Mikro-Forum

Foren => Mikrofoto-Forum => Thema gestartet von: Jürgen P. in Dezember 23, 2020, 04:56:41 VORMITTAG

Titel: Meine Kamera sieht nicht,was mein Auge sieht.Warum?
Beitrag von: Jürgen P. in Dezember 23, 2020, 04:56:41 VORMITTAG
Hallo,

nun habe ich mir zum Mikroskop (Bresser Erudit DLX, nur 213 EUR) auch das "Bresser Full HD digitales Okular"  (58 EUR) gekauft. Während das Mikroskop mir mechanisch und optisch gut erscheint, bin ich über die Kamera verwundert. Aber es könnte sein, dass meine Probleme nicht an der billigen Kamera liegen sondern grundsätzlich sind.

Zunächst einmal: Diese Kameras sind doch eigentlich nur CMOS ohne eigene Optik? Sind sie nicht wie eine SR-Kamera ohne Objektiv?

Übersichtsaufnahmen lassen sich nur durch Stiching machen. Bereits 2 mm große Objekte sind bei 4x-Objektiv bildfüllend (1920x1080 Px). Muss das so sein?

Software: VLC. Kann einen Stream zeigen und kann einzelne Schnappschüsse speichern.  Übrigends bin ich Linuxfan und fasse Microsoft ungern an, habe auch keinen Rechner mit Windows.

Während dünne Objekte und undurchsichtige Teilchen (Zwiebelhaut, Hausstaub) etwa so erscheinen wie im Okular, sind dickere Schnitte, die im Okular einigermassen passabel erscheinen, well doch noch Licht durch 100 µm Parenchym dringt, sehr oder total dunkel. Selbst stärkste Beleuchtung nutzt nichts. Ist der Chip weniger empfindlich als das Auge?
Aber im Okular, kamen mir die Schnitte gar nicht dunkel vor.

Kann das jemand physikalisch erklären? Kann mir jemand raten? Würde eine teure Kamera helfen?

Mit besten Grüssen aus Göttingen,

                                                                 Jürgen
Titel: Re: Meine Kamera sieht nicht,was mein Auge sieht.Warum?
Beitrag von: Gerd Schmahl in Dezember 23, 2020, 06:45:08 VORMITTAG
Hallo Jürgen,
Zitat von: Jürgen P.Übersichtsaufnahmen lassen sich nur durch Stiching machen. Bereits 2 mm große Objekte sind bei 4x-Objektiv bildfüllend (1920x1080 Px). Muss das so sein?
Wenn Deine Kamera alles aufnehmen würde, was Dein Okular sieht, wäre ein rundes Bild mit einem schwaren Rand die Folge. Du siehst immer nur einen Ausschnitt von dem, was Dein Auge im Okular sieht. Wie groß die Diskrepanz ist, hängt sowohl von der Kamera ab, als auch von Deinem Okular. Wenn Du standartmäßig ein Weitfeldokular im Tubus hast (bei Billigmikroskopen meist nur mit dem Kürzel "WF" gekennzeichnet, bei besseren mit einer Bildfeldzahl z.B. "18"), Deine Kamera aber nur einen sehr kleinen Chip (in Deinem Fall 5.86 x 3,28 mm) und keine weitere Optik, dann siehst Du natürlich nur einen kleinen Teil des visuellen Bildes mit der Kamera. Auf der MikroLive-Seite  (https://www.mikroskopie.de/?page_id=2346)unseres Forenbetreibers Christan Linkenheld kannst Du verschieden Kameras mit Relaioptiken und Okularbildfeldern vergleichen. Das sind natürlich andere Kameras und die Adaption ist auch anders, aber das Prinzip ist schon das gleiche: Die Kamera sieht immer nur einen Ausschnitt.
Die Begrenzung der Kamera auf einen kleinen zentralen Bildausschnitt hat aber auch einen Vorteil: Zum Bildrand hin wird das Bild immer schlechter. Dazu kommt, dass bei einem Endlichsystem wie dem Deinen die letzte Bildkorrektur im Okular erfolgt, dass Du ja durch eine optikfreie Kamera ersetzt.
Zitat von: Jürgen P.Aber im Okular, kamen mir die Schnitte gar nicht dunkel vor.
Tja, da ist die Kamera leider unerbittlich. Sie hat nicht diese Hell-Dunkel-Adaptionsmöglichkeiten wie unsere Augen.
Die Blende am Kondensor sollte nicht zu sehr zugezogen werden.
Wichtig ist auch, die Beleuchtung an das jeweilige Objektiv anzupassen. Das meint nicht die Helligkeit der Lampe hoch und runter zu drehen, sondern die Beleuchtungsapertur der Objektivapertur anzupassen. Da musst Du mit dem Kondensor arbeiten und der Blende am Kondensor. Für das 4x Objektiv, das nur eine sehr geringe n.A. hat. könntest Du mal probieren, die Frontlinse des Kondensors abzuschrauben oder ihn ganz heraus zu nehmen, denn der ist ja für die hohe Apertur des 100er Objektives ausgelegt.

