Hallo Mikrofreunde,
kurz vor Allerheiligen war ich ein paar Tage in den Schladminger Tauern (Steiermark) unterwegs. Eine im Spätherbst relativ ruhige Wanderung führte mich zu den Giglachseen auf knapp 2000m, einem Naturrefugium von besonderer Ausstrahlung.
(https://i.postimg.cc/gJ71ymqT/24-222-Unterer-Giglach-See-Z8.jpg) (https://postimg.cc/7GgBwvR3)
Die Vegetation rund um um die beiden Seen besteht aus einem Mosaik von Zwergstrauchheiden und Moorbiotopen.
Bei der Umrundung des ziemlich großen Unteren Giglachsees nahm ich sozusagen im Vorbeigehen zwei Wasserproben vom Ufer und einem Moortümpel mit.
(https://i.postimg.cc/C5GTw9kr/24-218-Unterer-Giglachsee-Halbinsel-Torfmoos.jpg) (https://postimg.cc/5Q2k37P8)
Leider konnte ich die beiden Proben erst ein paar Tage später zu Hause unter die Lupe nehmen. Die Moorprobe enthielt natürlich viele bekannte Desmidiaceen, u. a. auch die Glashüllen-Alge Hyalotheca dissilens. Im Phasenkontrast (PH+ 50) ist die dicke Schleimhülle besonders deutlich zu sehen.
(https://i.postimg.cc/1tSrLTR3/Hyalotheka-03-dissilens-Glash-llen-Alge-Giglachsee-PH-50.jpg) (https://postimg.cc/yJfRRLSM)
Der DIK 100 zeigt die Struktur der sternförmigen Chloroplasten besser. Obwohl nicht bewusst darauf fokussiert, ist in der linken Zelle ein Teil des apikalen Porenrings zu erkennen (Pfeil).
(https://i.postimg.cc/76PT1yY0/Hyalotheka-01-dissilens-Glash-llen-Alge-Apikale-Poren-Pfeil-Giglachsee-DIK-100.jpg) (https://postimg.cc/HJKxHRMk)
Die Planktonprobe (ohne Netz) war vom Herbstmaximum der Diatomeen geprägt. Besonders reichhaltig war das Angebot an Schwebesternen Asterionella formosa. Da sich dieses Spezier recht gut für den Phasenkontrast eignet und davon noch nicht sehr viele Bilder im Forum zu finden sind, möchte ich zwei Aufnahmen einstellen. Die erste ist im PH+ 40 angefertigt, sozusagen in situ, nur ein wenig der Kontrast angehoben, ansonsten kaum bearbeitet (Kurt wird sich freuen!).
(https://i.postimg.cc/g07nhLQF/Asterionella-01-formosa-Schwebestern-Giglachsee-PH-40.jpg) (https://postimg.cc/DWqvk07B)
Das zweite Bild (PH+ 50) zeigt eine Art Doppelstern, der mal ausnahmsweise einzeln lag. Diese Aufnahme würde ich eher unter der Kategorie "pretty pictures" einordnen. Sie ist selbstverständlich stärker bearbeitet, insbesondere der Hintergrund geputzt.
(https://i.postimg.cc/65HwTJFF/Asterionella-04-formosa-Schwebestern-Giglachsee-PH-50.jpg) (https://postimg.cc/9rqsNSmB)
Viel Spass
Klaus
Lieber Klaus,
vielen Dank für diesen wundervollen Bericht über eine herbstliche Mikro-und Makrowelt!
Lieber Klaus,
schöne Bilder. Wenn wir nur solche Gegenden hier in Hessen hätten.
Grüße
Stephan
Lieber Klaus,
wunderschön!
Auch ich finde in den Tümpeln hier derzeit viel Asterionella, nur so schön wie Du leider nicht.
lG
Anne
Hallo Klaus
Ich möchte mich den Anmerkungen meiner Vorschreiber(innen) voll und ganz anschließen. Ja, das erste Asterionella Bild mit Phasenkontrast spricht mich besonders an. Die Landschaftsaufnahmen der Fundstelle werten deine Mikrofotos noch auf.
