Mikro-Forum

Foren => Mikrofoto-Forum => Thema gestartet von: Michael Plewka in November 16, 2020, 20:32:41 NACHMITTAGS

Titel: Es war mir gar nicht klar....
Beitrag von: Michael Plewka in November 16, 2020, 20:32:41 NACHMITTAGS
...dass der Ciliat Stentor auch Gehäuse bauen kann.

Hallo zusammen,

in dem Teich, der  vor einigen Monaten durch eine dicke Neuston-Schicht Schicht aufgefallen war, sammeln sich nun die Blätter des Herbstlaubs.

In einer Probe davon  fand ich  mehrere Stentoren, die sich in einer Röhre befanden, was ich vorher noch nie gesehen habe und was m.W. hier im Forum auch noch nie dargestellt worden ist.   Desweiteren  war diese Form durch "Borsten" am Wimperkranz charakterisiert, die mir ebenfalls noch nie so deutlich aufgefallen sind.  Ein Blick in den "Kahl" machte klar, dasss diese Merkmale zusammen mit dem bandförmigen Makronukleus auf Stentor roeselii zutreffen:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/287756_63208015.jpg)


Weitere Bilder , auch Infos zu der sehr merkwürdigen Teilung von Stentor hier:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenProtista/01e-protista/e-Ciliata/e-source/Stentorroeseli.html (http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenProtista/01e-protista/e-Ciliata/e-source/Stentorroeseli.html)



Das Gehäuse selbst  befand sich in/ auf  einem Gespinst aus rotbraunen Fäden, die ich als das Werk von Eisenbakterien (??Leptothrix??) ansehe. Diese bilden eine Schleimhülle, welche die  im Wasser gelösten Eisen(II)ionen  weiter aufoxidiert und als braunes Eisenhydroxid einlagert.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/287756_32001227.jpg)
Mehr dazu hier:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Kennkarten%20Procaryota/e-procaryota/e-source/Leptothrix%20ochracea.html (http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Kennkarten%20Procaryota/e-procaryota/e-source/Leptothrix%20ochracea.html)


In diesen Flocken waren auch verschiedene bdelloide Rädertiere zu finden; hier ein Bild von Rotaria macrura:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/287756_19575591.jpg)

Mehr dazu hier:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Rotaria%20macrura.html (http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Rotaria%20macrura.html)

Viel Spaß beim Anschauen& beste Grüße
Michael Plewka
Titel: Re: Es war mir gar nicht klar....
Beitrag von: Fahrenheit in November 16, 2020, 20:36:13 NACHMITTAGS
Lieber Michael,

die drei Bilder sind wirklich klasse. Das von Rotaria macrura finde ich hervorragend.

Herzliche Grüße
Jörg

p.s.
Dass Stentoren Gehäuse bauen, war mir auch neu. Aber das ist bei einem Pflamnzenschnippler sicher nicht verwunderlich. :)
Titel: Re: Es war mir gar nicht klar....
Beitrag von: deBult in November 16, 2020, 20:56:51 NACHMITTAGS
Wow ... I really like the Stentor.

Similar to normal world/sized animal portraits: I often prefer a shot showing the habitat.

Thanks for showing,

Best Maarten
Titel: Re: Es war mir gar nicht klar....
Beitrag von: regulus56 in November 17, 2020, 09:45:18 VORMITTAG
Wow, sehr schöne und optisch ansprechende Aufnahmen.
Ein richtiger Hingucker ist für mich Foto 1!!! Das kann man sich lange anschauen.
Gruß vom Klaus
Titel: Re: Es war mir gar nicht klar....
Beitrag von: ImperatorRex in November 17, 2020, 17:07:55 NACHMITTAGS
Hallo Michael,
ein wirklich toller Fund um den ich Dich wirklich beneide. Wieder einmal großartige Fotos, auch auf der "plingfactory" Seite.
Vielen Dank und liebe Grüße
Jochen
Titel: Re: Es war mir gar nicht klar....
Beitrag von: D.Mon in November 17, 2020, 21:15:11 NACHMITTAGS
Hallo Michael,

Danke fürs Teilen dieser fantastischen Fotos.

Herzliche Grüße
Martin
Titel: Re: Es war mir gar nicht klar....
Beitrag von: Thomas M in November 17, 2020, 21:57:47 NACHMITTAGS
Hallo Michael,
mir gefallen alle drei Fotos, besonders aber das dritte von Rotaria macrura, dass sich mit seiner silbrigen Erscheinung so kontrastreich gegen den Hintergrund und die Blätterreste abhebt.

Zu Rotaria eine Frage:
Handelt es sich bei den zwei roten Punkten um "Augenflecken", also lichtempfindliche Pigmentzellen? Falls ja, weiß man etwas über die Rolle, die diese im Leben des kleinen Rädertierchens spielen?

