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Foren => Mikroskopie-Forum => Thema gestartet von: lemmi in Oktober 21, 2023, 19:56:55 NACHMITTAGS

Titel: zytochemischer Nachweis von Eisen
Beitrag von: lemmi in Oktober 21, 2023, 19:56:55 NACHMITTAGS
zytochemischer Nachweis von Eisen

Der Begriff Zytochemie bezeichnet eine Reihe von Techniken mit denen bestimmte Stoffe innerhalb lebender oder (meistens) fixierter  Zellen nachgewiesen werden können.  Das Reaktionsprodukt ist entweder selbst farbig oder lässt sich durch Fluoreszenz sichtbar machen. Mit Hilfes des Mikroskops kann der Ausfall der Reaktion an jeder einzelnen Zelle beurteilt werden. Werden statt einzelnen Zellen ganze Gewebeproben untersucht, so spricht man von Histochemie. Die klassische Zyto- (oder Histo-)Chemie lässt sich in zwei Gruppen einteilen:

Substratnachweise:  hier wird mit einer klassischen nasschemischen Nachweisreaktion gearbeitet. Beispiele sind der Eisennachweis oder die PAS-Reaktion zum Nachweis von Polysacchariden.
Enzymnachweise: hier wird das Vorhandensein bestimmter Enzyme nachgewiesen, indem man die Probe mit einem Substratlösung inkubiert, das durch das gesuchte Enzym in ein farbiges Reaktionsprodukt umgewandelt wird. Peroxidasen, saure und alkalische Phosphatasen, unspezifische Esterasen und andere lassen sich so erkennen.

Die moderne Zytochemie bedient sich in immer größerem  Maße immunologischer und genetischer Methoden. Unter Immunzytochemie versteht man den Nachweis bestimmer Biiomoleküle auf der Zelloderfläche oder im Zytoplasma, die mit Hilfe eines Antikörpers nachgewiesen werden, der an ein Enzym (meist alkalische Phosphatase) gekoppelt ist. Der Antikörper bindet an die Zielstruktur und in einem zweiten Schritt wird über die alkalische Phospahtase eine Farbreaktion ausgelöst, mit der die gebundenen Antikörper sichtbar gemacht werden. Die Zahl der so nachweisbaren Biomoleküle ist schier unbegrenzt.

Die - vorläufig - letzte Entwicklung auf diesem Gebiet ist die Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung, kurz FISH genannt. Dabei werden Gensonden, die an ein fluoreszierendes Molekül (meist Fluorescein oder Phycoerythrin) gekuppelt sind mit den Zellen inkubiert. Liegt in der Zelle ein der Sonde komplementäres Genfragment vor, so bindet diese und im Mikroskop kann die Sonde anhand ihrer Fluoreszenz im UV-licht als leuchtender Punkt erkannt werden.

Zytochemische Methoden sind aus der biologischen Forschung und Medizin nicht mehr wegzudenken. Vor allem in der Diagnostik und Klassifikation von Krebserkrankungen, ja sogar in der Wahl einer spezifischen Therapie, spielen sie eine große und weiter zunehmende Rolle. Sollen zur Behandlung eines Brustkrebses Hormonblocker eingesetzt  werden (z.B. Tamoxifen), so muss zunächst der Nachweis geführt werden, dass die Zellen überhaupt Hormonrezeptoren aufweisen. Wenn sich über eine FISH-Reaktion zeigen lässt, dass die Zellen zudem den Wachstumsfaktor Her2/neu überexprimieren, so steht gegen diesen eine spezifische Antikörpertherpie zur Verfügung.

Begonnen hat diese Entwicklung vor etwa 150 Jahren, als der Pathologe Max Perls (1854-1894) zum ersten Mal den Einsatz der altbekannten Berliner-Blau-Reaktion zum Nachweis von Eisen in Gewebeproben beschrieb. Die auch heute noch sehr häufig eingesetzte Methode wird manchmal noch als "Perls'  Stain", meist jedoch als "Eisenfärbung" bezeichnet. Sie wird im Folgenden beschrieben.

