Ein Botanik-Beitrag, bei dem schon die Gattung ein Fragezeichen trägt? Richtig, da kann es sich doch nur um Moose handeln!
Spaß beiseite, ich will einfach vorsichtig sein und Fragezeichen kann man später ja noch entfernen.
Ich glaube, dass es scih bei dem vorgestellten Moos um Lewinskya affinis handelt. Aber glauben ist in diesem Metier nicht viel wert.
Zur Vorgeschichte: Vieleicht habt ihr ja meinen Beitrag zur weißbeerigen Mistel gesehen. Holger (Spectrum) hatte mit vom Apfelbaumschnitt der NABU ein paar tolle Stücke zukommen lassen.
An einem von ihnen waren nicht nur Misteln, sondern das hier:
Bild 1
La 7.jpg
Natürlich hat es mich gereizt, auch das auf dem Apfelbaum angesiedelte Moos anzuschauen.
Hier das vom Ast isolierte Moos
Bild 2
La 8.jpg
Und hier ein Einzelpflänzchen
Bild 3
La 9.jpg
Dieses Präparat war bis zur Untersuchung in 70%igem Ethanol. Möglicherweise hat das die ganze Untersuchung beeinflusst. Aber darauf werde ich noch zurückkommen.
Als nächstes zwei der Blättchen
Bild 4
La 2.jpg
Bild 5
La 1.jpg
Sieht man beim zweiten Blatt genau hin, erkennt man die Magenta-Färbung einiger der Zellen. Wie kommt diese zustande? Hat etwa der Alkohol mit irgendetwas reagiert und das Blatt entsprechend eingefärbt?
Die Costa (Mittelrippe) des Blattes reicht bis in die Spitze. Ein hyalines Haar (in Form eines "Stachels" am Ende des Blattes) konnte ich nicht erkennen.
Die Zellen zur Blattspitze hin sind annähernd rund oder mäßig gestreckt
Bild 6
La 3.jpg
An der Blattbasis finden wir dagegen vor allem langgestreckte Zellen
Bild 7
La 6.jpg
In beiden Bildern erkennt man wieder die Magenta-Färbung, offensichtlich sind die Zellinhalte so gefärbt. Wieder die Frage: Handelt es sich um ein Artefakt, vielleicht durch die Aufbewahrung in Ethanol? Wenn jemand dazu etwas sagen kann, würde ich mich freuen.
Die Zellen selbst sind papillös (nicht papillomtös - danke Arnold ;) ), was man gut am Blattrand erkennen kann. Die Papillen sind regelmäßig vorhanden, aber nicht übermäßig häufig. Auch das soll ein Unterscheidungsmerkmal zu anderen Arten (bzw. zur Gattung Orthotrichum) sein.
Bild 8
La 4.jpg
Jetzt noch ein Blick auf die Costa
Bild 9
La 5.jpg
Mein Moos hatte leider keine Sporogonen, was natürlich erheblich zur Bestimmung hätte beitragen können. Ich habe das Moos jetzt in einer feuchten Atmosphäre aufbewahrt, vielleicht bilden sich ja noch Sporenkapseln, die ich dann natürlich noch versuchen würde zu mikroskopieren.
Wie immer freue ich mich über Kommentare, Berichtigungen und Ergänzungen.
Wer bei Bild 1 genau hinschaut, sieht ganz oben am Ast auch noch eine andere Struktur, die ich für eine Flechte halte. Natürlich reizt mich auch das ... 8)
Hallo Peter,
Im Bild 2 zeigst du ein Polster. Darin hat es alte Kapseln! Vielleicht kannst du an der Kapselwand die Lage der Stomata erkennen. Die Frage ist: phaneropor oder kryptopor und , wo liegen die Stomata? Damit kannst du beantworten, ob Orthotrichum oder Lewinskya.
Welche Literatur verwendest du und was machst du mit Ethanol? Und sind Zellwände papillomtös? ;) NEIN, sondern papillös.
Gruss Arnold
Hallo Arnold,
oha, da muss ich das Polster gleich noch mal checken.
Und bei "papillomatös" ist mir wohl die Medizin dazwischengegrätscht ;D
Literatur: Alles was im Internet so hergeht und M. Lüth
Ach ja und Ethanol: Das war ja ursprünglich eine Pflanzenprobe (Viscum album), das Moos ist dabei nur ein Beifang. Pflanzen liegen bei mir immer in Ethanol 70%.
Hallo Peter,
Freut mich das dir die Proben so viel Freude und Beschäftigung bieten.
Sag bescheid falls ich nach Kapseln suchen soll.
Der besagte Baum ist fast komplett bewachsen. Und der Ast von dem die Probe stammt ist gut erreichbar.
LG Holger
Halo Peter,
bei der Flechte könnte es sich um Xanthoria parietina handeln, da könntest du mal ein Apothecium in dünne scheibchen schneiden und den Querschnitt ansehen, generell sehen viele Apothecien im Querschnitt spannend aus und man kann einiges über den Aufbau lernen.
Mit KOH könntest du auch testen ob es Makroskopisch eine Farbreaktion gibt.
Viele Grüße
Kay
Hallo Holger,
das will ich wirklich nicht von Dir verlangen. Aber wenn es keine Mühe bedeutet (aber wirklich nur dann!) wäre ich natürlich froh um ein Polster mit Kapseln.
Hallo Kay,
vielen Dank zu dem Hinweis mit der Flechte. Ich nehme an, dass das Schneiden wieder mit Rasierklinge unter dem Stemi erfolgt?
Mit Flechten habe ich bislang keine Erfahrung.
In dem Moospolster konnte ich leider keine alten Kapseln finden.
