Hallo, ich wage mich mal an eine Liane.
Was wir Liane nennen, also dass, was Jonny Weissmüller unseren Eltern und Großeltern gezeigt hat, ist keine Verwandschaftsgruppe. Eine "Liane" bezeichnet eher eine spezielle Wuchsform, die in vielen Pflanzenfamilien vorkommen kann. Lianen sind Kletterpflanzen mit in der Regel verholzendem Stamm. Da sie an Bäumen emporwachsen, haben sie auf die Entwicklung spezieller Stützgewebe weitgehend verzichtet. Dafür wurde das Transportgewebe optimiert, damit Wasser und Nährstoffe auch durch bis zu 160 m lange Äste gesendet werden kann. Natürlich wird eine Liane nicht 160 m hoch, sie kann aber, zumindest in den Tropen, etliche Meter parallel dem Erdboden wachsen, befor sie an einem Baum heraufklettert. Die Botaniker sagen, Lianen zeigen ein atypisches sekundäres Dickenwachstum. Beim den meißten zweikeimblättrigen Pflanzen wächst das zwischen Xylem und Phloem angeorndte Cambium in die Breite. Dabei bildet es nach innen Xylemzellen und nach aussen Phloemzellen. Das ist das "normale" sekundäre Dickenwachstum.
Dieses Dickenwachstum ist bei vielen Arten so spezifisch, dass man laut Internet viele Arten über den Stengelschnitt bestimmen kann. Leider habe ich keine entsprechenden Bestimmungstools im Netz gefunden. Auch "meine" Liane konnte ich unter gefühlten hunderten Schnittbildern nicht im Netz finden.
Da dieses Lianenwachstum in verschiedenen Pflanzenfamilien vorkommt, ist auch die Art, wie Lianen am Baum hochklettern, sehr verschieden. Es gibt Winden (rechts und links drehend), Haftwurzeln, Haftscheiben, Dornen, Kletterhaare etc.
Lianen gibt es auch in Deutschland, nach der Wuchsform muss man z. B. den Wein, den Efeu, die Clematis, einige Brombeerarten und die Kletterrose dazurechnen. Im gärtnerischen Bereich hat man auch einige Lianen als schön blühende Gartenpflanzen nach Europa gebracht, wie z. B. den Blauregen (
Wisteria spec.) und die Klettertrompete (
Campsis spec.)
Ich bin mir nicht sicher, was ich hier zeige. Blätter habe ich keine, da kam ich aufgrund der Baumhöhe nicht dran. Unser Führer sagte, die nennt man in Brasilien "Affenleiter", allerdings wäre das noch eine junge Pflanze, die noch nicht die typische Leiterform zeigt. Dann sollte das in Richtung
Bauhinia spec. gehen. Wenn jemand zufällig mehr zu der Gattung/Art sagen kann, würde ich mich natülich sehr freuen.
Die zur Gattung
Bauhinia gehörenden Pflanzen gehören zu den Hülsenfrüchtlern (
Fabaceae). Wie bei den fehlenden Blättern kann ich leider auch keine Blüten oder Früchte zeigen.
Bild 1 zeigt einen Lianenast, etwas dicker als der, aus dem ich meine Probe geschnitten habe. Man erkennt gut, das es sich nicht um einen zylindrischen Stengel handelt. Bild 2 zeigt, wie sich diese Pflanze an einem Baum empor erhebt. Je dicker der Spoß wird, umso mehr weicht sein Querschnitt vom zylinder ab: er wird immer zerfurchter.
Bild 1 : die Liane
Bild 2 : es geht aufwärts
Präparation und Färbung
Das Aststück wurde sofort in AFE gelagert. Zuhause habe ich auf dem Handmikrotom mit Leica-Einmalklingen im SHK-Klingenhalter geschnitten. Die Schnittdicke beträgt rund 30 µm. Das Material ließ sich gut schneiden.
Die Schnitte wurden aus AFE heraus einmal mit 50% Ethanol gespült und dann 3 mal mit dest. Wasser ausgespült. Gefärbt wurde mit Wacker ASIM II bei 60°C für etwa 6 Minuten. Nach der Färbung wurde mehrmals mit Wasser gespült, bis keine sichtbare Farbe mehr abging. Anschließend wurden die Schnitte mehrfach mit 100% Isopropanol gespült/entwässert. Eingedeckt sind die Schnitte in Euparal, die Deckgläschen wurden 2 Tage beschwert.
Aufnahmen
Die Aufnahmen wurden mit CZJ Apochromaten und dem Projektiv PK 2,5 mit meiner Samsung aufgenommen. Das Übersichtsbild und die Übersichts-Fluoreszenzaufnahme sind gestitched aus 32 Kacheln. Jede Kachel ist in voller Kameraauflösung und besteht aus 10 bis 20 Einzelaufnahmen, die mit PICOLAY gestackt wurden. Die gestackten Bilder wurden mit Helicon Filter optimiert (geputz, weißabgleich). Zum Stitchen habe ich Image Composit Editor im automatik-Modus verwendet.
