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Foren => Mikrofoto-Forum => Thema gestartet von: Bastian in Dezember 06, 2011, 22:16:53 NACHMITTAGS

Titel: ARCHAEOMETALLURGIE: Cuprit in Glas, Zementationstiegel
Beitrag von: Bastian in Dezember 06, 2011, 22:16:53 NACHMITTAGS
Werte Forumsgemeinde,
heute möchte ich einmal ausnahmsweise mal ein paar farbige Bilder zeigen. In der Auflichtmikroskopie archäologischer Funde ist das ja nicht so häufig. Die Bilder zeigen einen kleinen Ausschnitt von Tiegeln zur Messingherstellung im sog. Zementationsprozess. Diese Tiegel stammen aus dem 12.-16. Jahrhundert aus der Region um Dinant, einem bedeutendem Zentrum der Messing- und Kupferwarenproduktion im Mittelalter.
Bild 1, PPL, Bildbreite: 2.6 mm. Die graue Matrix ist eine glasige Grundmasse, die aus aufgeschmolzener Tiegelkeramik + Asche + Metalloxiden besteht. Es handelt sich um die Innenseite eines Tiegels. Die großen weisslich-grauen Phasen mit blauem Stich sind Cuprite (Cu2O), wie die schönen blutroten Innenreflexe (Bild 2) belegen. Der Cuprit besitzt außerdem noch ausgeprägte Anisotropieefffekte. Bei nicht vollständig gekreuzten Nicols sind diese besonders deutlich.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/79493_4221311.jpg)

Bild 2, XPL, Bildbreite, 2.6 mm, gleicher Bildausschnitt wie Bild 1. Cuprit hat ausgesprochen starke Anisotropieeffekte, die besonders gut bei leicht entkreuzten Nicols zu sehen sind. Sie reichen von oliv-grün bis tintenblau-violett.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/79493_38856023.jpg)

BILD 3, gleicher Ausschnitt wie Bild 1 und Bild 2. Das animierte Bild vermittelt einen ungefähren Eindruck der Ausprägung der Anisotropieeffekte
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/79493_49593097.jpg)

Bild 4, Cuprit, 1, Bildbreite 620 µm, PPL.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/79493_20051094.jpg)

Bild 5, Cuprit, gleicher Ausschnitt wie Bild 4, Bildbreite 620 µm, XPL. Schöne blutrote Innenreflexe.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/79493_16788519.jpg)

Bild 6, Cuprit, gleicher Ausschnitt wie Bild 4, Bildbreite 620 µm, XPL. leicht entkreuzt.  Es können auch noch die oliv-grünen - tintenblauen Anisotropieeffekte gut erkannt werden.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/79493_17240652.jpg)

Bild 7,Bildausschnitt 620 µm, PPL. Cuprit erster und zweiter Generation.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/79493_35778111.jpg)

Bild 8, gleicher Bildausschnitt wie Bild 7, XPL.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/79493_57616416.jpg)

Was ist das Zementationsverfahren? Im vorliegenden Fall ist es auch unter dem Namen Galmeiverfahren bekannt. In der Kurzfassung: Dünne Kupferbleche wurden lagenweise mit fein gepulvertem Galmei (Mischung oxidischer und karbonatischer Zinkverbindungen, z.B. vom Stollberg bei Aachen, oder aus Wiesloch, oder als Kondensat aus Messingschmelzöfen...) und Holzkohlenstaub in einen Tiegel gebracht und dann bei Temperaturen von 900-1100 ºC wärmebehandelt. Galmei wird reduziert zu Zink -> gasförmiges Zink diffundiert in das Kupfer, legiert dieses und schon hat man Messing. Ist seit mindestens 2000 Jahren bekannt (Römer).  

Bild 9, ein wenig OT, da kein Mikroskop Bild, aber es zeigt einen solchen Ofen n Aktion. Einer unserer Versuche in Belgien im Jahre 2010.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/79493_13462841.jpg)

So, nun viel Spaß beim Anschauen,
Bastian
Titel: Re: ARCHAEOMETALLURGIE: Cuprit in Glas, Zementationstiegel
Beitrag von: Florian Stellmacher in Dezember 06, 2011, 22:24:48 NACHMITTAGS
Hallo Bastian,

das finde ich wirklich sehr interessant - vielen Dank fürs Zeigen!

Eine vegleichsweise profane Frage: Wie hast Du die Animation des Bildes bewerkstelligt?

