Mikro-Forum

Foren => Mikroskopie-Forum => Thema gestartet von: Peter V. in September 22, 2020, 14:14:59 NACHMITTAGS

Titel: Frage an Chemiker: Was ensteht "Ätzendes" bei der Schaumstoffzersetzung?
Beitrag von: Peter V. in September 22, 2020, 14:14:59 NACHMITTAGS
Hallo,

das Problem der sich zersetzendes Schaumstoffe - speziell in alten Leitz'schen Versand- oder Aufbewahrungskisten - ist ja bekannt. Offenbar sind die dabei entstehenden Zerfallsprodukte (ggf. auch gasförmige?) derart aggressiv, dass sie nicht nur Metalloberflächen (wie z.B. bei einem U-Tisch), sondern auch Glas angreifen. Filter aus einem solchen Behältnis sind regelrecht mattiert und auch nicht mehr polierbar.

Welches Reaktionsprodukt entsteht vermutlich beim Zerfall dieser Schaumstoffe?

Hezrliche Grüße
Peter
Titel: Re: Frage an Chemiker: Was ensteht "Ätzendes" bei der Schaumstoffzersetzung?
Beitrag von: Florian D. in September 22, 2020, 15:34:07 NACHMITTAGS
Hallo Peter,

das sind oft Polyester-Polyurethane. Bei der Hydrolyse der Polyester werden Carbonsäuren (z. B. Adipinsäure) freigesetzt. Die wären jetzt mal meine Hauptverdächtigen.

Viele Grüsse
Florian
Titel: Re: Frage an Chemiker: Was ensteht "Ätzendes" bei der Schaumstoffzersetzung?
Beitrag von: Diana1982 in September 22, 2020, 19:13:11 NACHMITTAGS
Lieber Peter,

Wie es der Zufall so will, möchte ich einige dieser Kistchen restaurieren, sprich auch v.a. den alten Schaumstoff rauspuhlen und neu polstern und beziehen.
Wenn Du möchtest, kannst Du mir Dein "Ranz"-Kistchen ja als Übungsobjekt überlassen  ;)

LG Diana
Titel: Re: Frage an Chemiker: Was ensteht "Ätzendes" bei der Schaumstoffzersetzung?
Beitrag von: Peter V. in September 22, 2020, 19:14:47 NACHMITTAGS
Liebe Diana,

gerne!!!

Herzliche Grüße
Peter
Titel: Re: Frage an Chemiker: Was ensteht "Ätzendes" bei der Schaumstoffzersetzung?
Beitrag von: Diana1982 in September 22, 2020, 19:19:11 NACHMITTAGS
 :)
Weißt Du zufällig die Farbe des Stoffes, der vor dem Schaumstoff war? Grau? Brombeerfarben?
Oder hat der schon immer gefehlt?

LG Diana

Titel: Re: Frage an Chemiker: Was ensteht "Ätzendes" bei der Schaumstoffzersetzung?
Beitrag von: Peter V. in September 22, 2020, 19:22:37 NACHMITTAGS
Liebe Diana,

nein, die Zeit des edlen Tuchs (Samt) war offenbar schon vorüber, als dieses Filterkästchen gebaut wurde. Der Schaumstoff war nie bezogen.

Herzliche Grüße
Peter
Titel: Re: Frage an Chemiker: Was ensteht "Ätzendes" bei der Schaumstoffzersetzung?
Beitrag von: Diana1982 in September 22, 2020, 19:25:42 NACHMITTAGS
Gut, ich denke mal, es war grau...zumindest ist es bei den anderen Kästen, die ich habe so. Der Stoff hängt teilweise relativ lose am Schaumstoff.
Der Brombeerton wurde wohl eher an den Auflageflächen der Holzeinsätze verwendet, der Grauton für größere Polsterflächen im Deckel.
Titel: Re: Frage an Chemiker: Was ensteht "Ätzendes" bei der Schaumstoffzersetzung?
Beitrag von: Peter V. in September 22, 2020, 19:27:44 NACHMITTAGS
Liebe Diana,

wer wie was war grau? Der Schaumstoffrest, den Du siehst, hat die originale Farbe! Da war nichts mehr bezogen. Die wurde so ausgeliefert!

Herzliche Grüße
Peter
Titel: Re: Frage an Chemiker: Was ensteht "Ätzendes" bei der Schaumstoffzersetzung?
Beitrag von: Diana1982 in September 22, 2020, 19:36:52 NACHMITTAGS
Glaub ich nicht...
Schau mal:
Titel: Re: Frage an Chemiker: Was ensteht "Ätzendes" bei der Schaumstoffzersetzung?
Beitrag von: Peter V. in September 22, 2020, 19:41:45 NACHMITTAGS
Liebe Diana,

hmm...wer weiß? Hast mich überzeugt...
Zumindest später wurde alles direkt in Schaumstoff gepackt.

