Hallo,
Ich habe eine Petrischale, in der ich den ungewöhnlichsten Organismus gefunden habe, den ich bisher beobachtet habe. Es handelt sich um ein kriechendes Netzwerk aus Zytoplasma, das sich in Richtung der bakteriellen Biofilmbildung bewegt und dabei eine relativ klare Zone hinterlässt (auf dem Bild bewegt es sich in Richtung nach oben). Die Zytoplasmaströmung in den Zweigen ist intensiv. Ein absolut faszinierendes Tier, aber was ist es?
Objektiv: Plan-Neofluar 5x/0.16 Ph1
Mit freundlichen Grüßen
Wes
Hallo Wes,
es könnte sich um das Plasmodien-Stadium eines Schleimpilz handeln, wenn es so ist, könnte man versuchen ihn zum Sporen zu bringen.
Viele Grüße
Kay
Hallo Kay,
Ich danke dir für diesen Einblick. Kann ich bezüglich der Sporenbildung etwas tun, um zu helfen, oder muss ich einfach abwarten? Ich stelle auch ein hochauflösendes Bild der Vorderkante zur Verfügung. Die innere Komplexität ist einfach erstaunlich.
Objektiv: Plan-Neofluar 63x/1.25 Ph3
Viele Grüße
Wes
Hallo Wes,
schau Dir mal diesen Film an, dann siehst Du diese Wesen nochmal mit anderen Augen:
"Der Blob: Intellegenz ohne Gehirn"
LG Gerd
Hallo Wes,
die Bilder sehen super aus, der Phako gibt dem Ganzen noch eine angenehm abstrakte Akzentuierung.
Schleimpilze fressen sich meistens in feuchter Umgebung satt und begeben sich bei langsamer Austrocknung an erhöhte Positionen um dort Sporen zu bilden(Gebilde häufig <1mm), manchmal gehen sie aber auch direkt in trockene Ruhestadien über.
Mit einer feuchten Kammer, kann man teils auch die vorhandenen Schleimpilzsporen auf Blättern, Holzstücken und Rinde zum "keimen" bringen.
Viele Grüße
Kay
Danke, Gerd und Kay, dass ihr eure Gedanken mit mir geteilt habt. Ich habe mich im Internet umgesehen und festgestellt, dass es eine wenig erforschte Klasse von Amoebozoen gibt, die als Variosea bekannt ist. Innerhalb von Variosea gibt es eine Gattung namens Arboramoeba. Bislang ist dies der Organismus, der dem, was ich hier habe, am nächsten kommt (rein visuell). Ich werde seine Entwicklung weiter beobachten, um interessante Verhaltensaspekte zu entdecken.
Viele Grüße
Wes
Hallo Wes,
kannst Du noch was schreiben zu dem Medium, in dem dieser Organismus lebt und von wo er stammt?
LG Gerd
Hallo Gerd,
entschuldige, dass ich diese Information nicht am Anfang dieses Themas erwähnt habe. Die Probe stammte von den kieselalgenreichen Strängen und Schlämmen auf einem Unterwasserstein im Wiener Donaukanal. Der Organismus kam erst zum Vorschein, nachdem die meisten Kieselalgen ein paar Wochen nach der Entnahme abgestorben waren. Ich konnte einen Teil des Biofilms, der mit dem Organismus verbunden war, abkratzen und ihn in eine frische Petrischale mit einem Deckglasfenster am Boden übertragen. So konnte ich das Verhalten des Organismus in einer saubereren Umgebung besser beobachten. In diesem Fall habe ich kohlegefiltertes Leitungswasser für die neue Petrischale verwendet.
Viele Grüße
Wes
Hallo Wes,
in diesem Fall ist es natürlich wahrscheinlicher das es sich generell um eine Amöbe handelt und nicht um das Amöbenstadium eines Myxomyceten.
Viele Grüße
Kay
Arboramoeba sieht plausibel aus. Wo hast Du den Organismus gefunden?
Zur Abrundung: In der Verwandtschaft meines Dissertationsobjekts, Reticulomyxa filosa, gibt es einige ähnliche Organismen. Reticulomyxa selber ist es wohl nicht.
