Einführung, Lebensweise und Verbreitung
Beim Anistäubling Russula fragrantissima handelt es sich um eine Art, die sich allein schon durch ihren intensiven und anhaltenden Geruch nach Anis zu erkennen gibt. Diese sehr seltene Art wird in der Roten Liste (2016) in der Kategorie ,,2" (stark gefährdet) aufgeführt. Sie kommt in wärmebegünstigten Lagen Süddeutschlands vor. Mykorrhizapartner sind Laub- und Nadelbäume, wie z.B. Hainbuchen, Eichen oder Rotbuchen, Fichten oder Kiefern. Aus taxonomischer Sicht fügt sich der Anistäubling gut in die Gruppe der ,,Stinktäublinge" (Foetentinae) ein.
Da ich selber bisher nicht das Glück hatte, dieser Art zu begegnen, habe ich mich an der u.a. Literatur orientiert. Für die hier gezeigten Bilder darf ich mich bei Karl Wehr und Helga Marxmüller herzlich bedanken.
Makroskopische Merkmale
Die Hüte dieses recht groß werdenden, stämmigen Täublings liegen farblich etwa bei ocker, senfocker, orangeocker und werden bis ca. 13 cm breit. Bei feuchtem Wetter sind sie glänzend und klebrig. Die Huthaut ist glatt, am Rand nicht oder nur kurz gerieft und so gut wie nicht abziehbar. Die anfangs rein weißen Stiele nehmen im Verlaufe des Wachstum von der Basis her eine bräunliche Tönung an. Sie sind hartfleischig, zylindrisch oder nach unten verjüngt und bei reifen Fruchtkörpern gekammert hohl. Wir finden relativ dichtstehende, bei reifen Fruchtkörpern cremefarbige, meist durchlaufende, nur hier und da gegabelte und wenig untermischte Lamellen vor. Die Lamellenschneide ist mit der -fläche gleichfarben. Das Fleisch ist im Hut dick, beim Schneiden weißlich, jedoch mit der Zeit bräunlich oxidierend.
Im Geschmack, vor allem in den Lamellen, sind Anistäublinge scharf.
Sie riechen extrem stark und ausdauernd nach Anis. Sogar die Exsikkate behalten diesen Geruch monatelang bei. Man kann hier durchaus von einem Superlativ reden. Vergleichbar, wenn auch schwächer, ist der Geruch von Anistrameten, Aniszählingen, Anis-Sägeblättlingen, Grünen Anistrichterlingen oder von Anis-Klumpfüßen.
Makrochemische Farbreaktionen
Betupft man die weiße Stielhaut mit Eisensulfat, nimmt der Fleck einen Rosaton an.
Frisch ausgefallener Sporenstaub ist cremefarben, etwa IIb nach der Farbtabelle in MARXMÜLLER (2014).
Mikroskopische Merkmale (weitgehend nach PIDLICH-AIGNER, H. (2005))
Bild 2 zum Vergleich aus MARXMÜLLER, H. (2014)
Die Sporen (unten in Bild 2) sind rundlich und messen 7,3-9,5 x 6,8-9 µm, bei einem mittleren Schlankheitsgrad Qav = 1,06. Die Protuberanzen sind bis 1,3 um hoch und bestehen aus ausgeprägten hohen, aber auch aus kurzen, teils feineren und niedrigeren Graten, seltener aus feinen Ausläufern. Dazwischen finden sich vereinzelt isoliert stehende, kleine Warzen oder größere, stumpfkegelige Stacheln. Der Hilarfleck zeigt sich in Melzers Reagens als nicht amyloid!
Die Huthaut besteht aus 2-6 um breiten, meist unregelmäßig verbogen, oft kopfigen Epikutishaaren (in Bild 2 oben links) sowie aus 3-5(-8) um breiten, nicht sehr zahlreichen, in Sulfobenzaldehyd schwärzenden, meist einzelligen, zylindrischen bis schmal spindeligen Pileozystiden (in Bild 2 oben rechts).
Verwechslungsmöglichkeiten
Die in Frage kommenden Arten sind der Stinktäubling, der Gilbende Stinktäubling, der Mandeltäubling und der Morsetäubling. Farbe und Größe der Fruchtkörper sind unserer Art zwar ähnlich, jedoch besitzen sie nicht diesen starken, anhaltenden, anisartigen Geruch. Auch haben sie allesamt eine viel deutlicher ausgeprägte Hutrandriefung.
Literatur
• Ein Feldschlüssel für Täublinge (https://www.pilzforum.eu/board/thread/62455-ein-feldschl%C3%BCssel-f%C3%BCr-t%C3%A4ublinge/?pageNo=1#post591631)
• MARXMÜLLER, H. (2014) - Russularum Icones: 220-221.
• MONEDERO, C. (2012): El Género Russula en la Península Ibérica: 166-167.
• PIDLICH-AIGNER, H. (2005): Bemerkenswerte Russula-Funde aus Ostösterreich 2. Österr. Z. Pilzk. 14 (2005): 79-82.
• SCHWÖBEL, H. (1974): Die Täublinge. Beiträge zu ihrer Kenntnis und Verbreitung (III). – Z. Pilzkd. 40: 150-151.
• https://de.wikipedia.org/wiki/Starkduftender_Stink-T%C3%A4ubling
• https://fundkorb.de/pilze/russula-fragrantissima-anist%C3%A4ubling
Viel Freude beim Anschauen!
Bernd
Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080
Fachausdrücke, Abkürzungen: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41611.msg306729#msg306729
Hallo Bernd,
spannend, wie viele Pilzarten es gibt, von denen man (bzw. ich) noch nie gehört habe, da gehen die Threadthemen so schnell nicht aus.
Eine allgemeine Frage: Wenn man Pilzproben länger aufbewahren will, gibt es da geeignete Fixiermittel (wie z.B. AFE bei Botanikproben), oder kann man die in Deinen Threads gezeigten Bilder nur mit Frischmaterial machen?
LG
Jürgen
Hallo Jürgen,
standardmäßig bewahrt man die Pilze im getrockneten Zustand auf. Dazu werden sie erst mal über Nacht in einem Dörrgerät getrocknet. Sie müssen anschließend "rascheldürr" sein! Aufbewahren dann in Kunststoffbeuteln mit Druckverschluss. Von derart hergestellten Exsikkaten lassen sich Präparate der meisten Mikromerkmale noch nach Jahren anfertigen und fotografieren.
Viele Grüße - Bernd