Herzliche Grüße
Peter


Titel: Re: Frage an Chemiker: Was ensteht "Ätzendes" bei der Schaumstoffzersetzung?
Beitrag von: Diana1982 in September 22, 2020, 19:43:23 NACHMITTAGS
Hab eben auch noch ein drittes Bild angefügt. Da ist der Schaumstoff sogar sehr hoch...obendrauf aber auch hier ein grauer Stoff aufgepappt...
Titel: Re: Frage an Chemiker: Was ensteht "Ätzendes" bei der Schaumstoffzersetzung?
Beitrag von: Peter V. in September 22, 2020, 19:47:51 NACHMITTAGS
..vielleicht müssen wir nochmal Herrn Lehmann oder Dr. med. Enbach fragen... ;)

Herzliche Grüße
Peter
Titel: Re: Frage an Chemiker: Was ensteht "Ätzendes" bei der Schaumstoffzersetzung?
Beitrag von: Diana1982 in September 22, 2020, 19:55:51 NACHMITTAGS
Hab jetzt 5 Kisten in dem Stil wie Deines hier, die Polsterungen im Deckel haben.
ALLE Schaumstoffe im Deckel sind mit grauem Stoff bezogen (gewesen).
Merk aber schon, Du traust mir nicht...
Dann frag ihn halt sicherheitshalber....  ;)
Er könnte sich aber auch einfach mal von alleine melden  ;) ;) ;)
Titel: Re: Frage an Chemiker: Was ensteht "Ätzendes" bei der Schaumstoffzersetzung?
Beitrag von: Peter Reil in September 22, 2020, 19:59:51 NACHMITTAGS
Hallo ihr Zwei,

einmal hatte ich auch mit LEITZ zu tun. Das war ein Zeichentubus (glaube ich) im Originalkasten.
Ich weiß nur, dass nach dem Öffnen alles recht ordentlich aussah - bis ich versuchte etwas zu entnehmen.
Meine Finger versanken in grauem Schaumstoff (ohne jegliche Stoffabdeckung), der keinerlei Widerstand bot. Dafür klebte das Zeugs an den Fingern und war kaum zu entfernen.
Das optische Gerät war komplett "versaut" und unbrauchbar.

Meine Leitz-Erfahrungen hat das nicht gerade positiv bereichert.   :(

Freundliche Grüße
Peter

PS: Tröstet euch, auch bei OLYMPUS gibt es sowas - nur die Farbe ist anders - grün.    ::)
Titel: Re: Frage an Chemiker: Was ensteht "Ätzendes" bei der Schaumstoffzersetzung?
Beitrag von: Diana1982 in September 22, 2020, 20:03:02 NACHMITTAGS
Also gut, Wolfgang muss gefragt werden.
Er hat den Filterkasten sicher auch.
Titel: Re: Frage an Chemiker: Was ensteht "Ätzendes" bei der Schaumstoffzersetzung?
Beitrag von: ortholux in September 22, 2020, 21:24:25 NACHMITTAGS
Zitat von: Diana1982 in September 22, 2020, 20:03:02 NACHMITTAGS
Also gut, Wolfgang muss gefragt werden.
Er hat den Filterkasten sicher auch.


Mehrfach. Und immer mit grauem Stoff bezogen.
Was gut geht, ist, den Schaumstoff rauskratzen und den Stoff mit dem noch vorhandenen klebrigen Schaumstoff direkt auf's Holz kleben. Dann muß man nicht sooo sauber wegkratzen und die Kiste erscheint original.

Ich such übrigens noch diese Kiste für die 35 mm Lollipop-Filter. Es gibt sie. Haben tu ich aber nur die für die 50 mm Orthoplan-Filter. Gerne unrestauriert und im TAusch.

Wolfgang
Titel: Re: Frage an Chemiker: Was ensteht "Ätzendes" bei der Schaumstoffzersetzung?
Beitrag von: ortholux in September 22, 2020, 21:33:44 NACHMITTAGS
Zitat von: Peter Reil in September 22, 2020, 19:59:51 NACHMITTAGS
PS: Tröstet euch, auch bei OLYMPUS gibt es sowas - nur die Farbe ist anders - grün.    ::)

Ach Peter, Du erinnerst Dich vielleicht noch an die Zeit, in der man Fotokameras mittels eines Deckels hinten öffnen konnte. Man tat dann irgendwelche mit Silber und Gelatine beschichtete Kunststoffstreifen rein. Diese waren lichtempfindlich und entsprachen quasi dem Bildsensor.

Diese Deckel - meist mit Scharnieren zum Aufklappen - griffen, um einen lichtdichten Abschluß zu gewährleisten, in eine Nut im Kameragehäuse. Diese Nut war mit Schaumstoff gefüllt, um die Lichtdichtheit noch zu steigern.

Sie WAR es. Heute ist das oft die gleiche Plempe, wie man sie in Leitz-Kästchen findet.

Übrigens nicht nur Zeiss, LEitz, Olympus und Canon konnten selbstauflösende Kunsstoffe herstellen. Das konnte auch Volvo. Die Gummierung der Drehknöpfe meines erst 20 JAhre alten Autoradios löst sich genauso auf, wie eine Innenbeschichtung der Türen.