Gruß von Siegfried
Liebe Mikrofreunde Jürgen, Stephan, Anne und Siegfried,
herzlichen Dank für eure wertschätzenden Kommentare.
An und in den Alpen zu leben ist schon ein besonderes Geschenk. (Was nicht heißt, dass es viele andere für den Naturliebhaber faszinierende Landschaften gibt) Ich liebe besonders den (schneearmen) Spätherbst, wenn es ruhiger wird, im Tal oft der Nebel liegt und man in der Höhe noch die wärmenden Sonnenstrahlen und das klare Licht genießen kann.
Immer wichtiger wird es für mich eine Landschaft möglichst facettenreich aufzunehmen - von der Kultur (hier der Almen und des historischen Bergbaus) über die Geologie (hier kristalline Quarzphyllite gemischt mit Kalkzügen) und die Flora bis hin zur Mikrowelt. Am intensivsten erlebt man es meist alleine.
Bei so positiver Resonanz will ich noch ein paar ergänzende Eindrücke nachreichen.
Das Mosaik aus Legföhren, Moosen und Zwergstrauchheiden kommt durch die Herbsttöne besonders gut zur Geltung.
(https://i.postimg.cc/nL45tVNs/24-206-Unterer-Giglachsee.jpg) (https://postimg.cc/sB2KYzjy)
Die Uferzonen sind oft dicht bewachsen mit einem "Filz" aus Rentierflechten (Cladonia rangiferina), Preiselbeeren und Isländisch Moos (Certraria islandica).
(https://i.postimg.cc/Ls2DLt0X/24-213-Rentier-Flechte-Giglachsee.jpg) (https://postimg.cc/gxt3PZpF)
Gerade das hochinteressante Islandmoos (eine Flechte) ist fast nur noch in den Alpen zu finden. Die Stacking-Aufnahme eines mitgebrachten Exemplars.
(https://i.postimg.cc/BZLzqgW9/Strauch-25-Isl-ndisch-Moos-Certraria-islandica-Habitus-feucht-Zwergstrauchheide-Giglachsee-Stack-44.jpg) (https://postimg.cc/0rvnn72c)
Auch der Giglachsee selbst birgt besondere Raritäten wie der nur in höheren Alpenseen vorkommende Schmalblättrige Igelkolben (Sparganium angustifolium). Hier mit seinen Schwimmblättern am Ufer.
(https://i.postimg.cc/pXQqTcq7/24-211-Igelkolben-Schmalbl-ttriger-Sparganium-angustifolium-Schwimmbl-tter-Giglachsee.jpg) (https://postimg.cc/vcBW2hRL)
Geologisch-morphologisch interessant sind am Oberen See eine Serie von wassergefüllten kleinen Toteislöchern der letzten Eiszeit. Da könnte jeder Mikroskopiker seinen persönlichen Tümpel finden.
(https://i.postimg.cc/XqkdVm4k/24-223-Giglach-Seen-Toteis-T-mpel-R-merzeitl-Siedlungsreste-Pan-4-HF.jpg) (https://postimg.cc/PvNPy6LC)
Abschließend noch ein schönes Exemplar einer Spirogyra sp., fokussiert auf den gelappten Chloroplasten (DIK 100).
(https://i.postimg.cc/TY2WVkTB/Spirogyra-06-sp-Schraubenalge-Chloroplast-DIK-100.jpg) (https://postimg.cc/nM5zZGj1)
So, ich hoffe, ich habe euch jetzt nicht ganz erschlagen!
Schönen Abend
Klaus
Ganz im Gegenteil, es ist wirklich eine Wohltat, Deine Bilder anzuschauen. Der Charakter der Landschaft wird hier lebendig.
Ich finde auch, dass die Fundortfotos die Mikro-Bilder perfekt abrunden.
