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Foren => Mikrofoto-Forum => Thema gestartet von: Fahrenheit in November 25, 2015, 08:05:05 VORMITTAG

Titel: Botanik: Ein wenig Paprika - Capsicum annuum - neue Bilder *
Beitrag von: Fahrenheit in November 25, 2015, 08:05:05 VORMITTAG
Liebe Pflanzenfreunde,

bei der Erwähnung von Paprika denken wir oft zunächst an Ungarn oder die Mittelmeeranreiner. Dabei stammt die Pflanze ursprünglich aus Mittelamerika, sie ist aber recht anspruchslos und fühlt sich weltweit in den gemäßigten und tropisch- bis subtropischen Zonen und damit auch auch bei und recht wohl. Ich hatte diesmal eine Auswahl verschiedener Züchtungen in unserem Komposter und habe mir einmal die Unterschiede zwischen den Internodien und den Knoten des Sprosses angeschaut.


Wie immer zunächst ein Wenig zur Paprikapflanze selbst

Der Spanischer Pfeffer (Capsicum annuum) oder Paprika ist eine Pflanzenart aus der Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae). Wie schon geschrieben, liegt der Ursprung der Wildsorte in Süd- und Mittelamerika, wobei  natürliche Vorkommen jedoch bis in den Süden Nordamerikas reichen.
C. annuum ist der am weitesten verbreitete Vertreter der Gattung Paprika (Capsicum). Es gibt eine Vielzahl von Sorten, von der milden Gemüsepaprika wie "Pustagold", von dem die Probe stammt, bis hin zu sehr scharfen Sorten, die sich als Gewürz eignen. Hier sei als bekannter Vertreter der Cayenne Chili genannt (Capsicum annuum var. acuminatum). In der Botanik bedeutet annuum einjährig, die heutigen Sorten sind aber alle länger als ein Jahr kultivierbar, wenn sie nicht vom Frost dahin gerafft werden.

Bild 1: Illustration aus Köhlers Medizinalpflanzen, 1887, von Franz Eugen Köhler, gemeinfrei. Quelle www.biolib.de von Kurt Stüber
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182758_7746814.jpg)

Die Pflanzen aus dem Capsicum-annuum-Komplex werden bis zu 150 cm hoch und wachsen als buschiger Halbstrauch, aber meistens nach oben gestreckt. In der Nähe der Wurzel verholzen die Pflanzen relativ leicht. Die Blätter sind nach vorn zugespitzt, zwischen 5 und 25 cm lang und zwischen 3 und 15 cm breit.

Bild 2: Ein Sprossstück mit intensiv violett gefärbten Nodien
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182758_13062350.jpg)

Die Blüten stehen meistens einzeln an den Knoten (Nodien) des Sprosses. Sehr selten sind auch zwei oder drei Blüten in einer Verzweigung zu finden, die dann hauptsächlich in der ersten Sprossgabelung sitzen. Die meistens fünf (aber auch vier bis sieben) Kronblätter sind weiß. Seltener haben sie violette Linien oder sind komplett violett. Typisches Merkmal sind die oft bläulichen Staubgefäße und der Kelch mit seinen kurzen, ca 5 mm langen Zipfeln. Blüten und Früchte hängen meistens nach unten, jedoch gibt es auch Sorten wie die Wildform Tepin, deren Früchte nach oben wachsen.

Bild 3: Eine Blüte
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182758_50934842.jpg)
Aufnahme aus Wikipedia, User Shizao, 2006, CC BY-SA 2.5

Die Paprikafrucht ist botanisch gesehen eine Beeren. Hier sind, abhängig von Sorte und Reifegrad, viele Farben von Rot über Orange, Gelb und Grün bis zum Violett zu finden. Auch die Form der Früchte ist sehr variabel und reicht von großen, glatten ballonartigen Formen hin zu kleinen, lang gestreckten oder gedrungenen Früchten. Die Frucht selbst ist innen hohl und trägt am oberen Ende von drei bis vielen Stegen eine Vielzahl von Samen.

