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Foren => Mikrofoto-Forum => Thema gestartet von: SNoK / Stephan Krall in Januar 11, 2022, 17:10:36 NACHMITTAGS

Titel: Colpidium kleini
Beitrag von: SNoK / Stephan Krall in Januar 11, 2022, 17:10:36 NACHMITTAGS
Liebes Forum,

nachdem ich heute Vormittag etwas Zermatschtes ("How bizarre") eingestellt habe, nun etwas Seriöses. Die kleine Schwester von Colpidium colpoda ist Colpidium kleini. Diese Art habe ich im Hochtaunus in der Pfütze einer Fahrrinne (durch Waldarbeiter verursacht) gefunden. Zumindest komme ich nach Foissner (1994), Revision der Ciliaten Band III, s.51ff zu dieser Einschätzung. Hauptunterscheidung zu Colpidium colpoda ist die deutlich geringere Zahl der Wimperreihen. Wenn man sie gut ablichtet, was mir gelungen ist, kann man zumindest die eine Seite auszählen. Das nimmt man mal zwei und addiert ein paar Reihen an der Seite dazu, die nicht scharf abgebildet werden. Dann kommt man auf ca. 32 Wimperreihen. Foissner gibt 32-44 an. Die Länge der kleinen Schwester war 125 µm. Foissner gibt 70-120 µm an. Passt also ganz gut. Ansonsten habe ich wie folgt beschriftet:

Cv = kontraktile Vakuole
Ep = Exkretionsporus
Ma = Makronucleus
M1-3 = Membranellen 1-3
Na = praeorale Naht (ich gestehe, dass ich die dort nach Foissner nur vermute)
Nv = Nahrungsvakuole
Oa = Oralapparat
uM = undulierende Membran
Wr = Wimperreihen

Grüße
Stephan

P. S.: Der Beitrag wurde bereits in etwas anderer Form im Tümplerforum veröffentlicht: https://www.mikro-tuemplerforum.at/viewtopic.php?f=23&t=992#p3506


Titel: Re: Colpidium kleini
Beitrag von: Martin Kreutz in Januar 11, 2022, 21:12:11 NACHMITTAGS
Hallo Stephan,

eine ausgezeichnete Diagnose mit aussagekräftigen Bildern! Das Vieh halte ich auch für Colpidium kleini. Sehr gut herausanalysiert! So stelle ich mir das vor. Ich habe nur eine Anmerkung. Die hochbrechenden Körper in der zweiten Abbildung sind keine Trichocysten, sondern hochbrechende Vesikel (evtl. von der letzten Mahlzeit). Die Trichocysten (ich sage lieber Extrusome) haben meist die Form von kurzen Stäbchen. Sie sind zu erkennen, wenn zu auf den Rand eines gequetschen Exemplares fokussierst (mit dem 100 X). Bei Colpidium sind sie sehr klein. Ich habe selbst leider kein Bild der Extrusome von Colpidium, sonst könnte ich es mehr verdeutlichen.

Schönen Abend!

Martin
Titel: Re: Colpidium kleini
Beitrag von: SNoK / Stephan Krall in Januar 11, 2022, 21:21:08 NACHMITTAGS
Lieber Martin,

danke für die Blumen. Das mit den Extrusomen habe ich gewissermaßen von Dir. In einem Beitrag im Tümplerforum schriebst Du zu Fotos von Ole:

"Ja, an der Basis jedes Ciliums sitzt ein Basalkörper, als kleines, hochbrechendes Körnchen im DIK sichtbar. Sehr oft liegen die Extrusome in parallelen Reihen zu den Kineten. Von oben betrachtet, erscheinen sie dann nicht als Stäbchen, sondern auch als Körnchen."

https://www.mikro-tuemplerforum.at/viewtopic.php?f=23&t=318&p=795&hilit=colpidium#p795

Ich habe die Extrusomen aus meinem Beitrag schon wieder raus genommen. Ich habe natürlich Extrusomen/Trichocysten schon oft gesehen, als Stäbchen.

Grüße
Stephan
Titel: Re: Colpidium kleini
Beitrag von: Martin Kreutz in Januar 11, 2022, 21:34:38 NACHMITTAGS
Hallo Stephan,

da Du auf den Beitrag von Ole Bezug nimmst, dass kannst Du auf dem 4. Foto in Ole's Beitrag den Extrusomensaum erkennen. Die Extrusomen sind immer eingeitlich groß. Die von Dir markierten Körper (Vesikel) in Deinem Beitrag sind verschieden groß und auch nicht regelmäßig angeordnet. Also definitiv nicht die Extrusomen.

Ich möchte auch noch betonen, dass die Extrusome bei anderen Gruppen von Ciliaten auch anders aussehen oder anders angeordnet sein können. Bei Paramecium sind sie z.B. amphorenförmig. Bei Amphileptus können sie sichelförmig oder manchmal sogar perlenförmig sein. Um sie gleich zu erkennen, muss man etwas Erfahrung sammeln. Aber sie sind eigentlich immer hochbrechend und fallen besonders im DIK sofort auf.