Herzliche Grüße,
Florian
Titel: Re: ARCHAEOMETALLURGIE: Cuprit in Glas, Zementationstiegel
Beitrag von: Klaus Herrmann in Dezember 06, 2011, 22:37:23 NACHMITTAGS
Hallo Bastian,

spektakuläre Proben!

Ich habe die selbe neugierige Frage von Florian. Wie geht das mit dem Bildwechsel, der hier besonders angebracht ist, da der Ausschnitt nicht verändert wird beim Wechsel des Kontrasts.

Cu2O ist ein sehr attraktives Mineral durch den hohen Glanz und die rubinrote Farbe.
Titel: Re: ARCHAEOMETALLURGIE: Cuprit in Glas, Zementationstiegel
Beitrag von: Bastian in Dezember 06, 2011, 22:42:52 NACHMITTAGS
Hallo Florian,
danke Dir.

Das GIF ist sehr einfach herzustellen: GIMP (Gnu Image Proscessing, http://www.gimp.org)  -> zwei, drei, n Bilder in Ebenen übereinander kopieren. -> Speichern als -> GIF
Dann erscheint normalerweise ein Dialog der fragt, was damit gemacht werden soll. In meinem Fall habe ich animiertes GIF angegeben und die Zeit zwischen den Bildwechseln (1000 ms) eingegeben.
Ich benutze nur noch OpenSource Software, aber als ich noch Photoshop nutzte, gab es da glaube ich schon in der 5er Version einen Dialog um Bilder für's Web fit zu machen. Da gab es auch die Option für GiFs. Bedenke aber, das GIF's immer den Farbumfang reduzieren. Wenn Du das nicht willst kannst du aber immer noch eine Flashanimation machen, und wenn Du das nicht machen willst gibt es noch die gute alte image map, mit mouseover, mousein, mouseout status... Soweit ich weiss gibt es noch eine Myriade andere Möglichkeiten animierte GIFs zu machen.

Ich hoffe das hilft Dir weiter,
Bastian
Titel: Re: ARCHAEOMETALLURGIE: Cuprit in Glas, Zementationstiegel
Beitrag von: Fahrenheit in Dezember 06, 2011, 22:47:18 NACHMITTAGS
Lieber Bastian,

auch von mir vielen Dank für den interessanten Beitrag!

Herzliche GRüße
Jörg
Titel: Re: ARCHAEOMETALLURGIE: Cuprit in Glas, Zementationstiegel
Beitrag von: Hugo Halfmann in Dezember 06, 2011, 23:33:09 NACHMITTAGS
Hallo Bastian,

ein toller Beitrag, danke !

Eine Frage zu deinem letzten Foto:

Ist das das Treffen, bei dem Rennöfen nachgebaut und in Betrieb genommen werden ? Im Untertage - Forum der Grubenarchäologischen Gesellschaft wude das kürzlich erwähnt. Gibt´s da feste Veranstaltungstermine ?
Titel: Re: ARCHAEOMETALLURGIE: Cuprit in Glas, Zementationstiegel
Beitrag von: Bastian in Dezember 06, 2011, 23:45:12 NACHMITTAGS
Lieber Jörg,
danke für das Lob!

Lieber Hugo,
nein das hier sind andere Versuche, die auch nichts mit Eisen zu  tun haben. -
Es gibt soweit ich das weiß ein regelmäßiges Treffen in Holland. Ich kann das mal heraus suchen und Dir zu kommen lassen, wenn Du möchtest. Aber eins sage ich Dir gleich, das meiste was einem so als Rennfeuer "verkauft" wird, ist keines sondern Show, bei der irgendwas eisenhaltiges hergestellt, allerdings ist das i.d.R. keine Luppe. Mehr gerne per PM.

Die Öfen die wir bauen sind vom Prinzip völlig anders aufgebaut, da wir ja Kupfer-Tiegelmetallurgie betreiben. Wenn Du französisch sprichst und es Dich interessiert schau mal hier: http://www.laitonmosan.org

Bastian
Titel: Re: ARCHAEOMETALLURGIE: Cuprit in Glas, Zementationstiegel
Beitrag von: Florian Stellmacher in Dezember 07, 2011, 04:26:21 VORMITTAG
Lieber Batian,

vielen Dank für den Tipp zur Erstellung animierter Bilder. GIMP habe ich, ich bin aber nie so tief eingedrungen wie Du - ich werde das mal ausprobieren.

