liebes Forum,
nach dem Urlaub melde ich mich mi einer verspäteten "Osterei" zurück. Hier zwei Bilder von Stentor amethystinus:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/37750_15788365.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/37750_39387817.jpg)
Viel Spaß beim Anschauen wünscht Michael Plewka
Hallo Herr Plewka,
wunderbare Aufnahmen! Dieses Tier habe ich freilich viel dunkler und violetter in Erinnerung, wie auch in Martin Kreutz' Simmelried-Buch abgebildet. Was könnte der Grund sein, daß es hier so hellgrün erscheint?
hallo Herr Hippe,
eine sehr spannende Frage, die Sie da aufwerfen.
Vielleicht kann man ja die Frage noch dahingehend ausweiten, dass es ja auch bei anderen Ciliaten diese "Farbkörnchen" gibt (z.B. Stentor coeruleus, Oxytricha haematoplasma...) Welche(n) Funktion/ Selektionsvorteil diese Körnchen haben, wissen sicher die Spezialisten. Ich kann da lediglich spekulieren. Von denjenigen "farbigen" Ciliaten, die mir auf die Schnelle einfallen, ist S. amethystinus der einzige, der Zoochlorellen hat. Ansonsten könnte man ja auch die Möglichkeit : UV-Schutz in Betracht ziehen. Ich komme darauf, weil "meine" Exemplare aus der Winterzeit stammen (Anfang März) . Das Nahrungsangebot als Ursache möchte ich da nicht ausschließen...
beste Grüße Michael Plewka
Zitat von: Michael Plewka in April 12, 2010, 20:52:54 NACHMITTAGS
hallo Herr Hippe,
eine sehr spannende Frage, die Sie da aufwerfen.
Vielleicht kann man ja die Frage noch dahingehend ausweiten, dass es ja auch bei anderen Ciliaten diese "Farbkörnchen" gibt (z.B. Stentor coeruleus, Oxytricha haematoplasma...) Welche(n) Funktion/ Selektionsvorteil diese Körnchen haben, wissen sicher die Spezialisten.
Hallo Michael
bei Hausmann "Protistology" S. 192ff. kann man dazu was lesen. Demnach spricht man in der Tat von Pigmentozysten. Bei Stentor und Blepharisma enthalten sie die Hypericinderivate Stentorin repektive Blespharismin. Diese Stoffe sind toxisch und dienen der Feindabwehr. Wenn Blepharisma z.B von Fressfeinden wie Dileptus angegriffen wird, werden Pigmentozysten abgegeben (discharged) und D. zieht sich zurück.
Ausserdem hat man Funktion als Photorezeptor nachgewiesen. Stentorin und Blepharismin haben demnach Anteil an photophobischen Reaktionen, die wiederum verhindern sollen, dass durch zu starke Lichteinwirkung die Abwehr durch Verlust an Pigmenten herabgesetzt wird.
Das zweite Bild ist übrigens mein Liebling, das ist wunderschön!!
Viele Grüsse
Bernhard
hallo Bernhard,
ich habe schon oft überlegt, ob sich die Anschaffung des "Protistology"-Bandes lohnt, da ich den Vorläufer "Protozoology" . Dein Beitrag überzeugt mich diesbezüglich: der Band muss her, da ich in dem "Protozooloy"-Band nichts zu dem Thema gefunden habe. Den Inhalt deines 2. Arguments verstehe ich allerdings nicht. Für mich heißt das zunächst mal ganz platt: Diese Ciliaten haben Pigmente, die (durch photophobische Prozesse) bewirken, dass die Pigmente nicht durch Licht zerstört werden. Das macht für mich keinen Sinn. Habe ich da etwas falsch verstanden?
beste Grüße Michael
Zitat von: Michael Plewka in April 14, 2010, 21:09:18 NACHMITTAGS
Den Inhalt deines 2. Arguments verstehe ich allerdings nicht. Für mich heißt das zunächst mal ganz platt: Diese Ciliaten haben Pigmente, die (durch photophobische Prozesse) bewirken, dass die Pigmente nicht durch Licht zerstört werden. Das macht für mich keinen Sinn. Habe ich da etwas falsch verstanden?
