Kurz vor Jahresende, vor etwas mehr als einer Woche, ist es mir endlich gelungen, die Alge des Jahres 2023 https://www.dbg-phykologie.de/en/alge-des-jahres/alge-des-jahres-2023 zu finden. An den Hängen des Altkönigs im Taunus hatte ich etwas dunkelgrünes, schleimiges Moos von einem Stück Totholz gesammelt.
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Bei der mikroskopischen Untersuchung fand ich in der Probe Jochalgen der Gattung Serritaenia, der Alge des Jahres 2023. Deutlich ist der in die von diesen Algen reichlich gebildeten Gallerte eingelagerte dunkle Farbstoff zu sehen (Kornrade-Besucher werden sich an die Vorträge von Anna Busch und Sebastian Hess erinnern), der als Lichtschutz dient und der Alge den Spitznamen ,,Sonnenschirmalge" eingebracht hat.
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In der Probe fanden sich auch massenhaft kleinere Algenarten, die ebenfalls große Mengen an Gallerte gebildet hatten. Die Gallerte war von vielen Pilzhyphen durchzogen, die sowohl in manche Serritaenia-Zellen als auch in die Zellen der kleineren Algen eingedrungen waren (Pfeil).
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Ich habe natürlich sofort an einen parasitischen Pilz gedacht. Allerdings hat mich etwas irritiert, dass ich zwar sehr viele befallene, aber fast keine toten Algen finden konnte. Deshalb versuche ich aktuell, die weitere Entwicklung zu verfolgen.
Viele Grüße
Bernd
Literatur:
Busch, A. and S. Hess (2022). "Sunscreen mucilage: a photoprotective adaptation found in terrestrial green algae (Zygnematophyceae)." European Journal of Phycology 57(1): 107-124.
Busch, A. and S. Hess (2022). "A diverse group of underappreciated zygnematophytes deserves in-depth exploration." Applied Phycology 3(1): 306-323.
Hallo Bernd,
sehr schöne Doku! Man muss nur immer wieder losgehen und Proben sammeln und immer wieder Ausschau halten nach Dingen, die man noch nicht gesehen hat. Müsste ich auch mal wieder tun...
LG Gerd
Lieber Bernd,
sehr schöne Bilder und sehr interessant. Im Moment kann man auf dem Altkönig, den ich von mir aus sehe, aber eher rodeln als Moos finden. Ich bin heute auch schon im Schnee rumgestapft, um Proben für morgen am Reinheimer Teich zu sammeln.
Grüße
Stephan
Lieber Bernd,
tolle Bilder,
ist da vielleicht Symbiose im Spiel?
LG Ralf
Hallo Bern,
sehr eindrucksvolle Bilder einer doch recht kleinen Grünalge.
Ja, auch im Winter kann das Moos Überraschungen bieten.
Es sollte mehr solcher Mikroorganismen des Jahres geben.
Das könnte die Neugierde für die Mikrowelt beleben.
LG Klaus
Hallo Bernd,
Deine Bilder wecken schöne Erinnerungen an den Plankton-Kurs am Heiligen Meer im Frühjahr; da sind wir mit Sebastian durch das Gebiet gezogen und haben genau solche unscheinbaren, gallertigen Moosstückchen gesammelt, auf der Suche nach Serritaenia.
Viele Grüße
Ole
Hallo Bernd,
ich habe Deinen informativen Beitrag schon gelesen, kurz nachdem Du ihn eingestellt hast und seitdem etwas auf der zweiten, kleineren Alge rumgekaut, die Du in Deinem Beitrag zeigst. Inzwischen bin ich der Ansicht, dass es sich um Coccomyxa confluens handeln könnte. Dafür spricht die Kombination folgender Merkmale:
- Lebensraum Moos
- Zellen gleichmäßig ellipsoid bis oval, nicht eiförmig
- kein Pyrenoid sichtbar
- deutlich geschichtete Gallerthülle
Insbesondere das Fehlen von Pyrenoiden ist wichtig, dadurch fallen viele ähnliche Arten weg.
