Schiefe Beleuchtung und Analyse eines komplizierten Präparates

Begonnen von Carlos, Mai 09, 2016, 10:17:55 VORMITTAG

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Carlos

Hallo zusammen,
Derzeit experimentiere ich mit ,,schiefer Beleuchtung". Angeregt wurde ich durch das Studium des Büchleins von D. Gerlach ,, Das Lichtmikroskop, 1976".
Wenn ich es richtig verstanden habe, kann man mit schiefer Beleuchtung, je nach Blendenstellung, die Auflösung steigern und , abhängig von der Stellung der exzentrischen Blende, Details des betrachteten Objekts erkennen, die bei normalem Durchlicht nicht zu sehen sind.
(Zitat: D. Gerlach, Das Lichtmikroskop, 1976, S.105,"Schiefe Beleuchtung ... mit der Großen Abbeschen Beleuchtungsapparatur ... Hier kann man die Kondensor-blendenöffnung  ... exzentrisch stellen. ... Im primären Beugungsbild erscheint dann ein Hauptmaximum, das auf einer Kreisbahn wandert, wodurch ein Nebenmaximum nach dem anderen sichtbar wird." Und als Resümee:
Zitat: ,,Eine vollständige und richtige Analyse eines komplizierten Präparates, ... ist auf diesem Wege jedoch kaum möglich. Deswegen wird schiefe Beleuchtung zur Steigerung der Auflösung heute fast nicht mehr benutzt."
Gerlach schrieb dies 1976, zu einer Zeit also, in der es praktisch keine digitale Bildaufnahme und keine computerisierte  Bild-be- bzw. -verarbeitung  gab.
Heute allerdings  müsste die Auswertung  m.E. sehr viel einfacher sein. Es würde mich sehr wundern, wenn nicht andere diesen, durch die Digitalisierung und leistungsfähige Computer neuen Weg geprüft haben. Leider habe ich, - vermutlich aufgrund mangelnder Erfahrung beim ,,Suchen im IN" -, hierzu noch nichts Aussagefähiges gefunden.
Deshalb meine Frage:
,,Hat jemand hierzu eigene Erfahrungen oder liege ich mit meinen Überlegungen völlig falsch?"
Gruß Carlos

Herbert Dietrich

Hallo Carlos,

Heinz Appelt schreibt In "Einführung in die mikroskopischen Untersuchungsmethoden", 1. Auflage  1950 (diese Büchlein meiner Meinung nach ist sehr empfehlenswert):

5.4 Die schiefe Beleuchtung
Sehr wichtig ist die leider sehr wenig angewendete schiefe Beleuchtung, mit der die Auflösung im besten Falle verdoppelt und mit der die Kontraste gesteigert werden können.

Bei der schiefen Beleuchtung wird mit offener Leuchtfeld- und Aperturblende mikroskopiert, es wird also die Apertur des Kondensors und des Objektives voll ausgenützt und damit
die höchstmögliche Auflösung erreicht. So habe ich das verstanden.

Herzliche Grüße
Herbert

Klaus Henkel

Zitat von: Carlos in Mai 09, 2016, 10:17:55 VORMITTAG

Wenn ich es richtig verstanden habe, kann man mit schiefer Beleuchtung, je nach Blendenstellung, die Auflösung steigern und , abhängig von der Stellung der exzentrischen Blende, Details des betrachteten Objekts erkennen, die bei normalem Durchlicht nicht zu sehen sind.
(Zitat: D. Gerlach, Das Lichtmikroskop, 1976, S.105,"Schiefe Beleuchtung ... mit der Großen Abbeschen Beleuchtungsapparatur ... Hier kann man die Kondensor-blendenöffnung  ... exzentrisch stellen. ... Im primären Beugungsbild erscheint dann ein Hauptmaximum, das auf einer Kreisbahn wandert, wodurch ein Nebenmaximum nach dem anderen sichtbar wird." Und als Resümee:
Zitat: ,,Eine vollständige und richtige Analyse eines komplizierten Präparates, ... ist auf diesem Wege jedoch kaum möglich. Deswegen wird schiefe Beleuchtung zur Steigerung der Auflösung heute fast nicht mehr benutzt."
Gerlach schrieb dies 1976, zu einer Zeit also, in der es praktisch keine digitale Bildaufnahme und keine computerisierte  Bild-be- bzw. -verarbeitung  gab.
Heute allerdings  müsste die Auswertung  m.E. sehr viel einfacher sein. Es würde mich sehr wundern, wenn nicht andere diesen, durch die Digitalisierung und leistungsfähige Computer neuen Weg geprüft haben. Leider habe ich, - vermutlich aufgrund mangelnder Erfahrung beim ,,Suchen im IN" -, hierzu noch nichts Aussagefähiges gefunden. 

Guten Tag Carlos!

