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Foren => Mikroskopie-Forum => Thema gestartet von: plaenerdd in August 25, 2013, 20:42:31 NACHMITTAGS

Titel: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: plaenerdd in August 25, 2013, 20:42:31 NACHMITTAGS
Hallo Liebe Diatomeenfreunde,
bisher bin ich sehr gut damit gefahren Diatonneen einfach eine Stunde in ca. 20..30%iger Wasserstoffperoxydlösung zu kochen. Nun habe ich eine Probe aus einem moorigen Gewässer genauso behandelt, aber es sind außer den Diatomeen ockerfarbene Klumpen übrig geblieben. Wahrscheinlich ist auch Eisen im Spiel. Kann es sich bei den Klumpen um Huminkomplexe handeln, an die sich alles mögliche angelagert hat u.a. Eisen?

So sieht das Glas aus, in dem ich die Diatomeen spühle und absetzen lasse (das linke!):
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/132378_27028619.jpg) (http://s1259.photobucket.com/user/plaenerdd/media/Unreine%20Diatomeen/Glaumlser.jpg.html)

Und hier das mikroskopische Bild (Einschluss in PLEURAX):
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/132378_60534832.jpg) (http://s1259.photobucket.com/user/plaenerdd/media/Unreine%20Diatomeen/Huminkomplexe.jpg.html)

Hat jemand eine Idee, wie man das weg bekommt?

Beste Grüße
Gerd
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: RainerTeubner in August 25, 2013, 20:53:17 NACHMITTAGS
Hallo Gerd,

versuch doch mal - nach dem gründlichen Verkochen des Wasserstoffperoxyds - die braunen Flocken mit Salzsäure in Lösung zu bringen.

Eine weitere Möglichkeit wäre die Behandlung - auch nach dem gründlichen Verkochen des Wasserstoffperoxyds - mit einer Kaliumpermanganat-Lösung. Ein Überschuß an Kaliumpermangant kann mit Oxalsäurelösung beseitigt werden.

Viel Erfolg!

Rainer
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: liftboy in August 26, 2013, 09:59:50 VORMITTAG
Hallo Gerd,

völlig OT:
die Trichter in den Gläsern; sind das die Schutzkappen für ein Fieberthermometer (Ohrmessung)?? :-)
Grüße
Wolfgang

PS
Ich weiss nicht ob es funktioniert, aber mach mal einen Test mit einem Magneten.
Rost ist ja auch irgendwie Eisenoxid und ist magnetisch.
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: felix in August 26, 2013, 13:41:49 NACHMITTAGS
Hallo Gerd,

eine typische Moorprobe. Man sieht auch gleich zwei prominente Liebhaber saurer Milieus: Brachysira und Eunotia.

Ja, Huminsäure ist das Problem. Die Lösung ist einfach. Weiterkochen (etwa 80 Grad) in Peroxid mit etwa 10 Tropfen Soda 10% (auf  ca 40 ml). (Zusätzlich eine Messerspitze Natriumpyrosulfat NaPyroPhosphat ist auch eine gute Idee, falls vorhanden.) Das kann gut eine weitere Stunde dauern. Die Lösung entfärbt sich langsam und wird manchmal etwas grau mit einigen schwarzen Flocken.  Nach dem Dekantieren/Abpipettieren/Zentrifugieren erhält man tadelloses Material.

Alles Gute!
-- felix
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: treinisch in August 26, 2013, 14:09:37 NACHMITTAGS
Hallo,

Felix, du bist der Guru, erlaube trotzdem ein kleines Nachhaken:

Zitat von: felix in August 26, 2013, 13:41:49 NACHMITTAGS
Zusätzlich eine Messerspitze Natriumpyrosulfat ist auch eine gute Idee, falls vorhanden.

bist du sicher? Pyro s u l f a t ?