Fluoreszenz
Für die Fluoreszenzaufnahmen wurde Auflicht einer 5 Watt 400 nm LED verwendet. Gefiltert wurde mit dem CZJ-Filterwürfel 450-3 (enthält Anregungs- und Sperrfilter). Zusätzliche Anregungs- und Sperrfilter wurden nicht verwendet.
Übersicht
Bild 3 zeigt die gestitchte Übersichtaufnahme in 900 Pixel Breite. Das Originalbild ist 27228 x 23191 Pixel groß und kann hier herunter geladen werden (144 MB):
http://www.rheinflut1995.de/Fotos/Mikroskop/Liane2/Liane2_stitch_gross.jpg
Bild 3 : Übersicht über den Astquerschnitt
Eine zoombaren Ansicht kann hier angesehen werden : http://www.rheinflut1995.de/Fotos/Mikroskop/Liane2/Liane2_gross_stitch.html
Was sieht man hier? Der Lianenquerschnitt zeigt 5 tortenstückartig angeordnete Xylembereiche, die nach aussen von einer Art Phloemkappe abgeschlossen werden. Weiter nach aussen ist das Rindenparenchym und die Epidermis angeordnet. Die grossen Zellen zwischen Xylembereichen gehören meiner Meinung nach zum Speicherparenchym, da sie extrem viele und sehr grosse Stärkekörner enthalten, siehe die Detailbilder.
Bild 4 zeigt die Übersicht in Auflicht-Fluoreszenz. Auch dieses Bild in 900 Pixel Breite. Das Originalbild ist 26848 x 23611 Pixel groß und kann hier herunter geladen werden (118 MB):
http://www.rheinflut1995.de/Fotos/Mikroskop/Liane2/Liane2_uv_sitch_gross.jpg
Bild 4 : Übersicht über der Astquerschnitt in Auflicht-Fluoreszenz
Die Zellen des Speicherparenchyms sind nicht durch fluoreszierende Farbstoffe gefärbt worden und bleiben dunkel.
Details
Jetzt kommen einige Detailaufnahmen. Bild 5 ist mit dem 16er Objektiv aufgenommen und zeigt einen Teil des Xylems. Zu sehen sind große Tracheen. Bild 6 zeigt den gleichen Bereich des Xylems mit Übergang zum Phloem. Aufnahme in Auflicht-Fluoreszenz.
Bild 5 : Xylem in Auflicht-Fluoreszenz
Bild 6 : Xylem und Phloem in Auflicht-Fluoreszenz
Bild 7 zeigt das Zentrum des Sprosses. Hier treffen die 4 Xylemstrahlen aufeinander. Aufgenommen mit dem 16er Objektiv.
Im Übergangsbereich vom Phloem zum Rindenparenchym sind einige ungewöhnliche Zellen zu finden, die sehr stark fluoreszieren, siehe Abbildung 8.
Bild 8 : Zellen zwischen Phloem und Rindenparenchym in Auflicht-Fluoreszenz
Die nächsten 3 Bilder sind im Durchlicht aufgenommen. Sie zeigen das Speicherparenchym. Die schwarzen Punkte in Bild 9 stellen die Zentren von Stärkekörnen dar. Bild 10 zeigt einen ähnlichen Ausschnitt mit gekreuzten Polarisatoren. Die Kreuze auf den reichlich vorhandenen Stärkekörnern sind gut zu erkennen. Beide Bilder sind mit dem 40er Objektiv aufgenommen worden. Bild 11 schließlich zeigt einige wenige Zellen des Speicherparenchyms aufgenommen mit dem 63er Objektiv.
Bild 9 : Speicherparenchym im Durchlicht
Bild 10 : Speicherparenchym im polarisierten Durchlicht
Bild 11 : Speicherparenchym im polarisierten Durchlicht
Viel Spaß beim Betrachten,
Carsten
Hallo,
@Jörg
ZitatGgf. handelt es sich auch um eine Luftwurzel, die von einem klassisch nach oben wachsenden Spross abzweigt?
Also, das Objekt ist ca. 5 mm im Durchmesser. Und ja, es gibt Lianen, die Luftwurzeln ausbilden.
Jetzt bin ich definitin nicht in der Lage, mal so eben an einem braunen Stück Holz senkrecht vor mir zu erkennen, ob es von unten nach oben wächst oder von oben nach unten.
Da sich in meinem Schnitt ja auch reichlich Speichergewebe mit viel Stärke befindet, ist die Idee einer Luftwurzel vermutlich sehr gut. Und da ich die Stelle, an der sich Wurzeln und Stämme treffen sollten, nicht sehen konnte (da 20 m über mir), ist auch die vermutete Zuordnung zu einer bestimmten Lianengattung unsicher bis hinfällig.
Also nur eine lange, dünne Möhre ;D
Schönen Abend
Carsten