Hallo Abbophile!
Zur Abwechslung mal wieder etwas Theoretisches als praktische Spielerei: Überprüfung der Numerischen Aperturen NA von Mikroskop-Objektiven mit Hilfe der Abbe´schen Theorie. Hier: 160mm-Apochromate von CZ Jena 6,3/0,20, 16/0,40, Plan 25/0,65, 40/0,95, 100/1,30 Öl (s. Bild 1).
Hilfsmittel: Objektmikrometer als gitterförmiges Objekt, Gitterkonstante g = 10 µm; dazu schmalbandiges Interferenzfilter Grün, Schwerpunktswellenlänge lambda = 0,546 µm (CZ Oberkochen).
Prozedere: Objekt unter dem Mikroskop zunächst scharf fokussieren, dann durch Grünfilter praktisch gerade beleuchten ohne Kondensor. Okular herausnehmen und die hintere Brennebene des Objektivs (so genannte "Fourier-Ebene") durchs Hilfsmikroskop betrachten. Dort ist der von der Aperturblende (deren Rand soll scharf sichtbar sein - Hilfsmikroskop fokussieren!) durchgelassene und begrenzte Teil des vom Objektiv abgebildeten Beugungsbildes des Gitterobjektes sichtbar. Die Leuchtfeldblende dann so einstellen, daß sich die Leuchtfeldblenden-Bilder benachbarter Beugungsordnungen nicht mehr überlappen (die folgenden Bilder zeigen das).
Erläuterung von Messung und Auswertung anhand von Abb. 2 : Aus der Theorie (hierzu z.B. ein alter Aufsatz von mir im MK 94, Heft 6, 2005) ergibt sich
NA = k x (lambda/ g ) mit k = r / d ; hier also NA = k x (0,546µm/10µm) = 0,0546 x k
r : Radius des von der Aperturblende frei gelassenen Beugungsbildes; d : Abstand der Mitten benachbarter Lechtfeldblenden-Bilder.
Zur Bestimmung von k in den Bildern r und d direkt ausmessen (d zweckmäßig über mehrere Ordnungen mitteln). Man kann auch die erfassten Ordnungen ausgehend von der mittleren und hellsten (diese hat die Nummer 0!) einfach abzählen und den fehlenden Rest bis zum Aperturblenden-Rand als Anteil der Einheit d nur schätzen.
Zum Vergleich sind auch die sich aus den auf den Objektiven angegebenen NA-Werten unter diesen Bedingungen zu erwartenden k-Werte neben den Abbildungen mit angegeben. (Manchmal ist im Objektiv auch mehr drin, als draufsteht, so m.E. beim Planapo 25/0,65)
Abgesehen von den direkten Ungenauigkeiten der Ablesung aus den Bildern gehen natürlich auch die unvermeidlichen (hoffentlich genügend kleinen) Ungenauigkeiten der Gitterkonstanten und der wirksamen Wellenlänge des Filters in das jeweilige Ergebnis ein. Mit relativ 1 - 2% muß man wohl mindestens rechnen.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/65621_50068339.jpg) Bild 1 CZJ Apochromate 160mm
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/65621_39535996.jpg) Bild 2 zur Ermittlung von k und NA
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/65621_10363112.jpg) Bild 3 Apochromat 6,3 / 0,20 : erwartet k = 3,66
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/65621_22234441.jpg) Bild 4 Apochromat 16 / 0,40 : erwartet k = 7,33
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/65621_39196888.jpg) Bild 5 Plan-Apochromat 25 / 0,65 : erwartet k = 11,9
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/65621_63568566.jpg) Bild 6 Apochromat 40 / 0,95 korr : erwartet k = 17,4
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/65621_56174379.jpg) Bild 7 Apochromat 100 / 1,32 Öl : erwartet k = 24,2
Da können einem beim Zählen schon mal die Tränen in die Augen kommen!
Nachträglicher Hinweis: Die örtlich alternierende Helligkeit der Beugungsordnungen resultiert aus der Intensitätsverteilung der Beugung am Einzelspalt des Gitters.
Viel Vergnügen beim Ermitteln! (Zumindest dem, der es überhaupt will!)
Freundliche - wenn auch etwas theoriebefrachtete - Mikrogrüsse
H. Husemann
Wirklich schoene Methodiek, danke!
MfG, René
Hallo Herr Husemann,
eine wirklich beeindruckende Methode.
Beim 100er Apochromat sehe ich die 24. Ordnung fast vollständig abgebildet (k ca. 24,5) und beim 25er liegt k sogar bei 12,5.
Wissen Sie, wann Ihr Interferenzfilter hergestellt wurde?
Ich habe hier eine ganze Menge an CZJ Metallinterferenzfiltern, deren Durchlasskennlinie sich in den 30 Jahren erheblich verschoben hat.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Donat
Hallo Herr Donat,
ich weiss um dieses Problem. Mein Filter stammt von CZ Oberkochen, ist auch schon einige Jahre alt (aber wohl merklich unter 10). Für "ernsthafte" Messungen müsste man es sicher noch mal nachmessen; aber auch Objektmikrometer sind ja nicht völlig fehlerfrei. Ich habe noch Gitter zu 570 Lp/mm angegeben, aber auch die sind ja nicht frei von Ungenauigkeiten und außerdem für Objektive mit kleineren Aperturen als etwa 0,32 nicht mehr geeignet, weil dann -zumindest bei 550 nm - schon die 1. Ordnung nicht mehr eingefangen wird. Man könnte das natürlich durch "schiefe" Beleuchtung bis zu einem gewissen Grade kompensieren, aber dann wird es etwas "vielseitig".
Ihre k-Werte messe ich cum grano salis auch; es ergäben sich dann als NA s gerundet 1,34 und 0,68 . Zumindest bei Letzterem hat CZJ sicher etwas "tiefgestapelt", ich finde, es ist ein "super" Objektiv.
Freundliche Mikrogrüsse
H. Husemann
Lieber Herr Husemann,
vielen Dank für dieses schöne physikalische Experiment !
Ich kann mich noch gut daran erinnern es vor mittlerweise über 35 Jahren im Praktikum für Angewandte Physik an der Universität Tübingen an einem Zeiss Ultraphot II mit Zeiss Planapochromaten als Student schon einmal selbst durchgeführt zu haben.
Den Versuch gibt es meines Wissens heute immer noch und am selben Gerät.
viele Grüsse
Wilfried