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Foren => Mikrofoto-Forum => Thema gestartet von: Bernd Miggel in November 25, 2020, 07:47:37 VORMITTAG

Titel: Interessante Pilzfunde 04 - Verfärbender Schneckling
Beitrag von: Bernd Miggel in November 25, 2020, 07:47:37 VORMITTAG
Heute möchte ich einen typischen Spätherbstpilz der Kalkbuchenwälder vorstellen, den Verfärbenden Schneckling Hygrophorus discoxanthus (Fr.) Rea. Diesen Pilz findet sich zuverlässig in jedem Spätherbst in meinem Hauswäldchen, dem "Vogelsanggebiet", einem Orchideen-Buchenwald (Carici-Fagetum). ein
Hygrophorus discoxanthus geht eine Mykorrhiza mit der Rotbuche Fagus sylvatica ein.


(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/288640_43527150.jpg)
Bild 1 - Das Fundgebiet. Bei Rotbuchen auf Kalkboden, Halbschatten, Spätherbstaspekt


Die im Weiteren beschriebenen Merkmale beziehen sich auf den Fund!


Makroskopische Merkmale

Gefunden wurden, wahrscheinlich vom selben Myzel, sieben Fruchtkörper mit bis zu 46 mm breitem Hut und 48 x 6 mm messendem Stiel.
Hut ungezont, gleichmäßig weiß, glatt, klebrig bis schleimig, Rand glatt, ungerieft und im Alter  gelbbraun verfärbend.
Lamellen weiß bis creme, eng gewellt, entfernt stehend, stark mit Lamelletten untermischt, am Stiel herablaufend, Schneide glatt bis grob gezackt.
Stiel zylindrisch, meist gebogen, reinweiß, seidig glänzend, längsfaserig, glatt, schmierig bis klebrig, Stielspitze feinflockig.
Fleisch weiß; Geschmack mild; Geruch stark, charakteristisch (lässt nicht kaum mit anderen Gerüchen vergleichen).
Mit 5-prozentiger Kalilauge verfärben sich Huthaut und Fleisch rotbraun.
Beim Trocknen verfärben sich die Lamellen dunkelbraun.

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/288640_56200037.jpg)
Bild 2 - Fruchtkörper fast komplett weiß, Lamellen entfernt stehend, mit Lamelletten untermischt


(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/288640_36038289.jpg)
Bild 3 - Hut alter Exemplare am Rand bräunlich verfärbend, Stiel längsfaserig, seidig glänzend


(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/288640_55909147.jpg)
Bild 4 - Huthaut und Fleisch mit Kalilauge gelbbraun verfärbend, Lamellenschneide schartig



Mikroskopische Merkmale

Sporen ellipsoid bis oval, hyalin, glatt. Sie wurden zum einen in Phloxin und zum anderen in Wasser gemessen. Dabei stellte sich heraus, dass man in Phloxin gegenüber Wasser vergleichbare Messwerte erhält.
Messwerte (95-prozentiger Erwartungswert der Durchschnittswerte von 21 bzw. 23 repräsentativen Sporen):
o   21 repräsentative Sp in Phloxin: L x B: 6,7-7,0 x 4,6-4,8 µm; Q: 1,42-1,49; V: 75-85 µm3
o   23 repräsentative Sp in Wasser: L x B: 6,7-7,1 x 4,4-4,7 µm; Q: 1,46-1,57; V: 70-82 µm3


(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/288640_33420276.jpg)
Bild 5 - Sporen in Phloxin, elipsoid bis eiförmig und glatt


Huthaut

Da die Hutoberfläche wegen ihrer klebrigen bis schleimigen Konsistenz nicht im frischen Zustand geschnitten werden konnte, wurde erst einmal ein Exsikkat angefertigt. Der trockene Hut wurde dann vorsichtig manuell mit scharfer Rasierklinge quer geschnitten und zum einen in NH3-Kongorot, zum anderen in Tannin-Eisen angefärbt (Bilder 6 und 7).
Man erkennt als oberste Schicht parallel liegende und aufsteigende Hyphen, eingebettet in eine Schleimschicht. Als Epikustistype liegt somit eine Ixokutis oder ein Ixotrichoderm vor. Siehe aber Bild 9. Hier ist erkennbar, dass es sich tatsächlich um aufsteigende Hyphen handelt → Ixotrichoderm.