https://de.wikipedia.org/wiki/Reticulomyxa_filosa
https://de.wikipedia.org/wiki/Reticulomyxa_filosa#/media/Datei:Reticulomyxa_filosa_-_Reticulopodial_network.jpg
Hallo Wes,
super spannend und klasse Fotos. Wäre toll über weitere Beobachtungen hier informiert zu werden. Frohe Ostern, beste Grüße
Michael
Hallo Ralf und Michael,
Ich habe weitere Fortschritte gemacht, um den Lebenszyklus des Organismus besser zu verstehen. Die Kultivierung war jedoch herausfordernd, da sie oft von Bakterien überrannt wurde, die die Verdauung überleben und schließlich in das Zytoplasma entweichen, was den Organismus tötete. Um dies zu stabilisieren, musste ich ihn mit Antibiotika behandeln. Ich habe eine Video-Montage erstellt, die mit Zysten beginnt, die sichtbare interne Aktivität zeigen, gefolgt von Aufnahmen einer frisch geschlüpften Zyste. Danach sieht man detaillierte Aufnahmen des Netzwerks und der intensiven zytoplasmatischen Bewegung. Am Ende konnte ich die mitotische Teilung der Zellkerne einfangen. Besonders faszinierend finde ich, dass in Bereichen, in denen die Zellkerne mitotische Teilungen durchlaufen, sowohl die umgebende zytoskelettale Aktivität als auch der zytoplasmatische Strom im Vergleich zu Bereichen mit Interphase-Kernen deutlich reduziert sind. Ich hoffe, dass euch die Dokumentation interessiert!
Wenn eure Hardware es unterstützt, wählt bitte die 4K-Videoqualität für die beste Ansicht der feinen Details.
https://youtu.be/Z8t2lDxbNMc
Viele Grüße
Wes
Hallo Wes,
faszinierende Aufnahmen im Video!
Gruß
Peter
Hallo Wes,
Tolle Geschichte, die du uns hier mit wundervollen Aufnahmen näherbringst.
Wirklich fantastisch.
Ich mir gerade auch noch deine weiteren Videos angesehen...
Eines interessanter als das Nächste!
Begeisterte Grüße Holger
Hallo Wes,
Zitat von: Wes in Mai 07, 2025, 00:35:54 VORMITTAGIch hoffe, dass euch die Dokumentation interessiert!
... und wie mich das Thema interessiert - vielen Dank für Deine tollen Berichte!
Hans
Hallo Wes,
wirklich ein faszinierender Pfad, auf dem Du da wandelst. Vielen Dank fürs Posten!
Hallo Wes,
Ich nochmal mit einer Frage zu deiner medizinischen Behandlung deiner Pfleglinge.
Welches Antibiotikum hast du da genutzt, und falls du dieses gezielt ausgewählt hast, warum?
LG Holger
Vielen Dank an alle für die freundlichen Worte und das Interesse – es freut mich sehr, dass das Video so gut ankommt!
Holger, zu deiner Frage bezüglich des Antibiotikums:
Ich habe Tetracyclin verwendet. Eigentlich hatte ich kein besonderes Ziel außer der Beobachtung der Kieselalgen im Präparat. Da ich labortaugliches Tetracyclin zur Verfügung hatte – das unter langwelligem UV-Licht gelb fluoresziert und an bakterielle Ribosomen bindet – wollte ich versuchen, die Bakterien sichtbar zu machen, die sich auf toten Diatomeen angesiedelt hatten. Gleichzeitig nutzte ich die Gelegenheit, um über die gleiche Anregung auch die rote Chlorophyllfluoreszenz aufzuzeichnen. Zusätzlich hatte ich etwas Hoechst 33342 hinzugegeben, um DNA in den Zellkernen der Diatomeen zu markieren.
Ein Handyfoto durch das Okular (noch vor dem Fotoadapter) zeigt die erste Aufnahme. Die Tetracyclin-Dosis war extrem hoch – weit außerhalb therapeutischer Bereiche – da es nur als Fluoreszenzmarker, nicht als Antibiotikum, gedacht war. Ich ließ die Kultur danach stehen und bemerkte Wochen später ein verzweigtes Wachstum, das ich in eine neue Petrischale mit Deckglasboden überführte. Dort entwickelte sich das Organismus weiter und nahm Bäckerhefe aktiv auf. Doch eine resistente Bakterienart trat auf: Sie überlebte die Phagozytose, entkam ins Zytoplasma, vermehrte sich dort und zerstörte befallene Äste. Ich behandelte daraufhin mit 15–30 µg/ml Tetracyclin, was die Ausbreitung stoppte – allerdings verlangsamte sich auch das Plasmaströmung, sodass ich die Behandlung beendete. Das Plasmodium erholte sich, aber die Infektion kehrte später zurück.
Viele Grüße
Wes
Hallo Wes,
Super, vielen Dank für die umfangreiche Antwort. Wirklich spannend deine Geschichte und sehr clevere Herangehensweise deinerseits.
Die Fluoreszenzaufnahme ist auch beeindruckend, vor allem in Anbetracht der Tatsache das es mit dem Handy aufgenommen wurde.