Martin
Titel: Re: Colpidium kleini
Beitrag von: SNoK / Stephan Krall in Januar 11, 2022, 23:30:27 NACHMITTAGS
Lieber Martin,

alles klar. Ich bin noch mal alle meine Bilder durchgegangen, ob ich irgendwo die Extrusome erkennen kann. Leider nicht. Die sind wohl auch sehr klein und unscheinbar, wie Foissner bei C. colpoda schreibt. In Abb. 27 auf Seite 50 zeigt er ein REM-Bild, wo sie als kleine Noppen dargestellt sind (siehe Anlage). Das sind allerdings nicht die Körnchen, die ich markiert habe. Bei mir sind sie in der Tat nicht zu erkennen. Wieder was gelernt.

Grüße
Stephan

Titel: Re: Colpidium kleini
Beitrag von: Ole Riemann in Februar 09, 2022, 20:44:53 NACHMITTAGS
Hallo Stephan,

vielen Dank für Deinen eindrucksvollen und schön bebilderten Beitrag. Er hat mir in den letzten Tagen sehr geholfen, da ich in einer Probe aus angefeuchteten Moosen diesen Ciliaten in großen Mengen gefunden habe (das ausgepresste Wasser war eine leicht trübe Ciliatensuspension). Deine Bilder zeigen die wesentlichen Merkmale sehr klar und haben mich auf die hoffentlich richtige Spur bei der Bestimmung geführt.

Da es in der Diskussion Deiner Befunde auch um zelluläre Details ging, möchte ich noch zwei Fotos ergänzen und eine Frage aufwerfen, die hier vielleicht geklärt werden kann. Auf den Aufnahmen 1 und 3 in Stephans Beitrag erkannt man in der Schärfeebene knapp unterhalb der Pellikula fädige und leicht gewundene Strukturen. Auf den ersten Blick dachte ich an Cilien, die durch den Deckglasdruck deformiert worden waren. Aber eigentlich scheinen die Strukturen tiefer in der Zelle zu liegen. Auf meinen Fotos finde ich nun ähnliche Gebilde zwischen 5 und 8 µm Länge (siehe die beiden folgenden Fotos, in der schon fast leeren Ausschnittvergrößerung im zweiten Bild habe ich einige dieser Strukturen mit Pfeilen markiert).

Handelt es sich um Mitochondrien, die man ja bei Ciliaten häufig subpellikulär als linsenförmige Gebilde lichtmikroskopisch gerade erkennen kann? Können Mitochondrien solch stark verlängerte Formen annehmen? Was könnten diese Gebilde sonst sein?

Beste Grüße

Ole

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures012/319520_34576242.jpg) (https://app.photobucket.com/u/OleRiemann/p/fcfc6c42-f034-4cea-8f0c-c98e269c1048)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures012/319520_42750725.jpg) (https://app.photobucket.com/u/OleRiemann/p/313c9365-1328-4bce-81d9-d131e83d35fa)


Titel: Re: Colpidium kleini
Beitrag von: SNoK / Stephan Krall in Februar 10, 2022, 10:29:48 VORMITTAG
Lieber Ole,

danke für die Rückmeldung. Du hattest mal im Tümplerforum einen sehr schönen Beitrag über Colpidium colpoda, an dem ich mich etwas orientiert habe bei diesem Beitrag:

https://www.mikro-tuemplerforum.at/viewtopic.php?f=23&t=318&p=821&hilit=colpidium#p821

Die von Dir angesprochenen Strukturen halte ich doch für Cilien, denn wenn man in den Band 3 vom Foissner schaut, dann sieht man auf Seite 49, Abb. 24 die Cilien, die am Ende eine kleine Keule haben. Am apikalen Ende wäre das dann der Basalkörper. Das führt zu den an beiden Seiten gekeult erscheinenden Strukturen.

Aber vielleicht hat Martin oder jemand anderes noch eine Idee.

Grüße
Stephan
Titel: Re: Colpidium kleini
Beitrag von: Detlef Kramer in Februar 10, 2022, 14:58:58 NACHMITTAGS
Für mich sind das wirklich Mitos. Wirklich beweisen könnte es nur ein Elektronenmikroskopiker - ich bin's nicht mehr.