Bild 4: Eine unreife Frucht an einer anderen Pflanze in unserem Komposter
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182758_10366524.jpg)

Der Gehalt an Capsaicin, dem für die Schärfe verantwortlichen Inhaltsstoff von Paprika bzw. Chili, ist zwischen den verschiedenen Sorten von Capsicum annuum sehr unterschiedlich. Während Gemüsepaprika nahezu kein Capsaicin enthalten (0 SCU auf der Scoville-Skala), haben schon Jalapeños einen Wert von 2500-8000 SCU. Spitzenreiter unter den Capsicum annuum, wie der Cayenne oder die Wildform Chiltepin liegen bei ca. 30.000–50.000 SCU, also noch weit unter den Werten, die Vertreter anderer Arten, wie beispielsweise Capsicum chinense erreichen.

Bild 5: Eine frühe botanische Illustration von Leonhart Fuchs (1543); Quelle Wikipedia, gemeinfrei
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182758_63840421.jpg)

Nun noch kurz ein Wenig zur Präparation und Technik:


Präparation:

Geschnitten habe ich den frischen, unfixierten Spross freistehend auf dem Zylindermikrotom mit Leica Einmalklingen im SHK-Klingenhalter durchgeführt. Die Schnittdicke der hier gezeigten Querschnitte liegt bei ca. 50 µm.  

Nach dem Schnitt habe ich für ca. 40 Minuten in AFE fixiert und dann in Ethanol 70% gespült und stufenweise in Aqua dest. überführt.
Zwischenzeitlich habe ich einige Aufnahmen vom Frischmaterial gemacht.

Gefärbt habe ich mit W3Asim II nach einem Rezept von Rolf-Dieter Müller. Entsprechende Arbeitsblätter können im Downloadbereich der MKB-Webseite (http://www.mikroskopie-bonn.de/downloads/index.html#a15) herunter geladen werden. Eine ausführliche Beschreibung der Färbung findet sich hier (http://www.mikroskopie-bonn.de/bibliothek/botanische_mikrotechnik/index.html#a754).

Eingedeckt sind die Schnitte - nach gründlichem Entwässern in reinem Isopropanol - in Euparal.


Technik:

Alle Aufnahmen auf dem Leica DME mit den 5x und 40x NPlanen sowie den 10x und 20x PlanApos. Die Kamera ist eine Canon Powershot A520 mit Herrmannscher Okularadaption. Zur Zeit nutze ich ein Zeiss KPL 10x, das mit den Leica-Objektiven sehr gut harmoniert. Die Steuerung der Kamera erfolgt am PC mit PSRemote und der Vorschub manuell anhand der Skala am Feintrieb des DME.

Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.

Leider habe ich zur Zeit massive Probleme, meine Beiträge mit Bildern online zu stellen. Daher mache ich hier einen Schnitt, in der folgenden Antwort geht es weiter ...
Titel: Re: Botanik: Ein wenig Paprika - Capsicum annuum *
Beitrag von: Fahrenheit in November 25, 2015, 08:32:27 VORMITTAG
... und weiter geht's ...

Nun aber zu den Schnitten!

Bei einem Vertreter aus der Familie der Nachtschatten erwarten wir als Besonderheit ein zusätzliches, innen liegendes Phloem. Außerdem wollte ich wissen, ob die dunkle Violettfärbung am Knoten auf Chromoplasten oder angefärbtes Zytoplasma zurück zu führen ist und was es mit den dunkelgrünen Streifen (alle Details siehe Bild 2) auf sich hat.

Die violette Färbung beruht auf Farbeinlagerungen im Zythoplasma. Der Farbstoff wird schon durch die Zugabe von 30% Ethanol als Netzmittel beim Schnitt binnen weniger Minuten zerstört. Mikrofotografisch ist da also nichts zu machen.

