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Foren => Mikrofoto-Forum => Thema gestartet von: Fahrenheit in Juni 01, 2010, 22:59:44 NACHMITTAGS

Titel: Botanik: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata) *
Beitrag von: Fahrenheit in Juni 01, 2010, 22:59:44 NACHMITTAGS
Liebe Mikroskopiker,

heute mochte ich Querschnitte der Fruchtblätter einer Sternmagnolie zeigen.

Die Sternmagnolie (Magnolia stellata) ist ein kleinerer Vertreter der etwa 230 Arten zählenden Gattung Magnolia.  Sie erreicht eine Höhe von 2 bis 5 Metern und trägt im zeitigen Frühjahr viele weiße Blüten, die durch eine Vielzahl (15 bis 36) länglicher Blütenblätter (Tepalen) ein sternförmiges Aussehen haben. Der Stamm verzweigt sich kurz über dem Boden und bildet eine breite Krone. Durch Ausläufer können ausgedehnte Dickichte entstehen. Junge Zweige sind gelblich grün und behaart, ältere Äste besitzen eine graue oder braune, raue Rinde.

Der schöne Zierstrauch stammt ursprünglich aus Japan, ist aber bei uns in vielen Gärten heimisch - so auch in unserem.

Zunächst einige Makroaufnahmen von der Blüte:

Bild 1 bis 3: Blüte der Sternmagnolie (1 und 2 Canon S3IS, 3 von "KENPEI" unter GNU Free Documentation License)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41351_30443362.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41351_27774046.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41351_41872544.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)

Die Blüte ist antizyklisch und lässt sich somit nicht nach Blütenblattkreisen geordnet durch eine 'Blütenformel' beschreiben. Vielmehr stehen die einzelnen Bestandteile der Blüte, angefangen von 2 Kelchblättern sowie gefolgt von Blütenhüllblättern, Staublättern und Fruchtblättern in unbestimmter Anzahl schraubig um eine Blütenachse angeordnet.

Nach der Blüte fallen die verwelkten Blütenhüll- und Staubblätter ab. Übrig bleiben die zapfenartig verwachsenen Fruchtblätter.

Bild 4: Verwachsene Fruchtblätter der Sternmagnolie (Canon S3IS)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41351_5216289.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)  
Unterhalb der Fruchtblätter sieht man noch die Ansatzpunkte der abgefallenen Staubblätter und Blütenhüllblätter.

Leider ist es bei unserer Pflanze noch nie zur Bildung von reifen Früchten gekommen. Daher hier eine Aufnahme von "IKAI" (GNU Free Documentation License)

Bild 5a/b: Reife Früchte der Sternmagnolie
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41351_33406432.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Es handelt sich um eine Balgfrucht, deren Fruchtwand hier bereits aufgerissen ist und die orangen Samen zeigt.

Nachtrag vom 15.09.2012: im letzte Jahr gab es dann doch einige befruchtete Blüten an unserer Sternmagnolie, so dass sich später früchte entwickelten. Im gezeigten Beispiel sind allerdings nur zwei befruchtete Fruchtanlagen zur Entwicklung gekommen, der Rest ist unbefruchtet.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41351_26894432.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)

Nun aber zum mikroskopischen Teil.

Etwa 8 bis 12 mm lange Stücke des "Fruchtblattzapfens" der Sternmagnolie habe ich in AFE fixiert und anschließend auf dem Zylindermikrotom mit Leica Einmalklingen im Klingenhalter geschnitten. Die Schnittdicke betrug 50 bis 60 µm. Nach einer Färbung nach Wacker "W3A" erfolgte der Einschluss über Xylol in Malinol.

Photografiert habe ich wie immer mit meiner Canon A520 über den Herrmannschen Adapter an einem Leica Periplan Okular. Mikroskop Leica DME mit Plan- bzw. C-Plan Objektiven.