Schöner Beitrag, mit sehr ansprechenden Fotos. Mikro- wie Makro. Die Aufnahme von dem Islandmoos gefällt mir besonders.
Danke fürs zeigen.
Und was ist mit dem kleinen Flagellaten an der Spirogyra, wird der nicht gewürdigt (-; ?
Stephan
Hallo Klaus,
schöne Dokumentation Deiner Wanderung, Deine Bilder der Landschaft gefallen mir ebenso, wie die Mikroaufnahmen.
Wir waren 2022 auch dort, allerdings im Sommer. Da war es schon etwas voller, aber nicht überlaufen.
Auf unserem Rückweg sind uns dann auch die von Dir erwähnten Quarzphyllite aufgefallen (schimmerten sehr schön im Sonnenlicht), da musste ich dann ein paar Bruckstücke mitnehmen.
Hast Du Dir die Quarzphyllite auch schon einmal näher angesehen, also Makro/Mikro?
Danke fürs Zeigen!
LG aus Minden aus schwindelerregenden 60m üNN, stehend.
Frank
Aber klar, lieber Stephan,
wer würde denn den kleinen Bodo (?) übersehen. Auch wenn er etwas verloren unter der dicken Algenwalze tänzelte.
Hallo Frank,
es freut mich, dass du die Giglachseen auch schon genossen hast. Und - du hattest wohl auch einen Blick für Gesteinswelt.
Das Ursprungtal in den Schladminger Tauern ist geologisch hoch interessant, wenn auch extrem komplex. Hier stoßen Reste der inneralpinen Sedimente (Steirische Kalkspitze, der Name sagt es schon) mit hochmetamorphen zentralalpinen Gneisen und der schwächermetamorphen Randzone der Quarzphyllite zusammen.
Auf dem Weg von der Ursprungalm sieht man zum Teil hausgroße Versturzblöcke dieses "Schiefer"-Gesteins.
(https://i.postimg.cc/tRBf3tw7/24-227-Weg-Ursprungalm-Quarzphyllit-Schiefer-Block-Z8.jpg) (https://postimg.cc/Yjmbkgpw)
Die glänzenden Flächen sind auf den hohen Anteil an Serezitmineralien zurückzuführen, ein Hellglimmer, der durch umgewandelte Tonminerale entsteht. Eingeschlossen sind auch Quarzknollen (unterer Bildrand Mitte) und andere Gerölle (oberer Bildrand). Die Entstehungszeit liegt etwa zwischen Perm und Trias vor etwa 250 Mio Jahren als die Sedimentation der Alpen erst begann. Diese Gesteinsfolge stammt also eigentlich aus den Sedimenten des vorhergehenden variszischen Gebirges.
Mikroschliffe habe ich von Gesteinen noch nicht angefertigt. Ist mir zu mühsam und würde auch bei Schiefern nicht viel hergeben, weil es sich im Unterschied zu Plutoniten oder Vulkaniten oft nur um monomineralische Lagen handelt.
Zwei Makros von Handstücken will ich noch dranhängen. Am Tonschieferstück sieht man noch schön die Herkunft der Phyllite aus den Tonmineralien. Nur die dünne, glänzende Schicht ist metamorph umgewandelt. (Fundort: Flims, Graubünden)
(https://i.postimg.cc/zG70NJNv/Schiefer-03-Ton-Schiefer-Phyllit-Lagen-Muskovit-Segnas-Flims-Z7-Z7.jpg) (https://postimg.cc/QFBpkZHZ)
Der Kalk-Phyllit zeigt noch deutlicher die glänzenden Glimmerlagen, hier allerdings ohne Silikat (Quarz), sondern mit Kalkanteil. (Fundort Glocknergebiet)
(https://i.postimg.cc/T31WyGmp/Schiefer-05-Kalk-Phyllit-HCL-mit-Kalzit-Kluft-Glorer-H-tte-Glockner-Z7.jpg) (https://postimg.cc/CRyKt3cg)
So, damit wir nicht zum Geo-Forum mutieren, will ich es damit belassen. Ich finde es aber sehr inspirierend, wenn es Forumsmitglieder gibt, die gerne mal über die Mikroränder hinausschauen.