Vlg
Timm
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: Klaus Herrmann in August 26, 2013, 16:23:38 NACHMITTAGS
ZitatPyro s u l f a t

vielleicht Na-Persulfat (Peroxodisulfat), das wäre ein kräftiges Oxidationsmittel.

Haben täte man natürlich beides.  ;)
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: felix in August 26, 2013, 20:34:48 NACHMITTAGS
Sorry. Ich meinte Natriumpyrophosphat (Na4P2O7)!
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: Klaus Herrmann in August 26, 2013, 21:45:25 NACHMITTAGS
ZitatNatriumpyrophosphat (Na4P2O7)!

Na die Formel stimmt schon mal, und haben tät ichs auch, aber was macht das mit dem H202?
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: plaenerdd in August 26, 2013, 22:10:16 NACHMITTAGS
Hallo
Danke für die Tipps. Reine Soda ist vorhanden (nimmt die Liebste für die Wäsche). Werde ich ausprobieren.

@ Klaus:
ZitatNatriumpyrophosphat (Na4P2O7)!

Na die Formel stimmt schon mal, und haben tät ichs auch, aber was macht das mit denm H202?

Es soll ja nichts mit dem H2O2 machen sondern mit den Huminkomplexen. Da es aber auch nur Sauerstoff in Überdosis zu bieten hat, genau wie das Peroxyd, verstehe ich den Zugewinn auch nicht. Aber ich bin auch kein Chemiker. Vielleicht sollte man Moorproben einfach etwas länger köcheln.

@ Wolfgang: Die "Trichter" auf den Wegwerfsektgläser sind Füße von den gleichen. Die sind zweiteilig. Da ich die eigentlichen Gläser immer hinterher wegwerfe, um die nächste Probe nicht zu verunreinigen, bleiben die Füße immer übrig Die kommen ja als Fuß nicht mit der Probe in Kontakt. Nach Gebrauch als Staubschutzdeckel und Pipettenhalter (die will ich ja auch nicht durcheinander bringen) fliegen sie dann aber auch weg.

@ Felix; Toll dass Du da schon Gattungen ausmachst. Ich hatte für das Bild die Blende weit zugezogen, damit die Dreckklumpen besser sichtbar werden, was natürlich die Auflösung bei den Diatomeen sehr einschränkt. Aber Du hast schon recht: Die Probe sieht sehr anders aus, als die aus einem mehr oder weniger sauberen Fluss oder einem leicht eutrophen See von Artern ganz zu schweigen. Es ist schon toll wie das Milieu da durch schlägt. Das ist auch das, was mich derzeit am meisten an den Diatomeen reizt: Diese Vielfalt.

Beste Grüße und Dank
Gerd
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: Klaus Herrmann in August 26, 2013, 22:19:32 NACHMITTAGS
Hallo Gerd,

ZitatDa es aber auch nur Sauerstoff in Überdosis zu bieten hat, genau wie das Peroxyd, verstehe ich den Zugewinn auch nicht. Aber ich bin auch kein Chemiker.

Den 2. Satz glaube ich dir gerne! :D
Beim Pyrophosphat (Di-Phosphat wäre treffender) sind zwar 7 Sauerstoffatome im Anion, aber die bleiben fest an die P-Atome gebunden im Gegensatz zum Peroxid, das ein starkes Oxidationsmittel ist.

Die alkalische Reaktion der wässrigen Lösung könnte vielleicht helfen die Huminsäuren zu zerstören. Aber da täts auch Soda!  ;)
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: plaenerdd in August 26, 2013, 22:40:54 NACHMITTAGS
Ups, Klaus,
Du hast natürlich recht. Hab nur den vielen Sauerstoff gesehen, aber nicht gerechnet. Bei der basischen Soda-Lösung muss man dann aufpassen, dass sie die Kieselsäure nicht mit auflöst?

Grüße
Gerd
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: felix in August 26, 2013, 23:20:42 NACHMITTAGS
Ja, Soda kann im Prinzip die Kieselsäureschale lösen. Aber die geringe Menge ist harmlos. 