Herzliche Grüße,
Florian
Titel: Re: ARCHAEOMETALLURGIE: Cuprit in Glas, Zementationstiegel
Beitrag von: olaf.med in Dezember 07, 2011, 09:22:48 VORMITTAG
Lieber Bastian,

Klasse Beitrag, herzlichen Dank :). Spektakulär schön finde ich auch die feinen skelettartigen Entmischungen im Glas. 

Vielleicht sollte man der Vollständigkeit halber noch darauf hinweisen, daß der Cuptit im Auflicht ein völlig anormales Verhalten zeigt. Als kubisches Mineral sollte er ja eigentlich isotrop sein, aber das ist er fast nie, und das hast Du ja hier bestens dokumentiert.

Beste Grüße, Olaf
Titel: Re: ARCHAEOMETALLURGIE: Cuprit in Glas, Zementationstiegel
Beitrag von: Bastian in Dezember 07, 2011, 12:47:10 NACHMITTAGS
Lieber Olaf,
vielen Dank für dein Feedback, und sehr gut dass Du auf die Isotropie des Cuprits hingewiesen hast!
Für Kritik und Berichtigungen bin ich immer offen.

Beste Grüße,
Bastian
Titel: Re: ARCHAEOMETALLURGIE: Cuprit in Glas, Zementationstiegel
Beitrag von: olaf.med in Dezember 07, 2011, 14:29:35 NACHMITTAGS
Hallo Bastian,

ZitatFür Kritik und Berichtigungen bin ich immer offen

bitte fasse meinen Beitrag nicht als Kritik oder Berichtigung auf, sondern wirklich nur als Ergänzung!!! Es hätte ja sein können, dass irgend jemand über diese spezielle Eigenschaft, die ja auch andere kubisch Minerale haben können, stolpert, und daher wollte ich darauf hinweisen.

Herzliche Grüße,

Olaf
Titel: Re: ARCHAEOMETALLURGIE: Cuprit in Glas, Zementationstiegel
Beitrag von: Bastian in Dezember 07, 2011, 18:34:06 NACHMITTAGS
Hallo Olaf,
bei mir hat das Wort "Kritik eine positive Konnotation. Schließlich ist niemand perfekt und man kann stets weiter lernen, insofern kann ich Dich nur also dazu auffordern auch weiterhin ergänzende Anmerkungen zu machen  ;)

mit besten Grüßen,
Bastian
Titel: Re: ARCHAEOMETALLURGIE: Cuprit in Glas, Zementationstiegel
Beitrag von: Stefan_O in Dezember 08, 2011, 08:58:43 VORMITTAG
Hallo Olaf,

warum zeigt Cuprit im Auflicht ein völlig anormales Verhalten? Kannst Du das erklären?

Gruss,
Stefan

@Bastian: tolle Bilder, danke!
Titel: Re: ARCHAEOMETALLURGIE: Cuprit in Glas, Zementationstiegel
Beitrag von: Bastian in Dezember 08, 2011, 09:17:26 VORMITTAG
Hallo Stefan,
ich bin zwar nicht Olaf, aber ich versuche mich trotzdem an der Antwort Deiner Frage.
Cuprit ist ein kubisches Mineral und sollte deshalb eigentlich bei gekreuzten Nicols deswegen keine Innenreflexe zeigen.
Zum Thema Reflexionspleaochroismus und Anisotroipe schreibt der hochgeschätzte Ramdohr, in Die Erzminearlaine und ihre Verwachsungen, S. 825, 1960:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures007/79615_21149814.jpg)

Beste Grüsse,
Bastian
Titel: Re: ARCHAEOMETALLURGIE: Cuprit in Glas, Zementationstiegel
Beitrag von: Stefan_O in Dezember 08, 2011, 09:39:59 VORMITTAG
Danke, Bastian. Vielleicht ist ja in den letzten 50 Jahren eine Erkenntnis aufgekommen und Olaf hat eine Erklärung.

Gruss,
Stefan

Titel: Re: ARCHAEOMETALLURGIE: Cuprit in Glas, Zementationstiegel
Beitrag von: olaf.med in Dezember 08, 2011, 09:43:13 VORMITTAG
Hallo Stefan,

nein, ich habe auch keine Erklärung und kann mich den Ausführungen Bastians und des "Erzvaters" nur anschließen.