Die dunkelgrünen Längsstreifen auf den Internodien lassen sich aber schön am ungefärbten Schnitt nachverfolgen:

Bild 6a,b: Querschnitt durch die äußeren Gewebe des Sprosses, ungefärbt, Bild 6b mit Beschriftung; Vergrößerung 200x, Stapel aus je 17 Bildern
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182759_54246671.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182759_25181126.jpg)

Wir sehen oberhalb des Rindenparenchyms und bedeckt von der Epidermis ein mehrlagiges Kollenchym mit dicken Zellwänden zur Stabilisierung des Sprosses. In den direkt darunter liegenden Zellreihen des Rindenparenchyms finden wir Chloroplasten, die für die Grünfärbung des Sprosses verantwortlich sind. Das Kollenchym ist aber unterbrochen von ebenfalls Chloroplasten tragenden Zellen, die einen substomatären Interzellularraum umgeben, an dessen Außenseite in der Epidermis ein Stoma eingelagert ist. Dies sind die beobachteten dunkelgrünen Längsstreifen auf dem ansonsten heller gefärbten Spross.
Informationen zu den Abkürzungen im Bild 6b sowie den folgenden beschrifteten Bildern findet Ihr wie immer auf der Webseite des MKB: Tabelle mit den Kürzeln und den zugehörigen allgemeinen Erläuterungen (http://www.mikroskopie-bonn.de/bibliothek/botanische_mikrotechnik/158.html).

Schauen wir uns die selbe Stelle noch einmal im gefärbten Präparat an:

Bild 7a,b: Querschnitt durch die äußeren Gewebe des Sprosses, nun gefärbt mit W3Asim II, Bild 7b mit Beschriftung; Vergrößerung 200x, Stapel aus je 20 Bildern
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182759_59408853.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182759_56152722.jpg)

Während der zweischichtige Aufbau des Rindenparenchyms mit Chloroplasten in den äußeren und Amyloplasten in den inneren Zelllagen in den ungefärbten Schnitten besser zu erkennen ist, fällt hier besonders das einreihige Sklerenchym vor dem Phloem ins Auge. Interessant finde ich auch die dunklen "Organellen" in den Epidermiszellen rund um das hier außerhalb der Bildebene liegende Stoma. Es könnten aber auch beim Schnitt verschleppte Pilzsporen von der Cuticula sein. Diese hat sich im Laufe der Präparation übrigens abgelöst und "schwebt" nun stellenweise über der Epidermis.

Amyloplasten? Ja, davon gibt es in den Sprossquerschnitten jede Menge. Schauen wir einmal genauer hin:

Bild 8a,b: Amyloplasten in den Zellen des Rindenparenchyms, ungefärbt, Bild 8b mit Beschriftung; Vergrößerung 400x, Stapel aus je 21 Bildern  
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182759_43844556.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182759_26847985.jpg)

Wir sehen Amyloplasten, die in Gruppen zu mehreren zusammen liegen. Die Zellen sind voll davon und ich vermute einmal, dass diese Stärke für das Wachstum der Früchte gedacht war, was wegen dem schattigen Standort nicht so recht in Gang gekommen ist.

Und noch ein Häppchen ...
Titel: Re: Botanik: Ein wenig Paprika - Capsicum annuum *
Beitrag von: Fahrenheit in November 25, 2015, 08:42:40 VORMITTAG
... weiter geht's ...

Werfen wir nun noch einmal einen Blick auf den Aufbau des Sprosses im Internodium und einem Knoten.

Bild 9a,b: Der Spross im Internodium im Überblick, Färbung W3Asim II, Bild 9b mit Beschriftung; Vergrößerung 50x, Stapel aus je 26 Bildern
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182760_199777.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182760_8990007.jpg)

Wie für eine Pflanze aus der Familie der Solanaceae zu erwarten, sehen wir hinter dem primären Xylem noch Gruppen von innerem Phloem, das teilweise zum Markparenchym hin mit einigen Sklerenchymzellen abgegrenzt ist. Dafür ist das normale Phloem auf der Außenseite des Cambiums vergleichsweise schwach ausgebildet. Es gibt recht viele Zellen vom Phloemparenchym, in die vergleichsweise wenig Siebröhren mit ihren Geleitzellen eingelagert sind.