Ein klare Jein! :D Das kommt davon wenn man Texte gekürzt mit eigenen Worten wieder gibt. Ich zitiere mal das Original:
" ...A second function is photoreception. Stentorin and blepharismin were shown to participate in the photophobic response of Stentor and Blepharisma respectively. When the cells are exposed to strong light in the presence of oxygen, complex chemical reactions take place in which the pigments act as photosensitizer. Because phototoxic reactions can kill the cells, the photophobic response is most likely a means of escaping from harmful illumination and for avoiding the decrease in defensive ability caused by the loss of pigments through illumination. Protection against UV radiation maxy be a third function of the pigments."
Im grossen Ciliates Buch von Hausman et al. steht meiner Erinnerung nach auch was, müsste ich noch mal raussuchen.
Weitere Hinweise findest Du bei Lynn, The Ciliated Protozoa (2008) S. 133
Viele Grüsse
Bernhard
Hallo Stentorenfreunde,
die photophobic response ist ganz einfach: Das Stentorin ist lichtempfindlich und ermöglicht es dem Stentor coeruleus, dunkle Regionen aufzusuchen - also praktisch die Umkehr der Phototaxis bei Algen.
Angefangen hat der Thread im übrigen mit Stentor amethystinus, und da wäre ich mit all den schönen Erklärungen etwas vorsichtig. Stentorin ist das grün-blaue Pigment im Stentor coeruleus, was übrigens explizit auch in Prostistology steht. Das braune Zeug im Stentor amethystinus ist chemisch und physiologisch sicher etwas anderes, auch wenn es vielleicht Überschneidungen bei der Funktion geben mag: Für das Stentorin vermutet man eine Schutzfunktion gegen UV-Strahlung, das könnte hypothetisch auch auf das braune Pigment bei S. amethystinus zutreffen. Ob es auch aus als chemische Waffe dient, ist zweifelhaft, jedenfalls habe ich eine solche Aussage noch nirgendwo in der Literatur gefunden. Dass S. coeruleus sein Pigment als Verteidiungswaffe benutzt, kann man übirgens auch selbst beobachten: Er stößt bei mechanischer Irritation - beispielsweise durch den Deckglasdruck - die Granula aus. S. amethystinus macht das nicht.
Bunte Grüße
Bernd
Hallo Michael,
die Fotos gefallen mir sehr gut. Ist das eine neue Dic Ausrüstung? Magst Du Details verraten?
Woran erkennst Du, welcher Stentor das ist? Ich habe letzten Sommer identisch aussehende Stentoren gefunden, diese aber laienhaft unter St. polymorphus eingeordnet.
Herzliche Grüsse
Eckhard
Hallo,
es gibt hierzulande in der Tat zwei Stentoren mit symbiontischen Algen. Hier die Unterschiede auf einen Blick:
S. amethystinus
(http://www.bewie.de/images/FuerExterneSeiten/S_Amethyst01.JPG)
S. polymorphus
(http://www.bewie.de/images/FuerExterneSeiten/Stentor06.JPG)
Und in Worten:
S. amethystinus; Kern: ein ovaler Makronukleus; zusätzlich: braun bis braunviolettes Pigment
S. polymorphus; Kern perlschnurartig; keine zusätzlichen Pigmentgranula
Das Pigment bei Michaels schönem Stentor ist zwar schwach ausgeprägt, oft ist S. amethystinus beinahe schwarz. Aber in der Oralregion ist auch hier noch Pigment sichtbar. Besonders konzentriert ist es üblicherweise um den Kern herum, weshalb man die Tierchen sehr stark plätten muss, bevor man den Ma erkennt.
