Liebe Pflanzenfreunde,
im März diesen Jahres hat Peter Höbel hier einmal einen sehr schönen Querschnitt einer tropischen Aristolochia - Art (Pfeifenblume) (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=8659.0) aus einem Präparat von Robin Wacker gezeigt. Der besondere Querschnitt mit den von breiten Markstrahlen unterbrochenen Leitbündeln hat mir sehr gut gefallen, und ich wollte schauen, ob dieser bei der einzigen in Deutschland vorkommenden Verwandten, der Osterluzei (Aristolochia clematitis), ebenso aufgebaut ist.
Es hat eine Weile gedauert, entsprechendes Material zu finden aber nun möchte ich einige Bilder zeigen und wie immer ein wenig dazu erzählen. ;)
Die Osterluzei, auch Wolfskraut genannt, wurde schon in der Antike als Heilpflanze genutzt (z.B. empfahlen griechische und römische Ärzte unterschiedliche Aristolochia-Arten als Mittel gegen Schlangenbisse, zur innerlichen und äußerlichen Wundbehandlung und bei Geschwüren). Weiterhin sollten Zubereitungen von Aristolochia clematitis die Geburt erleichtern - darauf deutet auch der wissenschaftliche Name hin, in dem aus dem Griechischen aristos (das Beste) und lockeius (zum Gebären gehörig) steckt.
Aufgrund dieser medizinischen Anwendungen wurde die Pflanze auch im Norden Europas verbreitet. Da sie wärmeliebend ist, pflanzte man sie oft an geschützte Stellen an den Rändern von Weinbergen, wo sie auch heute noch vergleichsweise häufig zu finden ist - zumindest, falls der Weinberg zwischendurch keiner Flurbegradigung zum Opfer gefallen ist. Überhaupt sollte sie nicht schwer zu finden sein:
Zitat... in Europa ziemlich weit verbreitet, aber wahrscheinlich nicht ursprünglich (möglicherweise durch Weinbau eingeschleppt) und tritt stellenweise sehr häufig auf (Weinberge, Gebüsche, Hecken, Zäune, Feldränder.).
Ganz so einfach war es dann aber doch nicht. Die Suche an den Weinbergen der Umgebung blieb erfolglos, im System des Botanischen Gartens Bonn gab es im Frühjahr nur ein paar frische Triebe zu sehen und ein bekannter Standort in der Nähe des rechtsrheinischen Brückenkopfes der Südbrücke in Bonn schien verweist. Der Führer zu naturkundlichen Exkursionen in der Umgebung von Bonn (S. 87 ff.) (http://www.mikroskopie-bonn.de/literatur/index.html#a741) konnte aber einen weiteren Standort bei Bad Breisig aufzeigen, an dem die Pflanze regelmäßig in einer größeren Population zu finden ist.
Bild 1: frische Triebe der Osterluzei im System des Botanischen Gartens Bonn (Mitte April 2011)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/67489_19006453.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Bild 2: Ein Teil des Standorts bei Bad Breisig im Überblick
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/67489_41067072.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Ein wenig zur Pflanze selbstDie Gewöhnliche Osterluzei (Aristolochia clematitis) gehört zur Familie der Osterluzeigewächse (Aristolochiaceae) in der Ordnung der Pfefferartigen (Piperales). Sie ist eine mehrjährige krautige Pflanze mit Wuchshöhen zwischen 30 und 100 Zentimeter, deren oft kriechende Sprossachse leicht bricht. Die Osterluzei besitzt ein stark verzweigtes Rhizom, das unterirdisch weite Strecken wächst und so für die vegetative Ausbreitung der Pflanze am Standort sorgt. Sie verströmt einen angenehmen, leicht fruchtigen Geruch und besitzt charakteristische herzförmige Laubblätter mit einer tiefen Ausbuchtung am Übergang des langen Blattstiels in den Blattspreit.
Bild 3: die blühende Pflanze mit ihren charakteristischen Blättern
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/67489_6028387.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Aristolochia clematitis blüht zwischen Mai und Juni. Die eigenartig geformten gelben Blüten entspringen zu je zwei bis acht in den Achseln der oberen Blätter. Sie sind gestielt, oben tütenförmig, gehen in eine innen mit nach unten stehenden Haaren bedeckte Blütenröhre über, die sich dann unten zu einem Blütenkessel bauchig erweitert. Somit bilden sie eine Falle für besuchende Insekten, die durch die Behaarung der Blütenröhre gefangen gehalten werden. Nachdem die Blüte bestäubt wurde, erschlaffen diese Haare und die mit Blütenstaub beladenen Insekten können entweichen. Junge Blüten stehen dabei fast aufrecht an ihrem Stiel, ältere, befruchtete Blüten hängen nach unten.