Bild 6: Zentralzylinder mit Leitbündeln, Vergrößerung 50x, Stapel aus 10 Bildern
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41351_2289888.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Der Durchmesser des gesamten "Zapfens' beträgt etwa 6 mm, der Zentralzylinder nimmt davon ca. 1,9 mm ein.
Am rechten unteren Bildrand sieht man eine Samenanlage.

Bild 7: Ein Fruchtblatt mit Samenanlage, Vergrößerung 50x, Stapel aus 6 Bildern
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41351_35936128.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)  
Die Samenanlage liegt in einem Hohlraum im inneren des Fruchtblattes und auch zwischen den einzelnen Fruchtblättern kann es Hohlräume geben. Hier liegt der Grund für die recht große Schnittdicke. Dünnere Schnitte waren so fragil, dass sie mir beim Versuch, sie mit dem Pinsel abzunehmen, kollabiert sind.

Bild 8: Die Samenanlage, Vergrößerung 100x, Stapel aus 8 Bildern
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41351_6513040.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Gut erkennbar das Leitbündel zur Versorgung des sich bildenden Samens. Die größte Länge der Samenanlage beträgt etwa 800 µm.


In der getroffenen Schnittebene zeigt sich eine Auffälligkeit, die ich mir nicht ohne weiteres erklären kann: es gibt zwei mehr oder weniger konzentrische Ringe von Leitbündeln. Den inneren ordne ich dem Zentralzylinder zu, von dem die einzelnen Fruchtblätter abgehen. Somit sollten die Leitbündel des äußeren Rings zu den einzelnen Fruchtblättern gehören.
Seltsamer Weise ist nun der Aufbau der Leitbündel spiegelverkehrt. Die innen liegenden Bündel zeigen klassisch ein innenliegendes Xylem, gefolgt vom Phloem. Bei den äußeren Bündeln ist die Reihenfolge jedoch umgekehrt: das Xylem schließt sich außen an das innenliegende Phloem an.

Bild 9: Leitbündelanordnung im Querschnitt wie oben beschrieben, Vergrößerung 100x, Stapel aus 8 Bildern
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41351_24651352.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
von Innen (unten) nach Außen:
IXl  : innenliegendes Xylem
APl : außenliegendes Phloem
IPl  : innenliegendes Phloem
AXl : außenliegendes Xylem

Hat jemand eine Idee, wie diese Anordnung zustande kommt?

Bild 10: Leitbündel aus dem inneren Ring, Vergrößerung 200x, Stapel aus 6 Bildern
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41351_35569036.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)

Bild 11: Leitbündel aus dem äußeren Ring, Vergrößerung 200x, Stapel aus 5 Bildern
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41351_57102766.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)

Danke für's Lesen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg

Edit: leider ist mir gestern Abend beim Bild 3 die Autorennennung durchgegangen, die ich eben nachgeholt habe. Das Bild ist nicht von mir, sondern von "KENPEI" in den Wikimedia Commons unter GNU Free Documentation License veröffentlicht.
Sorry.

Edit: verlorene Bilder wieder hergestellt.
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Bernhard Lebeda in Juni 02, 2010, 00:28:42 VORMITTAG
Zitat von: Fahrenheit in Juni 01, 2010, 22:59:44 NACHMITTAGS


Danke für's Lesen,

 

..gerne geschehen !  ;D

Lieber Jörg

ein wunderschöner Beitrag!

Bild 1 und 3 sind meine Favoriten, einfach schön!!


Viele Grüsse

Bernhard
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: steffenclauss in Juni 02, 2010, 07:25:45 VORMITTAG
Hallo Jörg,

ein interessanter Beitrag hinter dem viel Arbeit steckt, Danke!
Ich habe vor ca 15 Jahren den letzten Schnitt (mit Handmikrotom) durch irgendein Gewebe gemacht. Der Erfolg war "mäßig" und habe es dann demotiviert gelassen. Chemikalien stehen noch im Keller, vielleicht versuch ich es nochmal...
..irgendwann.


viele Grüße
Steffen
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Mila in Juni 02, 2010, 08:01:52 VORMITTAG
Lieber Jörg,

Fruchtblattschnitte habe ich ja noch nie gesehen; ich bin begeistert!!! :)

Klasse!