Bild 10a-d: Das innere Phloem in zwei Vergrößerungen, Bilder 10b & d mit Beschriftung, Vergrößerung 100x bzw. 200x aus je 21 Bildern
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182760_1897140.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182760_18262443.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182760_16503569.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182760_4463106.jpg)

Das innen liegende Phloem in der hier gezeigten Form findet sich z.B. auch beim Schwarzen Nachtschatten (Solanum nigrum) und dem Bittersüßen Nachtschatten (Solanum dulcamara).

einen hab' ich noch ...
Titel: Re: Botanik: Ein wenig Paprika - Capsicum annuum *
Beitrag von: Fahrenheit in November 25, 2015, 08:55:38 VORMITTAG
... nun zum letzten Teil ...

Hier noch einmal ein genauerer Blick auf das Cambium mit den umliegenden Geweben:

Bild 11a,b: Sklerenchym, Phloem, Cambium und Xylem, Bild 11b mit Beschriftung; Vergrößerung 200x, Stapel aus je 25 Bildern
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182762_66622070.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182762_45203171.jpg)

Während das Xylem mit den Markstrahlen keine Besonderheiten aufweist, ist das Phloem großräumig von mit Amyloplasten gefüllten Zellen der verlängerten Markstrahlen unterbrochen.

Wie sieht das nun im Sprossknoten aus? Meine Schnitte liegen alle knapp unterhalb der Gabelung und des Ansatzpunktes der Blattgründe, die folgende Gabelung der Leitbündel ist in den Schnitten aber schon zu sehen.

Bilder 12a - d: Die Leitgewebe unterscheiden sich stark, Bilder 12b & d mit Beschriftung, Vergrößerung 50x, Stapel aus je 30 bzw. 20 Bidlern
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182762_20876819.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182762_67041637.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182762_64083652.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182762_65192075.jpg)


Die Leitgewebe unterscheiden sich deutlich, je nach dem, ob oberhalb ein Blatt abzweigt oder nicht. So ist das Xylem z.B. unterhalb eines Abzweigs gut 1,2 mm dick und stark verholzt. Direkt neben an aber erreicht es bei  deutlich geringerer Sklerifizierung nur rund 0,8 mm.

Auch das Rindenparenchym trägt zur Knotenbildung bei und ist deutlich stärker ausgeprägt als im Bereich der Internodien.

Bild 13a,b: Rindenparenchym eines Knotens mit beginnendem sekundären Wachstum, Bild 13b mit Beschriftung; Vergrößerung 50x, Stapel aus je 25 Bildern
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182762_47962264.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/182762_10818254.jpg)

Der Durchmesser des Rindenparenchyms beträgt hier gut 2 mm, während es beim Internodium (vergleiche Bild 9) nur rund 0,4 mm sind. Normalerweise verholzt der Spross der Paprika von der Wurzel beginnend nach oben, aber an den Knoten scheint ebenfalls sekundäres Dickenwachstum einzusetzen. Für eine Lentizelle ist mir die Lage und die Größe des entsprechenden Bereiches mittlerweile zu exponiert, auch wenn ich ihn zunächst mit "Len" für Lentizelle bezeichnet habe. Hier würde mich die Meinung der Botaniker interessieren.

Vielen Dank fürs Lesen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg

p.s.
Noch mal sorry wegen der Stückelung, aber anders gings nicht. :)
Titel: Re: Botanik: Ein wenig Paprika - Capsicum annuum *
Beitrag von: wejo in November 25, 2015, 10:16:40 VORMITTAG
Hallo Jörg,

ich bin begeistert von Deinen Aufnahmen und den Erläuterungen! Danke für die Arbeit und das Zeigen!