Schöne Grüße
Bernd
Zitat von: bewie in April 15, 2010, 00:07:07 VORMITTAG
Angefangen hat der Thread im übrigen mit Stentor amethystinus, und da wäre ich mit all den schönen Erklärungen etwas vorsichtig. Stentorin ist das grün-blaue Pigment im Stentor coeruleus, was übrigens explizit auch in Prostistology steht. Das braune Zeug im Stentor amethystinus ist chemisch und physiologisch sicher etwas anderes, auch wenn es vielleicht Überschneidungen bei der Funktion geben mag:
Hallo Bernd
nun ja, ich kann mangels eigener Forschungsergebnisse an dieser Stelle nicht weiterstreiten! Ich erlaube mir aber noch ein Zitat aus Streble/Krauter 11. Auflage S.342 Unter den neu aufgenommenen Arten findet sich auch St. amethystinus. Da steht zu lesen:
"...Violette Pigmente in Verbindung mit der Zellmembran und in Schraubenbändern. Die Pigmente sind für die Lichtreaktion der Tiere wichtig; chemisch handelt es sich um "stentorinähnliche" Hypericin-Verbindungen"
Aus diesem Grunde war ich so kühn hier eine Parallele zu ziehn. Vielleicht kann Eckard ja mal bei Herrn Hausmann anfragen wie die Lage ist!
Viele Trompetengrüsse
Bernhard
Lieber Bernhard,
irgendwie habe ich noch dunkel im Hinterkopf, dass wir vor ein paar Jahren im alten Forum schon mal über die Zuverlässigkeit der Detail-Informationen im "Wassertropfen" diskutiert haben ;D. Deswegen diesmal nur die provokative Frage: Was sollen uns denn eigentlich die Anführungszeichen bei "stentorinähnlich" signalisieren? Ist das als kleines Späßchen gedacht? Möglich wär's, denn in der Tat kenne ich aus der einschlägigen photobiologischen Literatur keinen eindeutigen Hinweis auf die Natur der Granula bei S. amethystinus, geschweige denn auf die Nähe zum Stentorin. Bekannt sind dagegen die Unterschiede, wie zum Beispiel: Neben der anderen Farbe der Granula auch die unterschiedliche Lokalisation - die braunen Granula des S. amethystinus erreichen um den Makronukleus eine besonders hohe Konzentration, beim S. coeruleus sitzen sie vor allem unter der Pellicula. Hinzu kommt das unterschiedliche Reaktionsmuster der Protisten - S. amethystinus schwimmt ins Licht, S. coeruleus schwimmt in den Schatten.
Vielleicht lässt sich demnächst ja mal ein Stentorologe dazu überreden, die braunen amethystinus-Granula genau zu analysieren. Falls Du Dich für die Photoreaktionen der Ziliaten interessierst, kannst Du Dir bis dahin die Zeit mit folgendem Link vertreiben: <a href="http://www.photobiology.info/LenciCiliates.html">Photomovement of Ciliates</a> gibt einen kleinen, aber durchaus fundierten Überblick über das Gebiet etwa auf dem Stand von 2008 und enthält eine Liste mit den Literaturquellen. Ansonsten lohnt sich auch der Rest dieser Website - die Photobiologie, der sie sich widmet, ist ein außerordentlich faszinierendes, aber auch ziemlich breites und komplexes Thema.
Herzliche Grüße
Bernd
Liebe Stentor(in)-Freunde,
hier ein kurzer Auszug aus einer vor einiger Zeit von mir erstellten Präsentation, der zum einen die chemische Ähnlichkeit von Stentorin zu einem der wichtigsten Inhaltsstoffe des Johanniskrauts, Hypericin, zeigen soll. Zum anderen eine kurze Auflistung der Wirkungen dieser Verbindungen und ein Verweis auf die langlebigkeit dieser Moleküle.
Viele Grüße
Bernd
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/37958_62569468.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/37958_64162674.jpg)
Lieber Bernd,
eine schöne Dokumentation! Und immer wieder interessant, wie die Natur in verschiedenen Entwicklungslinien nahezu identische Konzepte entwickelt hat.
Herzliche Grüße
vom anderen Bernd
Lieber Bernd (Bewie)
ich diskutiere nicht so gerne über Dinge die ich nicht genau weiß, deshalb frage ich weiter:
die "spaßige" Aussage im Wassertropfen könnte auf dem gleichen Humor basieren aus dem die Kollegen in Deinem Link bei S. multiformis und S. niger das Stentorin mit Fragezeichen versehen angeben, oder?