Bild 4: die Blüten
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/67489_45837285.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Die vielsamige Frucht ist anfangs grün, später dunkelbraun bis schwarz mit einem Durchmesser von 1 bis 2 Zentimetern.
Bild 5: eine unreife Frucht
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/67489_280503.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Die Wurzeln der Osterluzei enthalten bis zu einem Prozent Aristolochiasäuren, der Gehalt in den Blättern liegt unter 0,1 Prozent aber auch die Samen enthalten nicht unbeträchtliche Mengen der Säuren. Die flüchtigen, wasserunlöslichen Aristolochiasäuren gelten als nierenschädigend und als krebserzeugend. Weiterhin enthält die Pflanze ca. 0,4% ätherische Öle, Gerbstoffe und Clematinin, Alkaloide und Saponine sind nicht vorhanden.
Aufgrund der Giftigkeit und der cancerogenen Wirkung der Aristolochiasäuren wird die Osterluzei heute nicht mehr als Heilpflanze genutzt.
Bild 6: natürlich darf auch eine Illustration der Osterluzei nicht fehlen
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/67489_11500660.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Aus der Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz; Otto Wilhelm Thomé, 1885, Gera, Germany, public domain.
Am gezeigten Querschnitt ist auch der Aufbau der Blüte gut zu erkennen.
Zur Präparation:Zunächst zum Präparat von Klaus Herrmann:
Dieses enthält einen über 50 Jahre alten Schnitt (Ebay-Fund in Ethanol), den Klaus auf der Kornrade 8 zunächst in Wasser überführt und dann nach W3A gefärbt hat. Der Einschluss erfolgte nach Entwässerung über Isopropanol in Euparal.
Lieber Klaus, Dir nochmals herzlichen Dank für dieses interessante Präparat!
Und nun zu meinen eigenen Schnitten:
- Objektfixierung ca. 15 mm langer Sprossstückchen in AFE für drei Tage
- Überführen in Ethanol 70%
- Schnitt mit Zylindermikrotom und Leica Einmalklingen im Halter,
Schnittdicke ca. 50 µm
- Spülen in Ethanol 70%
- Stufenweises Überführen in Aqua dest.
- Färben mit Rolf-Dieter Müllers neuer Wacker-Simultanfärbung (W3Asim II)
- ca. 6 Minuten im W3Asim II Gemisch
Astrablau/Acriflavin/Acridinrot(50% Ethanol) im Verhältnis 4:1:1
für die Färbung 1:5 mit Aqua dest. verdünnt
- Einmaliges leichtes Erhitzen bis zum Dampfen (ca. 60 - 70 Grad)
- gründlich Wässern
- Entwässern in reinem Isopropanol (mehrmaliger schneller Wechsel) und Eindecken in Euparal.
Nun die Sprossquerschnitte:Bei der Betrachtung meiner eigenen Schnitte eines einjährigen Sprosses erlebte ich zunächst eine kleine Enttäuschung: etwas überrascht musste ich feststellen, dass von dem auffälligen Aufbau des Querschnitts der tropischen Aristolochia aber auch garnichts zu sehen war:
Bild 7: Querschnitt des einjährigen Sprosses der Osterluzei, Vergrößerung 25x, Stapel aus 8 Bildern
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/67489_1765019.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Bild 8a/b: Ausschnitt aus Bild 7, Bild 8b mit Beschriftung. Vergrößerung 100x, Stapel aus 5 Bildern
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/67489_5256917.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/67489_14207028.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Wir sehen den ganz normalen Sprossquerschnitt einer krautigen Pflanze mit offenen kollateralen Leitbündeln und einem kräftigen, geschlossenen Sklerenchymring unter dem Rindenparenchym.
Von innen nach außen:
Cu : Cuticula
Ep : Epidermis
Rp : Rindenparenchym
SklR : Sklrenchymring
Pl : Phloem
Ca : Cambium
T : Trachee
Xl : Xylem
Ma : Markparenchym
ST : Stoma
DZ : Drüsenzelle
Me : merestematisches Gewebe (interfaszikuläres Cambium)
Da kommt das Präparat von Klaus Herrmann gerade richtig, es wurde nämlich von einem zweijährigen Spross gemacht und da sieht die Sache schon ganz anders aus!