(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/288640_32347029.jpg)
Bild 6 - Manueller, radialer Huthautschnitt vom Exsikkat in NH3-Kongorot. Epikutis ein Ixotrichoderm

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/288640_22687807.jpg)
Bild 7 - Manueller, radialer Huthautschnitt vom Exsikkat mit Tannin-Eisen-Färbung.



Hier noch ein Mikrotomschnitt, diesmal quer zum Hyphenverlauf:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/288640_63208015.jpg)
Bild 8 - 30 µm dicker, tangentialer Mikrotomschnitt der Huthaut vom Exsikkat mit Tannin-Eisen-Färbung, 25-fach Objektiv.


Man kann verschleimte Hüte von Frischpilzen tiefkühlen und in diesem Zustand manuell oder mit dem Mikrotom sauber schneiden. Bild 9 zeigt das Ergebnis eines manuellen Schnittes mit Rasierklinge unter dem Stemi. Es ist erkennbar, dass die Schleimschicht etwa doppelt dick gegenüber den Schnitten vom Exsikkat ausfällt, und die Hyphen verlaufen beim "Gefrierschnitt" weniger flach: (Ixotrichoderm):

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/288640_63208015.jpg)
Bild 9 - Huthaut-Gefrierschnitt manuell vom Frischpilz mit Tannin-Eisen-Färbung, 10-fach Objektiv


Eckdaten
Fund - sieben Fruchtkörper unterschiedlicher Größe eines einzigen Myzels
Funddatum - 23.11.2020
Fundort - Baden-Württemberg, Gemeinde Straubenhardt, Biotop Buchen-Wald SO Ottenhausen
MTB 7117/3; Koordinaten - WGS84 N48,848680, E8,551827
Boden, anstehendes Gestein - Pseudogley-Pelosol aus Fließerden auf Unterem Muschelkalk
Begleitgehölze - Fagus sylvatica, Pinus sylvestris, Picea abies, Sorbus torminalis
Standort - trocken, Halbschatten
leg. & det. - Bernd Miggel; Beleg-Nr. - div20018,shal

Ähnliche Arten
Der Starkriechende Schneckling Hygrophorus cossus und der Elfenbeinschneckling H. eburneus besitzen ebenfalls einen weißen Fruchtkörper. Sie verfärben allerdings sich weder im Alter noch mit Kalklauge.

Material, Methoden, Arbeitsgeräte
Fotos am Fundort: Smartphone Moto-G7+
Makrofotos: Panasonic Lumix DMX-TZ10
Mikrofotos: Digicam Canon EOS-600D auf Mikroskop Olympus BHS
Sporen: präpariert in Wasser bzw. in Phloxin
Sämtliche Schnitte manuell mit Rasierklinge unter dem Stereomikroskop
Färbung der Hutdeckschicht-Schnitte: NH3-Kongorot bzw. Tannin-Eisen

Literatur
BAS, C. et al. (1990): Flora Agaricina Neerlandica Vol. 2, Balkema, Rotterdam
BREITENBACH, J. & KRÄNZLIN F. (1991): Pilze der Schweiz Bd. 3. - Verlag Mykopogia, Luzer.n
CLÉMENÇON, H. (2009): Methods for Working with Macrofungi. Laboratory, Cultivation and Preparation of Larger Fungi for Light Microscopy. – IHW-Verlag, Eching.
EINHELLINGER, A. (1992): Die Großpilzflora von Europa 1, Hygrophoraceae. - IHW-Verlag, Eching. Übersetzung des französischen Originals: BON, M. (1990): Flore Mycologique d'Europe 1: Les Hygrophores.
LUDWIG, E. (2012): Pilzkompendium Bd. 3. - Fungicon-Verlag, Berlin.
MOSER, M. (1983): Die Röhrlinge und Blätterpilze. Kleine Kryptogamenflora Bd IIb/2 - Gustav Fischer Verlag, Stuttgart


Viel Freude beim Lesen!