@Klaus: Soda allein reicht, um  die Huminsäure zu lösen.  Leider sind die Diatomeen oft auch mit Detritus zu Flocken zusammengeballt. Das Di-Phosphat hat sich als hervorragendes Mittel erwiesen, die Proben zu "entflocken".  Die meist tonigen Bestandteile der Flocken bleiben beim Dekantieren in Suspension und lassen sich so leicht abtrennen.  So beschreibe ich das einmal als Nicht-Chemiker.  Mit Soda allein funktioniert das nicht; die Flocken lösen sich zwar zunächst, ballen sich dann aber wieder zusammen.  Vielleicht kannst Du als Fachmann uns das einmal erklären.

Gruß! -- felix
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: treinisch in August 27, 2013, 00:32:48 VORMITTAG
Hallo,

Zitat von: felix in August 26, 2013, 23:20:42 NACHMITTAGS
Das Di-Phosphat hat sich als hervorragendes Mittel erwiesen, die Proben zu "entflocken".  Die meist tonigen Bestandteile der Flocken bleiben beim Dekantieren in Suspension und lassen sich so leicht abtrennen.  So beschreibe ich das einmal als Nicht-Chemiker.

ich bin zwar nicht der Klaus, aber stelle mir vor, dass Diphosphat, das ja ein bekannter Emulgator ist, nicht nur die Oberflächenspannung des Wassers senkt, sondern auch hervorragend Aluminium und Silicium komplexiert. Meine Diplomprüfung ist nun schon sehr lange her, aber ich meine mich an etwas wie
-Al-O-P- mit zwei Al am P zu erinnern.

vlg
Timm
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: liftboy in August 27, 2013, 09:28:36 VORMITTAG
Hallo Gerd,

das mit den Wegwerfgläsern ist eine super Idee.
Ich scheuer mir immer den Wolf mit meinem Laborglas :-)

Grüße
Wolfgang
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: felix in August 27, 2013, 10:27:56 VORMITTAG
Vielen Dank, Timm. Zwar verstehe ich die Details Deiner Erklärung nicht (bin eben kein Chemiker) aber jedenfalls nehme ich erleichtert zur Kenntnis, daß wir hier nicht auf ein reproduzierbares Wunder gestoßen sind  ;)

Viele Grüße! -- felix
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: B.Heim in August 27, 2013, 12:37:38 NACHMITTAGS
Liebe Diatomeenfreunde,

das Eingangs gezeigte Bild deutet darauf hin, dass es sich bei den bräunlich gefärbten Objekten um Eisen III hydoxid handelt. Erklärung: Durch das Behandeln der Diatommensuspension mit Wasserstoffperoxid wurde vorhandenes Eisen II zu Eisen III oxidiert, und nun spielt der pH Wert der Suspension eine Rolle.  Im Gegensatz zu Eisen II hydoxid, das bei einem pH von 8 - 9 ausfällt, fällt Eisen III hydroxid bei einem pH von 2,2 - 3,4. Man könnte nun durch unterschreiten des pH Wertes von 2,2 mit z.B. Salzsäure oder einer anderen Säure das Eisen III hydroxid in Lösung bringen und auswaschen. Dabei besteht aber die Gefahr, dass empfindliche Diatomeen von der Säure angegriffen werden und verloren gehen. Abhilfe wie folgt: Entfernen von Eisen und sonstigen Kationen mit einem Komplexbildner im neutralen pH Bereich. Bei dieser Behandlung werden wasserlösliche Komplexe gebildet, sogenannte Chelate. Diese Behandlung erfolgt bei RT. Organische Bestandteile können durch enzymatischen Abbau in eine wasserlösliche Form gebracht, und ausgewaschen werden. Diese Behandlung erfolgt im Temperaturbereich von ca. 38°C über mehrere Stunden. Diese schonende Behandlung der Diatomeensuspension erhält auch feinste Strukturen.
Fragen zu dieser Bearbeitungsmethode beantworte ich gerne.

