Liebes Forum,
viele Einzeller sind sensitiv gegenüber Licht und zeigen eine Reaktion darauf. Dies tun sie jedoch meist im Sinne einer phototaktischen Reaktion, wobei ihr Bewegungsmuster sie zu einer Lichtquelle führt, oder von ihr weg.
Es gibt jedoch nur wenige Einzeller, die eine sofortige Reaktion auf Licht zeigen, was einen leistungsfähigen Photorezeptor voraussetzt. Aus dem Simmelried ist mir seit Jahren eine Nacktamöbe bekannt, die eine sofortige Reaktion auf die Halogenlampe meines Mikroskopes zeigt. Bei dem Versuch sie zu fotografieren, zieht sie sich sofort zusammen, sobald sie "anvisiert" wird. Ich glaube, dass es sich bei dieser Amöbe um eine Leptomyxa handelt, evtl. um L. fragilis. Sie ist oft mit Detritusteilchen bedeckt, baut aber kein Gehäuse.
Ich habe schon früher versucht diesen Effekt zu dokumentieren, was mir aber mangels geeigneter Ausrüstung nicht gelungen ist. Mit meiner neuen E-P1 konnte ich jedoch den Effekt recht einfach und eindrücklich dokumentieren:
https://www.youtube.com/watch?v=RrU-P7teOec
Die Frage ist, wie Leptomyxa das macht. Was und wo ist der Photorezeptor? Welchen Sinn hat diese Reaktion. Ich kann mir im natürlichen Lebensraum dieser Amöbe kaum eine Situation vorstellen, wo dies hilfreich sein könnte. Vielleicht weiß jemand mehr dazu?
Viel Spass beim anschauen!
Martin Kreutz
Lieber Martin,
herzlichen Dank für diesen eindrucksvollen Film! Bin sehr begeistert, aber zur Fragestellung kann ich nichts beitragen.
Liebe Grüße
Regi
Lieber Martin,
ich teile Regis Begeisterung, kann aber, so fürchte ich, auch nichts zu Deiner Fragestellung beitragen.
Eine Vermutung sei mir erlaubt: wenn sich die Amöbe vor Wärme und / oder Verdunstung (sie scheint im Boden häufig zu sein : http://starcentral.mbl.edu/microscope/portal.php?pagetitle=assetfactsheet&imageid=2810 ) schützen möchte, in dem sie ihre Oberfläche durch das Zusammenziehen verkleinert, muss ja kein regelrechter Sehsinn vorhanden sein. Ein einfacher hell-dunkel Rezeptor würde da doch reichen.
Herzliche Grüße
Jörg
Hallo Jörg,
die gezeigte Leptomyxa kommt in der obersten Schlammschicht des Gewässers vor und zwar zusammen mit vielen anderen Amöbenarten. Der Gefahr der Austrocknung stehen dort alle Arten auch gegenüber, jedoch nur diese Amöbe zeigt diese Reaktion. Beleuchtet man Mayorella, Dinamoeba oder Trichamoeba in gleicher Weise, passiert nichts. Es ist bestimmt keine Reaktion auf sichtbares Licht, sondern auf die leichte Erwärmung, die das fokussierte Lampenlicht erzeugt. Ich kann mir vorstellen, dass dadurch irgendwelche Membranpotentiale verändert und Ionenkanäle geöffnet oder geschlossen werden und so diese Reaktion erfolgt. Aber seltsam ist es schon. Vielleicht hat jemand noch andere Ideen.
Schönen Abend!
Martin
Lieber Martin,
auf der von mir verlinkten Seite wird "soil" als hauptsächliches Habitat angegeben. Da könnte eine solche Reaktion doch Sinn machen: als Bodenlebewesen bedeutet Licht immer auch Wärme und damit Austrocknungsgefahr. Ich könnte mir vorstellen, dass eine Reaktion auf Licht physiologisch schneller möglich ist, als auf Erwärmung.
Herzliche Grüße
Jörg
Hallo Martin,
Das sind sehr schöne Bilder. Leider kann ich keine sinnvolle Beitrag liefern für ein Antwort auf deine Frage. Diese Amoebe ist vielleicht eine Rhizamoeba, weil Leptomyxa fragilis sehr viele kleine Kerne hat. Deine Amoebe hat nur eine Kern. Ich kenne die Rhizamoeben gut, sie kommen in viele Gewässertypen vor und sind immer sensitiv für Licht. Sie lassen sich aber meistens schwer beobachten weil sie sich immer mit Detritus bedecken.
Herzliche Grüße,
Ferry
Tolle Bilder, bzw. Video !
Wie wäre ein Versuch mit Blaulicht und dann mit Rotlicht?
