liebes Forum, liebe Tümplerinnen und Tümpler,
zwar habe ich ebenfalls keine superdollen Aufnahmen zu Aphanochaete zu bieten, doch scheint mir die Besonderheit der Familie der Chaetophoraceae bei diesem Vertreter einigermaßen deutlich herauszukommen, nämlich die farblosen (plastidenlosen??) Haare bzw. Borsten:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures001/33028_8194399.jpg)
und Auschnitt:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures001/33028_33203677.jpg)
Stellt sich also die Frage nach der Funktion dieser Haare. In einem anderen Thread wurde die Behauptung aufgestellt:
ZitatDiese Alge gibt, dank ihren Borsten, der Oedogonium Auftrieb, damit sie im Wasser horizontal liegen kann (künstliche Oberflächenvergrösserung).
Hierzu kann folgendes festgestellt werden: Lange Haare erzeugen keinen Auftrieb. Vielleicht liegt hier ein Missverständnis vor: Die langen Körperanhänge /Dornen/ Haare etc. von planktischen Mikroorganismen haben einen erhöhten Reibungswiderstand zu Folge, so dass die Sinkgeschwindigkeit reduziert wird (s. Reynolds-Zahl). Sie erzeugen aber keinen Auftrieb.
Aphanochaete ist ein Epiphyt auf einem Epiphyten (so man die Algen zu den Pflanzen zählt), nämlich u.a. Oedogonium
(nicht ,,Ödogonium", wie hier neulich mal zu lesen war: Oedogium ist ein international festgelegter Gattungsname, der nicht verändert werden darf. So lauten nun mal die Nomenklatur-Regeln. Man kann zwar von der ,,Amöbe" sprechen, dennoch heißt es beispielsweise ,,Amoeba proteus" und nicht Amöba proteus").
Das bedeutet: die Schwärmer von Oedogonium besiedeln geeignete oder ungeeignete Substrate, z.B. Wasserpflanzen. Geeignet bedeutet u.a.: geeignete Licht und Strömungsexposition. Keimlinge an ungeeigneten Standorten sterben einfach ab. Der Faktor ,,Auftrieb" ist also für Oedogonium völlig irrelevant, da diese Alge zumeist auf anderen Pflanzen siedelt.
Algenwatten aus trichalen Algen schwimmen sowieso sehr häufig an der Wasseroberfläche. Warum? Weil sie mittels Fotosynthese Sauerstoff produzieren, und dieser sorgt in Form von Gasblasen für Auftrieb :
hier ein Beispiel:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures001/33028_17770497.jpg)
Salopp formuliert: Oedogonium ,,braucht" keine Auftriebshilfe. Aphanochaete liefert also in dieser Hinsicht keinen Nutzen.
Wie ist es dann mit dem Schaden?
Dieser ist beträchtlich. Grundsätzlich bewirken Epibionten in aquatischen Ökosystemen 1.eine reduzierte Lichteinstrahlung bei den Wirten, was eine verringerte Fotosyntheserate zur Folge hat, sowie 2. einen verringerten Stoffaustausch des Epibionten mit dem umgebenden Wasser. Dierses sei am Beispiel tropischer Korallenriffe und der ,,bubble alga" (Ventricaria ventricosa, die wohl auch schon mal in Salzwasseraquarien auftaucht) erläutert:
Korallen sind typische Bewohner der Korallenriffe. Die immense Artenvielfalt im Korallenriff täuscht darüber hinweg, dass die Korallenriffe eigentlich Oasen inmitten ozeanischer Wüsten sind. Korallen (riffe) kommen bevorzugt in extrem nährstoffarmen Meerwasser vor, d.h. in diesem Wasser sind vor allem Nitrat und Phosphat wachstumslimitierende Faktoren. Hier sind die Korallen trotz iher relativ geringen Wachstumsgeschwindigkeit wegen ihrer Symbiose mit den Zooxanthellen im Vorteil gegenüber den meisten Algen. Sie haben deshalb die Rolle der Produzenten. Die Situation ändert sich drastisch, wenn (z.B. durch Abwasser der Touristen) Nitrat und Phosphat ins Wasser gelangt. Die Algen können nun schneller wachsen als die Korallen. Sie überwachsen jene und bringen sie somit zum Absterben. Damit ist das gesamte Korallenriff als Ökosystem gefährdet.. Diese Gefahr hat vor allem durch den zunehmenden Massentourismus stark zugenommen.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures001/33028_61474896.jpg)
Zusammenfassend läst sich also sagen, dass Aphanochaete als Licht- und Raumkonkurrent der Wirtsalge mehr schadet als nützt.
Was also ist die Funktion der Borsten?
Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Mineralstoffmangel die Haare größer werden bz.w. überhaupt erst auftreten.
http://www.informaworld.com/smpp/content~content=a771013880&db=all
Man könnte die Haarbildung somit als Strategie zu verstehen, über ein größere Oberfläche eine größere Menge an Mineralstoffen aus dem Wasser aufzunehmen
Ebenfalls könnte als Funktion ein Fraßschutz diskutiert werden, der abweidende Organismen wie z.B. Schnecken oder auch Wasserflöhe (Graptoleberis) daran hindert, Aphanochaeta abzuweiden .
Insgesamt habe ich im WWW nur sehr wenig zur Funktion dieser "Haare" bei den Chaetophoraceae gefunden.
Über Hinweise würde ich mich freuen.
beste Grüße Michael Plewka
Hallo Michael
Quelle: http://www.biologie.uni-hamburg.de/b-online/e44/44c.htm
ZitatChaetophorales: Diese Ordnung muß aufgrund neuer Befunde wohl noch stärker eingegrenzt werden; sie überschnitt sich in älteren Systemen mit den Ulotrichales. In diese, möglicherweise nicht natürliche Ordnung werden Arten mit fädigem, z.T. verzweigtem Thallus gestellt. Einige Beispiele für Chaetophorales: Uronema, Chaetophora, Microthamnion, Aphanochaete, Draparnaldia, Fritschiella, Stigeoclonium.
Die Zoosporen tragen am Geißelpol eine Gallerte, die eine Polarität der Zelle markiert. Bei der Bildung von Zellaggregaten (nach Geißelabwurf) ist dieser Pol stets in Richtung des Zentrums orientiert. Die Verlängerung der Zellfäden erfolgt bei den meisten der Arten durch Teilung der terminal (=distal) sitzenden Zellen. Draparnaldia plumosa verfügt über morphologisch voneinander verschiedene Haupt- und Nebentriebe (= dicke und dünne Filamente). Die Zellen der Nebentriebe sind an ihren Oberflächen mit einem kohlenhydrathaltigen Belag versehen, der vermutlich Bakterien als Nahrungsquelle dient. Dünne Filamente sind, im Gegensatz zu den dicken, stets von ihnen umlagert.
http://protist.i.hosei.ac.jp/pdb/images/Chlorophyta/Aphanochaete/index.html
Auch habe ich das PDF gefunden
http://www.ohioseagrant.osu.edu/_documents/publications/SLCS/SLCS-007%20The%20Filamentous%20Algae%20of%20the%20West%20End%20of%20Lake%20Erie%201937.pdf
Seite 36 vom PDF (Nicht Buchseite) Abbildung 18
Aphanochaete repens
Luther, H. & Hällfors, G. (1981). Oogamy in Aphanochaete (Chlorophyceae, Chaetophorales) I. Morphology and ecology. Ann Bot Fennici 18: 169-181.