Angeregt durch einen Beitrag zum "Messerfresser" Acker-Schachtelhalm
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=51492.msg375535#msg375535
ist mein Ehrgeiz erwacht, dieses Pflanzenuntier auch einmal zu bändigen.
Also habe ich mich aufgemacht in die Isarauen, wo ich mich an ein Vorkommen zu erinnern glaubte. Und tatsächlich, an der vermuteten Stelle waren jede Menge dieser urzeitlichen Gewächse zu finden.
Bild 1
(https://www2.pic-upload.de/img/37496101/Eau3.jpg) (https://www.pic-upload.de/)
Hier noch zwei Bilder kurz vor dem Schneiden mit der Pflanze frisch aus dem Ethanol 70%
Bild 2
(https://www2.pic-upload.de/img/37496100/Eau2.jpg) (https://www.pic-upload.de/)
Bild 3
(https://www2.pic-upload.de/img/37496104/Eau1.jpg) (https://www.pic-upload.de/)
Noch mal kurz zur Erläuterung;: Die spargelähnlichen Gebilde, die vom Hauptspross abgehen, sind Seitensprosse. Die Blätter sind beim Schachtelhalm sehr reduziert, man erkennt sie in Bild 3 als "Krönchen" im Bereich der Nodie.
Jetzt eine Übersicht über den Hauptspross. Geschnitten habe ich aus Angst vor den Silikatkristallen nicht mit meinem Schlittenmikrotom, sondern mit einem Tischmikrotom mit frischer Rasierklinge. Gefärbt wurde mit FCA nach Etzold.
Bild 4
(https://www2.pic-upload.de/img/37496083/Eahs1.jpg) (https://www.pic-upload.de/)
Der Querschnitt ist etwa 0,6 cm im Durchmesser. Man erkennt auf den ersten Blick die Markhöhle, das Markparenchym ist in Fetzen.
Der Außenrand ist gegliedert in Rippen (die erhöhten Bereiche) und "Tälchen" zwischen den Rippen. Der Stengel ist sehr frisch, bei älteren Exemplaren sieht man unterhalb jeden Tälchens große Hohlräume (Vallekularräume). Die Vallekularkanäle dienen dem Lufttransport. Im vorliegenden Schnitt kann man auf der linken Seite bereits erkennen, wie die Zellreihen auseinanderweichen. Weiter sehen wir 16 Leitbündel.
Hier ein Detailaufnahme eines der Leitbündel:
Bild 5
(https://www2.pic-upload.de/img/37496081/Eahs3.jpg) (https://www.pic-upload.de/)
Der Hohlraum wird als Carinalhöhle bezeichnet. Carinalkanäle dienen dem Transport von Wasser. Rund um die Carinalhöhle befindet sich ein Endoderm (ich habe hier auf die Caspary-Streifen fokussiert, daher mag die Umgebung etwas unscharf erscheinen).
Nun aber zur Eigenschaft "Messerfresser". Schachtelhalme zeichnen sich durch einen hohen Gehalt an Siliziumdioxid aus, was zum einen gegen Fressfeinde wirksam ist, zum anderen eine deutliche Erhöhung der Stabilität bedeutet. Silikat wird vor allem in den Epidermiszellen eingelagert, was auch die eigentümlich "kratzige" Oberfläche des Schachtelhalms bedingt.
Hier sehen wir die Epidermiszellen mit Silikateinlagerungen. Es findet sich in nahezu jeder Zelle. (Gerd Schmahl weist zurecht darauf hin, dass die im Zelllumen sichtbaren Objekte Chloroplasten sind! Silikat wird in den Zellwänden und Interzellularräumen eingelagert und ist lichtmikroskopisch höchstwahrscheinlich nicht darstellbar.) Im oben verlinkten Beitrag zum "Messerfresser" gibt es fantastische Bilder zu diesem Phänomen.
Bild 6
(https://www2.pic-upload.de/img/37496082/Eahs2.jpg) (https://www.pic-upload.de/)
Hier noch mal das ganze im DIC
Bild 7
(https://www2.pic-upload.de/img/37496094/Eass7.jpg) (https://www.pic-upload.de/)
Wenn man sich das im polarisierten Licht anschaut, entsteht folgendes Phänomen:
Bild 8
(https://www2.pic-upload.de/img/37496086/Eahs5.jpg) (https://www.pic-upload.de/)
Das sieht aus, als ob die Silikatkristalle Licht reflektieren würden, ein unglaublicher Anblick. Oder hat jemand eine andere Erklärung für dieses Bild? (Hier wendet Gerd Schmahl ein, dass nach seiner Einschätzung die Reflexion nicht auf das Silikat zurückzuführen ist, sondern auf Cellulosestränge. Allerdings habe ich bisher noch bei keinem Pflanzenschnitt eine derartige Reflexion wahrgenommen. Vielleicht kann das jemand zweifelsfrei aufklären.)