Material/Geräte:
Mikroskop, Färbebank, Pinzetten, Waschflasche mit Aqua dest.,Waage, Messzylinder, Erlenmeyerkolben, Messkolben 100 ml, Kleines Bechergläschen, kleiner Trichter mit Filter

Chemikalien:
Kaliumhexacianidoferrat(II)-Trihydrat, Salzsäure (37 %), Neutralrot (C.I. 50040), Fuchsin (C.I. 42510)

Beschreibung:
Herstellung der Reagenzlösungen
Blutlaugensalzlösung: 2 g Kaliumhexacyanidoferrat(II) werden in 100 ml destilliertem Wasser gelöst und 2 ml 1 N Natronlauge zugegeben.
Salzsäure ca. 0,5 N: 5 ml rauchende Salzsäure werden mit dest. Wasser auf 100 ml aufgefüllt
Neutralrot-Fuchsin-Lösung: 0,5g basisches Fuchsin und 1 g Neutralrot in 100 ml destilliertem Wasser lösen (Stammlösung). Zum Gebrauch 4 ml Stammlösung mit destilliertem Wasser auf 100 ml auffüllen.

Färbevorschrift
Die Ausstriche werden gründlich an der Luft trocknen gelassen und mit der beschichteten Seite nach oben auf die Färbebank gelegt. In einem kleinen Becherglas mischt man gleiche Volumenteile der Blutlaugensalzlösung und 0,5 N Salzsäure und lässt die fertige Reagenzlösung über einen kleinen Filter auf die Ausstriche tropfen, bis diese vollständig bedeckt sind. Pro Objektträger benötigt man 3-4 ml Flüssigkeit. Man lässt 15 Minuten einwirken und spült die Ausstriche dann gut mit destilliertem Wasser ab (Spritzflasche).
Zur Gegenfärbung tropft man anschließend die gebrauchsfertig verdünnte Neutralrot-Fuchsin-Lösung auf die Ausstriche, lässt 30-60 Sekunden einwirken und spült mit destilliertem Wasser ab, bis keine Farbwolken mehr vom Präparat abgehen.
Die gefärbten Präparate lässt man trocknen und untersucht sie dann im Mikroskop zunächst bei schwacher Vergrößerung (100x) und zuletzt unter Zuhilfenahme der Ölimmersion (1000x). Eisen stellt sich als blauer Niederschlag vor dem rot gefärbten Hintergrund der Zellen dar. Während das Berliner Blau stabil ist, verblasst die Gegenfärbung allmählich im Lauf einiger Jahre.

Anmerkungen:
1. Die alkalische Kaliumhexacyanidoferrat-Stammlösung ist in einer dunklen Flasche ca. 1 Jahr haltbar. Stammlösungen sind sinnvoll, wenn man die Färbung oft durchführt. Statt das Reagenz aus Stammlösungen herzustelllen, kann man es auch ad hoc bereiten nach folgender Vorschrift: 1 g Kaliumhexacyanidoferrat  wird in ca. 40 ml Wasser gelöst, 2 ml rauchende Salzsäure zugegeben und mit Wasser auf 50 ml aufgefüllt
2. Für die Gegenfärbung kann auch eine Lösung von Kernechtrot-Aluminiumsulfat (10,0 g Aluminiumsulfat-18-Hydrat in 200,0 ml dest Wasser lösen und unter Erhitzen 0,2 g Kernechtrot (C.I. 60760) zugeben, abkühlen lassen und filtrieren.) verwendet werden, in die man die Präparate für 15 Minuten einstellt. Diese Gegenfärbung ist zeitaufwändig und hat gegenüber der oben beschriebenen Methode keine Vorteile.