Insgesamt muss man sagen, dass man von dieser Art Okularkamera nicht all zu viel erwarten darf, aber auch eine High-End-Kamera sieht nie das gleiche Bild wie das Auge durch das Okular.
Beste Grüße
Gerd
Titel: Re: Meine Kamera sieht nicht,was mein Auge sieht.Warum?
Beitrag von: Peter V. in Dezember 23, 2020, 08:56:37 VORMITTAG
Hallo Jürgen,

möchtest Du ein klare, einfach und vor allem ehrliche Antwort? Das Bresser Mikrookular ist nicht mehr als ein Gimmick für ein Kindermikroskop und man kann es am besten sanft am langen Kabel in den Mülleimer herablassen oder alternativ auch mit Schmackes hineinwerfen.  ;)

Nach meiner Erfahrung sind die Chips vernünftiger Kameras sogar empfindlicher als das Auge und man bekommen auch bei sehr niedrigen Beleuchtungsstärklen, bei denen man im Okular kaum etwas sieht, noch ein Bild auf den Monitor. Das Mikroolukar ist eben die allerunteste Klasse dessen, was man noch irgendwie "Kamera" nennen kann. mehr als das, was Du auch beschreibst, kann dieses Mikrookular nicht. Isso!  ;)

Das Problem des extrem kleinen Ausschnittes (das man gelegentlich auch euphemisiernd "Nachvergrößerung" nennt) ist aber bei allen (auch hochwertigen) c-mount-Kameras vorhanden und liegt daran, dass das auf die Kamera projizierte Bild des Mikroskops größer ist als der Chip (und im Fall des Mikrookulars mit seinem Minichip ganz erheblich größer). Was man also braucht, ist eine Optik, die das Bild, das auf den Chip projiziert wird, verkleinert. Und Du hast recht: Das Mikrookular hat keinerlei Optik.

Wie man nun das Bild in brauchbarer Größe auf den Chip bekommt? Dazu gibt es ganz verschiedenen Lösungen: Spezielle c-mount-Adapter, die entweder das Bild des Objektivs direkt auf den Chip projizieren oder Adapter, bei denen das Bild eines Okulars über eine Zwischenoptik auf den Chip projiziert wird. Das als eine Einheit verbaute Mikrookular hat aber keinerlei Möglichkeit, eine weitere Optik anzuschließen. Mein Rat: Gib es zurück, falls noch möglich (z.B. bei Internetkauf innerhalb von 14 Tagen) oder schreib es als Lehrgeld ab.

Und um es mal klar zu sagen: Mit 58 EUR bist Du in keinem Fall dabei  ;). Die niedrigste Preisklasse, in der man etwas (halbwegs!) Brauchbares bekommt, liegt bei ca. 200 - 300 EUR. Das wäre dann eine 3 oder 5 MP-Kamera mit eingeschraubtem "Universalokular". Zum Beispiel so etwas hier:

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=12366.msg92186#msg92186 (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=12366.msg92186#msg92186)

Herzliche Grüße
Peter


Titel: Re: Meine Kamera sieht nicht,was mein Auge sieht.Warum?
Beitrag von: Detlef Kramer in Dezember 23, 2020, 11:20:43 VORMITTAG
Hallo Jürgen,

ich möchte dem, was Peter geschrieben hat, noch hinzufügen, dass solche Kameras nur mit acht bit/Farbe arbeiten. Damit ist der Dynamik-Umfang sehr klein. Eine Spiegelreflex arbeitet mit mindestens 12 bit. Daraus folgt, dass SLR oder auch eine gute Kompakte, sofern man sie mechanisch adaptieren kann, immer die bessere Wahl darstellt.