Glück Auf, Olaf
Titel: Re: ARCHAEOMETALLURGIE: Cuprit in Glas, Zementationstiegel
Beitrag von: Stefan_O in Dezember 08, 2011, 10:35:14 VORMITTAG
Herrje, dann muss ich es selber beantworten  :)

Gängige Theorie ist, das beim Schneiden und Polieren die Oberfläche des Cuprits extrem deformiert wird. Vergleiche mit chemischer Politur (keine Anisotrophie-Effekte) bestätigen das. Siehe:     E. Libowitzky: Optical anisotropy of cuprite caused by polishing. The Canadian Mineralogist 32 (1994) 353-358

Liebe Grüsse,
Stefan

Ja, ja, ich hätte erst googlen sollen, danach fragen stellen....
Titel: Re: ARCHAEOMETALLURGIE: Cuprit in Glas, Zementationstiegel
Beitrag von: Bastian in Dezember 08, 2011, 10:47:23 VORMITTAG
Nun Stefan,
da hast Du uns aber schön vorgeführt. Danke für die Literatur!
Bastian
Titel: Re: ARCHAEOMETALLURGIE: Cuprit in Glas, Zementationstiegel
Beitrag von: Stefan_O in Dezember 08, 2011, 11:26:27 VORMITTAG
War nicht meine Absicht! Ich habe auch erst nach Olaf's Anwort gegoogled....immerhin bestärkt das die Mahnung, die Artefakt-Bildung beim Aufarbeiten der Proben im Hinterkopf zu haben.

Gruss,
Stefan
Titel: Re: ARCHAEOMETALLURGIE: Cuprit in Glas, Zementationstiegel
Beitrag von: Bastian in Dezember 08, 2011, 11:46:29 VORMITTAG
Ja, das einerseits, andererseits kann Artefaktbildung ja auch diagnostisch sein, Schleifhärte, Splatausbrüche, etc. In jedem Fall ist es natürlich sehr schön die Ursache für das vermeintliche Fehlverhalten zu kennen. Ich freue mich jedenfalls sehr darüber etwas Neue gelernt zu haben, speziell bei etwas, was ich schon so lange kenne wie den Cuprit/das  Kupfer(I)oxid  ;)
Bastian
Titel: Re: ARCHAEOMETALLURGIE: Cuprit in Glas, Zementationstiegel
Beitrag von: Udo.N in Dezember 08, 2011, 16:46:19 NACHMITTAGS
Hallo Stefan, hallo Bastian,

die optische Anisotropie von kubischen Mineralien wird im Auflichtmikroskop häufig beobachtet. Ausser Cuprit zeigen dies auch Pyrit, Magnetit, Cobaltin, Galenit u.a.
Die optische "Anomalie" wurde früher durch Fremdelement-Einbau in das "reine" Kristallgitter erklärt (was dieses dann etwas verzerrt und somit nicht-kubisch macht). Heute meint man, dass die Anomalie überwiegend mechanisch infolge des Schleif- und Poliervorganges bei der Präparation des Anschliffes erzeugt wird (Libowitzky, 1994), da diese Anomalien nicht mehr bei einer "chemischen" Politur (Mastermet" auf "Microcloth", Buehler) auftreten.
Dies ist inbesondere bei der paläomagnetischen Untersuchung von Magnetiten in Gesteinen von großer Bedeutung, da dabei auch die magnetischen Domänen verändert werden (und so keine oder falsche Auskünfte über ihre primäre Orientierung liefern).
Trotzdem können aber auch submikrokopische Strukturen (Entmischungen z.B. von Chromit in Magnetit oder feinnadelige Fremdmineraleinlagerungen) in Teilbereichen eines Mineralkorns zonare Anisotropie-Effekte verursachen.
Cuprit ist in allen meinen (mechanisch polierten) Anschliffen deutlich anisotrop und eigentlich charakteristisch für das Mineral.

Gruß,
Udo Neumann
Titel: Re: ARCHAEOMETALLURGIE: Cuprit in Glas, Zementationstiegel
Beitrag von: Bastian in Dezember 08, 2011, 21:41:00 NACHMITTAGS
Hallo Udo,
freut mich sehr dass ein Lagerstättenkundler zu uns stösst und die Materialbeschauer verstärkst!
Wir haben uns mal vor acht Jahren in Tübingen getroffen und  über Archaeometallurgie diskutiert..

Meine Cuprite, oder im Falle der Schlacken und Gläser zeigen  auch alle diese optische Anomalie, was ich bisher auch immer als eine sehr nützliches diagnostisches Merkmal genutzt.

Schönen Abend noch,
Bastian