Liebe Grüße
Klaus
Hallo Klaus,
danke für den Exkurs in die Alpen-Geologie.
Du scheinst da ja auch noch ein paar weitere Intressenslagen im Koffer zu haben. :D Und die Bilder sind auch wieder wohl belichtet.
Ich meine man sollte den Blick für die Natur weit in alle Richtungen öffnen, das habe ich erst spät angefangen, leider. Dann fällt auch immer etwas zum Mikroskopieren ab. 8)
LG Frank
So sehe ich das auch Frank!
Die Kombinationen verschiedener Natur- und Kulturbereiche lässt uns erst den unendlichen Reichtum unserer Welt erahnen.
Doch nochmals zurück zur Mikrowelt des Wassers. Die unten gezeigte Glashüllenalge besitzt auch eine interessante Oberfläche, die bei der Fokussierung auf den Chloroplasten kaum zu erkennen ist. Jede Zelle in der Kette hat an den apikalen Seiten (meist) drei Porenringe (Oder sind es Warzen?). Ich hab mal mit dem 100er die Schärfenebene darauf gelegt und die Kette enthüllt ihre Oberflächenstruktur.
(https://i.postimg.cc/Vk69MppH/Hyalotheca-05-dissilens-Glash-llen-Alge-Apikale-Porenringe-Giglachsee-DIK-100-Komp-2.jpg) (https://postimg.cc/ZCGyz7Tr)
Viele Grüße
Klaus
Hallo zusammen
@Klaus: sehr schön, dass du uns an deiner Exkursion in alpine Gefilde hast teilhaben lassen. Im Rahmen dieses Mikroforums stehen natürlich die Mikroorganismen im Vordergrund des Interesses, insofern ist es gut, dass es mit den Fotos möglich ist, einen Bezug zwischen den Algen und ihrem Lebensraum zu erkennen. Und bei alpinen Biotopen werde ich immer wieder neugierig, was außer den Algen an Organismen zu finden wäre....
Das letzte Hyalotheca-Foto ist wirklich exzellent: die Poren kommen sehr gut zur Geltung.
Noch was zu der ,,Spirogyra". Bei dieser handelt es sich ziemlich eindeutig um eine andere Zieralge. Ich bezweifle sehr, dass es in diesen nährstoffarmen Gewässern überhaupt Spirogyra gibt (wenn, dann sind es wahrscheinlich nur wenige speziell angepasste Arten) Die Alge hier ist sogar im ,,Wassertropfen" zu finden: Spirotaenia.
Interessant, dass das bisher noch nicht bemerkt worden ist...
Beste Grüße
Michael Plewka
Hallo Michael,
wie gut, dass auch immer wieder Kenner wie du über solche Beiträge schauen.
Ganz klar Spirogyra - Fehlanzeige.
Ich hatte zwar einen leisen Verdacht, weil ich die Schraubenalgen mit diesem ausgeprägten, gelappten Chloroplasten nicht kannte. Hab mir aber nicht die Arbeit gemacht nochmal nachzuschauen. Es ist natürlich Spirotaenia mit dem wandständigen Chloroplasten und den unregelmaßig verteilten Pyrenoiden. Ich nehme mal an, dass es sich um S. condensata handelt, in der Freshwater Algal Flora als einzige Art geführt. Mal sehen, ob ich in der alten Proben noch Spirotaenia finde, um die Lücke zwischen den beiden Chloroplastenbändern und den Nukleus abzubilden. Bei Martin sieht man das (https://realmicrolife.com/spirotaenia-condensata/) wunderbar,
Auch viele andere Organismen, die ich in der Giglachsee-Probe gefunden habe, passen zum oligotrophen, eher sauren Lebensraum. Ich möchte in Zukunft bei neuen Biotopen die Lebensraumcharakteristika mehr berücksichtigen, nicht nur wegen der taxonomischen Einordnung, sondern auch, weil damit die Verbindung von Mikroskopie und Naturerlebnis etwas stärker zum Tragen kommen sollte.
