Holger (Spectrum) hat mir dankenswerterweise umfangreiches Material von einem Obstbaumschnitt zur Verfügung gestellt. Konkret gesprochen habe ich von ihm Teile vom Apfelbaum bekommen, der von der weißbeerigen Mistel befallen war.
Vielen Dank dafür, lieber Holger!
Da gab es natürlich jede Menge zu schneiden, zu färben und zu fotografieren. Deshalb ist auch dieser Beitrag etwas länger geworden.
Man möge mir das verzeihen.
Die weißbeerige Mistel ist ein so genannter Halbschmarotzer, der seinem Wirt Wasser und Nährstoffe entzieht, aber selbst noch zur Photosynthese in der Lage ist. Befallene Bäume versuchen durch mechanische und chemische Reaktionen das Eindringen der Mistel abzuwehren, allerdings mit unterschiedlichem Erfolg. Offensichtlich ist der Apfelbaum hier relativ erfolglos, so dass die Mistel mit ihm leichtes Spiel hat.
Als erstes ein von Holger zur Verfügung gestelltes Foto vom befallenen Baum.
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Hier noch die Aufnahme einer kleinen Astgabel der Mistel mit zwei Beeren.
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Dann zu den mikroskopischen Bildern. Als erstes habe ich mir die Sprossachse angeschaut. Die Schnittdicke beträgt 30 µm, gefärbt wurde mit FCA nach Etzold. Hier der Querschnitt im Überblick.
Man erkennt die eindrucksvoll ausgeprägten Leitbündel, die ringförmig angeordnet sind und nicht minder ausgeprägte Sklerodermkappen tragen.
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Jetzt eine Detailaufnahme eines Leitbündels mit großer Sklerodermkappe außen und kleiner innen, mit Phloem und Xylem. Bereits auf dieser Aufnahme erkennt man zahlreiche Einschlüsse in einigen Zellen.
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Im polarisierten Licht geben sich diese als Kristalle (wahrscheinlich Oxalatkristalle) zu erkennen. Sie sind zahlreich im gesamten Querschnitt vertreten, sorgen für Festigkeit , diesen aber wohl in erster Linie als Fraßschutz.
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Hier noch ein Detail einer Sklerodermkappe mit Kristallen im polarisierten Licht
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Im nächsten Teil zeige ich das Blatt der weißbeerigen Mistel.
Jetzt also das Blatt der Mistel im Querschnitt.
Wieder sind die Schnitte 30 µm dick und nach FCA gefärbt.
Hier die Übersicht über den Querschnitt nahe an der Sprossachse
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Interessanterweise findet man in diesem Schnitt (und auch in allen anderen) kein Palisadenparenchym (das sind die ,,hochkant" gestellten Zellen, die bei vielen Pflanzen direkt unter der Epidermis an der Blattoberseite sitzen und für Photosynthese zuständig sind). Was heißt das? Kann es sein, dass die Mistel unterschiedlich stark photosynthetisiert? Vielleicht je nach Wirt? Dass also Viscum album auf z.B. einer Eiche (die sehr resistent gegen Misteln sein soll – durch dicke Rinde, Lignifizierung und Korkbildung) eher auf eigene Photosynthese angewiesen ist und deshalb dort mehr Palisadenparenchymzellen ausbildet? Ich kann die Frage nicht beantworten, finde sie aber sehr spannend.
Hier eine Detailaufnahme eines Leitbündels im Blatt. Wieder eingerahmt von den Sklerodermkappen sehen wir unten das Phloem, dann eine dünne Schicht Kambium (die ganz flachen, ziegelsteinartig angeordneten Zellen) und schließlich das Xylem.
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Wie auch bei der Sprossachse habe ich den Querschnitt im polarisierten Licht aufgenommen, um die Fülle an Kristallen zu zeigen (und weil es einfach super aussieht ...)
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Eine Detailaufnahme im polarisierten Licht
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Und hier eine besonders schöne Kristalldruse
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Jetzt noch zwei Aufnahme eines spossachsenfernen Blattquerschnitts, einmal im Hellfeld, einmal im polarisierten Licht
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Nachdem neulich ja die Frage aufkam, ob DIC bei den Pflanzenschnitten eine Bedeutung hat, hier zwei Beispiele dazu.
