Diatomeen Solequelle Artern

Begonnen von plaenerdd, August 18, 2013, 17:11:02 NACHMITTAGS

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plaenerdd

Hallo Liebe Diatomeenfreunde,
ich habe am Freitag die Solequelle in Artern besucht, von der ich an verschiedenen Stellen gelesen hatte. Ich fand sofort bestätigt, dass das was sehr Spezielles ist, was einen da unter der Linse anlacht. Mit dem "Wassertropfen" komme ich aber nicht weit. Kann mir jemand eine einschlägige Literatur dafür nennen?

Die Diatomeenflora ist ja relativ übersichtlich, zumindest kommen einige wenige Arten sehr häufig vor. Am erstaunlichsten fand ich stabförmige Diatomeen, die wie nebeneinander gereihte Streichhölzer aneinander liegen, sich aber recht flott aneinander entlang bewegen können, so dass ein langer Faden entsteht, der sich aber meist recht bald wieder zusammenzieht, um in entgegengesetzter Richtung wieder auszufahren. Dabei ist mindestens ein Ende immer irgendwo angeheftet. Ich nehme an, dass ist eine Anpassung an das schnell fließende Wasser. So können sie sich am anderen Bewuchs (fast ausschließlich fadenförmige Diatomeen) entlanghangeln. Schade, dass ich z.Z. nicht filmen kann. Deshalb habe ich eine Bilderserie zu einem animierten GIF vereinigt:


Hier noch ein Foto mit dem 40er Apo, um die Einzelzellen besser zu zeigen:


Die bei weiten häufigsten Kieselalgen (ca. 70...80% der Diatomeen im Übersichtsbild) erinnern mich an zusammengesteckte Überraschungseier:


Die haben dann noch etwas größere Schwestern, ebenfalls fadenförmig vereint, aber mit ganz anderer Einzelzellenform und recht auffälliger Größenvariabilität:


Dann sind da noch zwei auffällige Riesen. Eine Nadel, die fast immer als Doppelnadel zu finden war:


Und eine leicht Sigma-förmige:


Das sind die für mich auffälligsten Arten aus Artern. Vielleicht kann mir dazu ja schon jemand was sagen. Einige kleine "Schiffchen" kommen auch noch vor, aber sehr viel seltener, zumindest jetzt im August.

Begeisterte Mikrogrüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Ernst Hippe

Hallo Gerd,
diese aneinander gleitenden Stäbchen zu beobachten, ist wohl eines der schönsten Tümplererlebnisse! Sie hießen früher Bacillaria paradoxa. Diesen Namen fand ich viel treffender als den neuen, B. paxillifera (soviel ich weiß).
Gruß Ernst Hippe
Vorstellung:Hier klicken

rekuwi

Lieber Gerd,

hier Tipps für Literatur:

Friedrich Hustedt, Kieselalgen, Kosmos-Verlag Franckh-Stuttgart (nur noch antiquarisch zu bekommen)
Kurt Krammer, Kieselalgen, Kosmos Gesellschaft für Naturfreunde, Franck'sche Verlagshandlung, Stuttgart (antiqu.)
Round, Crawford, Mann, The Diatoms, Cambridge University Press (über Fernleihe mancher Landesbibliotheken, z.b. HLB)

Die Bacillaria-Bewegungen haben mich auch schon fasziniert. Habe die bisher nur selten gefunden.

Herzliche Grüße
Regi


liftboy

Hallo Gerd,

den Husted hast Du ja (als PDF), wenn nicht, gib Bescheid.

Grüße
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

plaenerdd

Hallo Wolfgang, Ernst und Regi,
ja, ich habe den "Hustedt", aber ich bin mir nicht sicher, ob es der richtige ist. Das Buch, das ich habe HUSTEDT, Friedrich von 1909 heißt: "Die Süßwasser-Diatomeen Deutschlands - Ein Hilfsbuch für den Anfänger für die Bestimmung der am  häufigsten vorkommenden Arten".
Als Süßwasser-Diatomeen würde ich die ja nun nicht unbedingt bezeichnen.