Herzlichen Dank für deine fachkundige Berichtigung. Ich werde es in der Bilderklärung entsprechend korrigieren.
Viele Grüße
Klaus
Hallo Klaus, Michael,
ich bezweifele, daß es sich um eine Spirotaenia handelt. So stark gelappte Chloroplasten kenne ich nur von Spirogyra. Leider fehlt eine Größenangabe, die für eine Bestimmung sehr hilfreich wäre.
Viele Grüße
Bernd
Hallo Bernd,
das wird ja noch eine interessante taxonomische Frage.
Ich habe die Größe zunächst nicht angegeben, weil ich von vorne herein dachte, es sei ein Spirogyra und hier nicht so wesentlich. Die Breite beträgt etwa 25 µm.
Wenn ich mir Martins Bilder anschaue (link unten), so hast du recht. Die Chloroplasten verlaufen hier mir glattem Rand.
Außerdem habe noch ein ältere Aufnahme gefunden mit ähnlicher Dicke und ebenfalls gelappten Chloroplasten. Ich habe sie damals (unter Vorbehalt) als Spirogyra eingeordnet.
(https://i.postimg.cc/rwy0V62m/Spirogyra-05-sp-Schraubenalge-Chloroplast-DIK-100-Stack-2-Z7.jpg) (https://postimg.cc/N5VfDzMq)
Spirotaenia scheint aber nur aus einer einzigen Zelle zu bestehen (wie mein gezeigtes Exemplar vom Giglachsee), während die obige "Spirogyra" definitiv aus mehreren Zellen bestand. Man sieht eine Zwischen-Zellwand.
Also, die Bestimmungsfrage doch wieder offen.
Mal sehen, ob noch jemand einen weiteren Hinweis geben kann.
LG Klaus
PS:
Ich fand in der Giglachsee-Probe übrigens auch einige klassische Spirogyra-Fäden. Sie scheinen dort also vorzukommen. Bei der ufernahen, weglosen Umrundung des großen Sees ist mir jedoch aufgefallen, dass es zwei Bereiche gab, wo die Steine unter Wasser erkennbar mit Algen bewachsen waren. Für Bergseen eher ungewöhnlich. Vielleicht gibt es doch begrenzte Nährstoffeinträge. Ich konnte dort keine Wasserprobe nehmen, weil die Stellen schwer zugänglich waren.
Hallo Bernd und Michael,
nochmals ein Nachtrag zur Bestimmung der Schraubenalge.
Ich fand keinen Hinweis, dass Spirotaenia gewellte Chloroplasten besitzen.
In der Freshwater Algal Flora ist bei Spirogyra zur Form der Chloroplasten dagegen zu lesen:
"...broad or narrow with smooth or wavy margins,..." (p. 587)
Gewellte oder gelappte Ränder können also vorkommen.
Ich neige deshalb doch wieder zu Berns Einschätzung, dass es sich um Spirogyra sp. handeln müsse.
Zudem - ich habe es unten schon erwähnt - kamen in der Probe andere vereinzelte Spirogyra-Fäden vor, vielleicht aufgrund lokaler Nährstoffeinträge.
Herzliche Grüße
Klaus
Hallo zusammen,
@ Bernd: sehr schön, dass du dieses Thema ansprichst. Ich finde, das ist ein sehr interessanter bzw. spannender Fall. Deshalb ein paar Anmerkungen bzw. Fragen an den Experten:
Meine Literatur zur Bestimmung von Zieralgen ist sehr begrenzt. Abgesehen davon, dass Spirotaenia nach einer Arbeit von Melkonian möglicherweise gar keine Zieralge ist, stellt sich natürlich immer die Frage nach den Bestimmungskriterien. Nach meinen Informationen ist die Lappung der Chloroplasten in keinem der wenigen Bestimmungsschlüssel, die mir zur Verfügung stehen, ein Kriterium zur Unterscheidung von den verschiedenen Taxa.