Grüsse Bernd Heim
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: felix in August 27, 2013, 14:24:35 NACHMITTAGS
Lieber Herr Heim,

Eisen mag manchmal ein Problem sein, aber auch in diesem Fall? Moorproben sind typischerweise sehr huminsauer. Auch wenn man solche Proben in Schwefelsäure kocht, bleiben sie "ostfriesenteebraun" und klären sich erst nach anschließender Behandlung in Peroxid+Alkali (wie beschrieben), wobei es natürlich das Alkali ist, welches die Lösung der Huminsäuren bewirkt. (Dabei fällen manchmal tiefschwarze Flocken aus, wie Ruß, die man glücklicherweise leicht abtrennen kann. Haben Sie eine Idee, was da passiert?)  Ich könnte mir gut vorstellen, daß sich Huminsäuren auch enzymematisch abbauen lassen, habe damit aber bisher keine Erfahrungen.

Kieselalgen sind übrigens gegen Salzsäure ziemlich resistent. Routinemäßig entkalken wir Proben in Salzsäure, falls nötig. Das ist eine Präparation, die auch für das REM geeignet ist. Die Lösung von Eisen, falls vorhanden, in Salz- oder anderer Säure scheint mir also eine gute und einfache Option zu sein -- was natürlich nicht ausschließt, das geeignete Enzyme einen gleichen Effekt haben können. Bei der gezeigten Probe würde ich jedenfalls zunächst einmal nicht von Eisen sondern von Huminsäure als "Farbgeber" ausgehen.

Mit bestem Gruß!
-- felix
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: B.Heim in August 27, 2013, 16:14:07 NACHMITTAGS
Lieber Felix,

beim Abbau der polymeren Huminsäuren durch die Behandlung mit Säuren und/oder Alkalien entstehen Humine, Fulvosäure und kurzkettige Huminsäuren. Die Fulvosäure und kurzkettige Huminsäuren können im alkalischen Millieu lösliche Salze bilden, lassen sich dann auswaschen. Das Problem sind wahrscheinlich die Humine(schwarze Flocken). Diese Stoffgruppe ist durch Säure oder Alkalien nicht zu beseitigen. Sie haben auch den Nebeneffekt, dass sie sich wie ein Polymer verhalten und ein sehr grosses Wasseraufnahmevermögen haben und dabei quellen, mit diesem Vorgang geht ein einschliessen von anderen Bestandteilen einher. Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass unlösliche Salze mit Eigenfarbe, wie Hydroxide von Eisen und Mangen etc. eingeschlossen werden und so die braune Verfärbung zustande kommt. Unter Einsatz von Enzymen erfolgt ein vollständiger Abbau des in der Probe vorhandenen organischen Materiales, also auch der Huminsäuren. Ein Lösungsansatz könnte wie folgt sein: Behandeln der Probe mit einem Komplexbildner, um die vohandenen Kationen zu binden, die sicherlich an der Stabilität dieser polymeren Moleküle beteiligt sind, im Anschluss daran eine enzymatische Behandlung der Probe. Das organische Material wird dann in lösliche Bruchstücke abgebaut.

Grüsse Bernd Heim
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: plaenerdd in August 27, 2013, 19:20:40 NACHMITTAGS
Hallo Herr Heim,
einen enzymatischen "Nussknacker" fürs Organische bieten Sie ja über CHEMLAB an. Was wäre denn ein geeigneter "Komplexbildber"? Ich denke auch, dass da recht viel Fe unterwegs ist. Etwas unterhalb der Probeentnahmestelle sind auch Eisenbakterien zu finden, die dort ähnliche Färbungen verursachen, wie sie bei meiner H2O2 Aufbereitung entstanden sind.

Nun, zunächst werde ich mal Sodalösung ansetzten und damit den pH-Wert leicht anheben. Versuch macht kluch und Probenmaterial ist reichlich vorhanden. Das Gewässer liegt nahe an meinem täglichen Arbeitsweg.