Nach meinem Empfinden macht es hier und da schon Sinn, diesen Kontrast zu verwenden. Natürlich gibt es nicht den Effekt wie bei den Tümpellebewesen, aber man kann hier die Zellinhalte recht ansprechend abbilden
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Und hier sieht man schön die Faltelung der Cuticula
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Ob das jetzt ein Erkenntniszugewinn ist (ich finde schon) oder nur Ästhetik (für mich auf jeden Fall), ich werde immer mal wieder schauen, wie meine Schnitte mit DIC aussehen.
Im nächsten Teil wende ich mich der Beere mit dem Samen zu.
Über die Mistelbeere brauche ich wahrscheinlich nicht viele Worte verlieren. Jeder, der schon mal eine in der Hand hatte, kennt das klebrige Gefühl. Der Klebstoff heißt Viscin und wird von spezialisierten Zellen in der Beere hergestellt. Der schleimige Papp dient dazu, dass sich Beeren an Ästen und Zweigen festkleben können.
Schaut man sich das Gewebe rund um den Samen, also das so genannte Mesokarp unter dem Mikroskop an, so sind abgegrenzte Zellen nur schwer erkennbar. Das liegt sicher daran, dass ich hier um ein Quetschpräparat nicht herumgekommen bin und also keinen sinnvollen Schnitt vorweisen kann. Ich habe zwar versucht, die Beere in Glycerinseife einzubetten und so zu schneiden, aber das endete wie erwähnt im Quetschpräparat. Die Färbung mit FCA war dann auch eher pro forma.
Ich zeige hier dennoch den ,,Schnitt". Dies sollten die Viscin-produzierenden Zellen sein. Nun ja.
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Dann habe ich den innen liegenden Samen versucht zu entschleimen und auf einen Korken geklebt.
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Mehr als zwei, drei Schnitte sind aber auch hier nicht gelungen. Vorzeigbar ist dieser hier
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Deutlich erkennt man den im Inneren des Samens liegenden Embryo, umgeben von dem so genannten Endosperm. Dies sind Zellen, die massiv Lipide speichern. Dies soll einen Vorteil vor der Lösung mit Stärkekörnern bieten und eine schnelle Keimung ebenso begünstigen wie die Energieversorgung bis zum Erreichen der Nähstoffversorgung durch den Wirt sicherstellen.
Hier noch ein Bild mit den Resten der den Samen umgebenden Viscinhülle.
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Dann die lipidspeichernden Zellen, einmal im Hellfeld, einmal mit DIC
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Im nächsten Teil zeige ich meinen Versuch, ein Haustorium darzustellen.
Pflanzenschnitte sind für mich am spannendsten, wenn scheinbar dynamische Vorgänge abgebildet werden können. Natürlich ist die Dynamik selbst in einem Bild nicht darstellbar, handelt es sich doch nur um eine Momentaufnahme. Dennoch zeigen die folgenden Bilder für mich deutlich das ,,Drama im Obstgarten", wie ich es etwas reißerisch formuliert habe.
Zunächst möchte ich die Situation beim Schneiden zeigen. Eingespannt ins Schlittenmikrotom sieht man den Apfelzweig, auf dem die Mistel aufsitzt. Das Eindringen des Mistelgewebes lässt sich am besten in einem Längsschnitt zeigen. Alle Schnitte mit einer Dicke von 30 µm.
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Hier sieht man schon makroskopisch, wie die Mistel (oben) wie ein Keil in den Apfelzweig einwächst. Der Schnitt ist noch ziemlich peripher und gibt möglicherweise einen Hinweis darauf, wie das Eindringen zu Beginn aussehen könnte. Das ist das, was ich mit Dynamik meinte: Man kann sich hier vorstellen, einer frühen Phase der Invasion beizuwohnen.
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Der Längsschnitt an der Peripherie zeigt nur eine geringe Eindringtiefe der Mistel in den Apfelzweig. Man hat den Eindruck, dass der Apfel noch Gegenwehr leisten kann.
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Im polariserten Licht erkennt man die Unterschiede der beiden Pflanzen deutlich. Die Mistel kommt mit ihrer vollen Kristallladung daher.
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Bei tieferen Schnitten wird deutlich, dass die Mistel hier schon ihr Ziel erreicht hat. Der Apfelzweig ist infiltriert.
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Im ungefärbten Präparat sind die Unterschiede bereits sichtbar. Die rundlichen Zellen mit den großen Zellkernen in der Mitte zeigen die Mistel auf ihrem Vormarsch.
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Die nächsten Bilder zeigen den Bereich, in dem die Mistel auf den Apfel trifft. Dies als Front zu bezeichnen, ist vielleicht etwas zu kriegerisch formuliert, aber ich hoffe, man kann die Dramatik nachvollziehen, mit der das Mistelgewebe (links) in den Apfelzweig (rechts) eindringt.