Bild 9a/b: Querschnitt durch den zweijährigen Spross der Osterluzei, Bild 9b mit Beschriftung. Vergrößerung 50x, Stapel aus 6 Bildern.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/67489_45617265.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/67489_58368556.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Zunächst: die lange Lagerung der Schnitte in Ethanol hat hier wohl zu Änderungen in den Strukturen der Zellwände geführt, und diese dazu, dass die Farben nicht mehr so schön differenziert aufziehen, wie wir das von Wackerfärbungen gewöhnt sind.
Aber das ist nicht die einzige Änderung - auch der Querschnitt sieht nun dramatisch anders aus! Die einzelnen Leitbündel bleiben durch ein interfaszikuläres Parenchym getrennt und der Sklerenchymring ist an vielen Stellen regelrecht aufgerissen, die Lücken mit parenchymatischem Gewebe gefüllt. Somit hat erst das Einsetzen des sekundären Dickenwachstums den erwarteten typischen Aufbau hervorgebracht.
Von innen nach außen:
Le : Lentizelle
Cu : Cuticula
Ep : Epidermis
Rp : Rindenparenchym
SklR : Sklrenchymring, mehrfach unterbrochen
Pl : Phloem
Ca : Cambium und ausserhalb der Leitbündel interfaszikuläres Cambium
T : Trachee
Xl : Xylem
MS : interfaszikuläres Parenchym (Markstrahlen)
Mark : Markparenchym
Am Xylem kann man schön die beiden "Jahresringe" mit vielen großen Tracheen in der Wachstumsphase und wenigen kleinen in der Ruhephase erkennen.
Nun die Leitbündel im Vergleich (alle Bilder der Gegenüberstellungen mit Maßstabsbalken und daher leider mit etwas verminderter Qualität):
Bild 10a/b: Leitbündel des einjährigen (a, 200x, Stapel aus 6 Bildern) und des zweijährigen(b, 100x, Stapel aus 8 Bildern) Sprosses
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/67489_44300591.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/67489_4384939.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Und die Sklerenchymringe:
Bild 11a/b: Sklerenchymring des einjährigen (a, 200x, Stapel aus 12 Bildern) und des zweijährigen(b, 200x, Stapel aus 8 Bildern) Sprosses
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/67489_45564792.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/67489_56217176.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Der zweijährige Sklerenchymring hier mit einer der schon oben angesprochenen Unterbrechungen aufgrund des sekundären Dickenwachstums.
Interessant auch die gänzlich andere Wirkung der Färbung am alten Schnitt.
Im Bild 11a findet man ein Stoma und eine Drüsenzelle in der Epidermis.
Im Parenchym des einjährigen und in den Markstrahlen (dem interfaszikuläres Parenchym) des zweijährigen Schnittes ist kein klassisches Cambium mit "Backsteinzellen" zu finden, so wie es in den Leitbündeln vorkommt.
Allerdings zeigt sich in Fortsetzung des Cambiums der Leitbündel ein interfaszikuläres Cambium (merestematisches Gewebe) mit einer großen Anzahl frischer Zellteilungen.
Bild 12a/b: interfaszikuläres Cambium des einjährigen (a, 200x, Stapel aus 9 Bildern) und des zweijährigen(b, 200x, Stapel aus 7 Bildern) Sprosses
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/67489_23202868.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/67489_11793500.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Und zu guter Letzt noch einige interessante Details aus den Präparaten:
Bild 13: Übergang vom Cambium des Leitbündels in das interfaszikuläre Cambium beim einjährigen Spross, Vergrößerung 400x, Stapel aus 5 Bildern
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/67489_13771466.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Bild 14: Xylem mit Tracheen und blau gefärbten Tüpfeln (unten) und Cambium (oben) beim einjährigen Spross, Vergrößerung 400x, Stapel aus 7 Bildern
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/67489_27759198.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Bild 15: Eine Siebplatte in einer zusammengedrückten Siebröhre beim zweijährigen Spross, Vergrößerung 400x, Stapel aus 10 Bildern
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/67489_64385314.jpg) (http://www.fotos-hochladen.net)
Die Durchbrüche in der Netzförmigen Siebplatte haben einen Durchmesser von ca. 5 µm.
Vielen Dank fürs Lesen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.
Herzliche Grüße
Jörg
Edit: Anpassungen zum interfaszikuläres Cambium und Parenchym gemäß den Erläuterungen von Detlef. Vielen Dank!