Beeindruckte Grüße von
Mila
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Frank Fox in Juni 02, 2010, 08:14:04 VORMITTAG
Hallo lieber Jörg,

das ist wirklich mal wieder eine sehr schöne Dokumentation.  ::)

... und für mich auch Anregungen für eigene Schnitte.  ;)

Herzliche Grüße
Frank
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Fahrenheit in Juni 02, 2010, 08:33:47 VORMITTAG
Liebe Freunde,

vielen Dank für Eure netten Kommentare! Es freut mich wie immer, dass meine Arbeit ankommt.

Liebe Mila,

nun, Fruchtblattquerschnitt war vielleicht etwas viel gesagt. Mit meiner Technik war das nur möglich, weil die Magnolien so nett sind, für Mikroskopiker, die mit dem Zylindermikrotom arbeiten, verwachsene Fruchtblätter in ausreichender Größe vorzuhalten.  
Die Hälfte des Lobes leite ich also an unsere Sternmagnolie weiter ...
:) :)

Lieber Steffen,

bei meinem ersten Anlauf mit einem Garnrollenmikrotom und nachher mit dem heute noch erhältlichen Rasierklingenmikrotom (http://www.haga-metallwaren.de/mikrotom.htm) ist es mir genau so gegangen.
Ich denke, mir fehlte damals (mit 14 oder 15 Jahren) die Geduld.
Ich habe vor anderthalb Jahren wieder angefangen, Schnitte zunächst freihand zu erstellen und nutze nun ein Zylindermikrotom (Leihgabe eines lieben Mikroskopikerkollegen) sowie den Klingenhalter von Detlef mit Einmalklingen von Leica. Da gibt es sicher noch einiges zu verbessern, aber im Gegensatz zu damals bin ich mit meinen Ergebnissen recht zufrieden und der Aufwand hält sich in Grenzen.
Wenn Dich die Erstellung botanischer Dauerpräparate interessiert, kann ich Dir nur empfehlen, Dein Mikrotom zu entstauben und es einfach nochmal zu versuchen.

Lieber Bernhard,

die Makrophotografie mit einfachen Mitteln ist ein weiteres Hobby von mir, das sich hier wunderbar kombinieren lässt.
Mit der Canon S3IS bin ich da sehr zufrieden - die Aufnahmen sind ohne große Vorbereitungen entstanden. Einfach auf gutes Wetter warten, Kamera raus und in den Garten.  ;)
In der Regel mache ich so sechs, acht Bilder von einem Motiv - ein gutes ist immer dabei.

Lieber Frank,

da Du mit der Paraffintechnik arbeitest, wirst Du sicher deutlich schönere Schnitte hinbekommen. Die Zellen der Fruchtblätter sind ja vergleichsweise klein und ich musste wegen der Hohlräume recht dick schneiden. Beides ist bei Deinen 10 µm Schnitten kein Problem.
Hast Du eine eigene Quelle? Ansonsten könnte ich Dir ein Probenstückchen zukommen lassen (war 4 Tage in AFE und lagert jetzt in Ethanol 70%).
Auf jeden Fall freue ich mich auf Deine Bilder!


Zu der von mir zu Bild 9 aufgeworfenen Frage zur Orientierung der Leitbündel ist mir heute Morgen eine Idee gekommen. Ich bin bisher davon ausgegangen, dass die Fruchtblätter 'stehend' mit dem Zentralzylinder verwachsen sind. Dann wäre die Anordnung der Bündel schwer zu erklären.
Wenn sie aber 'hängend' verwachsen sind, ergibt sich die beobachtete Spiegelsymetrie quasi von alleine.
Ich werde mal versuchen, ob mein zeichnerisches Geschick ausreicht, diese Idee zu skizzieren.

