Liebe Kollegen,
in den Samenblasen des Regenwurmes findet man, besonders im zeitigen Frühjahr, verschiedene Stadien parasitierender Gregarinen (Sporentierchen - Sporozoen - Einzeller). Die Durchseuchung ist sehr gross, somit Funde sehr wahrscheinlich. Oft ist ein und derselbe Regenwurm von verschiedenen (und verschieden geformten) Gregarinen gleichzeitig parasitiert. Bei allen Sporozoen liegt ein charakteristischer Generationswechsel vor, der häufig mit einem Wirtswechsel verknüpft ist. Details sind hier nachzulesen: http://miami.uni-muenster.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-126/2_dokumentation/7_parasiten.pdf
Die Gregarinen liegen manchmal als kleine, spindelförmige Sporocysten massenhaft in großen Gamontencysten arrangiert in den Samenblasen (Bild 1 und 2).
Die Sporen dringen dann in die zentrale Plasmamasse (Cytophor) eines Follikels ein, auf dessen Oberfläche die Regenwurm-Spermien heranreifen.
Zunächst ist die heranwachsende Gregarine in dem Follikel noch klein (Bild 3), durch ihr Wachstum wird der Follikel aber nahezu aufgezehrt und die dann schon recht grosse Gregarine wirkt durch die noch aufsitzenden Spermien des Regenwurms wie behaart (Bild 4 und 5).
Die in den Samenblasen dann anzutreffenden, ausgewachsenen Gregarinen ist von unterschiedlicher Gestalt (Bilder 6 - 8 ).
Viel Spass und guten Fang !
Herzliche Grüsse
Holger
Alle Bilder am Leitz Orthoplan, DIC nach Smith 40:1 und 100:1 oder Phasenkontrast 100:1
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures006/41207_45874976.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41207_14609236.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41207_53435854.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures006/41207_1825827.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41207_55803215.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41207_28116721.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures006/41207_7750078.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures006/41207_49317752.jpg)[IMG]
Hallo Holger,
phantastisch !
Danke und beste Grüße !
JB
Hallo Holger,
ich bin auch schwer beeindruckt ... fasziniert.
nicht nur wegen der Fotos, sondern vor allem ... :
wie präpariert man denn sowas ?
man "nimmt den Wurm aus", wie man einen gefangenen Fisch "ausnimmt",
nehme ich an ...
kann man sowas als Laie auch mal versuchen, oder ist eine solche Arbeit
eher was für Profis mit entsprechendem Equipment ???
neugierig und begeistert,
Mark
Absolut fantastisch, Holger!!
Das ist eine interessante Thematik, mit der ich mich noch nie beschäftigt habe.
Ich finde das auch Mikrokosmos verdächtig!
viele Grüsse
Bernhard
Liebe Kollegen,
danke für das nette Feedback ! Die Präparation ist wirklich einfach und die Gregarinen, die man entdecken kann, sehr interessant.
Der Regenwurm wird mit Chloroform oder Äther getötet, dabei sollte man mindestens 20 min warten, damit der Wurm nicht nur betäubt ist, da er schon über ein recht differenziertes Nervensystem verfügt. Der Wurm stirbt somit an der Übernarkotisierung (Wurm dabei nicht 'eintauchen').
Der Hautmuskelschlauch des Wurmes wird nun auf der Rückenseite von der Mitte zum Vorderende hin mit einer feinen Schere eröffnet. Die weisslichen Samenblasen befinden sich im Bereich der Segmente 8-14. Diese werden mit Präpariernadeln vorsichtig isoliert und in 0.6% Kochsalzlösung auf einem Objektträger mit der feinen Schere geöffnet und der austretende Inhalt etwas verteilt und mikrokopiert (schiefe Beleuchtung, DIC, Phaco). Man kann auch auch Ausstriche machen (hier nur wenig Kochsalzlösung zusetzen), welche man über Formoldämpfen in einer Petrischale anfixiert (30 min), gefolgt von einer Immersionsfixierung in 4% Formol (10 min). Diese Ausstriche können dann mit den üblichen Histologiefärbungen für tierisches Material verarbeitet werden (z.B. Hämatoxylin/Eosin oder Azan und Pseudo-Azan Kombinationen).
Nochmals die Anmerkung dass man im März / April die grösste Vielfalt an Gregarinen-Stadien und Individuen im Wurm findet.