Zitat von: Peter T. in März 06, 2025, 22:51:58 NACHMITTAGSHallo Holger,
das will ich wirklich nicht von Dir verlangen. Aber wenn es keine Mühe bedeutet (aber wirklich nur dann!) wäre ich natürlich froh um ein Polster mit Kapseln.
Klar, das ist doch gar kein Problem. Der Baum steht keine 500m von mir entfernt. Ich kann auch gerne Aufnahmen machen. (Hab da zufällig ein paar Mikroskope bei mir rumstehen ;D ).
Es geht um die "Pünktchen" auf der Außenseite der Kapseln, richtig?
Hallo Peter,
ja, das wäre die einfachste Methode, sonst geht bei Flechten auch PEG-Einbettung und Mikrotomschnitte gut, das lohnt sich aber eher nur bei komplexeren Flechten.
Die Apothecien sind ähnlich aufgebaut wie Becherlingsfruchtkörper und können entsprechend Mikroskopiert werden.
Gruß
Kay
Hallo Holger,
ja genau. Es geht darum, ob die Stomata eingesenkt (kryptopor) sind oder ob sie oberflächlich (phaneropor) liegen. Die kryptoporen sind, wie der Name schon sagt, schwerer zu finden, weil sie tiefer drinnen liegen.
Wäre natürlich schon cool, wenn Du da Bilder beisteuern könntest.
Hallo Kay,
vielen Dank!
Hallo,
zur Frage der Lage der Stomata in der Kapselwand bei Sporophyten von Laubmoosen zwei Beispiele.
Bild 1 zeigt eine kryptopore Stomata bei O. alpestre
O. alpestre Stomata Detail 800.jpg
Bild 2 zeigt eine phaneropore Stomata bei L. affine
O. affine Stomata 800.jpg
Die Schlüsselfrage bei den Ortotrichen ist:
- wo liegen die Stomata in der Kapselwand verteilt?
- ist die Stomata phaneropor >>> - nicht in der Kapselwand versenkt und nicht mit Zellen vom Rand her überdeckt.
- ist die Stomata kryptopor >>> - in der Kapselwand vesenkt und mehr oder weniger stark mit Zellen vom Rand her überdeckt.
Alle Arten der Gattung Orthotrichum haben kryptopore Stomata.
Alle Arten der Gattung Lewinskya haben phaneropore Stomata.
Grüsse Arnold
Hallo Peter,
ZitatIn dem Moospolster konnte ich leider keine alten Kapseln finden.
Auf dem Bild 2 in Stellung 6 Uhr findest du Kapseln.
Grüsse Arnold
Hallo,
In Absprache mit Peter, dem Ersteller dieses Beitrags reiche ich hier noch ein paar Aufnahmen nach.
Habitat:
Das Moos sitzt auf den Ästen der Ost- bzw Südseite eines alten Apfelbaumes auf:
IMG_20250307_220901.jpg
Hier Nahaufnahmen der Sporangien:
IMG_20250307_203100.jpg
Hier die gewünschten Aufnahmen der Stomata auf der Oberfläche der Sporangien:
IMG_20250307_200039.jpgIMG_20250307_222546.jpg
Sieht wohl so aus als seien diese phaneropor, also nicht in die Kapselwand versenkt.
Hier nochmal eine Aufnahme im Dunkelfeld:IMG_20250307_200317.jpg
Hallo Holger,
wunderbar, vielen Dank für die tollen Bilder!
Jetzt ist noch ein schönes Gemeinschaftswerk draus geworden. :)
Und das Fragezeichen hinter der Gattung kann ich dann auch entfernen.
Hallo Peter,
Hat mir Freude bereitet, die schöne Zusammenarbeit.
Ein Video wie sich ein Sporogon öffnet, hätte ich auch noch:
Die Sporen sehen so aus:
Hallo,
die Zusammenstellung der Bilder/ Videos von unterschiedlichen Personen mit etwas anderer Herangehensweise zu der (fast) gleichen Probe gefällt mir sehr gut, gerne mehr davon!
Viele Grüße
Kay
Hallo,
die von Holger gezeigten Stomata passen zu L. affinis.
Es gilt zu beachten, dass die Arten aus den Gattungen Orthotrichum und Lewinskya ohne gute Sporophyten kaum zu bestimmen sind. Eine Ausnahme machen O. diaphanum mit den hyalinen Blattspitzen, Nyholmiella obtusifolia (früher O. obtusifolia) mit seinen grünen Brutkörpern auf den Blättern und Pulvigera lyellii (früher O. lyellii) mit seinen rotbraunen Brutkörpern an den Blättern.
Alle Arten die früher zur Gattung Ulota gehörten und jetzt bei der Gattung Lewinskya eingeordnet sind, können ohne Sporophyten nicht bestimmt werden.
Grüne, heranwachsende Sporophyten sind zur Bestimmung nicht geeignet. Am besten eignen sich Kapseln die gerade frisch geöffnet sind.
Grüsse Arnold
Hallo Arnold,
Ich danke dir für deine Expertise. Wieder etwas neues gelernt.
Danke und viele Grüße Holger
Lieber Peter,
vielen Dank für den schönen Beitrag, den ich gerne gelistet habe.
Beste Grüße
Jörg
Lieber Jörg,
vielen Dank für Deinen Kommentar und das Listing!
Ohne Holger wäre das nicht zustande gekommen - eine echte Teamarbeit. :)
Hallo Jörg, hallo Peter,
Auch wenn der größte Anteil der Präparationsarbeit, bei dir lieber Peter lag, freue auch ich mich gerade sehr über die stattgefundenen Adelung durch das Listing.
Grüße nach Bonn und bei der Gelegenheit auch ein Danke an Jörg für seinen unermüdlichen Einsatz die Beiträge zu sammeln.
Holger