Ich selbst habe diese Art noch nicht bewusst gefunden, obwohl sie sich vielleicht falsch zugeordnet noch in meinem Archiv verbergen kann. Wer weiß!
Ich setze gerade jetzt im Winter auch viele Moosproben an, indem ich sie mit Wasser übergieße. Aber meistens für die Ciliatenjagd. Die kommen dann von alleine raus. Wie hast Du die Algen vom Moos gelöst? Ausgedrückt? Abgekratzt?
Schönen Abend
Martin
(https://i.postimg.cc/R0q1m674/Coccomyxa-confluens-2.jpg) (https://postimages.org/)
(https://i.postimg.cc/FFSZ1L2K/Coccomyxa-confluens-1.jpg) (https://postimages.org/)
Hallo Martin,
vielen Dank für deine Bemühungen, die kleine Alge zu bestimmen. Ich habe mich heute auch daran versucht und komme mit Pascher (1915) zu Coccomyxa dispar, heute ein Synonym von C. confluens. Mit der 2. Auflage der Freshwater Flora of the British Isles bin ich bei C. confluens gelandet. Ich habe auch die Größe der Alge gemessen: 8,4 ± 0,5 µm x 4,7 ± 0,4 µm, n = 10. Aussehen, Größe und Lebensraum stimmen mit den Beschreibungen überein.
Zur Präparation: Ich habe eine kleine Menge A. dest. auf das Moos gegeben, ein wenig darauf herumgedrückt, eine kleine Menge recht zähflüssiger Flüssigkeit mit etwas A. dest vermischt und ein Deckglas aufgelegt.
Viele Grüße
Bernd
Zitat von: Bernd in November 30, 2023, 20:42:08 NACHMITTAGSIch habe natürlich sofort an einen parasitischen Pilz gedacht. Allerdings hat mich etwas irritiert, dass ich zwar sehr viele befallene, aber fast keine toten Algen finden konnte.
Nice, Sklavisierte Zombies ;D
Klasse Fotos, danke Bernd.
Rene
Hallo Bernd,
sehr schön, dass Du zum gleichen Ergebnis gekommen bist.
Noch eine Frage zu Deiner Moosextraktion. Du hast also ein frisches Moospolster mit Wasser durchtränkt und dann gleich ausgedrückt? Du hast also nicht das angegossene Moos ein paar Tage stehen lassen, bevor Du es ausgedrückt hast?
Weißt Du noch den Fundort des Mooses (also Baum, Mauer, Dach...)?
Martin
Hallo Martin,
das bemooste Holzstück lag auf dem Waldboden (siehe Foto ganz oben):
Viele Grüße
Bernd
Liebes Forum,
die Algen in der Moosprobe entwickeln sich weiter. Hier zwei neu Fotos von diesmal freiliegenden Serritaenia.
Viele Grüße
Bernd
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Liebes Forum,
da ich am Altkönig wohne, unserem ,,Hausberg", habe ich vor zwei Tagen, als wir wieder einmal über den Altkönig gelaufen sind, nach schleimigem Moos Ausschau gehalten, um zu sehen, ob ich auch die ,,Alge des Jahres 2023" finde. Gefunden habe ich etwas, das wie bei Bernd, Serrtaenia sp. sein könnte. Ich zeige ein paar Bilder. Allerdings muss man bedenken, dass in so einer Probe auch Schmutz ist. Also ist nicht alles, was braun ist, auch gleich der Sonnenschutz von Serritaenia. Aber es könnte gut so sein. Man sieht auch den parasitierenden Pilz auf einem Foto sehr gut. Auf einem der Bilder ist allerdings überhaupt keine Braunfärbung zu sehen.
