Hallo zusammen,
neugierig geworden durch den interessanten Beitrag von Bernd hier:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=44420.0 (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=44420.0)
habe ich mich auch einmal zu dieser Location begeben und ein paar Proben gesammelt.
Wie ich hier schon einmal dargestellt habe:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=40691.0 (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=40691.0)
sind Fließgewässer durchaus spannende Lebensräume. Dabei liegt bei mir (wie wahrscheinlich bekannt) der Fokus auf den Rädertieren. Bei der ersten Tour im Juli (bei der es in unserer Gegend gegen Mittag circa 35° heiß war) haben einige der Organismen den Transport (immerhin 3 Stunden mit dem Fahrrad unterwegs) leider nicht überlebt. Bei der zweiten Tour Anfang August habe ich dann entsprechend etwas mehr Kühlmittel eingesetzt.
Was an den Torularia-Rotalgen auffiel, war die hohe Dichte, mit der diese Algen von anderen Organismen besiedelt worden waren. Das kann man auch schon an Bernds hochpräzisen Aufnahmen erkennen.
Dies steht im Gegensatz zu einigen anderen fadenförmigen Algen, wie zum Beispiel Spirogyra, auf der ich seltenst Auswuchs finde.
Mit diesem intensiven Bewuchs stellt die Rotalge Torularia in der Wupper, also einem Fließgewässer, einen Lebensraum für viele andere Mikroorganismen dar, von denen ich einige im folgenden vorstellen möchte.
Zunächst einige autotrophe Organismen, also solche, die Photosynthese machen können. Besonders häufig in diesem Bild an ist die Kieselalge Kieselalge Cocconeis cf pediculus zu sehen, im Wassertropfen auch als "Algenlaus" bezeichnet:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures012/329472_63208015.jpg)
Ich hatte beim Fotografieren diesen Ausschnitt des Algenthallus gewählt, weil es mir auch um die Darstellung der Rindenzellen der Rotalge ging. Somit bedeckt die Algenlaus hier nur einen Teil des Algenfadens. Solche "Algenlaus"-freien Bereich waren nur äußert selten zu finden.
Im folgenden Bild befindet sich in Zentrum eine Grünalge, möglicherweise Monoraphidium sp
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Kennkarten%20Algen/01_e-algae/Chlorophyta/e-source/Monoraphidium%20sp_2.html
wobei die Dokumentation und somit die Bestimmung dieser Alge aufgrund der Schichtdicke etwas schwierig ist:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures012/329472_32001227.jpg)
Das folgende Bild finde ich deshalb interessant, weil es verschiedene zeitliche und räumliche Ebenen der Besiedlung demonstriert. Da ist zuächst einmal die Grünalge Oedogonium:
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Kennkarten%20Algen/01_e-algae/Chlorophyta/e-source/Oedogonium.html (https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Kennkarten%20Algen/01_e-algae/Chlorophyta/e-source/Oedogonium.html)
welche auf der die Rotalge Torularia Fuß gefasst hat. An der Spitze des Oedogonium-Fadens siedeln wiederum einige Kieselalgen, auf denen wiederum Bakterien sitzen:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures012/329472_19575591.jpg)
Bei den heterotrophen Organismen, welche Torularia besiedeln, fällt die große Anzahl von peritrichen Ciliaten auf einem einzigen Algenfaden auf, die mit einigen Arten dort vertreten sind. Das Highlight war dabei für mich die Art Pseudovorticella chlamydophora die ich nun zum ersten Mal überhaupt gefunden habe. Diese zeichnet sich u.a. durch die bläschenartigen Vesikel in der Pellicula aus:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures012/329472_41962596.jpg)
Weitere Bilder hier:
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenProtista/01e-protista/e-Ciliata/e-source/Pseudovorticella%20chlamydophora.html
Eine weitere Pseudovorticella-Art war ebenfalls vertreten:
P.monilatahttps://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenProtista/01e-protista/e-Ciliata/e-source/Pseudovorticella%20monilata.html[/url]
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures012/329472_42119052.jpg)
Analog zu den Algen lässt sich auch hier bei den heterotrophen Protisten eine sekundäre oder tertiäre Besiedlung beobachten: auf diesem übriggebliebenen Stiel von P. monilata war der Zooflagellat Codosiga botrytis zu finden (Pfeil im obigen Bild); auf einer weiteren benachbarten Kolonie dieses Protisten saßen Bakterien; siehe hier:
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenProtista/01e-protista/e-Zooflagellata/e-source/Codonosiga%20botrytis.html (https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenProtista/01e-protista/e-Zooflagellata/e-source/Codonosiga%20botrytis.html)
Daneben lassen sich daneben lassen sich weitere peritriche Arten wie z.B. Epistylis, Campanella und Vorticella finden.Zwar sind diese Organismen wegen der Besiedlung in Kolonien sehr auffällig, aber die einzelnen individuellen Zellen sind eigentlich eher klein (abgesehen von dem langen Stiel bei einigen der Arten).