Gruß
Werner
Titel: Re: Botanik: Ein wenig Paprika - Capsicum annuum *
Beitrag von: liftboy in November 25, 2015, 11:26:37 VORMITTAG
Hallo Jörg,

immer wieder ein Genuß, Deine Beiträge!
(Wenn Du noch von der getrockneten brauchst, lasse es mich wissen :-)  )

Viele Grüße
Wolfgang
Titel: Re: Botanik: Ein wenig Paprika - Capsicum annuum *
Beitrag von: Jan Kros in November 25, 2015, 12:47:19 NACHMITTAGS
lieber Joerg
ich schliesse mich andere Schreibern an
gruss
Jan
Titel: Re: Botanik: Ein wenig Paprika - Capsicum annuum *
Beitrag von: hajowemo in November 25, 2015, 17:58:14 NACHMITTAGS
Lieber Jörg,
ich sage nur noch !!! TOLL !!! gemacht.
Liebe Grüße
Jochen
Titel: Re: Botanik: Ein wenig Paprika - Capsicum annuum *
Beitrag von: Fahrenheit in November 25, 2015, 21:30:09 NACHMITTAGS
Liebe Freunde,

vielen Dank für Euer Lob. Schön, dass Euch mein Beitrag gefällt.

Lieber Wolfgang,
aber immer. Die Letzten sind schon aufgebraucht.  ;D

An die Botaniker unter uns: wie schätzt Ihr das Bild 13 ein - sekundäres Dickenwachstum oder Lentizelle?

Allen herzliche Grüße
Jörg
Titel: Re: Botanik: Ein wenig Paprika - Capsicum annuum *
Beitrag von: Heiko in November 25, 2015, 21:44:37 NACHMITTAGS
Lieber Jörg,

bezüglich der Qualität Deiner Abbildungen wiederhole ich einfach die Schlüsselworte meiner Vorredner: Begeisterung, Genuss, toll.

Jetzt bitte ich noch um Nachhilfe.

,,Die violette Färbung beruht auf Farbeinlagerungen im Zythoplasma. Der Farbstoff wird schon durch die Zugabe von 30% Ethanol als Netzmittel beim Schnitt binnen weniger Minuten zerstört. Mikrofotografisch ist da also nichts zu machen."

Handelt es sich um einen Vakuolen-Farbstoff? Wie stabil ist dieser, wenn Du auf das Ethanol verzichtest?

Viele Grüße,
Heiko
Titel: Re: Botanik: Ein wenig Paprika - Capsicum annuum *
Beitrag von: Fahrenheit in November 26, 2015, 07:48:43 VORMITTAG
Lieber Heiko,

auch Dir herzlichen Dank für Dein Lob!

Nach dem, was ich gesehen habe, war das Zythoplasma gefärbt, nicht das Wasser in der Vakuole. Leider wird der Farbstoff sehr schnell zerstört und es kann natürlich auch sein, dass sich die Farbe quasi als Schnittartefakt über die gesamte Zelle verteilt hat.
Als ich den frischen Schnitt unter dem Mikroskop hatte, war schon 90% der Herrlichkeit dahin - ganz sicher bin ich mir bei meiner Beobachtung also nicht.

Ich habe auch Ochsengalle als Netzmittel da, die nehme ich aber nicht so gerne. Ausprobieren kann ich's auch nicht mehr: wir haben die Pflanzen schon abgeräumt.

Herzliche Grüße
Jörg
Titel: Re: Botanik: Ein wenig Paprika - Capsicum annuum *
Beitrag von: reblaus in November 26, 2015, 09:56:54 VORMITTAG
Lieber Jörg -

tolle Doku, wie immer!

Die Geschichte mit dem blauen Farbstoff im Zytoplasma interessiert mich. Vermutlich handelt es sich doch um Anthozyane, die sich für gewöhnlich in der Vakuole aufhalten. Unter welchen Bedingungen kann man denn das gefärbte Zytoplasma beobachten - meist ist es ja nur ein relativ dünner Zellwandbelag?