Bernd


Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080
Titel: Re: Interessante Pilzfunde - Verfärbender Schneckling
Beitrag von: Peter Reil in November 25, 2020, 19:58:32 NACHMITTAGS
Hallo Bernd,

viel Freude beim Lesen habe ich immer bei deinen Pilzportraits!

Dieser Schneckling war vor etwa zwei Wochen auch in meinen Gefilden häufig-massenhaft anzutreffen. Durch den Frost ist nun alles zusammengebrochen.

Liebe Grüße
Peter
Titel: Re: Interessante Pilzfunde - Verfärbender Schneckling
Beitrag von: Bernd Miggel in November 25, 2020, 22:19:37 NACHMITTAGS
Hallo Peter,

danke! Das Einzige, bei dem ich mir nicht ganz sicher bin, ist die Huthautstruktur. Denn da die Schnitte vom Exsikkat genommen wurden, ist die Epikutis möglicherweise zusammengedrückt, und die Hyphen erscheinen nur deshalb quasi liegend.

Liebe Grüße
Bernd
Titel: Re: Interessante Pilzfunde - Verfärbender Schneckling
Beitrag von: jcs in November 26, 2020, 00:03:06 VORMITTAG
Hallo Bernd,

wieder ein sehr gelungener Beitrag, danke für's Zeigen! Ich finde ja auch die Namensgebung Deiner Fundstücke interessant. Die "Pilzologen" (oder sagt man "Fungistas"?) haben offenbar eine recht humorige Art, ihre Fundstücke zu benennen. "Verfärbender Schneckling" klingt jedenfalls sehr originell.

LG

Jürgen
Titel: Re: Interessante Pilzfunde - Verfärbender Schneckling
Beitrag von: Bernd Miggel in November 26, 2020, 09:45:56 VORMITTAG
Hallo Jürgen,

wenn dich das näher interessiert, dann kannst du im "Abbildungsverzeichnis europäischer Großpilze" von Bollmann, Reil & Gminder mit über 5.000 Namen fündig werden.
Dort findest du Spitzhut-Wasserkopf, Büscheliger Gürtelfuß, Gelbstiefeliger Schleimkopf etc. Peter kann dir wahrscheinlich mehr dazu sagen.

Viele Grüße
Bernd
Titel: Re: Interessante Pilzfunde - Verfärbender Schneckling
Beitrag von: jcs in November 28, 2020, 13:11:15 NACHMITTAGS
Hallo Bernd,

danke für den Hinweis zum Buch von Bollman, Reil und Gminder, ist notiert! Eine andere Literaturfrage: Ist das von Dir erwähnte Buch

CLÉMENÇON, H. (2009): Methods for Working with Macrofungi. Laboratory, Cultivation and Preparation of Larger Fungi for Light Microscopy. – IHW-Verlag, Eching.

noch irgendwo erhältlich? Ich habe da auf die Schnelle nichts gefunden.