Allen herzliche Grüße
Jörg
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Jürgen Boschert in Juni 02, 2010, 09:10:06 VORMITTAG
Lieber Jörg,

wenn auch verspätet: Danke für diese meisterhafte Darstellung.

Beste Grüße !

JB
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Detlef Kramer in Juni 02, 2010, 13:38:18 NACHMITTAGS
Hallo,

lieber Jörg, wieder eine tolle Story!

Zu Deinem Problem. Das Fruchtblatt ist tatsächlich ein Blatt, und beim Blatt ist das Xylem stets auf der Oberseite, weil es ja von dem innen liegenden Spross-Xylem abgeht. Aber, bei der Entwicklung des Fruchtblattes rollt sich dieses um die Längsachse zusammen und zwar zur Achse hin. Dadurch erscheinen die inneren Leitbündel "umgedreht". Ich hoffe, die Erklärung stimmt; auch der Strasburger gibt dazu keine verlässliche Auskunft.

Herzliche Grüße

Detlef
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Eckhard in Juni 02, 2010, 18:26:22 NACHMITTAGS
Lieber Jörg,

ich sehe, Du bist weiterhin sehr fleissig :D

Eine schöne Dokumentation und eine gute Idee. Bild 10 gefällt mir sehr.

Herzliche Grüsse
Eckhard
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Fahrenheit in Juni 02, 2010, 19:02:53 NACHMITTAGS
Liebe Freunde,

auch Euch vielen Dank für Euer Lob!

Lieber Eckhard,

nur leider habe ich gerade ein Problem mit den verschwindenden Rottönen. Ich habe schon das Isopropanol ausgetauscht und diesmal über Xylol in Malinol eingedeckt. Irgendwo ist da noch der Wurm drin.

Lieber Detlef,

danke für Deine Erläuterungen. Das obenliegenden Xylem der Blätter war auch Ausgangspunkt meiner Überlegungen.
Um die beobachtete Situation zu erreichen, müssten sich die Fruchtblätter dann spiralig aufgerollt haben. An der Schnittfläche hätte die sich bildende Wendel dann mindestens eine halbe Drehung (allgemein n + 1/2 mit n = 0,1,2 ...).
Ich habe mal ein wenig gegoogled: in den üblichen Scripten (z.B. Synkarpie hier: http://www.limno.biologie.tu-muenchen.de/lehre/material/pflanzen/bluete.html oder hier: https://www.uni-hohenheim.de/lehre370/weinbau/bild_htm/befrucht/fk5syn.htm) sieht es für mich so aus, als ob das Leitbündel außen liegt und nur der "Blattspreit" parallel zu Achse eingerollt ist.
Wobei die verlinkten Skizzen sich wohl auf wirtelige Fruchtblätter beziehen.

Ich werde noch mal weiter lesen. Im Escherich und im Haberland finde ich jedenfalls auch nichts Konkretes.

Herzliche Grüße
Jörg
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Eckhard in Juni 02, 2010, 19:07:41 NACHMITTAGS
Jörg,

Bring doch ein paar Schnitte mit nach Darmstadt. Dann können wir die zusammen färben. Rot muss her!

Herzliche Grüsse
Eckhard
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Bernhard Lebeda in Juni 02, 2010, 19:33:48 NACHMITTAGS
Zitat von: Fahrenheit in Juni 02, 2010, 08:33:47 VORMITTAG


Lieber Bernhard,

die Makrophotografie mit einfachen Mitteln ist ein weiteres Hobby von mir, das sich hier wunderbar kombinieren lässt.
Mit der Canon S3IS bin ich da sehr zufrieden - die Aufnahmen sind ohne große Vorbereitungen entstanden. Einfach auf gutes Wetter warten, Kamera raus und in den Garten.  ;)
In der Regel mache ich so sechs, acht Bilder von einem Motiv - ein gutes ist immer dabei.