Herzliche Grüße
Thomas
Titel: Re: Es war mir gar nicht klar....
Beitrag von: Bernd in November 18, 2020, 19:44:52 NACHMITTAGS
Hallo Michael,

auch ich habe Stentoren schon hin und wieder in einem Gehäuse gesehen, und das nicht nur in PM3, S. 124. Die Schwierigkeit ist aber, sie mit Gehäuse unter das Deckglas zu bringen. Dort gefällt es ihnen dann meist gar nicht und deshalb verlassen sie ihr Gehäuse schnellstmöglich. Dir ist jedenfalls ein exzellentes Foto gelungen!

Viele Grüße
Bernd
Titel: Re: Es war mir gar nicht klar....
Beitrag von: Martin Kreutz in November 18, 2020, 20:06:23 NACHMITTAGS
Hallo Michael,

sehr schöne Fotos von Stentor roeselii! Umfassend dokumentiert! Die "Borsten" sind thigmotaktische Tastcilien, die viele gehäusebauende Ciliaten entwickelt haben. Damit "fühlt" der Ciliat zum einen das Gehäuse und wie weit er sich vorgewagt hat und zum anderen dienen sie als berührungsempfindliche Fühler für herannahende Gefahr. Auf dem ersten Foto, dass Du zeigst, sind sie sehr schön zu sehen. Nach meinen eigenen Beobachtungen sind sie nicht Bestandteil der AMZ, aus der sie herausragen, sondern bilden einen Saum kurz unterhalb der Peristoms. Das ist aber schwer zu erkennen. Selbst Foissner hat sie nicht gezeichnet. Ich selbst habe auch kein Foto dazu. Sehr gut getroffen! Um die genaue Lage dieser Tastcilien am Peristom zu bestimmen, müsste man das ausgestreckte Peristom bei hoher Vergrößerung betrachten. Aber unter dem Deckglas sind die Viecher ja etwas schwierig in der Handhabung, wie Bernd schon schreibt.

Schönen Abend

Martin
Titel: Re: Es war mir gar nicht klar....
Beitrag von: Michael Plewka in November 19, 2020, 10:24:51 VORMITTAG
Hallo zusammen,

vielen Dank für die netten Kommentare!

@ Bernd:  es gebs zu: das Bild in Martins Buch hatte ich nicht (mehr) auf dem Schirm...
Ich habe das DG mit Vaseline abgestützt; dann verhalten sich die Viecher "normal".

@ Martin: vielen Dank für Deine Hinweise zu den Tastborsten (so sind sie in Foissners "Ciliatenrevision" bezeichnet). Vielleicht kann das folgende Bild als Hinweis darauf dienen, dass  diese Tastborsten  nicht Bestandteil der AZM sind:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/287974_43527150.jpg)

(ich werde versuchen, in Zukunft darauf zu achten). Interessant finde ich dabei, dass in den Bildern eben jener "Ciliatenrevision" die (Ursprünge/Basis der) Tastborsten im Silberliniensystem nicht auftauchen.


@ Thomas:
zu den Augenflecken der monogononten Rädertiere hatte ich vor längerer Zeit mal was gepostet:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=10284.0 (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=10284.0)

Bei den bdelloiden, zu denen das hier gezeigte gehört, ist das etwas anders.  Gemeinsam bei beiden Gruppen ist, dass die roten Pigmentflecken  modifizierte Epithelzellen sind , in welcher  das rote Pigment keine photochemischen Reaktionen zeigt, wie es beispielsweise beim Rhodopsin/Retinal der Wirbeltieraugen der Fall ist. Es funktioniert wohl ähnlich wie der Augenfleck bei den Eugleniden (Augen"tierchen"). Das Pigment liegt im übrigen in Form von Körnchen vor, die manchmal auch im Gewebe der Rädertiere verstreut sind. Unter diesem Fleck befindet sich bei den Bdelloiden eine Nervenzelle, die ziemlich speziell aufgebaut ist, d.h. sie hat je zwei Cilien, die mit einem elektronendichten Material gefüllt sind. Ich hab das hier mal skizziert:

http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/E-TL/ID_Bdelloid/morphology/src%20/M_07_eyespot.html

Das folgende Bild  zeigt einen Ausschnitt der oben dargestellten R. macrura. Die Pfeile im  Bild weisen auf Strukturen,  die möglicherweise diese Nervenzellen sind:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/287974_56200037.jpg)


Zur Funktion: während bei einigen monogononten Rädertieren, z.B. dem "Wappen-Rädertier" Brachionus  eine Hinwendung zum Licht  nachgewiesen ist, konnte eine solche Phototaxis bei den wenigen  Versuchen, die bisher an Bdelloiden durchgeführt wurden, nicht festgestellt werden;  allerdings  hat sowohl die Lichtfarbe als auch die Lichtintensität Einfluss auf die Geschwindigkeit der Fortbewegung. Der Nachweis, ob ein Zusammenhang mit den Augenflecken besteht, steht aber noch aus.

