Hallo!
Eine Frage an unsere Chemiker und Farbexperten:
Ich habe heute einmal eine uralte Chemikalienkiste durchstöbert und unten aufgeführte Substanzen / Lösungen gefunden.
Meine Frage ist ganz allgemein, welche dieser Substanzen für die Mikroskopie ( noch ) brauchbar sind, ob es irgendwelche Anmerkungen bzgl. Toxizität und ggf. Zersetzung gibt.
Anzumerken ist hierzu, daß die Flaschen zwar dicht verschlossen, aber ca. 25 - 30 Jahre auf einem Dachboden ( also bei sehr wechselnden Temperaturen ) gelagert waren.
Gibt es etwas, was ich direkt entsorgen kann, weil es möglicherweise untauglich geworden ist?
Ferner fand sich noch eine original verschlossene Flasche mit 500 ml Eisessig. Ob das wohl noch 99% Essigsäure ist?
Hier nun die aufgefundenen Chemikalien:
Fuchsin Plv.
Chlorzinkjod-Lg.
Sudan III - Plv.
Safranin rein Plv
Eosin
Sudan III Lg. alkoholisch gesättigt
Methygrün Plv.
Methylenblau Plv.
Neutralrpt Plv.
Carmin rub. opt. Plv.
Kresolrot Plv.
Karminessigsäure-Lg.
Alzarin-Viridin-Chromalaun-Lg
Methylenblau-Lg
Astrablau-Lg
Pikrinsäure-Lg ( für die Kreatininbestimmung )
Lugolsche Lg
Ziehl-Nelsen-Lg
Gram-Lg.
May-Grünwald-Lg
Giemsa-Lg
Methylorange-Lg.
Methylrot-Lg
( ich denke, diese beiden Substanzen werden nur als ph-Indikatoren und nicht in der Mikroskopie verwendet? )
Herzliche Grüße
Peter
Ich habe beihnahe alle Stoffe auf dieser Liste.
Die Farbstoffe halten sich als Pulver und verschlossen eine Ewigkeit, da sollte nichts passiert sein.
Die Lösungen davon haben evtl. nicht mehr die ursprüngliche Konzentration falls die Flaschen nicht absolut dicht waren. Sollte aber zum reinen Färben nichts weiter machen --> ausprobieren.
Eisessig wird weder oxidiert und macht auch keine lästigen Kondensations oder Polymerisationsreaktionen. Desweiteren ist er nicht hygroskopisch. (Stellen Sie ihn doch einfach mal in Ihren Kühlschrank, Eisessig wird bei ~ 16 °C fest)
Bez. der Chlorzinkiod-, der Giemsa- und der Gramlösung bin ich mir nicht sicher.
Kurz gesagt die Chemikalien können sie meiner Meinung nach noch so gut wie alle benutzen, nur bei den Lösungen würde ich es mal ausprobieren.
Bez. Toxizität einfach mal in der Gestis Datenbank nachschaun und zur Verwendung das empfohlene Handschuhmaterial tragen.
Man hat rausgefunden das Farbstoffe mit Diazobindung mitunter krebserregend sind weil der menschliche Körper diese wieder in die ursprünglichen Amine spalten kann (Also viel Spaß mit z. B. Benzidinfarbstoffen), also nicht inkorporieren.
Hehe und wegen der Pikrinsäure (übrigends giftig) Lösung hoffe ich mal das man Sie nicht gleich als Terrorist verhaftet und die Flasche im Garten sprengt.
Sollte da doch mal was eintrocknen: die Flasche aufmachen und Wasser nachfüllen. Die Darstellung der Medien vom "hochempfindlichen Sprengstoff" an Schulen entspricht nicht den Tatsachen. In unserer Firma verwenden wir das schon seit Jahrzehnten und noch niemals ist was passiert, selbst mit der staubtrockenen Substanz im Gewinde und noch nichtmal wenn einem die Flasche runterfällt.