Die Blaufilter bräuchten aber noch ein Wärmeschutz- oder IR-Sperrfilter. Damit könnte man dann erkennen, ob es die Wärmestrahlung oder der Lichtreiz ist.
Viel Erfolg bei den weiteren Versuchen.
Grüße
Peter
Zitat von: peter-h in Juli 24, 2010, 23:28:47 NACHMITTAGS
Damit könnte man dann erkennen, ob es die Wärmestrahlung oder der Lichtreiz ist.
sollte dafür nicht auch ne led-taschenlampe reichen?
Hallo Martin,
Ein sehr schöne und interessante Film.
In Bodman haben wir mit Amoeba Proteus auch Versuchen gemacht, er verschwindet auch für das Licht.
Vielleicht kannst du darüber reden in Bodman mit Prof Dr Klaus Hausmann.
Herzlichen Gruss
Jan
Hallo an alle,
vielen Dank für die Beiträge und Diskussion. Nachdem Ferry auf die Kernverhältnisse bei Leptomyxa hingewiesen hat, glaube ich nun eher, dass es sich um eine Rhizamoeba handelt.
Was die Licht- bzw. Wärmeempfindlichkeit angeht, so kann man sicher einige schöne Experimente anstellen, welcher Teil des Spektrums dafür verantwortlich ist. Ich werde (wenn ich Zeit finde) mal einiges versuchen. Werde dann hier berichten.
Schönen Sonntag!
Martin
Hallo Martin,
höchst interessant! So krass habe ich eine Reaktion auf Licht bei Amöben nie beobachten können. Ich kenne ähnliche "Lichtreaktion" auch von Biomyxa vagans. Im dunklen voll ausgebreitet (somit ideal zur Beobachtung) zieht diese bei einschalten der Mik-Beleuchtung ihre Filopodien sehr schnell zusammen. Nach wenigen Sekunden hat sich diese dann komplett zu einem kugeligen Ruhestadium zusammengezogen. Wärmereakion kann ich durch die Beleuchtung auschließen, da ich trotz LED immer einen Wärmeschutzfilter im Beleuchtungsgang eingeschalten habe.
Bin gepannt auf Deine weiteren Untersuchungen!
viele Grüße
Steffen
Hallo Martin,
Vielen Dank das du das Video nochmal hochgeladen hast!
Gerade die Lichtempfindlichkeit finde ich sehr intersannt, vor allem im Bereich der Wahrnehmung.
Ich betreibe das Tümpeln in meiner Freizeit und auch oft mit den Kindern.
Deshalb ist es für mich auch intersannt was ich dabei fühle, bzw. wie weit ich eine Vorstellung vom realen Mikrokosmos bekommen kann.
Meinen wahrnehmen nach wird beim Mikroskopieren nicht nur die Strecke stark aufgezogen sondern auch einige andere Dinge die mann eigentlich gar nicht aufziehen kann zumindest nicht so das sie im richtigen Verhältniss wahrgenommen werden können.
Am deutlichsten ist dieser Effekt bei der Zeit zu sehen, beim Blick durchs Okular bin ich erstaunt wie schnell die Fortbewegung ist, im Verhältniss zu wahrgenommen Größe passt es wieder, das Verhältniss Zeit/wahrgenommene Strecke, allerdings überhaupt nicht. Versucht mann jetzt mit einer Highspeedkamera die Zeit der Strecke anzupassen, dann passt die Frequenz der Cilien schläge nicht mehr.
Ich denke das Verhalten mit dem Licht geht ganz in diese Richtung, wenn auch auf einer anderen ebene.
Treibe ich das Plankton praktisch vor mir her, habe ich das Gefühl es entsteht Stress, so als würde ich jemanden mobben, es wirkt also mehr auf der Sozialen ebene, ich will ja niemanden mobben...
Das fand ich SEHR intersannt das auch bis dort hin "Gefühle" mit "aufgezogen" werden.
Eine Technik die das alles kompensieren kann wird es wahrscheinlich nie geben, das wird wohl immer Kopfarbeit bleiben.
Das sind so die Gedanken die ich mir dabei mache :)
Falls Mitglieder meine Wahrnehmung teilen oder vieleicht ein anderes Licht darauf werfen möchten, vieleicht aus wissenschaftlicher Sicht, gerne!
Grüße
Tobias
Hallo Martin,
danke für das schöne Video. Ich kenne dieses Verhalten auch von Biomyxa und Cochliopodium. Cochliopodium zieht sich zusammen und versucht, dem Licht zu entfliehen. Dabei werden Nahrungsreste ausgeschieden.
Herzliche Grüsse,
Eckhard