Eine Darstellung der Blätter (das "Krönchen" in Bild Nr.3) ist ziemlich selten, zumindest habe ich keine Abbildung finden können. Insofern bin ich schon ein wenig stolz auf das folgende Bild. Ich habe den Hauptspross auf Höhe des Blattansatzes geschnitten und so den "Blätterkranz" mit darstellen können. Man sieht, wie schön sich der Kranz in das Wechselspiel aus Rippen und Tälchen einfügt (ganz passt es nicht, weil es beim Färbevorgang verschoben wurde).
Bild 9
(https://www2.pic-upload.de/img/37496085/Eahs6.jpg) (https://www.pic-upload.de/)
Jetzt noch dazu das Detailbild
Bild 10
(https://www2.pic-upload.de/img/37496087/Eahs7.jpg) (https://www.pic-upload.de/)
Die rote Färbung am Ende des Blättchens zeigt eine Lignifizierung an. Man erkennt auch, dass die Blätter zu einer Scheide verwachsen sind. Leitbündel finden sich nicht, die Blättchen sind eher als "Schuppen" ausgebildet denn als Blätter, wie man sie kennt. Auch eine Unterteilung in Palisaden- und Schwammparenchym gibt es nicht. Mit der Photosynthese haben diese Blätter nichts zu tun. An der Unterseite des Blättchens sind noch drei Spaltöffnungen zu erkennen.
Jetzt noch ein Längsschnitt des Hauptsprosses. Hier habe ich versucht, freihand zu arbeiten und mit einem Skalpell geschnitten. Auffällig hier das im polarisierten Licht überaus farbenfrohe Erscheinungsbild.
Bild 11
(https://www2.pic-upload.de/img/37496089/Eahs9.jpg) (https://www.pic-upload.de/)
Jetzt eine Darstellung der Seitensprosse. Im Querschnitt sind sie sternförmig.
Bild 12
(https://www2.pic-upload.de/img/37496105/Eass1.jpg) (https://www.pic-upload.de/)
Etwas mehr im Detail
Bild 13
(https://www2.pic-upload.de/img/37496099/Esss2.jpg) (https://www.pic-upload.de/)
Und hier noch die zentral gelegene "Leitbündelabteilung"
Bild 14
(https://www2.pic-upload.de/img/37496102/Eass3.jpg) (https://www.pic-upload.de/)
Es fehlen jetzt natürlich noch die Spaltöffnungen. Auch die folgenden Längsschnitte sind von Hand mit Skalpell entstanden.
Bild 15
(https://www2.pic-upload.de/img/37496103/Eass4.jpg) (https://www.pic-upload.de/)
Bild 16
Ea ss11.jpg
Bild 17
Ea ss10.jpg
Und jetzt die Darstellung von der Seite. Die Bilder sind zum Teil im DIC entstanden.
Bild 18
(https://www2.pic-upload.de/img/37496090/Eass5.jpg) (https://www.pic-upload.de/)
Bild 19
Ea ss6.jpg
Bild 20
(https://www2.pic-upload.de/img/37496095/Eass8.jpg) (https://www.pic-upload.de/)
Bild 21
Ea ss7.jpg
Bild 22
Ea ss9.jpg
Wie immer freue ich mich über Kommentare, Berichtigungen und Ergänzungen.
Hallo Peter,
sehenswerte Schnitte - Kompliment!
Gruß
Peter
Hallo Peter T.
Gerade heute waren wir im Wald und haben 3 Borkenkäferbäume gefällt und aufbereitet. Und ganz in der Nähe stand auch Ackerschachtelhalm. Als ich jetzt deinen hoch interessanten Beitrag las, kamen bei mir Erinnerungen an meine Jugend hervor. Damals hat mein Nachbar immer im Mai - Juni zu einer Teesammelwanderung eingeladen. diese ging oft über mehrere Stunden und dann hatten wir meistens eine Mischung aus bestimmt 20 verschiedenen Kräutern gesammelt. Sie wurden dann getrocknet und im Winter gabs fast jeden Abend diesen köstlichen Tee zum Abendbrot. Ackerschachtelhalm war da auch immer zu einem gewissen Anteil dabei. Ich habe jetzt noch mal im M. Pahlow Heilpflanzenbuch nachgeschaut und mich über Inhaltsstoffe, Wirkung und Anwendung belesen. Höchst interessant. (sehr Kieselsäurehaltig)
Deine Schnitte kann ich nicht beurteilen, aber die Bilder finde ich faszinierend, besonders die der Spaltöffnungen.