Regi, Du meinst bestimmt das Buch von 1956:
Friedrich Hustedt
Kieselalgen (Diatomeen)
Franckhsche Verlagshandlung, Stuttgart, 1956

Ich habe von HUSTEDT aber auch zwei Artikel über Salzwasserdiatomeen im Mikrokosmos gefunden:
http://www.elsevier-data.de/journals/portal/mikrok/mikrokosmos_Band4_129-133.pdf
und
http://www.elsevier-data.de/journals/portal/mikrok/mikrokosmos_7_180-186.pdf

Die haben mir etwas weiter geholfen:

Bild 3 ist Melosira nummuloides
Hier noch eine Internetquelle mit dowenload der Originalbescheibung der Art von 1824:
http://www.algaebase.org/search/species/detail/?species_id=31648

1 und 2 sind Bacillaria paxillifera
Ein schönes Video gibts dazu auf der Homepage von Dr.  Ralf Wagner:
http://www.dr-ralf-wagner.de/
Auf Kieselalgen klicken, und dann auf Bild 11 (bekomme leider keinen direkten Link dazu)

Bei den anderen Arten bin ich noch nicht weiter gekommen.

Grüße Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
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felix

#5
Na, dann will ich mal anhand des Dir vorliegenden Buches (Hustedt 1909) weiterhelfen:

#4 = Achnanthes inflata Kütz. (Taf. 5:7) brevipes

Weiter (leider nicht in Deinem Buch):

#5 = Nitzschia ?spec. Tabularia tabulata
#6 = Nitzschia nana Grunow

Gruß! -- felix
"Du" angenehm.

plaenerdd

Hallo Felix,
Danke!
Tja, die Achnanthes inflata hätte ich nach der Abbildung im HUSTEDT nie und nimmer erkannt, weil ich sie ja nur als Kette in der Gürtelbandansicht zu sehen bekommen habe. Im Aufbereiteten Material (Wasserstoffperoxyd) hab ich die Dinger schon gesehen, aber die habe ich nicht zusammen gebracht.

Das die Nitzschia ausgerechnet "nana" heißt, was wohl so viel wie "winzig", "zwergenhaft" heißt, will mir nicht einleuchten. Sind die anderen Nitzschia-Arten noch größer. Ich habe leider nirgendwo Größenangaben finden können.

Beste Grüße
Gerd


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felix

#7
Zitat von: plaenerdd in August 19, 2013, 21:30:34 NACHMITTAGS
Das die Nitzschia ausgerechnet "nana" heißt, was wohl so viel wie "winzig", "zwergenhaft" heißt, will mir nicht einleuchten. Sind die anderen Nitzschia-Arten noch größer. Ich habe leider nirgendwo Größenangaben finden können.

Hallo Gerd,

gute Beobachtung: der Name ist wirklich merkwürdig.  (Vielleicht liegt es daran, daß die Breite/Länge-Ratio ziemlich nana ist.) Das Teil wird jedenfalls bis etwa 120 um lang (und bleibt dabei sehr schmal: 3-4 um), laut Hofmann et al. Sw-Benthos 2011. Du hast mehr gemessen.  Ich messe in einem meiner Artern-Präparate noch längere Exemplare, bis zu 350 um.  Jetzt schaue ich noch einmal genauer hin und melde mich gleich zurück.

-- felix
"Du" angenehm.

plaenerdd

#8
Hallo Felix,
ich danke Dir, dass Du Dich so engagierst.
Deine Antwort werde ich aber wohl erst morgen lesen. Muss langsam ins Bett!
Grüße
Gerd
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felix

#9
Also, ich habe meine eigenen Artern-Präparate vor mir. Danach sieht es so aus:

#4 = Achnanthes brevipes Ag.

#5 = Tabularia tabulata (Ag.) Snoeijs

#6 = Nitzschia ?sigmoidea (Nitzsch) W.Smith
finde ich in keinem meiner Artern-Präparate aus 2008, 2009 und 2010. Drei bis vier Arten kommen in Frage -- deshalb das Fragezeichen. Ich bräuchte weitere Aufnahmen.

-- felix
"Du" angenehm.

plaenerdd

Hallo Felix,
ich danke Dir für Deine Mühen. Ich habe jetzt die ersten Einschlüsse in Pleurax fertig (Aufbereitung mit Wasserstoffperoxyd). Jetzt bin ich dabei die "nackten" Diatomeen (eigentlich sind es ja eher die Kleider der Verblichenen) den lebenden zu zu ordnen. Das finde ich ziemlich spannend und nicht immer ganz einfach. Ich brauche aber noch ein...zwei Tage, bis ich Bilder davon einstellen kann. Bin beruflich z.Z. sehr gefordert.