LG

Jürgen
Titel: Re: Interessante Pilzfunde - Verfärbender Schneckling
Beitrag von: Bernd Miggel in November 28, 2020, 14:57:08 NACHMITTAGS
Hallo Jürgen,

bitte Herrn Dr. Schmid vom IHW-Verlag direkt anschreiben. Vielleicht hat er noch etwas auf Lager: http://www.ihwverlag.de/index.php/impressum

Viele Grüße
Bernd
Titel: Re: Interessante Pilzfunde - Verfärbender Schneckling
Beitrag von: Bernd Miggel in November 29, 2020, 20:18:22 NACHMITTAGS
Hallo,

im Beitrag habe ich noch einen Mikrotomschnitt der Huthaut angefügt - Bild 8. Die Hyphen sind hier quer geschnitten. Die Tannin-Eisen-Färbung färbt nur die Hyphenwandungen und den Schleim, und zwar grau. Je dichter der Schleim, desto dunkler die Graufärbung.

Viele Grüße
Bernd
Titel: Re: Interessante Pilzfunde - Verfärbender Schneckling
Beitrag von: jcs in November 29, 2020, 20:42:02 NACHMITTAGS
Zitat von: Bernd Miggel in November 28, 2020, 14:57:08 NACHMITTAGS

bitte Herrn Dr. Schmid vom IHW-Verlag direkt anschreiben. Vielleicht hat er noch etwas auf Lager: http://www.ihwverlag.de/index.php/impressum
Hallo Bernd,

danke für den Tipp, werde ich probieren.

LG

Jürgen
Titel: Re: Interessante Pilzfunde - Verfärbender Schneckling
Beitrag von: Bernd Miggel in Dezember 01, 2020, 15:35:59 NACHMITTAGS
Hallo,

dem Beitrag habe ich noch ein Bild eines manuellen "Gefrierschnittes" der Hutdeckschicht angefügt. Hie Hyphen verlaufen dabei steiler, und die Schleimschicht erscheint doppelt dick!

Viele Grüße
Bernd
Titel: Re: Interessante Pilzfunde - Verfärbender Schneckling
Beitrag von: jcs in Dezember 25, 2020, 14:35:04 NACHMITTAGS
Zitat von: jcs in November 29, 2020, 20:42:02 NACHMITTAGS
Zitat von: Bernd Miggel in November 28, 2020, 14:57:08 NACHMITTAGS

bitte Herrn Dr. Schmid vom IHW-Verlag direkt anschreiben. Vielleicht hat er noch etwas auf Lager: http://www.ihwverlag.de/index.php/impressum
Hallo Bernd,

danke für den Tipp, werde ich probieren.

LG

Jürgen
Mittlerweile habe ich die Antwort des Verlages, leider ist das Buch auch dort nicht mehr erhältlich. Allerdings habe ich es geschafft, ein Exemplar über Fernleihe zu bekommen und einzuscannen.

LG

Jürgen
Titel: Re: Interessante Pilzfunde - Verfärbender Schneckling
Beitrag von: Peter Reil in Dezember 25, 2020, 14:41:35 NACHMITTAGS
Hallo Jürgen,

nur ein kleiner Hinwweis, das Buch ist noch keine 70 Jahre alt. Da ist noch Copyright drauf....  :o

Freundliche Grüße
Peter
Titel: Re: Interessante Pilzfunde - Verfärbender Schneckling
Beitrag von: jcs in Dezember 25, 2020, 14:53:11 NACHMITTAGS
Zitat von: Peter Reil in Dezember 25, 2020, 14:41:35 NACHMITTAGS
Hallo Jürgen,

nur ein kleiner Hinwweis, das Buch ist noch keine 70 Jahre alt. Da ist noch Copyright drauf....  :o

Freundliche Grüße
Peter

Hallo Peter,

das ist natürlich immer eine heikle Sache. Öffentlich hochladen geht sicher nicht, aber Privatkopien sind eigentlich erlaubt. Ist halt die Frage, wie "enge Freunde" Forumskollegen sind:

"Eine Kopie ist zulässig, wenn sie zum rein privaten Gebrauch angefertigt wird (d. h. es werden keine wirtschaftlichen Interessen verfolgt). Dieser Gebrauch schließt auch im selben Haushalt lebende Personen oder enge Freund/innen ein. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob die Kopie auf einer CD/DVD aufgezeichnet oder als File abgespeichert wird. Auch die Musikspur von YouTube-Videos darf zum Privatgebrauch heruntergeladen werden, sofern das Video rechtmäßig online gestellt wurde. Kopien zum Zweck des Verkaufs sind jedoch verboten! Nicht erlaubt ist es auch, andere Personen im Internet auf kopierte Dateien zugreifen zu lassen (z. B. über Tauschbörsen)."
Titel: Re: Interessante Pilzfunde - Verfärbender Schneckling
Beitrag von: Bernd Miggel in Dezember 25, 2020, 15:36:08 NACHMITTAGS
Hallo Jürgen,

Zitat von: jcs in Dezember 25, 2020, 14:53:11 NACHMITTAGS
das ist natürlich immer eine heikle Sache. Öffentlich hochladen geht sicher nicht, aber Privatkopien sind eigentlich erlaubt. Ist halt die Frage, wie "enge Freunde" Forumskollegen sind:

"Eine Kopie ist zulässig, wenn sie zum rein privaten Gebrauch angefertigt wird (d. h. es werden keine wirtschaftlichen Interessen verfolgt). Dieser Gebrauch schließt auch im selben Haushalt lebende Personen oder enge Freund/innen ein. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob die Kopie auf einer CD/DVD aufgezeichnet oder als File abgespeichert wird. Auch die Musikspur von YouTube-Videos darf zum Privatgebrauch heruntergeladen werden, sofern das Video rechtmäßig online gestellt wurde. Kopien zum Zweck des Verkaufs sind jedoch verboten! Nicht erlaubt ist es auch, andere Personen im Internet auf kopierte Dateien zugreifen zu lassen (z. B. über Tauschbörsen)."

Könntest du mir bitte mitteilen, woher du das Zitat hast?

Herzliche Grüße

Bernd
Titel: Re: Interessante Pilzfunde - Verfärbender Schneckling
Beitrag von: jcs in Dezember 25, 2020, 19:35:36 NACHMITTAGS
Hallo Bernd,

das Zitat stammt aus https://www.saferinternet.at/faq/urheberrechte/darf-ich-eine-privatkopie-von-werken-anfertigen/ (https://www.saferinternet.at/faq/urheberrechte/darf-ich-eine-privatkopie-von-werken-anfertigen/).

Ich bin definitiv kein Spezialist für Urheberrecht, bin leider dennoch manchmal damit konfrontiert. Unterscheiden muss man jedenfalls zwischen dem amerikanischen "Copyright" und dem mitteleuropäischen Urheberrecht, welches der Schöpfer des Werkes behält und über die Weitergabe eines Nutzungsrechts an z.B. einen Verlag die Veröffentlichung erlaubt. Da gibt es zum Teil gravierende Unterschiede zwischen amerikanischem und europäischem Recht. In Feinheiten dann auch noch Unterschiede zwischen österr. Recht, auf das sich die Quelle bezieht, sowie deutschem Recht.

Ob Weitergabe im vorliegenden Fall erlaubt ist, traue ich mich nicht zu entscheiden. Vielleicht gibt es da ja fundiertere Rechtsspezialisten hier im Forum.

LG

Jürgen
Titel: Re: Interessante Pilzfunde - Verfärbender Schneckling
Beitrag von: Peter V. in Dezember 25, 2020, 20:53:00 NACHMITTAGS
Hallo,

wenn ich auf einer unbelebten Strasse nachts bvei "Rot" über die Ampel gehe, ist das sogar ohne rechtliche Unicherheit schlicht verboten. Aber ich muss es ja nicht vorher kundtun!