Gruß von Siegfried
Lieber Peter,
ganz tolle Bilder! Ich sehe hier in devonischen Fossilien gerade sehr oft Tracheiden primitiver Pflanzen und frage mich, ob die im Schachtelhalm auch zu sehen sind?
Viele Grüsse
Florian
Hallo Peter,
sehr gelungene Bilder und eine spannende Dokumentation! Der Querschnitt durch die "Krönchen" ist natürlich besonders gelungen, aber auch die sternförmigen Querschnitte der Seitensprosse. Mit welchem Objektiv hast Du die letzten Bilder gemacht? Hier wäre es interessant, das Ganze bei noch höherer Vergrößerung zu sehen. Sieht man dann die einzelnen Silikatkristalle? Keine Ahnung, wie groß die sind.
Eine Anmerkung noch: Ich würde nicht von "Siliziumkristallen" reden, das ist etwas anderes als die Silikatkristalle. Und der eine oder andere Größenmaßstab wäre bei so einer gründlichen Doku mit durchaus wissenschaftlichen Anspruch natürlich auch sehr hilfreich. Jedenfalls tolle Leistung, an dem Material hat sich manch anderer schon die Zähne ausgebissen ;D .
Jürgen
@Peter: Vielen Dank! (Und Dein wunderschönes Schlittenmikrotom habe ich dabei geschont ;) .)
@Siegfried: Zum Schachtelhalm gibts einiges im Heilkräutersektor. Man darf nur nicht den giftigen Sumpfschachtelhalm verwenden.
@Florian: Meines Wissens entstehen die Carinalkanäle aus den Tracheiden (bin mir aber da unsicher). Das heißt, man würde vielleicht in jüngeren Exemplaren Tracheiden finden.
@Jürgen: Die Silikatkristalle siehst Du in den Bildern 6 bis 8 in den Epidermiszellen. Zum Silikat: Besten Dank, das bessere ich natürlich aus. Beim Größenmaßstab gebe ich Dir Recht, damit stehe ich etwas auf Kriegsfuß. Die letzten Bilder (16 - 17 und 19 - 22) von den Spaltöffnungen sind mit dem 100xOil gemacht worden.
Lieber Peter,
das fasziniert nun auch mich!
Ganz tolle Doku mit einzigartigen Bildern. Ein tolles Objekt für Deine weitere Arbeit wäre dann der Strandhafer. Die Urlaubszeit steht ja bald an.
lG
Anne
Lieber Peter,
einfach nur: Sagenhaft, danke fürs Teilen.
Hallo Peter,
das sagenhaft schöne Bilder. Ich kann nur über die Qualität der Schnitte staunen!
Wäre es möglich die Spaltöffungen mit dem 100er zu betrachten und Fotos davon zu machen.
Ist sicher interessant die im Vergleich zu den REM Bildern zu sehen.
Gruss
Michael
@Anne: Liebe Anne, das freut mich besonders! Danke auch für die Strandhafer-Anregung.
@Jürgen: Lieber Jürgen, ganz herzlichen Dank!
@Michael: Die Bilder 16-17 und 19-22 sind mit dem 100xOil aufgenommen. Auch Dir besten Dank für den wohlwollenden Kommentar!
Das Wort Zinnkraut macht auch irgendwie Sinn.
Zumindest kann man mit dem Kraut hervorragend Töpfe putzen. :)
Hallo Peter T.
Ich kann einige Bilder nicht mehr sehen, steht nur noch dort, Pic-Upload.de.
lg von Siegfried
Hallo Peter,
Glänzendes Ergebnis!
(Ich meine die Bilder, nicht das Zinngeschirr) ;)
Und ich kann wohl nur erahnen wie schwer es war die Schnitte so hinzubekommen.
LG Holger
Hallo Siegfried,
bei mir ist noch alles zu sehen. Schaust Du auf dem Desktop oder auf Tablet/ Handy?
Hallo Holger,
danke Dir!
(Was die Schnitte angeht - so schwierig war es gar nicht. Aber pssst - sags nicht weiter) ;)
Hallo Peter
sowohl Desktop als auch Smartphone.
Hallo Siegfried,
welche Bilder sind denn bei Dir betroffen?
16, 17, 19, und 22
Danke! Sollte jetzt wieder gehen.
Danke, geht wieder. 8)
Hallo Peter,
ein schönes Beitrag, aber ich habe da an 2 Stellen Bedenken, ob Deine Interpretationen alle richtig sind:
Bauchschmerzen habe ich bei Bild 6 und der dazugehörigen Erläuterung:
ZitatHier sehen wir die Epidermiszellen mit Silikateinlagerungen.