Beste Grüße
Gerd
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: Dünnschliffbohrer in August 27, 2013, 20:28:43 NACHMITTAGS
Hallo Gerd,
probier´s doch mal mit Oxalsäure. Ich hab irgendwo mal aufgschnappt, dass die Eisenoxid-fällungen wohl sehr gut auflösen soll, und sie wird  die Diatomeen bestimmt nicht angreifen.M. W. wird Oxalsäure für ähnlich gelagerte Probleme in unserer "alten Disziplin" verwendet.
Viele Grüße vom Dünnschliffbohrer
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: plaenerdd in August 27, 2013, 21:59:48 NACHMITTAGS
Hallo Dünnschliffbohrer,
die Oxalsäure habe ich im Moment nicht zur Hand, kann ich mir aber sicher besorgen. Mein nächster Versuch geht erstmal mit Soda und zwar in kleinen Mengen. Muss aber erstmal neues Probenmaterial besorgen. Ich will das alte nicht 3 mal aufkochen. Da weiß ich am Ende nicht mehr, was wirklich geholfen hat. Ich werde berichten, wie es ausgeht.

Grüße
Gerd
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: Dünnschliffbohrer in August 29, 2013, 18:48:14 NACHMITTAGS
Hallo Gerd,
ich hab heute mal in dem Wissing/Herrig " Methoden der Mikropaläontologie" nachgelesen. Der gibt Rezepte zur Entfernung von Eisenzeugs mittels Oxalsäure an. Die dürften aber wohl hinsichtlich der Mengen-/Konzentrationsangaben wohl eher nicht direkt auf dein Problem übertragbar sein, handelt es sich doch bei deinen Proben nur um ganz geringe Verfärbungen und nur minimale Ausfällungen - im Gegensatz zu dem womit sich Geolügen rumschlagen. Aber es muss wohlprinzipiell  gehen.
Viel Spaß beim Pröbeln, Dsb.
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: Podsol in September 02, 2013, 21:27:25 NACHMITTAGS
Servus,

Na4P2O7 (0,1 molar und Raumtermperatur genügt) peptisiert metallorganische Komplexe (wegen Na+). Oxalat- oder Dithionitbehandlungen peptisieren ebenso die metallorganischen Komplexe. Vom Aufwand und (vor allem) Abfall würde ich aber die Na4P2O7 Behandlung bevorzugen. Alle drei Verfahren greifen kristalline Si-Verbindungen nicht an.
Bei störenden Eisenoxiden hilft Oxalat oder Dithionit (stärker). In Torfen/Mooren sollten aber nur eigentlich organische Verbindungen färben.

Mit freundlichem Gruß,

Flo   
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: plaenerdd in September 03, 2013, 22:15:07 NACHMITTAGS
Hallo,
Danke für die weiteren Hinweise.
Die Sodabehandlung hat nicht all zu viel gebracht, außer reichlich Schaum. Ich habe beschlossen erstmal mit den braunen Batzen zu leben. Sie stören auch nur selten. Tetranatriumdiphosphat (Na4P2O7) habe ich gelesen, wir auch zur Stabilisierung von H2O2 eingesetzt, also das Gegenteil von Schäumen. Man sollte es also wohl nach der H2O2-Behandlung anwenden, um metallorganische Komplexe an zu gehen?
Beste Grüße
Gerd
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: felix in September 03, 2013, 23:13:36 NACHMITTAGS
Hallo Gerd,