Erläuterungen:
Eisen liegt in lebenden Zellen in mehreren Formen vor. Betrachtet man den Gesamt-Eisenbestand des menschlichen Körpers (etwa 4-5 g), so entfällt der Löwenanteil (etwa 80%) davon auf den roten Blufarbstoff Hämoglobin, in dem das Eisen komplex in einem Porphyrinring gebunden ist. Ein sehr kleiner Teil (50-80 mg) liegt als sogenanntes Funktionseisen in Enzymen, z.B. den Cytochromen der Atmungskette vor. Das zweitgrößte Eisenkompartiment des Körpers bildet das Speichereisen. Speichereisen liegt im Körper überwiegend als Ferritin vor. Ferritine sind eine Klasse sphärischer Proteinmoleküle, die in ihrem Inneren einen ,,Kern" aus Eisen(III)-oxidhydroxid aufnehmen können. Eine Abbauform des Ferritins wird als Hämosiderin bezeichnet. Hämosiderin ist manchmal schon in der gewöhnlichen Lichtmikroskopie als braungelbe Körnelung in den Zellen erkennbar.  Der zytochemische Eisennachweis ist spezifisch und extrem empfindlich. Bruchteile  von Pikogrammen Eisen (< 10-12 Gramm!) werden im Mikroskop sichtbar.

Die Berliner-Blau-Reaktion zum Nachweis von dreiwertigem Eisen ist allgemein bekannt. Für den korrekten Ablauf der zytochemischen Reaktion ist darauf zu achten, dass die Reagenzlösung erstens nicht zu viel Blutlaugensalz (höchstens 1%) und zweitens genug Salzsäure (mindestens 0,2 M) enthält. Wenn letzteres nicht beachtet wird, so bildet sich keine stabiler Niederschlag von Berliner Blau. Den Unterschied kann man demonstrieren, wenn man eine Kaliumhexacyanidoferratlösung im Überschuss zu einer stark verdünnten Lösung von Eisen(III)-Ammoniumsulfat gibt und einmal mit Salzsäure ansäuert, ein andermal nicht. Die angesäuerte Lösung flockt aus und das Filtrat ist klar. Die nicht angesäuerte Lösung läuft dagegen durch das Filter und gibt ein blaues Filtrat. Sogar in altehrwürdigen Lehrbüchern finden sich manchmal Rezepte für die Eisenfärbung, die zu wenig Salzsäure enthalten und deshalb nicht funktionieren!
Die Salzsäure wirkt außerdem fixierend auf die Zellen, d.h. sie fällt die Eiweiße unlöslich aus und erhält somit die Zellstrukturen, während bei Anwendung von destilliertem Wasser über osmotische Vorgänge eine Lyse der Zellen eintreten würde. Eine vorherige Fixierung der Präparate, z.B. mit Methanol, ist zwar möglich, aber unnötig und macht die Rektion weniger empfindlich.

Weil sich die Blutlaugensalzlösung im neutralen oder sauren Medium mit der Zeit von selbst zersetzt wird die Stammlösung leicht alkalisch eingestellt und das Reagenz vor der Anwendung filtriert und artifizielle Niederschläge auf dem Präparat zu vermeiden. Mit etwas Übung kann der Mikroskopiker solche Artefakte aber gut von "echtem" Speichereisen unterscheiden. Bei Eisenmangel lässt sich z.B. im Knochenmark überhaupt keine Blaufärbung erkennen (,,Goldstandard" der Diagnostik des Eisenmangels). In diesem Fall muss man eine Positivkontrolle, einen Ausstrich mit bekannt vorhandenem Speichereisen, mitfärben um sicherzugehen, dass das Reagenz ordnungsgemäß arbeitet.

Literatur:
Douglas AS, Dacie JV: The incidence and significance of iron-containing granules in human erythrocytes and their precursors; J Clin Path 6 (1953): 307-13
Gale E, Torrance J, Bothwell Th: The quantitative estimation of total iron stores in human bone marrow; J Clin Invest 42(7), 1963: 1076-82
Grüneberg H: Siderocytes: a new Kind of Erythrocytes; Nature 148 (1941): 114-5
Perls M: Virchows Archiv 39 (1867): 42 ff.