Viele Grüße

Rolf
Titel: Re: Botanik: Ein wenig Paprika - Capsicum annuum *
Beitrag von: Fahrenheit in November 26, 2015, 10:06:46 VORMITTAG
Lieber Rolf,

abermals danke! :)

Ich glaube, die Antwort auf Deine Frage muss ich Dir, genau wie Heiko, schuldig bleiben. Unter "Alkoholeinfluss" zerfällt der Farbstoff ohne Ausfällungen, es bleibt eine braune Suppe, die gleichmäßig über alle Zellen verteilt ist. Ich konnte in wenigen Zellen, ebenfalls flächig, noch den violetten Farbton beim Ausbleichen beobachten.

Es kann gut sein, dass die Farbe ursprünglich in den Vakuolen saß, aber ohne neue Schnitte gibt es leider keine Sicherheit.

Hat ggf. noch jemand Paprikapflanzen im Garten und wäre so nett, nachzuschauen? Es müsste auf jeden Fall Frischmaterial ohne Alkohol geschnitten werden.

Herzliche Grüße
Jörg
Titel: Re: Botanik: Ein wenig Paprika - Capsicum annuum *
Beitrag von: Detlef Kramer in November 26, 2015, 10:48:54 VORMITTAG
Lieber Jörg,

ganz klar: das ist wieder ein toller Beitrag! Zu Deiner Frage zu Abb. 13: Ich würde hier nicht von sekundärem Dickenwachstum sprechen, denn dieser Begriff bezieht sich auf die Aktivität des Kambiums zwischen Xylem und Phloem. Die Lentizelle ist ein Gebilde innerhalb des Periderms und besteht aus Korkzellen (Phellem), die wiederum vom Phellogen (Korkkambium) gebildet werden. Die Pusteln entstehen dadurch, dass im Bereich der Lentizellen im Verlaufe der Differenzierung die Mittellamellen aufgelöst werden und die Zellen sich dadurch partiell trennen. Dies führt nach gängiger Auffassung dazu, dass das Gewebe luftdurchlässig wird und das Rindengewebe so Gas austauschen kann. Habe ich damit Deine Frage beantwortet?

Herzliche Grüße
Detlef   
Titel: Re: Botanik: Ein wenig Paprika - Capsicum annuum *
Beitrag von: Fahrenheit in November 26, 2015, 12:57:08 NACHMITTAGS
Lieber Detlef,

ich danke Dir! Vor diesem Hintergrund bin ich bei der zweiten Betrachtung meiner Schnitte von der Lentizelle weg zum sekundären Dickenwachstum geschwenkt.

Herzliche Grüße
Jörg
Titel: Re: Botanik: Ein wenig Paprika - Capsicum annuum *
Beitrag von: Fahrenheit in November 29, 2015, 14:02:20 NACHMITTAGS
Liebe Pflanzenfreunde,

manchmal hat man Glück. Im Kompostkorb habe ich noch ein Stück Paprika-Spross gefunden, der frisch genug für eine Präparation war und auch noch einige bessere Aufnahmen zum sekundären Abschlussgewebe erlaubt. Hier nun also die neuen Bilder, die m.E. auch die Frage zur Lokalisation des violetten Farbstoffes klären.

Bild 14a,b: Makros von einem Nodium der Paprikapflanze am Ende der Wachstumsperiode (Canon S3is)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/183102_58888299.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/183102_32727789.jpg)

Schön ist sowohl die violette Färbung im Bereich des Knotens und der Blattansätze zu erkennen, als auch die beige Korkbildung und die kräftiger grün gefärbten Streifen am Internodium, die die Stomata tragen.