Wolfgang
Titel: Re: Frage an Chemiker: Was ensteht "Ätzendes" bei der Schaumstoffzersetzung?
Beitrag von: Thomas M in September 22, 2020, 21:45:48 NACHMITTAGS
Hallo Peter,

Zitat von: Peter V. in September 22, 2020, 14:14:59 NACHMITTAGS
Hallo,

das Problem der sich zersetzendes Schaumstoffe - speziell in alten Leitz'schen Versand- oder Aufbewahrungskisten - ist ja bekannt. Offenbar sind die dabei entstehenden Zerfallsprodukte (ggf. auch gasförmige?) derart aggressiv, dass sie nicht nur Metalloberflächen (wie z.B. bei einem U-Tisch), sondern auch Glas angreifen. Filter aus einem solchen Behältnis sind regelrecht mattiert und auch nicht mehr polierbar.

Welches Reaktionsprodukt entsteht vermutlich beim Zerfall dieser Schaumstoffe?

Hezrliche Grüße
Peter

dieses Schaumzersetzungproblem habe ich auch bei einigen Kästen.

Solche Schäume sind häufig Polyurethan-basiert und werden bzw. wurden meist aus Polyolen (z.B. Polyethern wie z.B. PPG oder Polyestern) und aromatischen Isocyanaten, meistens MDI (Methylendiphenylisocyanat) hergestellt. Bezüglich der Hydrolyse der Polyester hat Florian ja schon etwas geschrieben.

Bezüglich aggressiver Inhaltsstoffe gibt es aber noch einen ganz anderen Kandidaten: das MDI. Dieses wird großindustriell aus dem entsprechenden aromatischen Diamin MDA (Methylendianilin) und Phosgen hergestellt. Durch das Phosgen enthalten die so hergestellten Isocyanate immer einen gewissen Anteil an Chlorid in Form von HCl (Salzsäure). Diesen kann man zwar durch Aufreinigung reduzieren aber besonders für industrielle Anwendungen wird/wurde aus Kostengründen gern wenig oder ungereinigtes Roh-MDI verwendet. Für sensible Anwendungen wird Isocyanat mit niedriger Chloridzahl angeboten (Spezifikation). Diese Chlorid-Quelle, insbesondere wenn sie in Form von HCl vorliegt, ist natürlich entsprechend korrosiv, insbesondere wenn auch noch (Luft-)Feuchtigkeit zugegen ist.

Ich habe z.B. einen Transportkoffer für ein schwarzes SM, in dem der Stativkopf viele Jahre auf einem mit Schaum gepolsterten Lager ruhte. Der Schaum hat zwar eine andere Konsistenz wie der in den gezeigten Kästen und ist mechanisch noch intakt aber der verchromte/vernickelte Ring der Tubusaufnahme zeigt an der Kontaktfläche eine signifikante Lochfraßkorrosion.

Die Zersetzung des Polyurethans kann darüberhinaus durch Hydrolyse auch Amine freisetzen, die ebenfalls korrosiv wirken können auf Oberflächen, die empfindlich auf Basen reagieren.

Herzliche Grüße
Thomas

EDIT: Wenn man zu schnell auf senden drückt. MDI ist natürlich kein Methylendiisocyanat sondern Methylendiphenylisocyanat, meist in Form von 2,4'- / 4,4'-Isomerengemischen verkauft.
Titel: Re: Frage an Chemiker: Was ensteht "Ätzendes" bei der Schaumstoffzersetzung?
Beitrag von: Peter V. in September 22, 2020, 22:06:54 NACHMITTAGS
Hallo,

sogar die leicht gummiartige Oberfläche eine Logitech-Computermaus fühlt sich nach vielleicht zwei oder drei Jahren (seltenster) Nutzung eklig schmierig an. Und auch zahlreiche andere Kandidaten...

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=37819.msg278112#msg278112 (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=37819.msg278112#msg278112)

Herzliche Grüße
Peter
Titel: Re: Frage an Chemiker: Was ensteht "Ätzendes" bei der Schaumstoffzersetzung?
Beitrag von: Florian D. in September 23, 2020, 07:40:42 VORMITTAG
Auch im Schuhsektor sorgen die Polyurethane dafür, dass man sich alle 2 Jahre neue Schuhe kaufen muss, weil die Sohlen brechen, auch wenn die Wanderschuhe halt nicht so oft benutzt werden. 
Titel: Re: Frage an Chemiker: Was ensteht "Ätzendes" bei der Schaumstoffzersetzung?
Beitrag von: othum in September 23, 2020, 09:57:26 VORMITTAG
Zitat von: Florian D. in September 23, 2020, 07:40:42 VORMITTAG
Auch im Schuhsektor sorgen die Polyurethane dafür, dass man sich alle 2 Jahre neue Schuhe kaufen muss, weil die Sohlen brechen, auch wenn die Wanderschuhe halt nicht so oft benutzt werden.

Das ist jetzt aber etwas übertrieben. Bei hochwertigen Wanderschuhen (auch Arbeitsschuhen) halten die PU Sohlen etwa 10 Jahre. Ich habe schon 2 Paare von Meindl neu besohlen lassen...

Beste Grüße, Oliver