Bilder:

Reagenz auftropfen 2.jpg
Färbung eines Knochenmarkausstriches: Auftropfen der Reagenzlösung über ein Filter

makroskopisch blaue Färbung.jpg
Bei hohem Eisengehalt bemerkt man schon makroskopisch eine grünlichblaue Färbung des Präparates

Gegenfärbung.jpg
Gegenfärbung mit Neutralrot-Fuchsin-Lösung

Eisen positiv.jpg
Knochenmarkausstrich mit Nachweis von Speichereisen in den Makrophagen der Markbröckchen bei geringer Vergrößerung.

Eisen negativ.jpg
Knochenmarkausstrich bei Eisenmangel: völliges Ausbleiben der Blaufärbung in den Markbröckeln.

Makrophagen im KM.jpg
Nachweis von Ferritin im Zytoplasma mehrerer Makrophagen. Die Makrophagen besitzen einen ovalen Zellkern und ein ausladendes, unregelmäßig geformtes Zytoplasma. Die umgebenden kleinen Zellen gehören zu den Vorläufern der weißen (Leukozyten) und roten Blutkörperchen (Erythrozyten). Die Vorstufen der Erythrozyten nehmen Eisen von den Makrophagen auf und bauen es in Hämoglobin ein.

Plasmazelle PH.jpg Plasmazelle BB.jpg
Pathologische Eisenablagerung in Plasmazellen, links in der Pappenheim-Färbung als braunschwarzer Einschluss im Zytoplasma, rechts in der Eisenfärbung blau dargestellt. Plasmazellen gehören zum Immunsystem und lagern unter normalen Bedingungen gar kein Eisen ein. Die Präparate stammen von einem alkoholkranken Patienten. Anhaltender Ethanoleinfluss bewirkt eine Eisenstoffwechselstörung mit unphysiologischer Eisenablagung unter anderem in Plasmazellen.

Ringsideroblasten.jpg
Pathologische Einsengranula in Vorstufen der Erythrozyten, den sogenannten Normoblasten. Diese Ablagerungen finden in den Mitochondrien statt, die ebenfalls Ferritin enthalten, unter normalen Umständen jedoch kein Eisen speichern. Da die Mitochondrien rings um den Kern gelagert sind umgeben auch die blauen Körnchen ringförmig den Zellkern. Man nennt diese Zellen "Ringsideroblasten". Sie sind ein Zeichen für eine schwere Reifungsstörung der roten Vorstufen und kommen bei sogenannten Myelodysplastischen Syndromen (MDS, erworbene Blutkrankheiten meist älterer Menschen) oder bei der seltenen angeborenen Sideroblastenanämie vor.

Berliner Blau.jpg
Demonstration von löslichem und unlöslichem Berliner Blau. Der Ansatz ohne Salzsäure (links) läuft durch das Filter. Unter Salzsäurezusatz (rechts) fällt des Berliner Blau aus.
Titel: Aw: zytochemischer Nachweis von Eisen
Beitrag von: lemmi in Oktober 21, 2023, 20:03:59 NACHMITTAGS
Zum "Stil" dieses Posts (wie auch desjenigen über die Wright-Färbung): er ist aus dem Chemieforum Illumina (https://illumina-chemie.de/) übernommen, wo ich diese Texte zum ersten Mal veöffentlicht habe. Ich habe noch nicht herausbekommen, ob es hier auch eine Sammlung von Vorschriften gibt? Wenn dafür eigene Formatierungsvorgaben einzuhalten sind, bitte ich um Benachrichtigung!

Grüße
Thomas
Titel: Aw: zytochemischer Nachweis von Eisen
Beitrag von: Reinhard in Oktober 21, 2023, 22:38:24 NACHMITTAGS
Lieber Thomas,

ich denke, die Formatierung ist in Ordnung so. Die im "Illumina" übliche Darstellung der Gefahrensymbole und der direkten links der Chemikalien zu Wikipedia ist hier wohl nicht notwendig.
Der Beitrag über den zytochemischen Eisen-Nachweis ist sehr interessant, auch für den, der nicht wie Du an der onkologischen Quelle sitzt. ;-)

Herzliche Grüße
Reinhard