Die langen Nadeln von Tabularia tabulata scheine ich etwas angereichert zu haben. Die sind jetzt etwas überrepräsentiert. Ich arbeite mit Wegwerfsektgläser, in denen sich die Diatomeen schön absetzten können und mit denen man auch das Grobe schön abtrennen kann (Sand usw.), was mir auch den Einsatz einer Zentrifuge erspart, aber mit den 3 Spülgängen in Auqua dest. auch 4 Tage für die Aufbereitung in Anspruch nimmt. Da ich die leichte Schwebe unter das Deckglas gebracht habe, sind wohl die langen Nadeln, die bestimmt langsamer sinken als die "Überraschungseier" von Melosira nummuloides angereichert worden. Aber vor allem finde ich nur wenige Diatomeenschalen, die ich Bacillaria paxillifera zuordnen kann und die waren eigentlich nicht selten in meinen Proben, aber vielleicht sind sie ja auch nur besonders aufgefallen durch ihre Bewegungen. Auch die leicht sigmoidalen Nitzscheria sind sehr selten in den aufbereiteten Proben. Vielleicht muss ich doch noch mal im dickeren Bodensatz fischen...

Du hast ja offensichtlich Material aus mehreren Jahren und vielleicht auch Jahreszeiten aus Artern. Kannst Du Da signifikante Unterschiede feststellen?
Viele Grüße
Gerd

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felix

Hallo Gerd,

Die Verbände von Bac. paxillifera werden bei der Aufbereitung gelöst. Einzeln sehen sie so aus:
http://bit.ly/1d3jb47. Achtung: Das ist eine sehr gute Aufnahme; die Kontrastierung der Streifen wird Dir auf Anhieb vielleicht nicht so gut gelingen.

Ja, es gibt offenbar jahreszeitliche und jährliche Unterschiede. Die lassen sich aber leider nicht kurz beschreiben.  Achn. brevipes, Bac. paxillifera und Tabularia tabulata gehören zum Stammpersonal.  Tab. tabulata ist m.E. synonym zu Synedra affinis var. obtusa Hustedt (nicht var. fasciculata, wie manchmal behauptet).

Weiterhin viel Erfolg! -- felix
"Du" angenehm.

plaenerdd

Danke, Felix,
ich habe heute fleißig fotografiert, vor allem aus den Dauerpräparaten und werde dann mal meine Fotos den lebend abgelichteten gegenüberstellen.

Dass die Verbände von Bac. p. sich auflösen war schon klar und ich habe auch schon ein paar gefunden. Dein Link zum Foto hat mir bestätigt, dass meine Zuordnung stimmte, die ich auf Grund von Größe und Gestalt getroffen hatte.

Grüße
Gerd
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plaenerdd

Hallo,
ich habe meinen ersten Beitrag mit den Fotos editiert. Ich wollte die Gegenüberstellung von Lebenden und Toten nebeneinander haben, aber das hier nicht mit zu vielen Fotos aufblähen. Ich bin mir beim letzten Foto nur zu 90% sicher, dass das die gleiche Art ist, aber eben schon recht sicher.

Die in PLEURAX eingeschlossenen Diatomeen sind mit Wasserstoffperoxyd behandelt (ca. 2 Stunden im Wasserbad gekocht und 24 Stunden in der Lösung stehen gelassen zum Absetzten. Dann drei mal dekandiert und mit Auqua dest. gespült, jeweils 24 Stunden im Wegwerfweinglas. Nach Diatomeen aus dem Schaalsee und meinem Hausfluss in Dresden (Vereinigte Weißweritz - nicht die Elbe!) war das mein dritter Versuch der Diatomeenaufbereitung nach dieser Methode. Ich bin sehr beeindruckt, wie sehr sich diese drei Lebensräume (Sole, kalkreicher See und Mittelgebirgsfluss) doch unterscheiden. Dann noch die Moorfloren, aber die habe ich bisher nur lebend betrachtet. Die Lebenden finde ich persönlich auch viel schöner, auch wenn sie viel schwerer zu bestimmen sind, weil die Taxonomie fast ausschließlich auf den Kieselskeletten beruht.

Grüße
Gerd
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felix

Hallo Gerd,

die Gegenüberstellung ist prima gelungen, die Zuordnungen sind goldrichtig. Noch ein kleiner Tip: Die "Totbilder" in Graustufen umwandeln und mittels Histogramm den Kontrast steigern (leere Pixel links und rechts wegschneiden); leichtes Nachschärfen tut auch manchmal gut.

Wenn Du Material aus sauberen Gewässern des Elbsandsteingebirges hast, können wir gern ein wenig tauschen.  Alles weitere am besten per PN.

Alles Gute!
--felix
"Du" angenehm.