Du sprichst andauernd von braunen Pigmenten, bei starcentral steht " Stentor amethystinus can be coloured brownish, violet or purple red." http://starcentral.mbl.edu/microscope/portal.php?pagetitle=assetfactsheet&imageid=5265
Parallelen innerhalb der Heterotrichiden sind doch nicht so weit hergeholt, wenn auch zugegebenermassen anscheinend noch nicht in allen Einzelheiten untersucht und belegt!!
Desweiteren lese ich nirgends von so einem gravierenden Unterschied in der Lokalisierung der Pigmentocysten, mit der Ausnahme dass sie bei S. amethystinus ZUSÄTZLICH (aber nicht ausschliesslich!!) um den MA verdichtet sind. Siehe dazu auch Kahl S. 466.
Wie kommt man nun zu so einer Aussage : " Das braune Zeug im Stentor amethystinus ist chemisch und physiologisch sicher etwas anderes, " ???
Die Begründung dieses Verdachtes würde mich als Laien brennend interessieren!
Dass S. amythystinus "ins Licht schwimmt" habe ich nirgendwo gelesen, steht das im Foissner? Das ist das einzige Buch zu den Ciliaten, dass mir nicht vorliegt.
Wie ich schon sagte: ich diskutiere nicht, ich wundere mich nur.
Beste Mikrogrüsse
Bernhard
Lieber Bernhard,
ich kenne schon seit Jahren Deine Diskussionfreude, auch wenn sie sich diesmal als Wundern ausdrückt. Wie man es auch nennt, ich finde es immer wunderbar, wenn jemand nachhakt, außerdem habe ich mich sicherlich wieder mal verkürzt und zu knapp ausgedrückt. Also wollen wir Deine Fragen mal der Reihe nach ausführlich und verständlich abarbeiten.
Vorab noch eine Anmerkung, obwohl es eine Plattitüde ist: Der Beweis der Identität ist aus naheliegenden Gründen praktisch immer sehr viel anspruchsvoller und mühsamer als der Nachweis der Unterschiedlichkeit. Deswegen sollte man als naturwissenschaftlich interessierter Mensch nicht voreilig verallgemeinern (beispielsweise dass Stentorin das Pigment der Stentoren ist - auch wenn die Bezeichnung regelrecht dazu verführt). Die Natur ist oft komplexer als man auf den ersten Blick glaubt und man muss schon genauer hinschauen - auf die Natur und auch auf die einschlägigen Texte! ;)
Aber nun zu Deinen Fragen im Detail:
ZitatDu sprichst andauernd von braunen Pigmenten, bei starcentral steht " Stentor amethystinus can be coloured brownish, violet or purple red."
Mea culpa! Natürlich hätte ich statt "braunes Zeug" jedesmal "bräunlich-violettes-purpurrotes Zeug" schreiben müssen. Aber das war mir zu umständlich und so habe ich einfach die dominante Farbe des intakten Tieres hergenommen - und die ist braun. Aber ich akzeptiere Deine Kritik, da war ich unverzeihlich unexakt!
Zitatdie "spaßige" Aussage im Wassertropfen könnte auf dem gleichen Humor basieren aus dem die Kollegen in Deinem Link bei S. multiformis und S. niger das Stentorin mit Fragezeichen versehen angeben, oder?
Das musst Du die jeweiligen Autoren fragen. Anscheinend will er aber ausdrücklich
nicht behaupten, dass in den genannten Stentoren Stentorin enthalten ist, sonst hätte er das Fragezeichen weggelassen. S. amethystinus ist dort übrigens erst gar nicht erwähnt, wobei man sich allerdings Gedanken machen kann, was mit S. niger wirklich gemeint ist. Aber das ist ein anderes Thema.
ZitatParallelen innerhalb der Heterotrichiden sind doch nicht so weit hergeholt, wenn auch zugegebenermassen anscheinend noch nicht in allen Einzelheiten untersucht und belegt!!
Paralellen kann man natürlich vermuten, das ist absolut in Ordnung und hat seine Berechtigung. Aber damit fängt die Naturwissenschaft erst richtig an: Es muss durch expermentelle Untersuchungen bewiesen werden, dass es so ist, sonst bleibt es reine Glaubenssache. Die Verwandtschaft ist absolut kein Beweis für Übereinstimmung im Detail. Siehe auch Eingangsbemerkung!