Man bedenke mal das der Stoff im WKI als Granatenfüllung verwendet wurde und man sowas niemals gemacht hätte wenn die Substanz derart empfindlich wäre....
Lediglich Schwermetallpikrate (siehe Material aus dem GranatenHÜLSEN gemacht werden) weisen die oft zitierte Empfindlichkeit auf (weswegen man später die Pirkinsäure durch TNT ersetzt hat).
Die Presse hatte da wohl einiges verwechselt.
Hallo Dietrich,
endlich mal jemand, der mir aus der Seele spricht. Vorsicht, o.k., Angst, nein!! Wer nicht weiß wie man mit dem Zeug umgeht, holt sich aus dem Buchhandel einfach ein Berufsschulbuch für Chemie. Da ist alles drin.
Gruß
Wolfgang
Hallo Peter
Zitat von: Dieter Friedrich
Ich habe beihnahe alle Stoffe auf dieser Liste.
Ich auch :)
Zitat von: Dieter Friedrich
Die Farbstoffe halten sich als Pulver und verschlossen eine Ewigkeit, da sollte nichts passiert sein.
Einverstanden
Zitat von: Dieter Friedrich
Die Lösungen davon haben evtl. nicht mehr die ursprüngliche Konzentration falls die Flaschen nicht absolut dicht waren. Sollte aber zum reinen Färben nichts weiter machen --> ausprobieren.
Einverstanden, gleiche Meinung, aber nicht nur die Konzentration kann sich ändern, sondern auch Bakterienbefall kann nach 25 Jahren seine Wirkung tun -> alle Organik lässt sich irgendwie oxidieren ... manchmal dauert es nur ein bischen länger ... ;)
Zitat von: Dieter Friedrich
Eisessig wird weder oxidiert und macht auch keine lästigen Kondensations oder Polymerisationsreaktionen. Desweiteren ist er nicht hygroskopisch. (Stellen Sie ihn doch einfach mal in Ihren Kühlschrank, Eisessig wird bei ~ 16 °C fest)
Kleines Veto: Reiner Eisessig = Eissigsäure ist hygroskopisch und zieht Wasser, dennoch sollte es noch OK sein - selbst wenn er mittlerweile "nur noch" 95% hat. Ebenso ist oxidative Abbau z.B. in Kläranlagen möglich (vgl. Werbung: "Biologisch gut abbaubare Essigreiniger"), in der geschlossenen Flasche mit reinem Eisessig aber wohl eher unwahrscheinlich - dazu müsste erstmal die Konzentration ordentlich runter ....
Zitat von: Dieter Friedrich
Bez. der Chlorzinkiod-, der Giemsa- und der Gramlösung bin ich mir nicht sicher.
Chlorzinkiodlösung ist sicherlich nicht mehr zu gebrauchen.
Zitat von: Dieter Friedrich
Kurz gesagt die Chemikalien können sie meiner Meinung nach noch so gut wie alle benutzen, nur bei den Lösungen würde ich es mal ausprobieren.
Einverstanden ... Grundsätzlich denke ich aber, dass Neu Ansetzten schneller geht und bessere Erfolge gewährleistet, als Alte auszuprobieren, daher würde ich alle Lösungen entsorgen und frisch zubereiten.
Zitat von: Dieter Friedrich
Sollte da doch mal was eintrocknen: die Flasche aufmachen und Wasser nachfüllen.
Es sollte erst gar nicht eintrocknen - eine eingetrocknete Dose solltest Du nicht öffnen. Wenn aber Wasser darüber steht ist es kein Problem.
Zitat von: Dieter Friedrich
Die Darstellung der Medien vom "hochempfindlichen Sprengstoff" an Schulen entspricht nicht den Tatsachen. In unserer Firma verwenden wir das schon seit Jahrzehnten und noch niemals ist was passiert, selbst mit der staubtrockenen Substanz im Gewinde und noch nichtmal wenn einem die Flasche runterfällt.