Herzliche Grüsse
Holger
Lieber Holger,
ich schließe mich an: phantastisch!
Danke für diesen schönen und lehrreichen Beitrag.
Herzliche Grüße
Jörg
Hallo Holger,
ich muss schon sagen! Hochinteressant! Werde mir wohl auch mal einen Wurm vorknöpfen, die hier im Konstanzer Dauerregen wahrscheinlich zu tausenden aus dem Boden kriechen!
Wünsche Dir einen schönen Sonntag!
Martin
Hallo,
zu dem spannenden Beitrag von Holger gibt es zwei einschlägige Mikrokosmos-Artikel:
- Band 71, Seite 219, Voss H J (1982) Parasitische Protozoen in der Samenblase des Regenwurms
und
- Band 73, Seite 56, Guhl W (1984) Monocystis - ein Parasit des Regenwurms
Falls Interesse besteht, kann ich Kopien der Artikel zur Verfügung stellen.
Mit freundlichen Mikrogrüßen
Rainer Teubner
Vielen Dank für den Hinweis Rainer - ich hatte gestern versucht, den Artikel zu finden der mich zu diesen Untersuchungen inspiriert hat. Heute früh bin ich fündig geworden:
Dieter Jaeger, Entwicklungskreis einer Gregarine, Mikrokosmos 58 (3/1969), S 81-84
Ich finde diese Arbeit sehr gelungen, wenn auch die Mikrofotos sicher nicht top sind.
Herzliche Sonntagsgrüsse
Holger
Anmerkung zur Arbeit von Guhl im Mikrokosmos (siehe Post von Rainer Teubner): Guhl hat in dieser Arbeit eine elektronenmikroskopische Schemazeichnung der Plasmamembranfältelung von Gregarinen gezeigt. Diese habe ich auch einwandfrei im Lichtmikroskop darstellen können, unterstützt vom Allen Videokontrast (AVEC).
Das erste Foto zeigt das AVEC Rohbild, das Bild der Oberflächenstruktur wird jedoch noch stark von den darunter liegenden Zellbestandteilen gestört.
Im zweiten Foto habe ich mit einem selektiven Fourier-Filter (Eigenentwicklung mit dem Image-Pro Software Development Kit) versucht, nur die interessierenden Strukturen zu erhalten.
Leitz Orthoplan, NPL FT 100:1, DIC nach Smith, Hamamatsu Argus-20 VEC Prozessor.
Viel Spass
Holger
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41246_22120267.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41246_55887923.jpg)
Hallo,
die Bilder in den drei Mikrokosmos-Artikeln zeigen deutlich, wie groß der technische Fortschritt bei Bildaufnahme und -bearbeitung ist. Kannst Du etwas näheres zu Deinem Programm schreiben?
Viele Grüße
Rainer Teubner
hallo Holger,
Deine letzten beiden Beiträge (Wacker-Schnitte und dieser hier) sind mal wieder eine echte Bereicherung, insbesondere was die Technik der Bildbearbeitung/ Kontrastierung angeht. Vielen Dank dafür.
beste Grüße Michael
Liebe Kollegen,
vielen Dank für das Interesse.
@Rainer
Ich erzähle gerne etwas zur verwendeten Bildverarbeitung zur Sichtbarmachung der Oberflächenstruktur der Gregarine.
Herzliche Grüsse
Holger
Ich verwende hier die Technik um im sogenannten Fourier Raum zu filtern. Der "Fourier Raum" ist eine mathematische Transformation (Umwandlung) des "Ortsfrequenzraumes" (das Bild wie wir es kennen und mit unseren Augen sehen). Beide Darstellungen sind eindeutig und durch mathematische Umformungen ineinander überführbar.
Die zweidimensionale Fourierdarstellung wird landläufig auch als "Bildspektrum" bezeichnet, die mathematischen Berechnungen wurden von dem Franzosen Jean Baptiste Joseph Fourier bereits 1822 (!) entwickelt. Eine höchst interessante Konvergenz zwischen der angewandten Naturwissenschaft und dem menschlichen Forschergeist ist, dass jedes Mikroskopobjektiv in der hinteren Brennebene optisch eine Fourier-Transformation der Objektabbildung erstellt !