ZitatDesweiteren lese ich nirgends von so einem gravierenden Unterschied in der Lokalisierung der Pigmentocysten, mit der Ausnahme dass sie bei S. amethystus ZUSÄTZLICH (aber nicht ausschliesslich!!) um den MA verdichtet sind. Siehe dazu auch Kahl S. 466.
Ich weiß jetzt nicht, was Du hier für eine Antwort erwartest, wenn das überhaupt als Frage gemeint war. Genau diese Verteilungsunterschiede habe ich erwähnt. Ob Du sie als gravierend empfindest oder nicht, bleibt Deinem Gemütszustand überlassen.
ZitatWie kommt man nun zu so einer Aussage : " Das braune Zeug im Stentor amethystinus ist chemisch und physiologisch sicher etwas anderes, " Huch
Ich dachte, das wäre klar, aber nochmals der Reihe nach und hoffentlich besser verständlich als bisher:
Die Pigmente haben ganz unterschiedliche Farben, das sieht man schon mit bloßem Augen - man muss nicht erst die Absorptionsspektren messen. Wenn man die Tierchen plättet, kommt in den Granula immer mehr das Violett zum Vorschein; grünes Pigment sieht man nur in den Zoochlorellen. Damit können die Farbgranula von S. amethystinus und S. coeruleus chemisch nicht identisch sein, denn sonst lägen sie farblich näher beisammen. Dass es möglicherweise Ähnlichkeiten in der Chemie gibt, will ganz bestimmt nicht ausschließen - aber komplett identisch sind sie sicher nicht. Ich darf - auch wenn es pentrant wirkt - nochmals an die Eingangsbemerkung erinnern. In einer neueren Publikation aus dem Jahr 2007 wird das Pigment des S. amethystinus sinnigerweise als Amethystin bezeichnet. Was es chemisch genau ist, weiß aber offenbar bis heute noch niemand. Im übrigen bestehen die Granula nicht nur aus dem jeweiligen Pigment, sie haben eine viel komplizierte Zusammensetzung und es sind auch nicht einfach nur Kügelchen mit Inhalt, sie haben vielmehr auch eine komplexe morphologische Struktur.
Auch auf der physiologischen Seite gibt es Unterschiede. Gut untersucht und oft publiziert ist in dieser Hinsicht S. coeruleus: Bei stärkerem Lichteinfall kehrt sich der Zilienschlag um, das Tierchen schwimmt rückwärts; inzwischen sind auch einige molekulare Grundlagen dazu bekannt, aber das würde jetzt zu weit führen. S. amethystinus ist nicht annähernd so gut untersucht, aber eine solche photophobische Reaktion ist bei diesem Stentor noch nie beschrieben worden (siehe auch unten). S. coeruleus stößt sein Pigment bei Irritation aus, bei S. amethystinus ist das nicht beschrieben, ich habe es auch noch nie beobachtet - erst wenn die Zelle platzt, werden die Pigmentkörnchen freigesetzt. Angesichts dieser Tatsachen kann die Physiologie nicht identisch sein.
ZitatDass S. amythystinus "ins Licht schwimmt" habe ich nirgendwo gelesen, steht das im Foissner? Das ist das einzige Buch zu den Ciliaten, dass mir nicht vorliegt.