die "braunen Batzen" (in Deinem Bild) sind schlicht und einfach organische Reste (beinahe sicher mit Huminsäure versetzt, vielleicht auch mit etwas Eisen). Wenn Du keine Säuren einsetzen möchtest, reduzierst Du sie durch geduldiges Köcheln in Peroxid. Ein Alkali hilft dabei sehr wohl. Soda ist zwar ein bekannter Schaumschläger, aber das Schäumen der Probe kann auch allein durch die Reaktion des Peroxids mit den organischen Resten hervorgerufen werden.  Deshalb mein TIPP bei (beinahe) allen Arbeiten mit Peroxid  1. eine Auffangschale unterzustellen, und 2. eine Spritze mit Alkohol bereitzuhalten.  Durch das Aufträufeln von Alkohol (darf ruhig Brennspiritus sein) kann man Peroxid ziemlich gut bändigen; falls nicht, dann greift Maßnahme 1. Statt des manchmal schäumenden Sodas kann man auch einige Tropfen Ammoniak nehmen.

Um das Mysterium des Natriumpyrophosphats (syn. NaDiphosphat) aufzulösen: Es mag Vieles bewirken. In der hier verhandelten Anwendung geht es allein um folgendes: Das Diphosphat dient als Dispersionsmittel. Es bindet Energie an feine Partikel so, daß diese sich gegenseitig abstoßen und also nicht mehr zusammenballen können. Dazu muß Energie zugeführt werden, was durch das Erhitzen geschieht.  Diphosphat findet in diesem Sinne Anwendung in der Siebtechnik.  Für unseren Fall heißt das, daß die von den Algen gelösten feinen Partikel in Schwebe und isoliert bleiben und sich durch geschicktes Zentrifugieren oder Dekantieren (in manchen Fällen auch durch Sieben) abtrennen lassen. Das ist jedenfalls meine Verballhornung einer Erklärung, die mir vor ein paar Tagen ein Mikrofreund, der sein Berufsleben als leitender Ingenieur in der Chemietechnik verbracht hat, plausibel gemacht hat.  DiPhosphat wird auch in Wissing & Herrings "Arbeitstechniken der Mikropaläontologie" genannt als ein Mittel, das Schlämmen und Sieben zu erleichtern: gleiches Prinzip!

Deine Einstellung, es mit dem Reinigen nicht zu übertreiben, ist völlig vernünftig. Wenn genügend Schalen frei liegen, dann mußt Du Dich an den immer noch vorhandenen organischen Resten nicht weiter stören.  Es ist aber auch klar, daß die Probe ohne großen Aufwand noch etwas mehr Potential hat.  Das wirst Du nach weiteren Versuchen mit anderen Proben bald selbst sehen.

In diesem Sinne viel Erfolg! -- felix
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: treinisch in September 04, 2013, 01:24:56 VORMITTAG
Hallo Felix,

ich möchte da doch noch mal nachhaken! Denn für den unbewaffneten Leser klingt das jetzt wie ein Widerspruch zu dem von mir erwähnten Mechanismus. Da es keiner ist (wäre nicht schlimm, wenn es einer wäre), möchte ich gern noch etwas ausführen.

Zitat von: felix in September 03, 2013, 23:13:36 NACHMITTAGS
Es bindet Energie an feine Partikel so, daß diese sich gegenseitig abstoßen und also nicht mehr zusammenballen können.

Das ist natürlich richtig, ist aber keine Erklärung im engeren Sinne, sondern die Beschreibung des Phänomens mit anderen Worten. Wenn die Partikel nicht mehr zusammenhalten, stoßen sie sich offensichtlich ab.

Die große Frage ist ja, wie ausgerechnet Pyrophosphat das bewerkstelligt, warum nicht Phosphat oder Hypochlorit oder das von dir aus versehen ins Spiel gebrachte Pyrosulfat, warum gerade Pyrophosphat? Und warum sollten Tonpartikel überhaupt zusammenhalten? Sie sind nämlich meines Wissens keinesfalls neutral, sondern negativ geladen, zumindest in alkalischem oder neutralem Milieu (sind imho Kationenaustauscheer. Klar, gilt natürlich nur in Wasser, nicht trocken, man kriegt keine gewischt, wenn man Ton anfasst).