Herzliche Grüße
Detlef
Titel: Re: Meine Kamera sieht nicht,was mein Auge sieht.Warum?
Beitrag von: Jürgen P. in Dezember 24, 2020, 04:34:55 VORMITTAG
Liebe Kollegen,

Ihr habt mir sehr ausführlich und freundlich geantwortet. Danke!

Ich habe mich zu einer neuen Kamera  entschlossen. Da ich das Ding unter Linux betreiben möchte, war ein sehr wichtiges Auswahlkriterium, dass der Hersteller auch Linux unterstützt. Bestellt ist: DCM-501 von OSX oder Touptek für 246 EUR.

Die Bresser HD 1080 funktioniert unter Linux nur eingeschränkt. Es ist mir trotz stundenlanger Bemühungen nicht gelungen, die Belichtungszeit einzustellen. Das wäre bei schwächerem Durchlicht natürlich nötig. Fixierte Aufnahmen sollte man solange belichten können, wie man möchte! Kann sein die Kamera funktioniert unter Windows. Kann auch sein, nicht. Verdächtig ist der Rat in der Bedienungsanleitung, man solle bitte die Beleuchtung voll aufdrehen.

Bei hellem Licht funktioniert sie auch unter Linux.

Zur Demonstration füge ich noch zwei Bilder an: a.jpg ist ein Zupfpräperat von Blumenerde, b.jpg ist Abiies alba, Nadel quer, frisch, ungefärbt.

Wenn meine neue funktioniert, werde ich das "MIkrOkular" (Bresser full HD 1920x1080, neuwertig, Windows, 23,2 mm Tubus) verschenken. Ist jemand interessiert?

Herzliche Grüße, Jürgen
Titel: Re: Meine Kamera sieht nicht,was mein Auge sieht.Warum?
Beitrag von: rhamvossen in Dezember 27, 2020, 10:56:13 VORMITTAG
Hallo Jürgen,

Kan das 23 mm Teil der Kamera (das was in der Tubus geht) irgenwie gelöst werden? Veilleicht könnte man dann ein Okular dran basteln. Das Bild vom Nadel finde ich noch nicht so ganz schlecht, ich habe schlechter gesehen. Ist es mit das 4x Objektiv aufgenommen? Ich sehe da wenig Farbsäume, und die niedrigen Objektive brauchen kaum Kompensation von ein Okular. Wenn du es verschenken willst, ich wurde Interesse haben, ich wurde gerne damit etwas experimentieren, nur um zu sehen was man mit so ein billiges Teil machen kan. Beste Grüsse,

Rolf

Titel: Re: Meine Kamera sieht nicht,was mein Auge sieht.Warum?
Beitrag von: liftboy in Dezember 27, 2020, 12:06:29 NACHMITTAGS
Hallo Rolf,

ich hatte mir auch diese Bresser-fullHD gekauft, weil billig. Bin da aber nicht so begeistert, weil:
a) Bildausschnitt nicht veränderbar = immer 16:9  4:3 nicht möglich
b) Software einigermaßen untauglich das Bild ist mit amcap wesentlich klarer, tucsenview erkennt zwar die Kamera, bringt aber kein Bild.

insgesamt eher rausgeschmissenes Geld. Im Anhang ein paar Fotos (verkleinert) Schnitt vom Lindenzweig.

Grüße
Wolfgang

Titel: Re: Meine Kamera sieht nicht,was mein Auge sieht.Warum?
Beitrag von: Jürgen P. in Januar 03, 2021, 22:07:30 NACHMITTAGS
Hallo Adalbert,

ja, meine neue Kamera ist schon unterwegs. Was meinst Du mit Systemkamera? Mir scheint, ein Kameragehäuse ohne Objektiv wäre teurer und unhandlicher als die über USB-Kabel am Computer hängenden Dinger. Ich konnte mit besagtem HD MikrOkular immerhin eine Art Film meines Objektes unter dem Mikroskop zur Scharfstellung meines Mikroskops nutzen. Die Aufnahmen machte ich dann durch einen Tastendruck am Computer. Aber, wie gesagt, alles war zu dunkel, weil ich unter Linux keine Belichtungszeit einstellen konnte. Ein wesentlicher Mangel!? Oder bin ich da falsch und die  Belichtungszeit wäre in der Mikrofotografie nicht relevant?