Die analoge Parallele zu deiner Aussage wäre: ,,ich bezweifele, daß es sich um eine Spirogyra handelt. Solche Einzelzellen kenne ich nur von Spirotaenia."
Abgesehen von dieser subjektiven Einschätzung gibt es nach einem Bestimmungsschlüssel, beispielsweise im ,,Kosmos-Algenführer" in diesem Fall zwei für die Bestimmung relevante Kategorien: 1. Faden bildende unverzweigte Algen mit regelmäßigen Querwänden und 2. einzellige unbewegliche Algen.
Ersteres führt zu Spirogyra, das 2. zu Spirotaenia, d.h. ich würde bei der Bestimmung mit dem Kosmos-Algenführer gar nicht bei Spirogyra ,,landen" können.
@ Klaus: Vielen Dank für die weiteren Informationen. Der Vollständigkeit bzw. der Objektivität halber sollte aber neben der Tatsache, dass in der von dir zitierten ,,Freshwater algal Flora" steht, dass die Chloroplasten von Spirogyra gelappt sein können, außerdem bei der Charakterisierung der Gattung Spirogyra immer von ,,filaments" die Rede ist d.h. von Zellfäden, die aus mehreren Zellen bestehen. Bei der Charakterisierung der Gattung Spirotaenia wird andererseits das Kriterium der Lappung der Chloroplasten gar nicht erwähnt. Ist das Merkmal nicht relevant?
Somit ergeben sich also ein paar Fragen:
1. Gibt es einen Bestimmungsschlüssel, der mit weiteren Kriterien die Bestimmung / Unterscheidung der beiden Taxa erlaubt?
2. Wie sehen die Chloroplasten von anderen Spirotaenia-Arten aus (stillschweigend wird ja hier immer die Art S. condensata referenziert, wobei ich mich lediglich auf die Gattung bezog). Im www. finde ich keine Bilder bzw. Arbeiten dazu.
3. Bei der vegetativen Vermehrung von Spirogyra entstehen aus Zellfäden neue Zellfäden. Wie oben schon angedeutet habe ich noch nie beobachtet, dass nur einzelne Zellen abgespalten werden, schon gar nicht mit solchen terminalen Rundungen.
Möglich wäre, dass es sich um eine gekeimte Zygospore handelt. Dazu habe ich im www. wiederum keine Bilder zum Vergleich gefunden.
Beste Grüße
Michael Plewka
Liebe Algologen,
habt ihr schon mal in den Huber-Pestalozzi, 8. Teil, 1. Hälfte geschaut? Dort ist Spirotaenia beschrieben und mit zwei Arten abgebildet. Die Zellform und der gewundene Chloroplast kommt gut hin bei S. condensata, aber von einem gelappten Chloroplasten ist dort auch nicht die Rede. Aber die Arten werden als sehr variabel beschrieben. Wer weiß? Im Fott steht, dass bisher mehr als 30 Arten beschrieben wurden. Aber wo?
Grüße
Stephan
Hallo zusammen,
eine interessante Diskussion. Ich kann wohl zu einer Entscheidung kaum Neues beitragen. Nur folgende Hinweise:
Die Wellung oder Lappung der Chloroplasten ist sicher nicht das einzige oder gar das wesentliche Bestimmungskriterium. Ich habe aber bisher weder in Abbildungen noch in Fotos aus dem Netz Spirotaenia mit gelappten Chloroplasten gefunden. Und wenn das so wäre, müsste es doch mal irgendwo beschrieben sein, weil es durchaus auffällig ist. Das will noch nichts besagen.
Allerdings gibt es offenkundig bei Spirogyra solche Formen. Nun ist mein letztes Spirogyrabild ganz klar ein mehrzelliger Faden. Spirotaenia dagegen einzellig. Dieser Widerspruch ließe sich nur auflösen, wenn es sich - wie Michael schon angemerkt hat - bei meinem Fund um eine auskeimende Zygote der Schraubenalge handelt.