Dickes VETO: Man darf von einem Einzelfall nicht auf die Gesamtheit schliessen. Sie extrapolieren Ihr "In unserem Betrieb ist bisher nichts passiert" auf die Allgemeinheit aller Betriebe, das ist genauso falsch, wie von der einen medienwirksamen Explosion auf die Gefährlichkeit aller Pikrinsäurevorräte so schliessen. Hinzu kommt, das in Ihrem Betrieb mutmasslich geschulte Laboranten arbeiten, die sich damit auskennen sollten.
Für ein saubere Risikobetrachtung müsste man ein passendes Modell wählen, z.B. wäre das Risiko = Tragweite x Eintrittswahrscheinlichkeit.Tragweite:
Die Explosion von 50 g Pikrinsäure hat etwa die Wirkung einer Handgranate (Diese enthält ca. 50 g TNT, welches der Pikrinsäure in seinen Explosionseigenschaften wie Detonationsgeschwindigkeit, Bleiblockausbuchtung und Energiegehalt sehr ähnlich ist). Die Wirkung einer Handgranate in einem Kellerraum wäre verheerend - Die Tragweite (=Exitus + Sachschäden + Invalidität eines befreundete Mikroskopikersbersuchers im Keller) wäre auf einer Skala von 1 - 10 eine gute 10 ...
Eintrittswahrscheinlichkeit:
Die Reibempfindlichkeit von Pikrinsäure ist mit ca. 360 N tendentiell eher hoch, allerdings kann es bei einer Aufschlagskraft von 7,5 Joule zünden (Vergleich TNT = 15 J, Nitroglycerin <0,5 J). Dies entspricht für 50 g Pikrinsäure einem Sturz aus ca. 15 m Höhe - bei
gleichmässiger Kräfteverteilung. Da aber die Kräfte beim bei Auftreffen punktuell wirken, würde ich als Sicherheitsfaktor x10 wählen, demnach kann schon ein Sturz aus 1,5 m die 50 g zur Explosion bringen. Auch sind die 360 N, wenn sie in einem Gewinde auf ein Kristall wirken lächerlich gering. Jedes Quarzfeuerzeug erzeugt punktelle Drücke im Tonnenbereich ... Auf einer Skala von 1 - 10 würde ich eine gute 8 geben.
Das Produkt wäre 80 von 100 ...
Im Vergleich dazu ist das Risiko an einer Vergiftung mit Zyankali im Labor zu sterben lächerlich gering: Die Tragweite wäre eine Glatte 7 = Exitus ohne Folgeschäden. Die Eintrittswahrscheinlichkeit, das Zeug "versehentlich" zu schlucken liegt bei sagen wir <1. Das Risiko hier wäre irgendwas in der Grösse von <7 ...
Aber wie gesagt, dies ist nur ein Modell.
Zitat von: Dieter Friedrich
Lediglich Schwermetallpikrate (siehe Material aus dem GranatenHÜLSEN gemacht werden) weisen die oft zitierte Empfindlichkeit auf (weswegen man später die Pirkinsäure durch TNT ersetzt hat).
Nicht ganz richtig: Auch mit Alkali- (und Metallspuren) bilden sich hochempfindliche Pikrate, welche die Stoß- und Reibempfindlichkeit noch stark erhöhen. Stand da noch irgendwo eine Flasche Ammonik-Lösung? Ammoniumpikrat ist dem Kaliumpikrat sehr, sehr ähnlich ...
Zitat von: Dieter Friedrich
Man bedenke mal das der Stoff im WKI als Granatenfüllung verwendet wurde und man sowas niemals gemacht hätte wenn die Substanz derart empfindlich wäre....
Sie unterschätzen die Arroganz und Menschenverachtung der Befehlshaber zu dieser Zeit. Man hat die eigenen Leute ins feindliche Maschinengewehrfeuer getrieben - glauben Sie blos nicht, man hatte nicht akzeptiert, dass mal eine Granate in den eigenen Reihen detonierte. Das war nicht schön, aber völlig egal - shit happens, schliesslich gab es ja nichts besseres als Pikrinsäure. Die Quote durfte nur nicht zu hoch sein...