Hallo Jörg

jetzt musste ich aber lange nachdenken: wovon redet der Mann?  ;D ::)

Mea culpa, die Makros meinte ich gar nicht (obwohl die natürlich auch schön sind), Ich meinte die Bilder 6 und 8.


Viele Mikromakrogrüsse

Bernhard


Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Fahrenheit in Juni 02, 2010, 19:46:17 NACHMITTAGS
Lieber Eckhard,

einige Schnitte habe ich noch und wenn Frank die Probe nicht haben möchte, bringe ich sie ebenfalls gerne mit.

Lieber Bernhard,

ich verstehe Deine Verwirrung - aber Du hattest 1 und 3 benannt - wobei 3 nicht mal von mir ist, was ich gestern vergessen hatte, korrekt zu bezeichnen.  :-[ ;D

Herzliche Grüße
Jörg
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Hans-Jürgen Koch in Juni 02, 2010, 20:15:00 NACHMITTAGS
Lieber Jörg,

super Beitrag, tolle Bilder.

Gruß

Hans-Jürgen
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Fahrenheit in Juni 03, 2010, 10:02:11 VORMITTAG
Lieber Hans-Jürgen,

auch Dir vielen Dank für Dein Lob!

Liebe Freunde,

nach einer erneuten Betrachtung der Präparate möchte ich in der Hoffnung, der Lösung zum Rätsel der Leitbündel näher zu kommen, noch ein paar Bilder zeigen.
Langsam ist mir das ja fast peinlich. Ich kann schnibbeln was ich will, ich stolpere immer über irgend was, das sich einer schönen, einfachen Erklärung widersetzt.  :o

Bild 12: weitere Details zur Lage der Leitbündel (Vergrößerung 100x, Stapel aus 6 Bildern)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41434_19554791.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Die großen 'inversen' Leitbündel sitzen  meines Erachtens an der Stelle, an der die eingerollten Fruchtblätter mit dem 'Zentralzylinder' des Fruchtstandes verwachsen sind und somit zwischen zwei Fruchtblättern. Ich vermute daher, dass sie nicht direkt zum Gewebe eines Fruchtblattes gehören.

Bild 13: Das Hauptleitbündel des eines Fruchtblattes (Vergrößerung 100x, Stapel aus 6 Bildern)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41434_7550386.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Das kleinere Hauptleitbündel des Fruchtblattes an der Außenseite des selben unterstützt meine Vermutung.
Sorry für das schlechte Bild, die Leitbündel im Außenbereich der Schnitte sind leider alle mehr oder weniger schräg getroffen.

Hier liegt das Xylem innen, zur Kammer mit den Samenanlagen hin orientiert. Das Fruchtblatt ist also so zuammengerollt, dass die "Oberseite" die Wände der Samenkammer bildet und die "Unterseite" die Außenwand.

Bild 14: noch mehr Details zur Lage der Leitbündel (Vergrößerung 100x, Stapel aus 8 Bildern)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41434_4223059.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Ins Bild passt da auch der angeschnittene Leitbündelbogen, der hier auf 11 Uhr zu sehen ist. Ein solcher Bogen würde auch die spiegelbildliche Anordnung der inneren und äußeren Leitbündel erklären.
Andererseits würde man am Ansatzpunkt der Blätter klassischerweise Gabelungen erwarten. Siehe z.B. Escherich, Funktionelle Pflanzenanatomie, 1995, Seite 47.

Das ganze erscheint mir doch recht komplex zu sein ...