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Zunächst dachte ich, dass die braunen Zellen am ,,Frontverlauf" eine Abwehrreaktion des Apfels durch den Versuch einer Lignifizierung zeigen, aber wenn man genau hinsieht, verläuft die Grenze zwischen den beiden Pflanzen rechts von den braunen Zellen, so dass diese der Mistel zugerechnet werden können.
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Mich hat dieser Vorgang schon sehr beeindruckt, aber ich wollte noch sehen, ob ich zeigen kann, wie die Mistel die Nährstoffe des Wirtes anzapft. Deshalb habe ich noch einen Querschnitt angefertigt, den ich im nächsten und letzten Teil zeigen möchte.
Zum Abschluss also noch ein Querschnitt durch die Mistel auf ihrem Weg in den Apfelzweig.
Wie alles in meinem Beitrag wurde auch hier mit FCA gefärbt.
Zunächst wieder die Situation am Mikrotom. Wie ein Mini-Schinken liegt der Apfelzweig auf, ich schneide quer zum in ihn einwachsenden Mistelgewebe.
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Bereits der makroskopische Blick auf den Schnitt zeigt, wie die Mistel (grünlich) sich im Apfelbaum (gelblich) breit gemacht hat.
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Für das Präparat (30 µm) reicht ein Objektträger kaum aus. Ich hätte ihn teilen können, aber das wollte ich nicht.
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Jetzt folgen zwei Übersichten über das Mega-Präparat, aus jeweils ca. 20 Einzelbildern mit dem 5x Objektiv zusammengesetzt. Es handelt sich um die rechte bzw. linke Seite des Präparates. Was für eine Dynamik!
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Hier sieht man, worauf ich mit dem Querschnitt aus war (und gehofft hatte, es zeigen zu können). Die Mistel schickt ihre Xylemstränge aus, um das Xylem des Apfelbaumes zu suchen und anzuzapfen. Flammengleich wachsen sie vorwärts, um dort hinzugelangen, wo sie Wasser und Nährstoffe des Wirtes für das eigene Gewebe umleiten können. Diese vampirische Lebensweise der Mistel kann für Bäume ein echtes Problem werden und zum Absterben des befallenen Zweiges, Astes oder gar Baumes führen. Wobei in diesem Fall auch die Mistel stirbt.
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Zu guter Letzt eins meiner Lieblingsbilder. Zwar bin ich nicht sicher, ob es wirklich das zeigt, was ich glaube, aber ich gehe doch davon aus. Das Mistelxylem gelangt hier ans Ziel und erreicht das Xylem des Wirtes. Dort erhält es Zugang zu den Transportwegen des Apfelbaums und kann sich mit Wasser und Nährstoffen versorgen. Der Schmarotzer hat sein Ziel erreicht.
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Wie immer freue ich mich über Kommentare, Berichtigungen und Ergänzungen.
Hallo Peter,
Ich war mir ja schon sicher, dass du aus dem Pflanzenmaterial etwas Tolles zaubern wirst.
Aber das die Misteln bzw. unsere alten Apfelbäume hier auf der heimischen Streuobstwiese noch einmal so einen großen Auftritt haben werden hätte ich nicht gedacht.🤗
Das vorletzte Bild und das erste Übersichtsbild gefallen mir ganz besonders. Auch die Aufnahmen des Schlittenmikrotoms und die gesamte Darstellung der Präparation ist eine Augenweide.
Kann man damit eigentlich auch Iberico oder Serrano schneiden?
Viel größer ist der ja nun auch nicht...😅
Vielen Dank für's teilhaben lassen und falls du erlaubst...
Es giebt einen kleinen Schaukasten für Fotos der Arbeitsgruppe Streuobstwiese keine 10 Meter neben dem Baum auf dem die Misteln gewachsen sind...
Beste Grüße Holger
Hallo Holger,
besten Dank. Bei so einem üppigen Ausgangsmaterial ist halt ein etwas längerer Beitrag entstanden.
Serrano? Sobald ich einen 30µm-Schnitt habe, lade ich ihn hier hoch.
Natürlich kannst Du gerne die Bilder für den Schaukasten verwenden, ist mir eine Ehre. Kannst ja dann hier ein Bild davon einstellen.
Ja gerne,
Ich schick dir eine PN.
LG
Moin Peter,
Ein super Bericht!Bei mir liegt ebenfalls ein befallener Ast zum Schneiden bereit.Ist zur Zeit in gesättigter PEG1500 Lösung.Ich finde das Mistelgewebe extrem hart? Hattest Du beim Schneiden keine Probleme?