Herzliche Grüße
Detlef
Titel: Re: Colpidium kleini
Beitrag von: Martin Kreutz in Februar 10, 2022, 20:06:27 NACHMITTAGS
Hallo Ole, hallo Stephan,

ich schließe mich der Meinung von Detlef an, dass es sich bei den mit Pfeilen gekennzeichneten Strukturen um Mitochondrien handelt. Cilien könne es nicht sein, da Ole ja in das Zellinnere fokussiert hat. Ich habe ja eine reichhaltige Sammlung von gequetschten Ciliaten, konnte aber die schnelle keines finden, auf denen man die Mitochondrien so schön sieht wie bei Ole. Statt dessen hier eine Aufnahme der Mitochondrien (Pfeilköpfe) in Spirogyra:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures012/319642_36849274.jpg) (https://postimages.org/)

Holger Adelmann hat mal sehr schöne Aufnahmen der Mitochondrien in Zwiebelhäutchen eingestellt (in der Mitte des threads):

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=6365.msg43455#msg43455 (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=6365.msg43455#msg43455)

Man erkennt deutlich, dass die Mitochondrien an den Enden oft erweitert erscheinen und das sie unterschiedlich groß und geformt sind. Dadurch kann man sie auch leicht von Extrusomen unterscheiden, die immer gleich groß und gleich geformt sind.

Tatasächlich können die Mitochondrien aber auch andere Formen annehmen, je nachdem, welche Aufgaben sie in der Zelle übernehmen. Wie Ole schrieb, besitzen sehr viele Ciliaten hochgeordnete Reihen von kugelförmigen Mitochondrien, die parallel den Kineten (Cilienreichen) angeordnet sind. Ein sehr schönes und fotogenes Beispiel dafür ist Trithigmostoma cucullulus:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures012/319642_63208015.jpg) (https://postimages.org/)
Mi = Mitochondrien

Woher weiß ich, dass es Mitochondrien sind? Wie Detlef sagte, müsste man hierfür eigentlich einen LM/TEM Vergleich machen. Ich habe es einfacher gehabt, weil Wilhelm Foissner es mir vor etwa 20 Jahren erklärt hat. Im Netz habe ich zudem eine schöne Zeichnung von D. Lynn gefunden, wo die subpellikulären Mitochondrien eingezeichnet und beschriftet sind:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures012/319642_32001227.jpg) (https://postimages.org/)

Es gibt noch andere Objekte, in denen man die Mitochondrien leicht erkennen kann. Man findet sie oft an Orten, wo viel Eenergie verbraucht wird, wie z.B. an der kontraktilen Vakuole von Amoeba proteus:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures012/319642_19575591.jpg) (https://postimages.org/)
Mi = Mitochondrien 

Schönen Abend

Martin
Titel: Re: Colpidium kleini
Beitrag von: SNoK / Stephan Krall in Februar 10, 2022, 21:35:24 NACHMITTAGS
Lieber Martin,

ich dachte, dass die Strukturen doch etwas zu groß für Mitchondrien sind, aber Deine Beweisführung überzeugt. Auf meinen zweiten Bild sieht man eine Ansammlung dieser Strukturen um eine Nahrungsvakuole. Das könnte zu Deinem Beispiel der Ansammlung um kontraktile Vakuolen passen. Ich war allerdings davon ausgegangen, dass die Strukturen noch auf der Oberfläche und nicht im Protoplasma sind.

Ich wollte übrigens schon immer mal Mitochondrien sehen. Auf der folgenden Webseite der Bonner gibt es einen interessanten Vortrag von Thilo Bauer zu dem Thema zum runterladen:

http://www.mikroskopie-bonn.de/berichte_von_treffen_und_aktionen/berichte_2017/mitochondrien/index.html

Grüße
Stephan

Titel: Re: Colpidium kleini
Beitrag von: Ole Riemann in Februar 11, 2022, 21:07:10 NACHMITTAGS
Hallo Detlef, Stephan und Martin,

ich danke Euch für die Anmerkungen und Kommentare. Dann gehe ich von Mitochondrien aus. Super, Martin, dass Du noch so instruktives Bildmaterial beigesteuert hast. Und Trithigmostoma cucullulus ist besonders überzeugend - Kondensor N.A. 1,4 immergiert ... ?

Schöne Grüße

Ole
Titel: Re: Colpidium kleini
Beitrag von: Martin Kreutz in Februar 12, 2022, 19:28:54 NACHMITTAGS
Hallo Ole,

ja genau, die Aufnahme ist vom letzten Jahr mit immergierten Kondensor 1.4 und dem UPlanFl 100X/1.3 Objektiv. Gerade bei diesem Objekt (Trithigmostoma) kommt da gehörig Auflösung raus, weil sich das Objekt gut plätten lässt. Hier ein Ausschnitt aus der Originalaufnahme:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures012/319812_56200037.jpg) (https://postimages.org/)
BK = Basalkörper
Mi = Mitochondrien

Die Basalkörper (BK) haben einen Abstand von 0,55 µm zueinander und die Mitochondrien (Mi) haben einen Durchmesser von ziemlich genau 1 µm. Die eventuell mitlesenden Auflösungsspezialisten für Diatomeenschalen mögen nur milde lächeln, aber für ein biologisches, lebendes Objekt ist das schon nicht schlecht.

Martin