Mein lieber Bernhard, jetzt kann ich mir eine böse Bemerkung nicht mehr verkneifen: Ich stelle die Hypothese auf, dass Dir nicht nur der Foissner, sondern noch viele andere Bücher über Ciliaten nicht vorliegen! Ganz abgesehen von den vielen Periodika, in denen Beiträge über Ziliaten enthalten sind - allein zu den Stentoren dürfte es so an die 1500 Veröffentlichungen geben. Aber zum Thema selbst: Es ist allgemein bekannt, dass mixotrophe Ciliaten ins Licht schwimmen, damit ihre symbiontischen Algen ordentlich Umsatz machen können - wirf dazu auch mal einen Blick auf Bernd Labers hervorragendes, wenn auch etwas kurzes Posting! Diese Tatsache muss man in der Literatur nicht jedesmal eigens betonen. Allerdings bin ich an Deinem Verständnisproblem auch selber schuld: Mit "ins Licht schwimmen" habe ich mich zu ungenau ausgedrückt - es kommt natürlich auf die Lichtstärke an. Mit kräftiger Bestrahlung kann man selbst die sonst ausgesprochen phototaktischen Phytoflagellaten vertreiben - ein einfaches Experiment, das jeder Tümpler mit Halogenleuchte am Mikroskop nachvollziehen kann. Tatsache ist: S. amethystinus flüchtet nicht aus dem Licht, sondern hält sich in lichten Gewässerregionen auf, die seinen Zoochlorellen die Assimilation ermöglichen. Dort sorgen seine symbiontischen Alten je nach Populationsdichte bisweilen für einen einen erheblichen Teil der gesamten planktischen Assimilationsleistung. Das ist von etlichen Arbeitsgruppen beschrieben, die Assimilationsleistung sogar gemessen worden. S. coeruleus sucht dagegen die dunkleren Ecken auf, obwohl sich dies nicht mit allen untersuchten Stämmen eindeutig verifizieren ließ.
Lieber Bernhard, ich hoffe, jetzt war es etwas klarer und Du musst Dich nicht mehr so viel wundern - allerdings muss ich auch zugeben, dass die Materie insgesamt kompliziert und bisher nur sehr unzureichen durchleutet ist. Aber gerade deswegen sind krasse Verallgemeinerungen fehl am Platz. Falls Du immer noch Fragen hast - her damit! Die Schreiberei ist zwar etwas zeitraubend, aber ich habe auch eine Menge Spaß an dem Thema.
Trompeten-Grüße
Bernd
hallo zusammen,
ich finde es wirklich ganz toll, welche fruchtbare und informative Diskussion die Frage von Herrn Hippe in Gang gesetzt hat. Auch möchte Bernhard dafür danken, dass er sich die Mühe gemacht hat, den Originaltext aus dem Protistology-Buch zu zitieren.
@ Eckhard: Ja; es handelt sich um DIK-Aufnahmen. Das erste ist vermutlich mit einer ähnlichen Einstellung gemacht wie seinerzeit Dein Cephalodella-Bild...Bernd Wiedemann hat die Frage nach der Artzugehörigkeit ja mittlerweile hervorragend dokumentiert, so dass ich mir weiter Bilder dazu erspare.
Für mich ist, vor allem nach dem Studium der Infos unter dem Link von Bernd Wiedemann deutlich geworden:
1.es ist viel komplizierter als (vielleicht wir alle) gedacht haben.
2. Die Frage, was die Ursache für die offensichtlich vorhandenen Intensitätsunterschiede in der violetten Färbung (= Anzahl der Granula?) ist, bleibt wohl noch unbeantwortet.
beste Grüße Michael Plewka
Hallo Michael,
S. coeruleus ist zellbiologisch ziemlich ausgiebig untersucht, zu S. amethystinus liegen nicht annähernd so viele Erkenntnisse vor. Vor zehn Jahren hat eine Arbeitsgruppe aus Deutschland und Australien sogar diskutiert, ob sich die diversen Beschreibungen aus unterschiedlichen Regionen wirklich auf die gleiche Spezes beziehen, weil es doch deutliche Unterschiede gibt (T. Heep et al., Records of the Australian Museum 50 (1998), 211-216).
Aber gerade deswegen dürfte sich die Beschäftigung mit diesen Tierchen lohnen. Den S. coeruleus haben die Chemiker und Biochemiker schon fest im Griff, mit deren Ausstattung wir wohl kaum konkurrieren können.
Zur unterschiedlich intensiven Pigmentierung gibt es eine Aussage von H. Schneider im Mikrokosmos 80 (1991) Heft 7, 193-199, der in relativ warmen Kiesgruben mit einem pH von etwa 8,5 sehr dunkle Tierchen und in einem kühlen Quellteich mit einem pH von 5,3 relativ helle Tiere gefunden hat. Ob die beschriebenen Umweltbedinungen die Ursache für die unterschiedliche Pigmentausstattung sind, bleibt allerdings offen. Hier liegt vielleicht ein interessantes Betätigungsfeld, das auch mit relativ einfachen Laborausstattungen noch zu beackern ist.