Vielen Dank für's zeigen Holger
Hallo Wes,
Faszinierende und wundervollen Aufnahmen von ein faszinierender Organismus! Beste Grüsse,
Rolf
Hallo Holger and Rolf,
Vielen Dank für die netten Worte. Mikroskopische ,,Augenschmäuse" gehören zwar zu meinen liebsten Freizeitbeschäftigungen, aber ich denke gerade darüber nach, wie ich dieses Projekt auf die nächste Ebene bringen kann.
Wenn es mir gelingt, das Problem mit der bakteriellen Kontamination zu lösen und genügend Biomasse der retikulierten Amöbe zu kultivieren, möchte ich Material für eine DNA-Sequenzierung gewinnen, um ihre Position im Stammbaum des Lebens zu bestimmen. Das wäre ein schöner Abschluss des Projekts – und wenn es mir zusätzlich gelingt, den Prozess der Zystenbildung zu dokumentieren, wäre auch der Lebenszyklus vollständig erfasst.
Viele Grüße
Wes
Hallo Wes,
Schau mal hier:
http://penard.de/Explorer/Amoebozoa/Variosea/
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4098.msg26594#msg26594
Grüße Holger
Was die bakterielle Kontamination angeht, wäre ich vorsichtig...
Im natürlichen Lebensraum wird der beschriebene Organismus wohl auch mit allen möglichen bakteriellen Herausforderungen konfrontiert sein, und auch (bei optimalen Bedingungen) damit fertig werden.
Wahrscheinlich sind gerade die Bakterienaufwüchse auch eine (vielleicht auch die einzige) Nahrungsquelle dieses Organismus.
Ich würde versuchen kleine deckgläser in einer Petrischale mit
Fundortwasser und abgekratztem Aufwuchs und alternativ vielleicht Fundortwasser mit 1-2Krümeln Trockenhefe bei Zimmertemperatur zu inkubieren. Dann erhälst du Deckgläser mit Bakterienaufwuchs. Diese würde ich in die Kultur mit deinem Organismus geben. Wenn ihm das "gefällt" könnte es sein das er diese Deckgläser besiedelt. Dann könntest du die Objektträger entnehmen und Tochterkolonien ankegen. Nur so als Idee...
Frage:
Bei welcher Temperatur hälst du die Fundortprobe?
Wie warm ist es am Fundort?
Ist dort fließendes oder stehendes Wasser?
Grüße Holger
Hallo Holger,
Ich habe den Organismus irgendwann Ende Januar aus einem fließenden Gewässer entnommen, sodass die Wassertemperatur zu diesem Zeitpunkt vermutlich recht niedrig war (eine formelle Messung habe ich allerdings nicht durchgeführt). Seitdem wurden keine besonderen Maßnahmen hinsichtlich der Temperatur getroffen. Die Schale mit der Probe stand durchgehend auf meinem Schreibtisch bei Raumtemperatur (etwa 23 °C), und gelegentlich habe ich das Wasser mit frischem Wasser ausgetauscht – demselben, kohlegefilterten Leitungswasser, das ich auch selbst regelmäßig trinke.
Ich vermute, dass eine Anfälligkeit für bakterielle Infektionen mit der Temperatur korreliert. Deshalb informiere ich mich derzeit über günstige Kühlbrutschränke – insbesondere solche, wie sie für Vogel- oder Reptilieneier verwendet werden. Einige der preiswerten chinesischen Modelle werben mit einem Temperaturbereich von 5 °C bis 60 °C.
Im Lauf der Zeit hat sich in der Schale ein Biofilm gebildet, der Zysten enthielt. Ich konnte einen kleinen Teil davon in eine neue Schale überführen. Als Nahrungsquelle habe ich Bäckerhefe zugegeben, wobei jedoch unweigerlich auch Bakterien jede neue Schale besiedelten. Nach ein paar Tagen beobachte ich in der Regel das Wachstum eines Plasmodiums, das vom Biofilm ausgeht – wie auf dem untenstehenden Bild zu sehen ist.
Zur Ergänzung habe ich auch ein Video verlinkt, in dem ich zeige, wie ich die selbstgebauten Deckglaspetrischalen für das Arbeiten mit dem inversen Mikroskop herstelle. Im letzten Frame des Videos sieht man die Übertragung des Biofilms auf eine frisch vorbereitete Schale. Es ist kein ,,spannendes" Video, aber vielleicht nützlich für jemanden, der ein ähnliches Experiment plant.
https://www.youtube.com/watch?v=fNfVwJzdm9M
Viele Grüße
Wes
Hallo Wes,
Spitzenklasse!
Und danke für das anschauliche Video.
LG Holger
ja, ganz toll, Danke Wes 👍🏻