Die negative Ladung ist glaube ich nicht das Interessante, denn Pyrophosphat ist selbst negativ geladen. Natürlich wird die negative Ladung auf der Oberfläche kompensiert durch kleine Kationen aus der Lösung, aber auch da kann die Musik nicht spielen, denn das Natriumpyrosulfat liefert ja auch wieder kleine Kationen.

Ich denke, wie bereits erwähnt, dass die Musik an den Stellen spielt, wo die Ton-Bruchstücke mehrfach geladene Kationen vorzeigen (Mg, Al). An diese Stellen lagern sich Anionen an und können potentiell die negative Ladung der Tonpartikel verstärken. Ein Chlorid natürlich nicht, das verdrängt höchstens ein Chlorid oder OH-, das eh schon da ist, das ist gehopst wie gesprungen. Ein Phosphat hätte schon mehr Ladung zu bieten und ist auch größer, so, dass im Gleichgewicht aus Ausgleich der positiven Ladung an einem Ton Al oder Mg, und der Abstoßung durch benachbarte negative Ladungen am Tonstückchen eine nach außen wirkende zusätzliche negative Ladung wirksam werden könnte.

Verglichen mit Phosphat ist unter diesen Aspekten: Nettoladung und räumliche Verteilung der Ladung natürlich ein Pyrophosphat eine taktische Atomwaffe. Vierfach geladen! Und allein sieben(!) Sauerstoffatome! Von Hydrathüllen ganz zu schweigen.

Das halte ich für den Grund, warum unter all den denkbaren Anionen gerade Pyrosulfat so effektiv die Nettoladung eines Partikels erhöhen kann. Selbst der Namensvetter Pyrosulfat hätte bloß lächerliche zwei Ladungen zu bieten, damit bewirkt es nichts.

Natrium ist natürlich auch gut, ein zweiwertiges Kation würde zu effektiv die bestehenden negativen Ladungen ausgleichen.

Deswegen Natriumpyrosulfat.

Viele Grüße

Timm

Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: felix in September 04, 2013, 11:07:39 VORMITTAG
Oh je, Timm, da habe ich ja etwas angerichtet.  Ich wollte Dir sicher nicht widersprechen -- als chemischer Laie kann ich das ja gar nicht, ohne mich zu blamieren. Auf der Ebene, die meinem Verständnis dieser Dinge noch zugänglich ist, sehe ich auch keinen Widerspruch zwischen Deiner Erklärung und der Erklärung, die ich versucht habe in sehr einfachen Worten (über die ein Chemiker vielleicht die Stirn in Falten legt) wiederzugeben. Dankbar beuge ich mich Deiner Autorität; das nennt man "intellektuelle Arbeitsteilung"  ;).

Es ging mir im wesentlichen darum, nochmals klarzustellen, welche Aufgabe Natriumpyrophosphat  in dem Reinigungsprozeß hat, nicht wie es diese Aufgabe erfüllt. (Also ja, Beschreibung, nicht Erklärung, wie Du es schön auf den Punkt bringst.) Das Mittel soll Stoffe nicht lösen, sondern sie in Dispersion (ist das der chemisch korrekte Ausdruck?) halten, um die Abtrennung zu erleichtern.  Du erklärst das nun viel detaillierter als ich es könnte (Danke!).  Aber abgesehen davon, wie das nun im Detail funktioniert, daß es funktioniert ist unbestreitbar: Wer Proben von Kieselalgen (fossil oder rezent) reinigt, stellt fest, daß NaPyrophosphat die gerade beschriebene Aufgabe perfekt erfüllt.