Beste Grüße
Michael Plewka
Titel: Re: Es war mir gar nicht klar....
Beitrag von: Thomas M in November 19, 2020, 23:23:07 NACHMITTAGS
Zitat von: Michael Plewka in November 19, 2020, 10:24:51 VORMITTAG

@ Thomas:

Bei den bdelloiden, zu denen das hier gezeigte gehört, ist das etwas anders.  Gemeinsam bei beiden Gruppen ist, dass die roten Pigmentflecken  modifizierte Epithelzellen sind , in welcher  das rote Pigment keine photochemischen Reaktionen zeigt, wie es beispielsweise beim Rhodopsin/Retinal der Wirbeltieraugen der Fall ist. Es funktioniert wohl ähnlich wie der Augenfleck bei den Eugleniden (Augen"tierchen"). Das Pigment liegt im übrigen in Form von Körnchen vor, die manchmal auch im Gewebe der Rädertiere verstreut sind. Unter diesem Fleck befindet sich bei den Bdelloiden eine Nervenzelle, die ziemlich speziell aufgebaut ist, d.h. sie hat je zwei Cilien, die mit einem elektronendichten Material gefüllt sind. Ich hab das hier mal skizziert:

http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/E-TL/ID_Bdelloid/morphology/src%20/M_07_eyespot.html

Das folgende Bild  zeigt einen Ausschnitt der oben dargestellten R. macrura. Die Pfeile im  Bild weisen auf Strukturen,  die möglicherweise diese Nervenzellen sind:


Zur Funktion: während bei einigen monogononten Rädertieren, z.B. dem "Wappen-Rädertier" Brachionus  eine Hinwendung zum Licht  nachgewiesen ist, konnte eine solche Phototaxis bei den wenigen  Versuchen, die bisher an Bdelloiden durchgeführt wurden, nicht festgestellt werden;  allerdings  hat sowohl die Lichtfarbe als auch die Lichtintensität Einfluss auf die Geschwindigkeit der Fortbewegung. Der Nachweis, ob ein Zusammenhang mit den Augenflecken besteht, steht aber noch aus.


Danke für Deine Erläuterungen und das verlinkte Material, Michael!

Das ist ja ein hochinteressanter Bereich. Leider bin ich da ein ziemlicher Laie und spekuliere jetzt einfach mal:
Die Pigmentflecke enthalten ja Chromophore. Wenn dort auch keine Rhodopsin-artigen Photoreaktionen stattfinden, so könnten sie aber doch durch Lichtabsorption zu einer "Abschattung" der unter ihnen liegenden Nervenzelle führen, je nachdem aus welchem Winkel das Licht einfällt und wie dessen spektrale Zusammensetzung ist. Deren Cilien könnten dann selektiv angeregt werden, falls das "elektronendichte Material" lichtsensitiv ist und so eine Art Richtungssinn ermöglichen.

Würde das Sinn machen?

Herzliche Grüße
Thomas



Titel: Re: Es war mir gar nicht klar....
Beitrag von: Michael Plewka in November 21, 2020, 07:33:13 VORMITTAG
Hallo Thomas,

vielen Dank für Deinen  Kommentar und das Interesse an dem "Problem"!

Zitat....Wenn dort auch keine Rhodopsin-artigen Photoreaktionen stattfinden, so könnten sie aber doch durch Lichtabsorption zu einer "Abschattung" der unter ihnen liegenden Nervenzelle führen, je nachdem aus welchem Winkel das Licht einfällt und wie dessen spektrale Zusammensetzung ist....


Genau dieses Prinzip findet man ja bei den Euglenoiden (hatte ich bereits oben angesprochen)


Zitat....Deren Cilien könnten dann selektiv angeregt werden, falls das "elektronendichte Material" lichtsensitiv ist und so eine Art Richtungssinn ermöglichen.

Deine Hypothese klingt erst mal sehr schlüssig, wobei ich 3 Aspekte ansprechen möchte:

1. wenn die 2 Cilien unterschiedlich bestrahlt würden: wie sollte dieser Reiz-Unterschied: einmal links mehr Intensität vs. einmal rechts mehr Intensität,  über eine einzige Nervenzelle codiert werden?

2. Bei den bdelloiden Rädertieren gibt es nahe Verwandte, bei denen eine Art Augenflecken hat, die andere nicht. Bisher gibt es keine Untersuchung (hab ich im September noch mit einem Experten besprochen), die klärt, ob bei den "augenlosen" Arten die nur die Pigmentflecken fehlen oder beides, d.h. sowohl die Pigmentflecken als auch die Nervenzelle. 

3. Bis heute liegen zur Morphologie dieser "Augen" lediglich für eine einzige Art der bdelloiden Rädertiere (P. roseola) elektronenmikroskopische Befunde vor. Vielleicht sieht das bei anderen Arten anders aus? (Neurophysiologische Experimente hat noch keiner mit den Viechern gemacht. Geld ist für solch eine Forschung wohl nicht zu bekommen. Deshalb werden noch einige Fragen offen bleiben...


Beste Grüße
Michael Plewka