Du hast alkoholfixiertes Material geschnitten. Ich halte die Einlagerungen in den Epidermiszellen für Chloroplasten, denen das Chlorophyll fehlt.
Die Silikate werden nicht in die Zellen eingelagert, sondern in den Zellwänden. Sie sind entweder amorph höchstens mikrokristallin und somit lichtmikroskopisch nicht auflösbar. Da sie ungeregelt in den Zwischenräumen der Zellulosefasern eingelagert sind, sind sie auch nicht doppelbrechend. Was die starke Wirkung im polarisierten Licht erzeugt (Bilder 8 und 11) sind die in sehr feinen Strängen angeordneten Cellulosefasern. Das Phonemen tritt ja auch bei Pflanzen ohne Silikateinlagerungen auf, ist aber um so auffälliger, je dicker die Schnitte sind (Handschnitte).
Beste Grüße
Gerd
Hallo Gerd,
vielen Dank für Deinen Beitrag!
Du hast natürlich Recht, Silikat wird in die Zellwände und Interzellularräume eingelagert. Somit sind die dargestellten Strukturen Chloroplasten.
Bei der Wirkung im polarisierten Licht bin ich Deiner Erklärung gegenüber aber skeptisch. Es handelt sich bei diesen Schnitten auch nicht um Handschnitte, sondern um ca 50µm große Mikrotomschnitte. Eine vergleichbare Lichtreflexion habe ich bisher noch nie gesehen. Bei einem hohen Gehalt an Silikaten in der Epidermis halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass die durch sie ausgelöste Lichtreflexion sichtbar ist.
In jedem Fall vielen Dank für Deine Einwände. Ich werde sie im Text berücksichtigen.
Lieber Peter,
ZitatEine vergleichbare Lichtreflexion habe ich bisher noch nie gesehen.
Ich dachte es handelt sich sowohl bei Bild 8 als auch bei Bild 11 um Aufnahmen im Polarisierten Licht, ich nehme an bei gekreuzten Polarisatoren. Da reden wir von Doppelbrechung und Interfernzfarben, nicht von Reflexion.
ZitatEs handelt sich bei diesen Schnitten auch nicht um Handschnitte, sondern um ca 50µm große Mikrotomschnitte
Bei Bild 8 mag das zutreffen. Zu Bild 11 aber, wo die herrlich bunten Interferenzfarben zu sehen sind, schreibst Du:
ZitatJetzt noch ein Längsschnitt des Hauptsprosses. Hier habe ich versucht, freihand zu arbeiten und mit einem Skalpell geschnitten. Auffällig hier das im polarisierten Licht überaus farbenfrohe Erscheinungsbild.
Ich will Deiner These nicht vollkommen widersprechen, dass die Stärke der Interferenzfarben vielleicht doch mit den Einlagerungen zu tun haben, aber entscheidend ist hier nicht was eingelagert wurde, sondern die Strukturen. Die Cellulosefasern bilden das Grundgerüst und sind auch für die faserige Struktur und somit für die Doppelbrechung verantwortlich. Die Dicke der Zellwände sollte hier stärker ins Gewicht fallen, als die Art der Einlagerung zwischen den Cellulosefasern.
Übrigens bestehen der Objektträger und das Deckglas aus sehr ähnlichen Silikaten, ohne dass sie eine Doppelbrechung zeigen (amorphe Struktur).
Beste Grüße
Gerd
Hallo Gerd,
da haben wir uns bei den Schnitten missverstanden. Bild 8 ist ein Mikrotomschnitt. Schnitt 11 ist wie beschrieben ein Freihandschnitt.
Meine Idee war nur in Bild 8 (siehe die Anmerkung unter dem Bild), dass die glitzernden Reflexionen auf die Silikate zurückzuführen wären.
Natürlich habe ich nicht annähernd Deine Erfahrung mit Pflanzenschnitten, deshalb akzeptiere ich Deine Erklärung mit den Cellulosefasern. Dann ist es wohl so, dass die Silikateinlagerungen lichtmikroskopisch keine Rolle spielen.
"Again what learned" würde Lothar M. sagen. ;)
Hallo Peter,
Zitat von: Peter T.Natürlich habe ich nicht annähernd Deine Erfahrung mit Pflanzenschnitten
Das sehe ich anders: Meine
praktischen Erfahrungen mit Pflanzenschnitten halten sich noch in relativ engen Grenzen, dafür habe ich einige Erfahrung mit Polarisationsmikroskopie, sowohl im geologischen als auch im biologischen Bereich.
LG Gerd
Lieber Peter,
vielen Dank für den schönen und informativen Beitrag, den ich gerne gelistet habe.
Beste Grüße
Jörg
Lieber Jörg,
vielen Dank!