Mit freundlichen Grüßen. Jörg
Hallo Peter,
ein sehr schöner und fundierter Bericht mit interessanten Infos, gefällt mir sehr!
Wenn ich mir etwas wünschen darf: Eine Nummerierung der Bilder wäre super, damit man leichter referenzieren kann. Eine Größenskala im Bild fände ich auch gut, damit man sich als Nicht-Botaniker ene bessere Vorstellung über die Größenverhältnisse machen kann.
LG
Jürgen
Hallo Peter,
das sind ja mal super spannende Bilder, vor allem der große Querschnitt!
Viele Grüße
Kay
Hallo Jörg,
vielen Dank! Die Proben wurden von Holger nach dem Schneiden in Alkohol (ich glaube es war 40%) eingelegt, ich habe sie dann in 70%igem Ethanol für ein paar Tage aufbewahrt.
Beim Schneiden war wichtig, die richtige Mischung zwischen langsam und zügig zu finden. verglichen mit anderen Proben, die viel zarter und nicht verholzt waren, lief der Schneidevorgang insgesamt langsamer ab, sobald das Messer die Probe erreicht. Aber nicht zu langsam, damit es nicht stecken bleibt. Mit 30µm ging es gut, dickere Schnitte waren problematisch (und dünnere gingen gar nicht).
Mit PEG 1500 habe ich leider keine Erfahrung.
Viel Erfolg bei Deinem Ast!
Hallo Jürgen,
vielen Dank auch für Deine Anregungen bezüglich Nummerierung und Größenskala!
Hallo Kay,
auch Dir vielen Dank! Der große Querschnitt hat mich auch schwer beeindruckt. :o
Lieber Peter,
vielen Dank für den aufwändigen und interessanten Beitrag, den ich gerne gelistet habe.
Beste Grüße
Jörg
Lieber Jörg,
vielen Dank für Deinen Kommentar und das Listing!
Hallo Peter,
ich hab heut Querschnitte, eingebettet in Holundermark, durch ein Mistelblatt (vom Apfelbaum) angefertigt. Fixiert wurde in AFE, gefärbt mit Etzold blau.
Beim Entwässerungschritt mit Isopropanol wellen sich alle Schnitte korkenzieherartig.
Man sieht zwar alle Gewebe, die man sehen muß, trotzdem ist das Verhalten der Schnitte lästig.
Deine Schnitte verdrehen sich nicht. Gibt es da eine Trick, den ich noch nicht kenne?
Viele Grüße!
Rainer
Hallo Rainer,
sich verdrehende Querschnitte von Blättern habe ich auch hin und wieder. Was daran schuld ist, habe ich bisher nicht rausgefunden, aber auch bei mir passiert das immer im Isopropanol-"Waschgang".
Oft beruhigen sich die Schnitte aber beim Einbetten in Euparal wieder und glätten sich, spätestens wenn das Deckglas draufkommt.
Allerdings musste ich auch schon Schnitte von Blättern verwerfen, weil es einfach keinen glatten gegeben hat. Das ist aber die große Ausnahme.
Wie gesagt, keine Ahnung, woran das liegt. Ich schneide entweder in Karotte oder Styrodur, das Eindrehen kommt bei beidem vor.
Hallo Peter,
vielen Dank für Deine Informationen.
Ich werde mal versuchen, die Probe durch längeres Fixieren etwas mehr und gleichmäßiger zu härten. (Wasserentzug durch Ethanol)
Man könnte auch mal probieren, den Zellinhalt durch Bleichen mit Natriumhypochlorit-Lösung (Chlorix) zu entfernen, vielleicht hat diese Maßnahme einen Effekt.
Viele Grüße!
Rainer
Hallo Rainer,
bei mir liegen alle Proben nicht in AFE, sondern in Ethanol 70%.
Chlorix habe ich bisher nicht angewendet, einfach aus dem Grund, weil ich die Zellinhalte nicht entfernen will. Gibt vielleicht schönere Schnitte, aber gerade den Inhalt der Zellen finde ich immer sehr spannend.
Hallo Peter,
so, die neuen Mistelblätter liegen jetzt in 70%igem Ethanol.
Das Chlorix verwende ich für zusätzliche Proben, um einen Teil der Präaprate zu klären.
Viele Grüße!
Rainer
Hallo Rainer,
dann halte ich mal die Daumen und freue mich auf Deine Mistelbilder.