Also ich würde ich das Gesamtrisiko für eine TROCKENE Pirkinsäure als hoch bezeichnen und es gehört nicht in die Hände von ungeschulten Laien. Aber bitte mich jetzt nicht falsch verstehen: auch mich stört der Verbotswahn der Gesetzgeber und ich glaube, dass ein Hobbymikroskopiker 1 g
wasserfeuchte Pikrinsäure sicher anwenden kann. Hier dürfte die Toxizität das wesentliche Gefahrenmerkmal darstellen. Mit etwas Sachverstand und unter Einhaltung von Schutzmassnahmen (dazu gehören - wie für alle anderen Chemikalien auch - ein Kittel, eine Schutzbrille und Handschuhe) ist das kein Problem.
Beste Grüsse
Thorsten
Zitat von: T. Ebbinghaus in Januar 06, 2009, 21:53:55 NACHMITTAGS
Zitat von: Dieter Friedrich
Sollte da doch mal was eintrocknen: die Flasche aufmachen und Wasser nachfüllen.
Es sollte erst gar nicht eintrocknen - eine eingetrocknete Dose solltest Du nicht öffnen. Wenn aber Wasser darüber steht ist es kein Problem.
Hallo, Thorsten,
keine Sorge. Es handelt sich um ein 50- oder 100 ml-Fläschchen, das nahezu vollständig mit einer ( sicher nicht allzu hoch konzentrierten ) Lösung speziell für Kreatininbestimmungen gefüllt ist. Lediglich im Gewindegang könnte sich kristallisierte Säure befinden. Aber bei einer 50 ml-Flasche mit Schraubverschluß glaube ich nicht, daß dort relevante Mengen auskristiallisiert sind. Und nach umgekehrter Lagerung der Flasche in einem Becherglas mit Wasser sollte nach gewisser Zeit evtl. die im Gewindegang möglicherweise auskristallisierte Säure genügend feucht sein, daß eine gefahrlose Öffnung möglich ist. Hoffe ich zumindest... ;)
Herzliche Grüße
Peter
Hallo zusammen,
diese Diskussionen um die Gefahr, die von Pikrinsäure ausgeht geistern durch verschiedene Chemieforen und natürlich Zeitungsberichten, wo Schulen von Sprenkommandos geräumt wurden und ein Fläschchen Pikrinsäure kontrolliert gesprengt wurden.
Was mich mal interessieren würde: gibt es einen verlässlichen Bericht, dass tatsächlich mal so ein Fläschchen mit x g Pikrinsäuure explodiert ist?
Ich wills nicht verharmlosen, aber es würde mich schon interessieren!
Muss doch mal ein Schmelzpräparat davon machen! ;D
Hallo Klaus,
das Wohl bekannteste Fläschchen war ein Frachter namens "Mont Blanc" und enthielt 2300 t Pikrinsäure. Sie geriet und Brand explodierte 1917 im Hafen von Halifax. Das Hafenviertel wurde eingeäschert, es gab etwas mehr als 1500 Tote ....
Das ist nicht zu vergleichen mit den mg Mengen an Schmelzpräparaten, die man aus dem Organikum im OC Praktikum gekocht hat, um über den Schmezpunkt zu identifizeren ....
Gruss
Thorsten
Zitatdass tatsächlich mal so ein Fläschchen mit x g Pikrinsäuure explodiert ist?
Eben! Die ganzen theoretischen Überlegungen sind zwar schön und gut, wenn man aber bedenkt an wie vielen Orten Pikrinsäure innerhalb der letzten - sagen wir 150 Jahre - eingesetzt wurde und im Vergleich dazu die Zahl der Unfälle damit, so halte ich die tatsächliche Gefahr in der Praxis doch eher für gering.