Anders sieht das bei den Rädertieren aus, die zumeist schon als Individuen mit der Stereolupe zu erkennen sind. Eine der häufigsten Arten, die zu beobachten war, ist Euchlanis dilatata, die dabei frei beweglich ist.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures012/329472_43527150.jpg)
Es ist mir wirklich ein Rätsel, wie bzw. warum sich dieses frei bewegliche Räder Tier im Fließgewässer an diesen Algen aufhalten kann, vor allem in dieser relativ hohen Individuendichte, die (geschätzt bei ca. 30 Ind/ ml liegt, was (ebenfalls geschätzt) 1-20 mal so hoch war wie die Dichte von Cephalodella- oder Notommata-Arten, die ebenfalls gefunden wurden. Im Gegensatz zu E. lyra,
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Euchlanis%20lyra.html (https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Euchlanis%20lyra.html)
die ich häufig in Bächen in unserer Gegend mit dicht von Kieselagen gefülltem Magen angetroffen habe, sind Kieselalgen (schalen) bei E. dilatata im Magen nicht sehr häufig zu finden, obwohl diese ja im Überfluss auf den Rotalgen vorkommen.
Im Gegensatz zu Euchlanis lyra ernährt sich dieses Rädertier nur sehr wenig von den Kieselalgen, die auf Torularia sitzen. Zumindest im Magen lassen sich kaum welche feststellen.
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Euchlanis%20dilatata.html (https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Euchlanis%20dilatata.html)
Eine ebenfalls häufig vorkommende Rädertierart, zu deren Verhalten es gehört, sich an Fadenalgen festzuhalten, ist Philodina megalotrocha. Typisch für diese Art ist außerdem, dass sie ihr Ei neben sich an den Faden klebt und dann relativ lange Zeit neben diesem Ei sitzenbleibt. Möglicherweise kann man dieses Verhalten als Brutpflege interpretieren, weil durch die Corona ja immer wieder sauerstoffreiches Wasser zugestrudelt wird. Ich möchte an dieser mal ein Bild aus einer etwas ungewöhnlichen Perspektive zeigen, nämlich einen optischen Querschnitt auf Höhe der Augen, welche in dieser Perspektive nahezu kreisrund erscheinen, während sie in Rückenansicht eher wie ein Strich wirken, siehe hier:
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Philodina%20megalotrocha.html
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures012/329472_56200037.jpg)
Diese Philodina sehr häufig an den Algenfäden fest, kann sich aber auch schnell ablösen, an eine andere Stelle schwimmen und sich dort wiederum festsetzen, ist also mobil.
Zu einer nicht mobilen Form vielleicht später noch was...
Soweit erst mal,
Beste Grüße
Michael Plewka
Wow a rotifer taking care of its egg, interesting details as ever.
Maarten
Hallo Michael,
einfach beeindruckend deine Mischung aus Biotopbeschreibung, spezifischen Beobachtungen, biologischen Informationen und natürlich hervorragenden Bilder.
So macht Mikroskopieren Spass und animiert zu neuen Entdeckungen.
Herzlichen Dank
KlausZ
Great information and great photos!
Vielen Dank für die Rückmeldungen!
Weil das Thema "Lebensgemeinschaften auf Fadenalgen" in diesem Forum m.W. noch nicht so oft thematisiert wurde, habe ich noch einene weiteren Thread dazu gepostet:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=44666.0 (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=44666.0)
Beste Grüße
Michael Plewka
Hallo Michael,
mir ist Deine Beobachtung, dass unterschiedliche Algen oft unterschiedlich stark besiedelt sind auch schon aufgefallen. Ich habe das bisher so interpretiert, dass die unterschiedlichen Algenarten unterschiedlich schnell wachsen, die stärker besiedelten, einfach nur älter sind und die Besiedler einfach mehr Zeit hatte sich hier einzurichten. Gattungen wie Spirogyra oder Oedogonium wachsen unter günstigen Bedingungen sehr schnell. Wie das bei den Rotalgen aussieht, weiß ich nicht, aber ich schätze, dass die wesentlich länger brauchen.
LG Gerd
Hallo Gerd, du hast natürlich völlig recht:
je älter die Algen werden, desto größer wird natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass sich Organismen darauf ansiedeln können. Über die Wachstumsgeschwindigkeit von Algen (und auch die Lebensdauer weiß ich allerdings gar nichts.
Es kommt aber auch noch ein weiterer andere Aspekt dazu. Manche Fadenalgen wie zum Beispiel Cladophora oder Oedogonium haben ja ein Anheftungen-Organ (Rhizoid), womit sie sich am Substrat festhalten können. Solche Rhizoide kommen auch bei Rotalgen vor. Diese Algen können somit bei einer gewissen Strömung (Fließgewässer) an dem Ort der Ansiedlung verbleiben, während die anderen ohne ein solches Rhizoid weggespült würden. Wie das bei anderen Fadenalgen aussieht weiß ich nicht. Bei manchen Algen kann man außerdem eine Wachstumsrichtung erkennen, die sich aus der Orientierung der Zellen bei der Teilung ergibt, so. z.B. bei Cladophora; mit dem Ergebnis, dass man von einem Basalteil und einem Apikalteil ausgehen kann. Bei anderen Algen wie zum Beispiel Tribonema, aber wahrscheinlich auch Jochalgen erfolgt das Wachstum dagegen durch einfache Querteilung einer Zelle, wobei dann eigentlich keine Richtung des Wachstums erfolgt. Das hat möglicherweise Auswirkungen auf den Lebensraum der entsprechenden Alge und damit vielleicht auf die Besiedlung auf der Alge.
Man kann natürlich auch noch weiter gehend spekulieren: wenn eine Alge (durch fehlende "Schutz"mechanismen wie z.B. Gallerthülle) von Organismen besiedelt wird: kann die Alge davon in irgendeiner Form profitieren?
Beste Grüße
Michael Plewka