In einem weiteren Präparat habe ich noch eine sehr schön angeschnittene Samenanlage gefunden, die ich Euch nicht vorenthalten möchte:

Bild 15: Samenanlage der Sternmagnolie, Vergrößerung 100x, Stapel aus 6 Bildern
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41434_55819965.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Die Samenanlagen der Sternmagnolie sind atrop. Die Länger beträgt ca. 645 µm, die Breite ca. 380 µm.
F : Funiculus, Stiel
C : Chalaza, Basalregion
I  : Integument, Hülle
N : Nucleus, Gewebekern

Bild 16: Eine Ausschnittsvergrößerung des Nucleus (Vergrößerung 200x, Stapel aus 10 Bildern)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41434_28870487.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Leider lassen sich Ei- und Hilfszellen sowie die Antipoden nicht sehen - ich kann sie jedenfalls nicht entdecken.  :)

Im Gewebe des Fruchtstandes gibt es immer wieder Ansammlungen von Steinzellen, die eine teilweise sehr komplexe Struktur haben. Auch dazu noch ein Bild:

Bild 17: Steinzellennest (Vergrößerung 400x, Stapel aus 12 Bildern)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41434_24103541.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Die Länge des luftgefüllten Innenraums der rechten Zelle beträgt ca. 50 µm.

Ich würde mich sehr freuen, wenn wir noch zu einer Entwirrung der Leitbündelknäule gelangen würden.  ;D

So, für jetzt muss es reichen, die Sonne lockt mich auf die Terrasse!

Herzliche Grüße
Jörg

Edit: verlorene Bilder wieder hergestellt.
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Muschelbluemchen in Juni 03, 2010, 13:22:55 NACHMITTAGS
Hallo Jörg

Danke für die Anregung zu einem interessantem Objekt, und die Schnitte sind dir wirklich gut gelungen!

>Daher hier eine Aufnahme von "IKAI" (GNU Free Documentation License)
Sag mal was ist eigentlich IKAI? Mit GNU kann ich was anfangen, da ich selbst nur unter Linux arbeite aber IKAI ???

herzliche Mikrogrüße
Leopold
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Fahrenheit in Juni 03, 2010, 13:48:32 NACHMITTAGS
Lieber Leopold,

auch Dir herzlichen Dank!

IKAI ist der Autor des Bildes, das dieser unter der GNU Free Documentation License zur Nutzung frei gegeben hat.

Die Quelle (Wikimedia Commons) findest Du hier: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Sternmagnolie_Fr%C3%BCchte.jpg

Herzliche Grüße
Jörg
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Mila in Juni 04, 2010, 09:32:32 VORMITTAG
Zitat von: Fahrenheit in Juni 03, 2010, 10:02:11 VORMITTAG
Langsam ist mir das ja fast peinlich. Ich kann schnibbeln was ich will, ich stolpere immer über irgend was, das sich einer schönen, einfachen Erklärung widersetzt.  :o

;D

Lieber Jörg, gut so! Mach weiter, so bleibe ich nicht auf meinem Wissen hocken, sonder lerne immer selber auch weiter hinzu! Ich finde das sehr spannend. Meine Brut wird es sicher gar nicht glauben können, dass jemand freiwillig (!) sich so detailliert mit botanischen Fragestellungen auseinandersetzt, ohne das tun zu müssen :)

Deine Fotos sind klasse und die Beschriftungen dazu sicher für alle sehr hilfreich. Ich kenne zu diesem Thema nur Zeichnungen oder sehr schlechte Mikro-Aufnahmen.

Herzliche Grüße
Mila
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Fahrenheit in Juni 04, 2010, 11:04:30 VORMITTAG
Liebe Mila,

danke für die Aufmunterung! Glücklich sind die, deren Beruf ihrer Berufung entspricht.  
:-X

Hast Du vielleicht eine Idee, die hilft, den gordischen Leitbündelknoten zu zerschlagen?

Oder einen Tipp zu einem guten Buch zur Blütenanatomie? Leider schweigen sich Haberlandt und Escherich dazu ja komplett aus und die allgemeinen Beschreibungen zum Leitbündelverlauf beim Übergang zwischen Spross und Blatt helfen nicht wirklich weiter.

