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Foren => Mikroskopie-Forum => Thema gestartet von: hugojun in Januar 08, 2021, 17:29:12 NACHMITTAGS

Titel: Drehtisch Refraktometer
Beitrag von: hugojun in Januar 08, 2021, 17:29:12 NACHMITTAGS
Liebe Foristen ,

als Florian in einem seiner letzten Beiträge zum Alb-Vulkanismus einen Dünnschliff vorgestellt hat, befand sich darin ein Mineral, über das ich ins Grübeln gekommen bin, um welches Mineral es sich da wohl handeln könnte.
Natürlich hat mir Olaf aus der Patsche geholfen. Meine Verwirrung wurde hervorgerufen, durch die Tatsache, dass
zwei Mineral nebeneinander gleiches Chagrin aufwiesen, aber das Achsenbild gar nicht zu dem vermuteten Mineral passen sollte.
Das Chagrin ist eine sehr hilfreiche Eigenschaft bei der Betrachtung in linear  polarisiertem Licht.
Bei Mineralen mit sehr hoher Doppelbrechung, kann das Chagrin aber leicht irreführend sein, da bei diesen hoch doppelbrechenden Mineralen , das Chagrin sehr Richtungsabhängig ist. Nach der Erarbeitung dieses Sachverhaltes anhand der von Olafs erstellten Folie (siehe Olaf Home-page Teil 5 Folie 19) war die Sache klar.
Es hat aber noch etwas Verdauung der Materie gebraucht, um auf folgenden Gedanken zu kommen.
Im laufe der obigen Diskussion ist auch die Abhängigkeit des Chagrins durch dass Einbettungsmittel zur Sprache gekommen. Durch die Drehung eines Spaltstückchens von Calcit um 90°Grad bekomme ich das Relief zum einen mit dem geringeren Brechungsindex parallel zum Polarisator, zum anderen mit dem maximalen Brechungsindex.
Min ε=1,486 Max ω=1,658., entspricht der Doppelbrechung von Δn= 0,172 für λ=589nm.
Bei einer Drehung um 90° bekomme ich eine Auflösung der Doppelbrechung von ca.  0,172/90=0,002/°
Dazu habe ich Versuche mit 4 Immersionen gemacht , deren Brechungsindex zwischen dem Minimum und dem Maximum des Calcits liegen.
In der Literatur habe ich folgende Werte gefunden :
Rizinus Öl 1,480
Zedern Öl 1,515
Fenchel Öl 1,538
Nelken Öl 1,544
Naphta    1,658

Zum Versuch:
Eine kleines Calcit Spaltstückchen wurde auf einem konkaven Objektträger in die jeweilige Immersion getaucht und
unter gekreuzten Polarisatoren ε parallel zum Polarisator (in meinem Fall N-S) und Fadenkreuz gebracht.
( Grad° Tischposition ist die Referenz M₀ )
Der Analysator wurde dann ausgeschaltet und eine Kannte des Spaltstückes wurde auf die Beck`sche Linie , durch Tisch heben oder senken, so eingestellt, dass sie mittig  über der Mineralkante liegt. Beobachtet wurde im Licht der Wellenlänge von 589nm.
Diesen Teil hab ich noch nicht ganz Verstanden:
Die Beck`sche Line wird nun durch Tischdrehung soweit verschoben, bis Helligkeitsgleichheit mit einer zweiten Line herrscht, die sich während der Drehung bildet. ( abhängig von der Mineraldicke , mittig halbe Mineraldicke). Abgelesen wird dann der Tischwinkel Mr.
Es hat sich ergeben, dass (M₀-Mr) /2 auf einem Diagramm, auf dem die Calcit Drehung aufgetragen ist, mit dem Brechungsindex der Immersion zusammentrifft .Rizinus Öl und  Monobromnaphtalin haben erwartungsgemäß keine Ergebnisse geliefert, da sie außerhalb der Werte des Calcits liegen.
Fotos gestallten sich wegen der Kontras Darstellung schwierig, arbeite aber daran.

Die Ergebnisse im Diagramm dargestellt:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/292295_42750725.jpg) (https://www.pic-upload.de)

Anwendungsbeispiel: Einen entsprechend kleinen Kristall könnte man mit in die Spindel-Tisch Küvette gegeben
und nach eingestelltem Brechungsindex auf den Versuchs-Kristall , diesen mit dem Calcit -Kristall bestimmen.

LG
Jürgen


Titel: Re: Drehtisch Refraktometer
Beitrag von: olaf.med in Januar 08, 2021, 19:23:07 NACHMITTAGS
Lieber Jürgen,

ich muss ehrlich gestehen, dass ich Deine Methode nicht ganz verstehe. Wenn man ein Calcit-Spaltstück auf eine Spaltfläche legt, kann man zwei Brechungsindizes einstellen, und zwar no=1,658 (Dein ω) wie in jeder beliebigen Schnittlage und ne' (Dein Ɛ'), das beträgt 1,566 in dieser Ebene. Dazwischen geht nichts, da nur diese beiden Schwingungsrichtungen (resp. Brechungsindizes) im Kristall in dieser Lage erlaubt sind.