Im Fourier Raum befinden sich niedrige Frequenzen (grossflächige "langsame" Helligkeitsänderungen, z.B. des Bildhintergrundes) im Zentrum, hohe Frequenzen (feine Bilddetails) jedoch an der Peripherie. Dies erklärt elegant die Reduktion der Auflösung wenn man das Objektiv in der hinteren Brennebene z.B. mit einer Irisblende abblendet, z.B. um auch mit Immersionsobjektiven Dunkelfeld zu bekommen. Durch diese Abblendung werden die hohen Bildfrequenzen (Details) zuerst aus dem Bild entfernt und die wahrnehmbare Auflösung verringert sich.
Klassische Bildverarbeitungsprogramme nutzen die Fouriertranformation z.B. um im Fourier Raum Bildstörungen zu beseitigen, welche im normalen Bild zu komplex sind (wie Moiree Muster), im Frequenzspektrum aufgrund ihrer harmonischen Natur jedoch gut lokalisierte Bereiche ('Peaks') darstellen, welche dann leicht aus dem Frequenzspektrum entfernt werden können. Nach Rücktransformation erhält man dann ein Bild ohne komplexe Moiree Muster. Die Frequenzen sind zwischen Bild und Spektrum um 90 Grad gedreht (siehe die Orientierungen der Störungen im Clown Testbild und die jeweilige Lage des dazugehörigen Peaks im Spektrum). Die höherfrequente, feinere Streifenstörung befindet sich weiter aussen im Spektrum wie bereits gesagt. Das nachfolgende Bild soll dieses generelle Vorgehen verdeutlichen (Image-Pro Testbild mit zwei Störfrequenzen, welche auch noch interferieren !):
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures006/41276_23694519.jpg)
Das nächste Bild zeigt in der linken Hälfte unten das Fourierspektrum der Oberflächenstruktur aus meinem vorherigen Post - vor der Filterung. Das Fourierbild ist dem Ortsfrequenzbild wie wir es kennen gleichwertig und wie gesagt mathematisch umformbar, auch wenn der menschliche Betrachter dort keine Objektähnlichkeit zu sehen vermag. Die harmonischen Strukturen im Bild sind im Frequenzspektrum als symmetrischer Peak zu erkennen und im Besipiel mit gelber Umrandung markiert.
Das von mir erstellte Filter Modul zum Image-Pro Programm wirkt umgekehrt zum üblichen Vorgehen, indem es harmonischen Bildinhalt nicht löscht, sondern erhält, während die restliche Bildinformation ausgeblendet wird. Der Radius - und somit die zu erhaltende Bildinformation - ist durch den Benutzer wählbar. Der weisse Punkt in der Mitte des rechten Spektrums stellt die nullte Ordnung und somit das beleuchtende Bündel dar, welches zum Erhalt eines normalen Hellfeldbildes nötig ist.
Ich stelle den Quellcode für nicht kommerzielle Zwecke gerne frei zur Verfügung, falls jemand C++ programmieren kann und z.B. einen Photoshop Filter daraus entwickeln möchte. Ein Image-Pro Modul nebst Installationsroutine ist auch von mir zu bekommen (für nicht kommerzielle Zwecke ebenfalls frei).
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures006/41276_31951190.jpg)
Liebe Kollegen,
Heute bringe ich zum Vergleich mal ein Foto einer Gregarine aus dem Mehlwurmdarm.
Diese Mehlwürmer kann man in Zoohandlungen bekommen, wo sie als Lebendfutter für Terrarientiere verkauft werden.
Wenn man einer solchen Larve des Mehlkäfers die vorderen und hinteren 5 mm abschneidet, kann man den im Fettgewebe liegenden Darm mit der Pinzette als ganzes herausziehen.
Der Darm wird dann in 0.6 % Kochsalzlösung zerzupft und das ganze dann mikroskopiert, evt. nachdem man grobe Stücke entfernt hat.
Die Gregarine zeigt den üblichen Aufbau aus Vorderabschnitt (Protomerit) und Hauptabschnitt (Deutomerit), sehr schön ist auch der Zellkern zu sehen.
Herzliche Grüsse
Holger
Leitz Orthoplan Plan Fluotar Phaco 100:1
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41533_15651604.jpg)
Hallo Holger,
vielen Dank für Deine Erklärungen zur Bildverarbeitung.
Viele Grüße
Rainer