Noch mal für alle, die miträtseln möchten:
die Frage ist, wie die spiegelbildliche Anordnung der Leitbündel z.B. in den Bildern 12 und 14 zustande kommt. Normalerweise würde man bei der Magnolie die klassische Orientierung (Xylem immer innen (Spross) oder oben (Blatt) erwarten.

Bisher haben wir die Vermutung von Detlef, dass sich die einzelnen Fruchtblätter in diesem Falle spiralig einrollen und es somit Stellen gibt, an denen sich die Leitbündel aus der Blütenachse ("Zentralzylinder") und dem Fruchtblatt spiegelbildlich gegenüber liegen.
Wenn dem so ist, bleibt offen, wie die kleinen Leitbündel an der Außenseite der Fruchtblätter einzuordnen sind (Bild 13) und wie die Bögen oder Gabelungen ins Bild passen, die sich im Bild 14 im Anschnitt zeigen.  

Lieber Detlef,

wenn die Fruchtblätter spiralig eingerollt sind, müsste es da nicht auch Schnittebenen geben, in denen die Ansatzpunkte der Samenanlagen nicht innen an der Blütenachse, sondern beliebig auf der "Leitbündelwendel" des Fruchtblattes liegen?
OK, auf dem Bild vom reifen Fruchtstand sieht es so allerdings so aus, als ob sich pro Fruchtblatt nur ein Samen entwicklen würde ...

Herzliche Grüße
Jörg

 
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Mila in Juni 04, 2010, 20:58:48 NACHMITTAGS
Lieber Jörg,

eine kluge Aufklärung kann ich -zumindest momentan- auch nicht liefern (außer: isso, nuzjanix! ;))

Ich arbeite vorrangig mit folgenden Büchern:
Botanik, Jäger, Neumann, Ohmann
und
Botanik, Lüttge, Kluge, Bauer,

wobei das Zweite mein absoluter Favorit ist!

Eben auf die Schnelle fand ich in diesen Werken zum Leitbündelverlauf aber auch keine Erklärung. Bleibe dran...

Herzliche Grüße
Mila
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Detlef Kramer in Juni 04, 2010, 21:49:30 NACHMITTAGS
Liebe Mila,
ZitatBotanik, Lüttge, Kluge, Bauer,

wobei das Zweite mein absoluter Favorit ist!

Da darfst Du Dich schon einmal auf den Nachfolger freuen, bzw. die neue, aufgebohrte Version. Geht gerade in Druck.http://www.wiley-vch.de/publish/dt/books/forthcomingTitles/LS00/3-527-32030-X/?sID=avm1bp64708489093oikblo471

Herzliche Grüße

Detlef
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Mila in Juni 04, 2010, 22:36:27 NACHMITTAGS
Lieber Detlef,

das ist ja supergute Neuigkeit, danke :)

Viele Grüße
Mila
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Jürgen H. in Juni 05, 2010, 22:11:03 NACHMITTAGS
Hallo Jörg,

kann es event. sein, dass die Leitbündel einen bogenförmigen Verlauf nehmen und Du die gleichen Leitbündel zweimal durchschneidest: Einmal als aufsteigende, und einmal als absteigende? Bilde 12 die Stelle bei 11 Uhr wäre dann gerade der Scheitelpunkt eines Bogens? Man müsste versuchen, Serienschnitte zu machen..

Gratulation aber zu den schönen sauberen Schnitten...

Mikrogrüße

Jürgen
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Fahrenheit in Juni 05, 2010, 22:51:56 NACHMITTAGS
Lieber Jürgen,

auch Dir herzlichen Dank!

Ja, an Bögen habe ich auch schon gedacht, besonders in Bild 12 drängt sich diese Interpretation auf. Ich Habe noch weitere Schnitte, die ähnliche Strukturen zeigen.

Überhaupt gibt es in der Nähe der Samenanlagen ein ziemliches Wirrwar großer Leitbündel. Leider habe ich dazu noch nichts im Netz gefunden und meine Literatur schweigt sich auch aus.

