein Mikro, mit dem man solche Messungen machen kann. Und einen Ehringhausen-Komparator habe ich auch (dafür alle "normalen" Komparatoren nicht). Alleine, was mir fehlt, ist ein Lehrmeister 8)
Ja, lesen kann ich, aber zwischen "lernen" und "Erfahrung" ist doch ein gewisser Unterschied.
Was mich an solchen Themen schon immer interessiert hat: die genaue Kristallstruktur mit einem Röntgendiffraktometer heraus zu bekommen, ist keine große Kunst. Aber wie unsere "Altvorderen" das mit doch recht "primitiver" Technik bewerkstelligt haben, würde ich auch gerne verstehen.
Gut, einen großen Unterschied gibt es schon, mit dem Röntgendiffraktometer haben wir die Positionen von Atomen bestimmt, das wird mit einem Pol-Mik wohl doch etwas schwierig....
Schönen Abend
Carsten
Liebe Mikroskopiker,
ein sehr interessantes Thema. Was mich interessieren würde: Heutzutage wird der Aufbau eines Kristalles (vermutlich auch eines Gemenges aus mehreren Kristalliten) bekanntlich mittels Röntgendiffraktometrie ermittelt. Kommen denn auch heute noch die in diesem Thread behandelten polarisationsoptischen Methoden zur Anwendung, oder sind diese nur noch historisch? Falls die Antwort "Ja" lautet: Wo bzw. in welchen Nischenbereichen werden diese "historischen" Methoden noch angewandt?
Netten Gruß
PiusX
Polarisationsmikroskopie wird im Geologiestudium immer noch gelehrt und ist wohl konkurrenzlos schnell und billig, um sich einen Überblick über ein Gestein zu verschaffen. Gleichzeitig kann man dann interessante Minerale auswählen, die man mit der Röntgenmikrosonde o. ä. näher untersuchen möchte. Ich bezweifle allerdings, dass Kippkompensatoren noch viel verwendet werden.
Viele Grüsse
Florian
Siehe auch https://www.ias.ac.in/article/fulltext/jess/130/0116
LG
Jürgen
Zitat von: Florian D. in Mai 22, 2023, 09:42:02 VORMITTAG
... Ich bezweifle allerdings, dass Kippkompensatoren noch viel verwendet werden.
Viele Grüsse
Florian
Mich interessierte zu Beginn die Anwendung in der Schwermineralanalyse mit Korngrößen-Faktionen, die die Standard Dicke der Dünnschliffe weit überschreiten z. B . orientierte Messung der Doppelbrechung am Spindeltisch.
LG
Jürgen