Ich wünsche allseits ein schönes und interessantes Mikrowochenende!
Bernd
Hallo Bernd und Michael,
zunächst ein herzliches Dankeschön für Deine geduldigen Ausführungen, Bernd!!
Ein paar Bemerkungen noch:
der Hinweis zu starcentral bezüglich der beobachteten verschiedenfarbigen Pigmente sollte keine billige Beckmesserei sein! Ich hatte Deine Beschreibung als braune Pigmente als Argument für die unterschiedliche chemische Zusammensetzung der Pigmente bei S.amethystinus gelesen in Abgrenzung zu S.coeruleus und Blepharisma (die ja auch nicht gleichfarbig sind). Daher mein Hinweis auf die Färbungen, der die Möglichkeit erwog, dass ähnliche Hypericin Derivate auch hier eine Rolle spielen könnten. Wenn das noch nicht untersucht und geklärt ist, dann ist das natürlich eher unerheblich.
Selber habe ich den amethystinus leider noch nicht beobachten können.
Dass der spöttische Einwand meiner Literatur betreffend kommen musste, war mir klar. Die Steilvorlage musste man versenken ;) Natürlich habe ich nicht Einblick in Fachzeitschriften und sämtliche sonstige Veröffentlichungen, aber in der dem Amateur zugänglichen Literatur über Ciliaten bin ich recht gut bestückt, soo viel gibt es ja leider nicht.
Völlig richtig ist natürlich das Argument, dass Zellen mit Zoochlorellen nicht photophob sein können! Meu culpa!
Michael hatte einen Zweifel geäussert an der Logik des photophobischen Mechanismus der Pigmentocysten. Bei Lynn, The Ciliated protozoa (2008) S. 133 liest man folgenden interessanten Satz:
"... Certainly, a photophobic response might be a selective advantage, keeping the ciliate hidden from potential predators. However, one cannot help but wonder which trait is under selection : the photophobic response mediated by the pigment chemicals or the toxic nature of the pigment chemicals themselves."
Für St. amethystinus hat das wie Bernd dargelegt hat, keine Relevanz. Über diesen steht auf der selben Seite folgendes:
" Laybourn-Parry et.al. (1997) determined that Stentor amethystinus could contribute almost 70% of the total plankton photosynthesis in some Australian lakes"
Das dürfte photophobisch kaum zu bewerkstelligen sein, das gebe ich zu ;D
Fazit: Sum ergo cogito
Zitat
Angefangen hat der Thread im übrigen mit Stentor amethystinus, und da wäre ich mit all den schönen Erklärungen etwas vorsichtig
Einspruch stattgegeben! ;)
Viele Mikrogrüsse
Bernhard
Lieber Bernhard,
es ist ja durchaus denkbar und keineswegs unwahrscheinlich, dass auch bei S. amethystinus ein Hypericin-Derivat eine Rolle spielt, das werde ich ganz sicher nicht bestreiten. Es kann nur nicht genau das gleiche sein wie bei S. coeruleus und auch die nachgeschaltete Signalverarbeitung muss anders ablaufen. Aber bisher hat halt noch niemand die genaue Natur der amethystinus-Granula aufgeklärt, zu diesem Tierchen gibt es überhaupt sehr wenig Literatur. Zweifellos kann man - wie Lynns Autoren - darüber staunen, dass sich im Lauf der Evolution Pigmente mit gleich zwei unterschiedlichen Funktionen (Fotosensor und Abwehrgift) entwickelt haben - für die Pigmentträger selbst ist diese Tatsache jedenfalls sehr praktisch. ;)
Und wenn Du mal nach Darmstadt kommst, dort wo sich immer die Kornrade und der Rhein-Main-Kreis an der Uni treffen, dann nimm' Dir eine Probe aus dem Teich vorm Institutsgebäude mit (dem neueren am Hang, nicht dem alten) - darin haben wir bisher noch jedesmal eine Menge S. amethystinus gefunden.
Herzliche Grüße
Bernd