Und wenn man die Tatsache, dass man ein Buch für sich selbst kopiert, mitteilt, ist das auch rechtlich völlig unbedenklich. Mehr muss man dazu ja nicht schreiben... ;)

Hezrliche Grüße
Peter

PS: Ich erachte es übrigens immer noch als einen regelrechten Mißstand, dass es keine Regel oder Institution gibt, wonach bzw worüber sämtliche vergriffenen Werke legal digital erworben werden können. Eine Vergütung der Autoren könnte ja ähnlich wie bei der Gema über eine Art Umlage erfolgen. Bücher und das darin enthaltene Wissen sind Kulturgut und nicht ohne Grund gibt es (leider nicht im Antiquariat) die Buchpreisbindung. Es ist für mich nicht einzusehen, wieso das in Büchern enthaltene Wissens mehr oder weniger unzugänglich wird, weil ein Verlag ein Buch einfach nicht mehr auflegt. Aber das Thema hatten wir schon....
Titel: Re: Interessante Pilzfunde - Verfärbender Schneckling
Beitrag von: Peter Reil in Dezember 25, 2020, 21:02:31 NACHMITTAGS
Hallo Jürgen,

dein Zitat zeigt korrekt die mehr oder weniger vernünftige Rechtslage. Den letzten Satz sollte man aber nicht überlesen:
"Nicht erlaubt ist es auch, andere Personen im Internet auf kopierte Dateien zugreifen zu lassen..."

Als Mitautor diverser Fachbücher muss ich hier mal meine persönlichen Erfahrungen mitteilen:

Zusammen mit zwei Schweizern habe ich ein Buch zur Erkennung/Bestimmung von Trüffelarten geschrieben. Es war nicht einfach, einen Verlag zu finden, der unsere Arbeit drucken wollte. Und wir waren sehr froh über den Verlag, der uns nicht vorher viel Geld abnahm, damit es überhaupt zu einem Druck kam.
Das Buch kam dann 2013 auf den Markt. Im gleichen Jahr nahm ich an einer Pilztagung teil. Durch Zufall sah ich dort, dass bereits digitale Kopien unseres frisch erschienen Buches in den Pilzerkreisen kursierten und munter weiter gegeben wurden.

Diese Erfahrung machte mich sprachlos.

Wir Autoren haben jahrelang kostenfrei gearbeitet, um das Wissen für die Veröffentlichung zusammen zu tragen und druckreif zu gestalten. Dieses Wissen haben wir ohne finanziellen Gewinn einem Verlag übergeben. Dieser muss gewinnorientiert arbeiten, um zu überleben.

Woran liegt es wohl, dass immer mehr Verlage kein Interesse mehr haben, Fachbücher zu verlegen?

Freundliche Grüße
Peter

PS: Auch der Forumsbetreiber  kann bei Verstößen in Haftung genommen werden.
Titel: Re: Interessante Pilzfunde - Verfärbender Schneckling
Beitrag von: jcs in Dezember 25, 2020, 22:16:11 NACHMITTAGS
Zitat von: Peter Reil in Dezember 25, 2020, 21:02:31 NACHMITTAGS

Woran liegt es wohl, dass immer mehr Verlage kein Interesse mehr haben, Fachbücher zu verlegen?

Hallo Peter,

als jemand, dessen größter Abschreibposten bei der jährlichen Steuererklärung regelmäßig Fachbücher sind, bin ich an dieser Situation vegleichsweise unschuldig.

Nachdem mich die gesetzliche Regelung bzgl. Privatkopien dennoch interessiert, habe ich (als Nichtjurist, deshalb ist das Folgende mit Vorsicht zu genießen) kurz versucht zu recherchieren. Als für mich (=Österreich) relevante Gesetzespassage habe ich Untenstehendes gefunden. So wie ich das verstehe, darf man vergriffene Werke zur Gänze kopieren (bei nicht vergriffenen ist das offenbar nur in Auszügen erlaubt). Der "Öffentlichkeit verfügbar machen" ist nicht erlaubt. Was "verfügbar machen" genau heißt, ist die Frage. Habe mein Ursprungspost sicherheitshalber etwas angepasst.