Ich sehe das ganze von der statistischen Seite und denke mir das Risiko eines Ereignisses (egal worum es geht) ist umgekehrt proportional zur Zahl der fehlerfreien und erfolgreichen Anwendungen (von allen) bei der das Ereignis ausblieb. Und an pures Glück glaub ich nicht ;D
Ein Schmelzpräparat damit ging problemlos - jedenfalls bei mir - die letzten ~ 200 mal, wo ich dieses für einen Kurs mit Studenten angefertigt habe (Einfaches schmelzen mit Feuerzeug auf Objektträger und Deckglasdrauf).
Wie dem auch sei, jedenfalls finde ich nicht das es eine Sprengung einer 100 g Flasche im Garten mit C4 rechtfertigen würde und man ganze Schulen und Wohnblocks deshalb räumen lässt.... Mal davon abgesehen das die Medien den Sachverhalt so darstellen als wäre der riesen Krater am Ende das Ergebnis der 100 g und das C4 völlig unter den Tisch fallen gelassen wird.
Das sollte man irgendwie anders lösen als durch Hysterie und Übervorsichtigkeit.
Hallo!
Das Problem bei der Risikoeinschätzung ist, daß man bei Googeln stets auf Aussagen trifft, die Prikrinsäure als hochbrisant und hoch explosiv einstufen und selbst das Öffnen einer Pinkrinsäureflasche als hohes Risiko darstellen. In der Tat habe aber auch ich außer der Explosion des Prikrinsäure-Frachtschiffs keine tatsächliche Fallschilderung einer unfallbedingten Pikrinsäureexplosion im Labormaßstab gefunden.
Was ich nur wundert, ist die Tatsache, daß man diese Gefahr erst 2008 erkannt hat! Pikrinsäure lagert ja sicher nicht erst seit 20 Jahren in Schullabors, sicher waren doch auch schon Schulsammlungen in den 40er/50er/60er-Jahren oder noch früher zu tausenden damit bestückt. Hätte da in all den Jahrzehnten nicht irgendwo einmal tatsächlich eine Explosion stattfinden müssen? Die grundsätzliche Gefährlichkeit will ich ja nicht abstreiten, natürlich ist Pikrinsäure ein Sprengstoff und kann unter bestimmten Umständen explodieren. Aber das gilt letztlich genau so für Mehl, Holz etc. wie für nahezu jedes Material, wenn man es nur fein genug pulverisiert. Mir sind zumindest zahlreiche Schilderungen von Mehlstaub- und Sägemehlexplosionen bekannt ( im Gegensatz zu unfallbedingten Pikrinsäureexplosionen ). Dennoch käme ja niemand auf die Idee, das Zersägen einer Holzes mit der Kreissäge in der heimischen Garage zu verbieten ( obwohl...wer weiß!? ) und einen Schuppen mit Sägemehl prophylaktisch zu sprengen.
Ich glaube eher, daß da mal wieder für kurze Zeit eine Sau durch's Dorf getrieben wurde. Mittlerweile ist es ja schon kein Thema mehr, genau so, wie BSE und Vogelgrippe komplett "aus der Mode gekommen" sind....
Herzliche Grüße
Peter
Hallo
Zitat von: Klaus Herrmann in Januar 06, 2009, 22:33:26 NACHMITTAGS
Was mich mal interessieren würde: gibt es einen verlässlichen Bericht, dass tatsächlich mal so ein Fläschchen mit x g Pikrinsäuure explodiert ist?
Ich bin nicht sicher, aber in 2008 gab es in einem Garten eine Verpuffung, bei der ein Mann zu Tode kam. Ich kann mich noch an den Nachrichtenbericht erinnern, weiss aber weder Ort noch Zeit. Man glaubte zuerst an einen Bombenbauer mit terroristischem Hintergrund. Ohne es Zu verfolgen habe ich nachträglich mal aufgeschnappt, dass es ein armer Chemikaliensammler war, der Pikrinsäure in einem Blecheimer gelagert hatte. Diese war dann eingetrocknet und ist beim Öffnen detoniert.
