Hallo zusammen
am letzten Wochenende erhielt ich von der Uni Köln einen Ableger einer Protisten-Kultur (Paramecium bursaria, die dort für studentische Zwecke eingesetzt wird), die mit Rädertieren "verunreinigt" war.
Ich habe dann mal untersucht, um was es sich bei diesem Rädertier handelt, und die Freude war groß: "meine" erste Adineta mit Augenflecken!!!
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/262513_7689721.jpg)
Adineta ist eine Gattung bdelloider Rädertiere (diese Gattung wird auch auch im "Wassertropfen" gelistet); in einem weiteren Buch (Donner, 1965, das immer noch als eine der Referenzen für die Bestimmung bdelloiden Rädertiere gilt) sind von dieser Gattung Adineta 12 Arten aufgelistet, davon eine einzige Art mit Augenflecken: Adineta oculata (die auch von Koste in der Hase (NS) gefunden wurde.
Im Laufe der letzten 50 Jahre sind von Adineta weitere Arten beschrieben worden, davon auch eine weitere mit Augenflecken, nämlich Adineta ricciae, die in Australien gefunden wurde. Adineta riccae hat sich mittlerweile zu einer Art "Laborratte" entwickelt, da sie wohl sehr problemlos zu halten ist. Es gibt auch einige wegweisende Arbeiten auf der Basis von Untersuchungen an diesem Viech.
Es stellt sich nun zunächst mal die Frage: welche "Art" ist es denn nun bei der Probe von der Uni Köln?: A. oculata oder A. ricciae?
Dazu muss man sich natürlich die Erstbeschreibung einer neuen Art anschauen, was in diesem Fall problemlos möglich ist. (Segers und Shiel (2005))
In dieser Erstbeschreibung wird A. ricciae von A. oculata u.a. durch die Position der Augenflecken unterschieden. Nun kann man aber unschwer erkennen, dass beide Augenpositionen sich an ein und demselben Viech nachweisen lassen.
Siehe hier: http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Adineta%20oculata.html (http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Adineta%20oculata.html)
Dieses Kriterium kann also m.E. als Unterscheidungsmerkmal nicht verwendet werden.
Es werden in dieser Arbeit noch einige weitere morphologische Merkmale zu Unterscheidung angeführt, die aber allesamt keine präzise Abgrenzung der beiden Formen ermöglichen. Insofern stellt sich für mich die Frage, ob es sich bei der Form mit Augenflecken überhaupt um zwei verschiedene Arten handelt. Das könnte man sicherlich anhand von molekulargenetischen Daten klären, die für A. ricciae auch bereits vorliegen. Für A. oculata scheint das aber nicht der Fall zu sein.
Insofern hatte mich nun interessiert, woher die von mir beobachteten Viecher stammen. Sind sie aus Europa? Kann man eine australische Herkunft ausschließen? Wie kosmopolitisch sind diese Arten? Ich konnte die Herkunft der Probe noch bis zur FU Berlin verfolgen; diese hat die Kultur von einer Firma, die einen Teil iher Kulturen aus den USA bezieht. Aber da verliert sich die Spur...
Davon abgesehen finde ich das Thema "Augenflecken" bei Rädertieren noch aus anderen Gründen spannend:
Nicht nur bei innerhalb der Gattung Adineta, sondern auch innerhalb anderer Gattungen von Rädertieren treten "augenlose" Arten und Arten "mit Augen" auf. (z.B. Cephalodella, Philodina)
Dazu ein Vergleich: würde man die Präsenz bzw. Abwesenheit von Augenflecken bei der Gattung Adineta auf Wirbeltiere übertragen, so gäbe es beispielsweise bei den Meisen (Gattung Parus) solche Arten mit Augen (beispielsweise Kohlmeise (Parus major) und solche Arten ohne (beispielsweise Blaumeise (Parus caeruleus)), und zwar nicht als "Unfall" oder Krankheit, sondern als Artmerkmal. Wohlgemerkt: es geht hier bei diesem hypothetischen Vergleich ausschließlich um die Verwandtschaft der Arten (und nicht darum, welche Funktion das Auge hat). Was uns bei den Wirbeltieren (als Verwandtschaftsmerkmal) undenkbar erscheint, ist bei den Rädertieren Realität.
Allerdings sollte man sich diese Augenflecken bei Rädertieren nicht wie Augen von Säugetieren vorstellen (siehe auch der Beitrag hier
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=10284.0 (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=10284.0)
aber es ist schon vorstellbar, dass es sich dabei um Strukturen handelt, die Licht wahrnehmen können.
Dem Mikroskopiker fallen dies Augenflecken natürlich nur aufgrund der (zumeist roten) Pigmentierung auf. Die weiteren morphologischen Merkmale (z.B. Nervenzellen, Linsen) sind eigentlich nicht so ohne weiteres zu erkennen, da auch ziemlich klein.
Hier noch ein Beispiel einer solch schwierigen Beobachtung: Brycella stylata. Von dieser Art sind in der Literatur keine Augenflecken beschrieben. Durch Zufall fand ich auf einem Foto eins dieser Viecher, das sich folgendermaßen darstellt (Pfeilspitzen):
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/262513_2098632.jpg)
(weitere Bilder hier: http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Bryceella%20stylata.html (http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Bryceella%20stylata.html) )
Es stellt sich die Frage, wie diese Strukturen zu interpretieren sind....
Apropos Licht: Weihnachten wird ja auch als "Fest des Lichts" bezeichnet. Insofern möchte ich an dieser Stelle allen Mikroskopikerinnen, Mikroskopikern und Mikroskopiker-diversen ein entspanntes und freudenreiches "Fest des Lichts" wünschen...
Beste Grüße
Michael Plewka
Hallo Michael,
herzlichen Glückwunsch zu Deinem tollen Fund - ein schönes Weihnachtsgeschenk!
Vielen Dank für die - wie immer - lehrreiche Darstellung.
Schone Feiertage und ein interessantes neues Jahr,
Michael