Leider ist meine Probe schon ziemlich ramponiert. Ich fand bislang nur noch einige degenerierte Chloroplasten.
Schönen Abend
Klaus
Hallo zusammen,
wenn die Alge nach Aussage von Klaus ca ist ca. 25 µm breit ist, ist sie ca. 190 µm lang. Ich habe leider nur alte bis sehr alte Bestimmungsliteratur, auf diese beziehe ich mich jetzt.
W. Krieger listet in Rabenhorst´s Kryptogamenflora Band 13, 1.Teil (1937) S. 175ff insgesamt 21 Arten der Gattung Spirotaenia auf. 18 dieser Arten scheiden sofort aus, weil sie kürzer als 70 µm und schmaler als 12 µm sind. Nur S. trabeculata, obscura und condensata kommen von der Größe her in Frage. Schaut man sich die Abbildungen dieser drei Arten an (Tafel I, 4-6, Tafel II, 1) entspricht keine der drei Arten auch nur annähernd der von Klaus fotografierten Alge.
Auch die Abbildungen dieser drei Arten in West & West (1904) British Desmidiaceae Vol. 1 (Tafel II, 7-8, Tafel III, 7-12 und Tafel V, 6) haben keinerlei Ähnlichkeit mit der von Klaus fotografierten Alge.
Deshalb bleibe ich bei meiner Einschätzung, daß es sich um Spirogyra handelt. Ich habe auch schon öfter einzelne Zellen von Spirogyra aus zerfallenen oder zerrissenen Fäden gesehen, deren Enden nach außen vorgestülpt waren.
Michael, nun zu deinen Fragen:
1) Theoretisch ist die Unterscheidung ganz einfach – Einzelzellen vs. Zellfäden. Sonderfälle und Monströsitäten werden nicht berücksichtigt.
2) Fotos von S. condensata sind hinlänglich bekannt, Fotos von S. obscura finden sich hier: http://galerie.sinicearasy.cz/galerie/streptophyta/zygnemophyceae/spirotaenia/spirotaenia-obscura oder https://www.desmids.nl/maand/english/tortitaenia_obscura.html. Fotos von S. trabeculata hier: https://www.desmids.nl/maand/english/tortitaenia_trabeculata.html. (Die beiden letzten Arten heißen jetzt anscheinend Tortitaenia)
3) In meinem Archiv habe ich folgende Spirogyra-Fotos gefunden:
Spiogyra_1.jpg
Spiogyra_2.jpg
Viele Grüße
Bernd
Hallo Klaus, hallo Bernd,
vielen Dank für die weiteren Informationen, insbesondere Bernd für die weiteren Fakten, auch aus der Literatur.
Wieder was gelernt!
Beste Grüße
Michael Plewka
Hallo Bernd,
herzlichen Dank für deine vertiefenden Hinweise. Dass Spirogyra als (zerfallene) Einzellen vorkommen können, war mir nicht bewußt. Dein erstes Bild dokumentiert das deutlich. Ich habe in meinen alten Aufnahmen nun auch ein Foto gefunden, das in diese Kategorie passen könnte. Die wohl abgerissene Einzelzelle einer Spirogyra, kürzer und breiter, mit bereits degeneriertem Chloroplasten (DIK 50 in zwei Ebenen).
(https://i.postimg.cc/YSPdFxbY/Spirogyra-35-ev-sp-degeneriert-Gro-e-Einzelzelle-DIK-50-Komp-2.jpg) (https://postimg.cc/xkKGDLr1)
Auch dir, Michael, ein Dankeschön, dass du diese Diskussion angestoßen und zur Klärung beigetragen hast.
Schönes Wochenende
Klaus
PS:
Danke dir Stephan, dass du fÜr uns mitrecherchiert hast.
Und - stört euch mal nicht am etwas unnatürlichen Blau, das war meine tiefblaue Phase.