Aber dies hat wohl gerade in 2008 die Hysterie an Schulen und Apotheken ausgelöst.
Also auch wieder kein wirklich "sinnvoller" Fall, da hier mehrere Fehler zusammen kommen (Laie, Blechdose, lange Lagerung mit Eintrocknung).
Bei uns (Pharamindustrie) werden Chemikalien und Reagenzien per EDV nach einer maximal Laufzeit entsorgt. Andere Pharmafirmen machen es aufgrund entsprechender Vorgaben genauso. Auch in Uni-Praktika dürfte das Problem nicht auftreten, da dort das Material zur Schmelzpunktbestimmung 1-2 x pro Jahr gebraucht wird. Sowas kann aber tatsächlich nur noch an Schulen, Apotheken, in UniLaboren mit wechselndem Personalstand und Privatlaboren vorkommen: Dort gammelt das Zeug vor sich hin und trocknet ein. Dann allerdings ist die Gefahr real.
Zitat von: Dieter Friedrich in Januar 06, 2009, 23:00:09 NACHMITTAGS
Eben! Die ganzen theoretischen Überlegungen sind zwar schön und gut, wenn man aber bedenkt an wie vielen Orten Pikrinsäure innerhalb der letzten - sagen wir 150 Jahre - eingesetzt wurde und im Vergleich dazu die Zahl der Unfälle damit, so halte ich die tatsächliche Gefahr in der Praxis doch eher für gering.
Einverstanden
Zitat von: Dieter Friedrich in Januar 06, 2009, 23:00:09 NACHMITTAGS
Ich sehe das ganze von der statistischen Seite und denke mir das Risiko eines Ereignisses (egal worum es geht) ist umgekehrt proportional zur Zahl der fehlerfreien und erfolgreichen Anwendungen (von allen) bei der das Ereignis ausblieb. Und an pures Glück glaub ich nicht ;D
Das ist tatsächlich falsch. Tatsächlich kann man mit solch einer Argumentation nachweisen, dass Fluglärm HIV überträgt, sonst würde man sich - statistisch gesehen - nicht in der nähe von Flugplätzen (Grossstätte) häufiger infizieren als auf dem Land ohne Fluglärm ...
Ich empfehle Ihnen die Buchserie "Statistik verstehen", "So lügt man mit Statistik", "So überzeugt man mit Statistik" und "Statistik für die Westentasche" von Walter Krämer -
eine sehr unterhaltsame Lektüre. Aber ich glaube aus Ihren Schreiben - dass Sie die Bücher bereits sehr gut kennen und anwenden ;D (Bitte verzeihen Sie diese kleine Stichelei am Rande - ich mache nur Spass...)
Was Sie beschreiben ist nur die Eintrittswahrscheinlichkeit, die ich in meinem obigen Beispiel als Faktor ausgedrückt habe. Letzteres ist ein typischen Vorgehen bei der Risikobeurteilung chemischer Reaktionen und wurde in den 70igern bei der Ciba in Basel entwickelt. Ein Mass für die Eintrittswahrscheinlichkeit ist z.B., wie lange eine Reaktion bei einer Temperatur stehen bleiben konnte, ohne durchzugehen (Stichwort TMRAD =
Time to M[/b]aximum reaktion
Rate under
Adiabatic
Conditions). Die Tragweite wird z.B.beurteilt, ob die akkumulierte Reaktionsenergie der Reaktanden im Kessel in der Lage ist, das vorhandene Lösungsmittel zu zum Sieden zu bringen, komplett zu verdampfen zu zünden u.s.w. (MTSR Konzept = Maximale Temperatur der Synthesereaktion). Anschliessend berücksichtigt man Sonderereginisse und sein sie noch so selten: Ausfall von Strom (=Rührer), Wasser (=Kühlung) etc. ....