Herzliche Grüße
Jörg
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Fahrenheit in Juni 06, 2010, 13:08:29 NACHMITTAGS
Liebe Pflanzenfreunde,

beim Stöbern im Netz bin ich auf ein PDF-Skript zur Pflanzenanatomie des Fachbereiches Biologie der Uni Marburg gestoßen: Link zum Script (http://www.uni-marburg.de/fb17/fachgebiete/pflanzenphysio/lehre/anatomiephysiologie/km4tag7).

Dort gibt es eine schöne Illustration, die, wie ich glaube, des Rätsels Lösung enthält:

Bild 17: Wir entrollen ein Fruchtblatt ... natürlich nur theoretisch:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41644_3528389.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Dazu gibt es im oben genannten Script die folgende Bildunterschrift mit Quellenhinweis:
Die theoretische Ausrollung der Fruchtblätter zeigt die randständige (marginale) Position der Samenanlagen, die sich wahrscheinlich aus randständigen Megasporangien entwickelt haben. Aus: D. Böhlmann ,,Botanisches Grundpraktikum zur Phylogenie und Anatomie" (UTB Quelle & Meyer 1994)

Somit habe ich Dich, lieber Detlef, vermutlich völlig falsch verstanden, in dem ich von einem spiralig aufgerollten Fruchtblatt ausgegangen bin.

Auf jeden Fall erklärt die obige Illustration schön die spiegelbildliche Anordnung der gegenüberliegenden Leitbündel z.B. aus Bild 12.
Die inneren gehören zur Blütenachse (die ich weiter vorne auch als Zentralzylinder bezeichnet hatte), die äußeren zu den eingerollten und verwachsenen Fruchtblättern.

Die Basis der eingerollten Fruchtblätter, quasi das Gewebe, aus dem der Stiel der Samenanlage (Funiculus) entspringt, wird dabei als Plazenta bezeichnet. In Analogie zur Plazenta der Säugetiere muss ich dabei an ein stark mit Leitbündeln durchsetztes Gewebe denken, dass die ausreichende Nährstoffversorgung der sich entwickelnden Frucht sicher stellen soll.
Das wäre aus meiner Sicht auch ein Erklärungsansatz für das beobachtete 'Leitbündel Wirrwar' in meinen Schnitten.

Dazu hier eine weitere Illustration aus dem Skript der Uni Marburg:

Bild 18: Fruchtblatt und Samenanlage
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/41644_24559820.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)

Ich hoffe, ich liege mit meinen Interpretationen richtig und würde mich über Kommentare und Korrekturen sehr freuen.

Herzliche Grüße
Jörg

Edit: verlorene Bilder wieder hergestellt.
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Mila in Juni 06, 2010, 13:23:02 NACHMITTAGS
Lieber Jörg,

heute vormittag hatte ich mich in "Pflanzenanatomisches Praktikum I" von Braune/Lemann/Taubert vertieft und denke, dass deine Interpretation richtig ist. Danke für den link zum Uni-Skript.
(Was tut man nicht alles, wenn man eigentlich korrigieren muss... ;))

Herzliche Grüße
Mila

Nachtrag: also ist es so, wie Detlef schrieb :)
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Detlef Kramer in Juni 06, 2010, 17:13:57 NACHMITTAGS
Danke,

ich fühle mich gebauchpinselt!

Bis Freitag, tschüss,

Detlef
Titel: Re: Fruchtblätter der Sternmagnolie (Magnolia stellata)
Beitrag von: Fahrenheit in Juni 06, 2010, 22:36:54 NACHMITTAGS
Liebe Mila, lieber Detlef,

damit ist auch dieses Rätsel gelöst - obwohl es wohl nur für mich wirklich eines gewesen ist.  :)

Wie immer vielen Dank für Eure Unterstützung!

Herzliche Grüße und bis Freitag!
Jörg