Mit den Schnitten war es nicht ganz so einfach, da der violette Farbstoff (vermutlich ein Anthocyan, wie weiter oben schon geschrieben) sich sehr schnell verteilt bzw. in Anwesenheit von Ethanol verblasst und die normale Präparation zur Erstellung von Dauerpräparaten zeit erfordert..
Ich habe also etwas Aqua dest. mit Ochsengalle aus dem Malerbedarf angesetzt und zunächst einen Blattgrund etwas dicker geschnitten und sofort auf einen Objektträger gegeben, da ich hoffte, die Farbe so schön innerhalb der unverletzten Zellen ablichten zu können. Aber seht selbst:

Bild 15: Blattgrund quer, ungefärbtes Frischmaterial, Vergrößerung 100x, Stapel aus 17 Bildern
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/183102_63464403.jpg)

Das war nix: das Gewebe ist am Übergang zum Spross schräg getroffen und aus den vielen angeschnittenen Zellen verteilt sich der Farbstoff schön über den ganzen Schnitt. Also noch mal etwas höher am Blattgrund dünn geschnitten und noch fixer mit Pinsel, Objektträger und Deckglas ...

Bild 16a-c: Wieder der Blattgrund, Bild 16c mit Beschriftung, Vergrößerung 200x, Stapel aus je 22 bzw. 16 Bildern
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/183102_37325887.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/183102_1943350.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/183102_20341925.jpg)

Auch nicht besonders schön, aber es ist zu erkennen, dass sich der Farbstoff in den Zellen, die noch gefüllt sind - scharf begrenzt von der Zellwand - über das gesamte Lumen der Zelle verteilt. Dies legt nahe, dass der Inhalt der Zellvakuole Träger der Farbe ist, wie Rolf vermutet hat. Wäre es das Zytoplasma, wie ich zunächst vermutet hatte, müsste die Färbung eng an der Zellwand anliegen und der hellere Vakuolenraum sollte in der Zellmitte zu sehen sein. Außerdem würde ich vermuten, dass sich der Farbstoff nicht ganz so schnell verteilen würde, wie er es tatsächlich tut.

Die Aufnahmen zu den Bidler 16b & c sind vor denen zu 16a entstanden, die Luftblasen haben sich dann nach und nach zurückgebildet und im dünnen Schnitt lief das Ausbluten seltsamer Weise deutlich langsamer ab.

Herzliche Grüße
Jörg 



(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/183102_42971410.jpg)
Titel: Re: Botanik: Ein wenig Paprika - Capsicum annuum - neue Bilder *
Beitrag von: reblaus in November 29, 2015, 14:35:43 NACHMITTAGS
Lieber Jörg -

tolle Bilder!
- und auch beruhigend für mich, dass ein Teil meines Restwissens bezüglich des Vorkommens der Rotweinfarbe noch gültig ist.

Viele Grüße

Rolf
Titel: Re: Botanik: Ein wenig Paprika - Capsicum annuum - neue Bilder *
Beitrag von: Detlef Kramer in November 29, 2015, 17:02:43 NACHMITTAGS
Lieber Rolf, lieber Jörg,

ja wir Alten ;) :D ;D

Wunderbar auf- bzw. abgeklärt!

Herzliche Grüße
Detlef
Titel: Re: Botanik: Ein wenig Paprika - Capsicum annuum - neue Bilder *
Beitrag von: Heiko in November 29, 2015, 22:26:16 NACHMITTAGS
Lieber Jörg,

sei bedankt für Deine Mühe.
Was das aggressive Verhalten Deines Ethanols angeht ... ?

Viele Grüße,
Heiko
Titel: Re: Botanik: Ein wenig Paprika - Capsicum annuum - neue Bilder *
Beitrag von: Fahrenheit in November 30, 2015, 20:52:38 NACHMITTAGS
Liebe Pflanzenfreunde,

gerne geschehen!  ;)

Lieber Heiko,

ja seltsam, bei mir im Glas ist das Ethanol auch immer ganz friedlich...  ;D

Herzliche Grüße
Jörg