Zitat von: Peter V. in Januar 06, 2009, 22:22:15 NACHMITTAGS
keine Sorge. Es handelt sich um ein 50- oder 100 ml-Fläschchen, das nahezu vollständig mit einer ( sicher nicht allzu hoch konzentrierten ) Lösung speziell für Kreatininbestimmungen gefüllt ist. Lediglich im Gewindegang könnte sich kristallisierte Säure befinden.
Ein Paradebeispiel: aus meiner Sicht völlig ungefährlich, da ein möglicher Reibfunkte im Gewinde nichts findet, was er zünden könnte.
Zitat von: Dieter Friedrich in Januar 06, 2009, 23:00:09 NACHMITTAGS
Wie dem auch sei, jedenfalls finde ich nicht das es eine Sprengung einer 100 g Flasche im Garten mit C4 rechtfertigen würde und man ganze Schulen und Wohnblocks deshalb räumen lässt.... Mal davon abgesehen das die Medien den Sachverhalt so darstellen als wäre der riesen Krater am Ende das Ergebnis der 100 g und das C4 völlig unter den Tisch fallen gelassen wird. Das sollte man irgendwie anders lösen als durch Hysterie und Übervorsichtigkeit.
Absolut einverstanden, was die normale "handelsübliche wasserfeuchte Pirkrinsäure" betrifft. Bei eingetrocknetem Pulver in einer Glasflasche, bei der man keinen Wasserüberstand mehr sieht, sondern nur noch einen festen Kristallblock, sowie Krusten aus dem Deckel reicht tatsächlich ein Sturz, um eine kleine Katastrophe auszulösen. Hier ist mehr als nur Vorsicht geboten, da sollte jeder Laie die Finger davon lassen. Auch ich als promovierter Chemiker würde mich da nicht mehr heranwagen.
Beste Grüsse
Thorsten
Zitat von: Klaus Herrmann in Januar 06, 2009, 22:33:26 NACHMITTAGS
Hallo zusammen,
diese Diskussionen um die Gefahr, die von Pikrinsäure ausgeht geistern durch verschiedene Chemieforen und natürlich Zeitungsberichten, wo Schulen von Sprengkommandos geräumt wurden und ein Fläschchen Pikrinsäure kontrolliert gesprengt wurden.
Was mich mal interessieren würde: gibt es einen verlässlichen Bericht, dass tatsächlich mal so ein Fläschchen mit x g Pikrinsäuure explodiert ist?
Ich wills nicht verharmlosen, aber es würde mich schon interessieren!
Muss doch mal ein Schmelzpräparat davon machen! ;D
Also - als ich vor ca 20 Jahren am Gymnasium war gab es ein paar Jahre vorher einen Klassenversuch im Chemielabor - Kohlenstoffgehaltsbestimmung nach Beilstein.
Der Lehrer hat dann jeder 2er Gruppe eine andere organische Chemikalie gegeben die mit Natrium reduziert werden sollte damit man dann das Resultat wiegen konnte und somit
den Kohlenstoffgehalt der ursprünglichen Substanz ermitteln konnte.
Eine 2er Gruppe hat die Pikrinsaeure gekriegt - und mit dem Bunsenbrenner im Reagenzglas ca 4 g Pikrinsauere mit ca 2 g Natrium erhitzt.
Das ganze ist dann explodiert und der Dampfabzug war im Eimer - verletzt wurde niemand obwohl alle eine Weile nichts hören konnten.
Fazit - die Hysterie ist übertrieben - aber so ganz Harmlos ist die Substanz auch nicht....
Zitatca 4 g Pikrinsauere mit ca 2 g Natrium erhitzt.
wenn man 2 g Na mit feuchtem Sägemehl im Reagenzglas überm Bunsenbrenner erhitzt, dann gibt das aber auch einen schönen Bums!
Würde ich nicht empfehlen!
Und der Lehrer war fahrlässig solche Mengen einsetzen zu lassen für den Versuch!