Ein Mikrorefraktometer auf Calcit-Basis gibt es aber wirklich, allerdings technich ziemlich aufwendig. Das Prinzip ist hier (https://homepage.ruhr-uni-bochum.de/olaf.medenbach/index.html) unter Mikro-Refraktometer Spindeltisch erläutert.

Herzliche Grüße,

Olaf
Titel: Re: Drehtisch Refraktometer
Beitrag von: Werner in Januar 09, 2021, 09:35:08 VORMITTAG
Hallo Jürgen!

Noch ein erhältliches Öl:  Raps-Öl    n = 1,47  (wie Laborglas Duran)

Den genauen Index muß man im Einzelfall nachmessen, hängt von der Herstellung ab.
Bei den anderen Speiseölen wird der Brechnungsindex selten veröffentlicht. Aber das Messen geht schneller als ein Literaturstudium.

Gruß - Werner
Titel: Re: Drehtisch Refraktometer
Beitrag von: Florian D. in Januar 09, 2021, 10:02:49 VORMITTAG
Hallo Jürgen,

klingt interessant, ich kann mir das aber auch nicht so genau vorstellen.

Viele Grüsse
Florian
Titel: Re: Drehtisch Refraktometer
Beitrag von: hugojun in Januar 09, 2021, 16:13:01 NACHMITTAGS
Das Chagrin habe ich mal entlang der langen und der der kurzen Diagonale des Spalt-Stückchens
In lin pol Licht fotografiert.
Die Fläche der auf dem Objektträger aufliegenden Spaltfläche und der uns zugewandten Fläche
Sind etwas seitlich versetzt. Der Versatz ist um so breiter, je dicker das Spaltstückchen ist.
Im Dünnschliff bleibt davon nur eine mal fade, mal kräftige Linie, je nach Orientierung.

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/292405_3741682.jpg) (https://www.pic-upload.de)

Ich hatte erst angenommen, es handelt sich bei der stark schwarzen Linie um einen Effekt der Totalreflektion.
Aber mit einem Lambda-Kompensator wurde die Natur der Auslöschung sichtbar.

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/292405_33675143.jpg) (https://www.pic-upload.de)

In der nächsten Bildgruppe habe ich nun mal versucht, mein Messschema zu demonstrieren.
Ausgehend von dem Foto in der Mitte oben.

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/292405_34640832.jpg) (https://www.pic-upload.de)

Das Calcit Spaltstückchen ist mit der kurzen Diagonale parallel zum Polarisator in N-S Richtung ausgerichtet.
Dies geschah unter gekreuzten Polarisatoren. Im Bild ist der Analysator ausgeschaltet und die Beck´sche Linie
über der Kante der uns zugewandten Spaltfläche fokussiert. Auf dem Drehtisch ist diese Position M₀.
Oben links und rechts befindet sich das Mineral in einer Position, in der sich ein heller Streifen neben der Beck´sche
Line auf der Mineral-zugewandten Seite bemerkbar   macht.
Links unter und rechts unten ist dann die Beck´sche Linie in die neuentstandene Linie mit nahezu gleicher Helligkeit
Übergegangen. In dieser Position lese ich am Drehtisch Ml und Mr ab.
Nun habe ich diese Winkel immer mit dem gleichen Calcit-Stückchen in verschiedenen Immersionen gemessen.
Die Ergebnisse habe ich oben dargestellt.
Ob es nun Zufall ist oder nicht, die Winkel ergeben sich für eine Linksdrehung aus der Rechnung °=L+M₀
Und für eine Rechtsdrehung aus °=(R-M₀)/2.
Die Winkelangaben in der Bildgruppe beziehen sich auf die Bildhorizontale.
Eine Fachkundige Deutung kann ich dazu nicht geben.

Ich bitte um Nachahmung und Bericht ob dies so reproduzierbar ist.

LG
Jürgen
Titel: Re: Drehtisch Refraktometer
Beitrag von: hugojun in Januar 09, 2021, 16:56:12 NACHMITTAGS
Zitat von: olaf.med in Januar 08, 2021, 19:23:07 NACHMITTAGS
Lieber Jürgen,

...Ein Mikrorefraktometer auf Calcit-Basis gibt es aber wirklich, allerdings technich ziemlich aufwendig. Das Prinzip ist hier (https://homepage.ruhr-uni-bochum.de/olaf.medenbach/index.html) unter Mikro-Refraktometer Spindeltisch erläutert.

Herzliche Grüße,

Olaf

Dein hochauflösendes Spindeltisch-Refraktometer ist natürlich top.

Ich kenne noch die abgespeckte Variante im F.D. Bloss 1981 , aber da ist wohl das Ausrichten des Referenz-Kristall sehr mühsam bis nervend.

LG
Jürgen
Titel: Re: Drehtisch Refraktometer
Beitrag von: hugojun in November 06, 2021, 14:32:15 NACHMITTAGS
Zufällig habe ich diesen Bericht in Johannsen 1918 gefunden. Da hatte jemand schon die gleiche Idee wie ich.

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures012/312016_19575591.jpg) (https://www.pic-upload.de)

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures012/312016_41962596.jpg) (https://www.pic-upload.de)

Vielleicht nur besser erklärt

LG
Jürgen