Mein Mikroskop ist ein billiges mit nur einem Tubus, da möchte ich schon mit einem Handgriff Okular gegen Kamera tauschen. Meine neue Kamera soll ja diese sein (Abb. 1). Sie hat mich 205 EUR gekostet und sie soll von der Software ToupView gesteuert werden, die auch unter Linux laufen soll. Hoffentlich stimmt das alles so. Die Software ist wohl sehr wesentlich bei diesen Dingern.

Ich würde dann gerne ausführlich beide Kameras vergleichen und darüber berichten. Weiß jemand wie das am Besten gehen würde?


Gruß
        Jürgen
Titel: Re: Meine Kamera sieht nicht,was mein Auge sieht.Warum?
Beitrag von: Gerd Schmahl in Januar 03, 2021, 22:24:17 NACHMITTAGS
Hallo Jürgen,
Du bist ziemlich schnell mit den Kaufen, statt mal vorher hier zu fragen. Mit Systemkamera ist eine normale Spiegelreflex gemeint. Du brauchst nur den Body, keine Objektive. Die Canon EOS D550 aufwärts haben sich sehr bewärt, da sie verwacklungsfrei aus dem Liveview heraus ausgelöst werden können und das auch vom Rechner aus. Das kostenlose Canon-Utility (https://www.canon.de/support/consumer_products/software/eos-utility.html?language=de&os=all&productid=tcm:83-1040185), das Du dazu brauchst gibt es auch für Linux. Ich arbeite mit der D700, die macht auch Filme im HD-Format.

Deine neu bestellte Kamera wird kaum jemand hier kennen und benutzen, fürchte ich. Die wird doch normalerweise nur statt Okular in den Tubus gesteckt, aber dann fehlt Dir die Korrektur des Okulares, die bei einfachen Endlich-Mikroskopen wie dem Deinen wichtig ist für gute Bilder. Diese modernen Kammeras funktionieren gut an modernen Unendlich-Mikroskopen mit voll auskorrigierten Objektiven, an denen das Okular nur noch zur Nachvergrößerung da ist, aber nicht zur Frabkorrektur.
Beste Grüße
Gerd
Titel: Re: Meine Kamera sieht nicht,was mein Auge sieht.Warum?
Beitrag von: Jürgen P. in Januar 03, 2021, 23:07:00 NACHMITTAGS
Lieber Gerd,

von der Canon-Software wusste ich nichts. Ich habe sogar eine EOS D1000, aber eben nur ein billiges Mikroskop ohne Kamera-tubus. Natürlich hätte ich lieber ein Gerät für 2200 EUR als für 220. Ich lerne auch erst allmählich welch wertvolle Beratung man im Forum erhalten kann. Als ich mein Mikroskop bestellte, wusste ich kaum was die Köhlersche Beleuchtung ist, jetzt vermisse ich sie.

Auf der anderen Seite: Ich möchte Nadelbaum-Nadeln querschneiden und die Ergebnisse vergleichen. Bisher denke ich, dass mein billiges Mikroskop dafür reicht. Es geht hauptsächlich um Lage und Zahl der Harzkanäle und um die Dicke der sklerenchymatischen Hypodermis. Nicht etwa um Plasmastrukturen.

Meine größten Schwierigkeiten liegen im Schneiden und im Handhaben der recht kleinen Schnitte.

Beste Grüße

                 Jürgen
Titel: Re: Meine Kamera sieht nicht,was mein Auge sieht.Warum?
Beitrag von: Gerd Schmahl in Januar 04, 2021, 12:09:03 NACHMITTAGS
Hallo Jürgen,
da hast Du natürlich Recht: Die größten Herausforderungen des Mikroskopikeralltags lauern bei der Präparation. Das Mikroskop ist ein Werkzeug, das man richtig handhaben können sollte, aber wenn man das erst einmal drauf hat, geht's mehr um die Präparate. Wenn es bei der Fotografie um eine einfache Dokumentation der wesentlichen Merkmale geht und nicht um künstlerisch hohen Anspruch, wird die neue Einsteckkamera sicher auch ihren Dienst tun. Eventuell reicht ja sogar eine s/w-Dokumentation. Wenn Du monochrom arbeitest (z.B. strengen Grünfilter) und das Ergebnis digital in Graustufen umwandelst, sollten auch die Farbigen Säume nicht so sehr stören.
LG Gerd