Noch eine Anmerkung. Wenn man sich die Veröffentlichung von Busch & Hess (2021) anschaut (siehe unten), sieht man, dass die Gattung Serritaenia eine von den beiden Autoren neu eingeführte ist. Bisher liefen die Arten unter Mesotaenium. Unter diesem Namen findet man in der Literatur einiges mehr, so auch im ,,Wassertropfen". Genauer gesagt ist das Synonym zu der vielleicht hier gefundenen Alge Mesotaenium braunii. Die Art wird wiederum in einigen Büchern als Synonym für M. macrococcum angegeben, so z. B. in ,,The Freshwater Algal Flora of the British Isles", dem wohl aktuellsten Buch. Busch & Hess schreiben dann aber: ,,M. braunii should not be treated as a heterotypic synonym of Mesotaenium macrococcum", was mich vollends verwirrt hat. Es ist also, wie so oft, nichts so einfach wie es aussieht.
Grüße
Stephan
P. S.: Auf derselben Wanderung habe ich dann noch Closterium littorale (vermute ich zumindest) in einer Pfütze gefunden, die hier im Forum noch nicht gezeigt wurde. Deswegen auch davon ein Bild. Durch die Form, die Größe, den glatten Rand und die nicht vorhandenen Gürtelbänder bin ich auf diese Art gekommen.
Nachtrag am 30.12.2023: Durch Kommunikation mit Bernd und nochmaliger Probenahme und Beobachtung wird es sich vermutlich nicht um C. littorale handeln, sondern um C. praelongum var. brevius.
Literatur
Anna Busch & Sebastian Hess (2021): Sunscreen mucilage: a photoprotective adaptation found in terrestrial green algae (Zygnematophyceae), European Journal of Phycology
Lieber Stephan,
sehr interessante Aufnahmen und wieder mal ein Beispiel wie unsicher, aber auch spannend die Bestimmung von Mikroorganismen ist, gerade dann, wenn die Taxonomie ziemlich im Fluss ist.
Könnte es sich beim Bild 2 um eine andere Art handeln?
Liebe Grüße und
einen guten Rutsch ins Neue Jahr
Klaus
Lieber Klaus,
Bild 2 ist nur eine weitere Aufnahme derselben Kolonie der Alge. Die erste Aufnahme ist mit dem 40x Plan-Apo Öl, die zweite mit dem 100x Plan-Fluotar Öl gemacht. Beide natürlich mit dem Leica DMRB und DIK
Grüße
Stephan
Hallo,
Laub- und Lebermoose bieten einen wunderbaren Lebensraum für Algen. Ich habe sie bei meinem arbeiten am Stereomikroskop immer wieder vor Augen aber erst dieser schöne Beitrag hat mir den Anstoss gegeben, den Inhalt eines dieser grünen Kügelchen am Mikroskop zu betrachten.
Ob es die gleiche Alge ist, wie oben beschrieben?
Zum Bild: Eine grüne Algenkugel mit der Pinzette vom Moosblatt gelöst und auf dem OT in einem Tropfen Leitungswasser eingedeckt. Am Nikon Optiphot im DIC fotografiert; Objektiv Nikon Plan Achromat 40/0.65. Balken 20µm
Gruss Arnold Büschlen
Algen 1200 auf Moos .jpg
Hallo Arnold,
eine echt brilliante, detailreiche Aufnahme.
Zur Bestimmung kann ich im Augenblick leider nichts beitragen.
Viele Grüße
Klaus
Hallo,
da ich immer wieder diese Algen vor mir habe, nochmals ein Bild.
Zum Bild: Eine grüne Algenkugel mit der Pinzette vom Moosblatt gelöst und auf dem OT in einem Tropfen Leitungswasser eingedeckt. Am Nikon Optiphot im DIC fotografiert, ein Bild; Objektiv Nikon Plan Achromat 100/1.25 Oel. Balken 20µm
Gruss Arnold Büschlen
Alge Moos Balken 20µm.jpg