LG

Jürgen


Bundesgesetz über das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Kunst und über verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz)

Vervielfältigung zum eigenen und zum privaten Gebrauch
§ 42.
(1) Jedermann darf von einem Werk einzelne Vervielfältigungsstücke auf Papier oder einem ähnlichen Träger zum eigenen Gebrauch herstellen.

(5) ...Zum eigenen oder privaten Gebrauch hergestellte Vervielfältigungsstücke dürfen nicht dazu verwendet werden, das Werk damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

(8 ) Die folgenden Vervielfältigungen sind – unbeschadet des Abs. 6 – jedoch stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig:   

die Vervielfältigung ganzer Bücher, ganzer Zeitschriften oder von Musiknoten; dies gilt auch dann, wenn als Vervielfältigungsvorlage nicht das Buch, die Zeitschrift oder die Musiknoten selbst, sondern eine gleichviel in welchem Verfahren hergestellte Vervielfältigung des Buches, der Zeitschrift oder der Musiknoten verwendet wird; jedoch ist auch in diesen Fällen die Vervielfältigung durch Abschreiben, die Vervielfältigung nicht erschienener oder vergriffener Werke sowie die Vervielfältigung unter den Voraussetzungen des Abs. 7 zulässig;

Titel: Re: Interessante Pilzfunde - Verfärbender Schneckling
Beitrag von: Peter V. in Dezember 25, 2020, 22:22:40 NACHMITTAGS
Lieber Peter,

sorry, aber bei den Pilznamen habe ich einfach immer wieder Ulrich Roskis "Pudels Kern" (https://www.youtube.com/watch?v=LI0G_RwHlYo) im Ohr... ;) :D

Nun aber wieder zum Ernst des Lebens:

Die Medaille hat bekanntlich immer zwei Seiten. Deine Erfahrungen sind zweifellos unschön und bei noch erhältlichen Werken verstehe ich Dich voll und ganz. Da bin ich ganz bei Dir, wie man heute so schön sagt. Wie ich gerade gesehen habe, ist Euer Trüffelbuch zudem auch nicht gerade unerschwinglich und dürfte den Pilzfreund nicht arm machen - da würde ich mich als Pilzler gar nicht mit der ditigalen Kopie zufrieden geben wollen.

Anders sieht es aber bei vergriffenen und nicht mehr aufgelegten Schriften aus und da bin ich der Ansicht, dass es quasi sogar eine Art "Verpflichtung" geben muss, diese weiterhin (was ja heute in digitaler Form problemlos möglich ist) zugänglich zu machen, und das ohne einen unverhältnismäßig hohen Aufwand treiben zu müssen. Nehmen wir nur als Beispiel gar nicht so alte, aber gefragte Bücher wie "Canter/Lund, Freshwater Algae"; diese werden nicht mehr aufgelegt, sind schon lange vergriffen und werden mit Glück allenfalls im Antiquariat, dann aber zu meist abstrusen Preisen, angeboten. Wenn überhaupt, derzeit gibt es gar kein Angebot.


Zitat"Nicht erlaubt ist es auch, andere Personen im Internet auf kopierte Dateien zugreifen zu lassen..."

Natürlich darf man auf keiner Plattform einen Download anbieten!

ZitatPS: Auch der Forumsbetreiber  kann bei Verstößen in Haftung genommen werden.

Wir hosten so etwas natürlich nicht und würden auch einen entsprechenden Link zu einer Downloadmöglichkeit löschen. Aber was Forummitglieder per Email austauschen, unterliegt ja nicht unserer Kontrolle. Deshlab reicht auch ein Hinweis, dass jemand es "für sich" gescannt hat. Wenn sich dann jemand mit einem gesuchten und nicht mehr erhältlichen Werk versorgt, finde ich das zumindest ,,moralisch" nicht verwerflich.

Herzliche Grüße
Peter