Mit bestem Gruß! -- felix
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: plaenerdd in September 05, 2013, 15:06:25 NACHMITTAGS
Hallo Felix und Timm,
Danke für Eure Ausführungen! Wo bekommt man denn das "Wundermittel". Ist es frei käuflich oder muss man wieder trixen um es zu bekommen?
Beste Grüße
Gerd
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: Klaus Herrmann in September 05, 2013, 17:16:13 NACHMITTAGS
Hallo Gerd,

ZitatWo bekommt man denn das "Wundermittel

im Zweifel bei mir, aber es ist sicher frei verkäuflich - wahrscheinlich ist es sogar für die Wurstherstellung zugelassen!  ;D
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: plaenerdd in September 05, 2013, 18:50:07 NACHMITTAGS
Hallo Klaus,
lässt sich damit die Wurst besser schmieren, weil die Fleischteile nicht so aneinander heften?
Aber Du hast schon recht, es ist der Lebensmittelzusatzstoff 450c, wie ich gerade bei Wikipedia gelesen habe.
Beste Grüße
Gerd
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: Klaus Herrmann in September 05, 2013, 20:43:54 NACHMITTAGS
Hallo Gerd,

es ist ein typisches Streckmittel: bindet viel Wasser und du kauft Phosphatwasser, was offensichtlich immer noch billiger ist als Fleischabfälle, die natürlich auch in der Wurst sind. Der ist das völlig Wurst! Man kauft in vielen Wursthäuten Gewicht - nicht Qualität!

Mein Pyrophosphat wäre zu teuer es ist p.a. Qualität!  :D
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: treinisch in September 05, 2013, 23:36:35 NACHMITTAGS
Hallo Klaus,

obwohl du natürlich recht hast, würde ich dennoch gern sanft widersprechen:

Zitat von: Klaus Herrmann in September 05, 2013, 20:43:54 NACHMITTAGS
es ist ein typisches Streckmittel: bindet viel Wasser und du kauft Phosphatwasser, was offensichtlich immer noch billiger ist als Fleischabfälle, die natürlich auch in der Wurst sind. Der ist das völlig Wurst! Man kauft in vielen Wursthäuten Gewicht - nicht Qualität!

Die grundsätzliche Herausforderung bei der Herstellung von gegarten (zu garenden) Würsten ist ja, zu verhindern, dass sich die fettige Phase von der Protein / Wasser - Phase trennt, bevor sich das Gel (wieder) gebildet hat.

Und da ist halt eine Strategie zu emulgieren. Dafür muss man Wasser zugeben und eben Phosphat als Emulgator.
Klar, Wasser ist billig und ein zweiter Vorteil ist die einfachere Prozessführung weil Temperatur und Zeit einfacher zu führen sind und man kann Zutaten verwenden, die man ,,historisch" nicht in Wurst stabil bekommen hätte, bzw. nicht in einer Wurst, die ein Verbraucher ohne Labor kochen könnte.

Letzteres ist auch der Grund, warum Phosphat nicht nur in billigen, sondern auch in besonders teuren Würsten vorhanden ist. In meinem Lieblingskochbuch Modernist Cuisine von Nathan Myhrvold enthalten viele Wurst-Rezepte (und auch viele andere Rezepte) Phosphat, billig ist bei Modernist Cuisine allerdings ganz sicher als Argument komplett aus dem Rennen :-)

Viele Grüße

Timm
Titel: Re: Diatomeen aus Moor reinigen
Beitrag von: Podsol in September 06, 2013, 22:09:43 NACHMITTAGS
Meines Wissen liegt der Vorteil v. a. bei der einwertigen Ladung des Natriums: Das Natrium lagert sich in der diffusen Doppelschicht der Sorbenten (Teilchen mit negativer Oberflächenladung) ein. Die mit Na+ belegte Doppelschicht sorgt für eine bessere Abstoßung in der Suspension.
Ca2+ und Al3+ hingegen lagern sich in der Stern-Schicht (also direkt am Teilchen mit negativer Oberflächenladung) ein und verursachen daher Flockung.

Phosphat bildet innersphärische Oberflächenkomplexe und ergänzt damit die suspendierende Wirkung des Natriums.

Eine Na4P2O7 Behandlung reicht erfahrunsgemäß für die Abtrennung von Huminsäuren und Mineralen aus, H2O2 wird nicht benötigt.

Grüße,

Flo