Gerlach hat Ihre Frage ja schon beantwortet und den Grund genannt: Die Schiefe Beleuchtung wurde seit ca. 1880 besprochen und viel angewandt. In der Wissenschaft heute kaum noch, weil das Bild meist irreale Artefakte zeigt, die von Anderen nicht reproduzierbar sind. Deshalb wird in der Wissenschaft heute nicht mehr diskutiert, weil sie an Artefakten nicht imehr interessiert ist. Es ist deshalb heute so gut wie ausschließlich eine Sache von Schülern und Amateuren.

Google weist nach Eingabe von "schiefe Beleuchtung" weit über 14.000 Nennungen aus, von denen mindestens 50 viel Aufschluß geben.

Die fachlich richtige Darstellung gibt Michel; siehe Mikrofibel 2.6.2.
Eine besonders einfache Bastel-Einrichtung und wohl diejenige, welche die schönsten Bilder liefert, lesen Sie dort ebenfalls unter 4.5.2.1. Aber lesen Sie die Anleitung sorgfältig.

Viel Erfolg.
KH

     

Jürgen H.

Hallo zusammen,

Ich denke Carlos, geht es um die Idee, m e h r e r e unterschiedliche Bilder miteinander zu verrechnen  mittels eines eigens hierfür geschaffenen Computerprogramms. Die Blendenöffnung der schiefen Beleuchtung wird sukzessive im Kreis gedreht, so dass jedem Bild eine andere Blendenstellung zugrunde liegt. Jedes Bild wird daher mit unterschiedlichen Nebenmaxima erzeugt. Von der Summe der Nebenmaxima verspricht sich die Idee eine Steigerung der Auflösung gegenüber einer einzigen Aufnahme eines Bildes.

Herr Henkel hat allerdings schon auf die Artefaktbildung hingewiesen. Und ob die angedachte Verrechnung der Bilder überhaupt möglich ist, scheint mir zweifelhaft zu sein, da die Bilder eine unterschiedliche Pseudoplastizität
liefern, je nachdem, wie der schiefe Strahlengang verläuft.

Aber ich finde, dass die Idee interessant ist.


Grüße

Jürgen


Klaus Henkel

Zitat von: Jürgen H. in Mai 09, 2016, 14:10:41 NACHMITTAGS

Ich denke Carlos, geht es um die Idee, m e h r e r e unterschiedliche Bilder miteinander zu verrechnen  mittels eines eigens hierfür geschaffenen Computerprogramms. Die Blendenöffnung der schiefen Beleuchtung wird sukzessive im Kreis gedreht, so dass jedem Bild eine andere Blendenstellung zugrunde liegt. Jedes Bild wird daher mit unterschiedlichen Nebenmaxima erzeugt.
Jürgen

Wenn es tatsächlich nur darum geht, dann kann ich noch folgendes beitragen:
Prof. Dr. Hermann Ullrich, Instit. f. Landwirtschaftl. Botanik, Uni Bonn, hat so eine Methode vorgestellt in: Mikrokosmos 72, 1983, S.21-23. Eine mechanische Lösung allerdings  - damals. Genaue Beschreibung.

KH


Carlos

Hallo Jürgen H.
Genau so wie Du es schreibst, wobei ich hoffe, dass ein übliches "Stack-Programm" das bereits leisten kann! Es verarbeitet dabei zwar keine Bilder unterschiedlicher Schichttiefen, jedoch unterschiedlicher Lichteinfallswinkel, also eine schlichte Bildüberlagerung. Nach meiner Überlegung sollte eine Überlagerung von Bildern gleichen "Schieflicht-Blendentyps" bei 0°, 60°,120° und 240° Blendenstellung untersonst gleichen Bedingungen  ein aussagefähiges Bild eines Objekts liefern. (Habe ich allerdings so noch nicht realisieren können.)
Hallo KH.
Die ,,Mikrofibel" ziehe ich immer als Erstes zur Klärung von Verständnisproblemen in den Grundlagen der Mikroskopie zu rate. So auch hier bei meinen Überlegungen zur schiefen Beleuchtung. Ich sehe aber keinen Widerspruch zu den Ausführungen in Kapitel 2. und 3. (-die für mich lehrreichsten Kapitel zum Verständnis der Bauweise und Funktion von Lichtmikroskopen überhaupt, deshalb meine Hochachtung KH.-)  zu meinen Überlegungen zur schiefen Beleuchtung.
Gruß Carlos
   

Kurt Wirz

Hallo

Je nach dem was man sehen will, verwendet man unterschiedliche Beleuchtungstechniken. So wirken in der Fotografie, Bilder die mit Ringlicht oder -blitz aufgenommen wurden, eher flach und nicht sehr kontrastreich, doch bis in die Tiefen gut beleuchtet. Seitliches Licht aus vorwiegend einer Seite, wirkt kontrastreicher und plastischer, einige Details kommen besser zur Geltung, jedoch können die Tiefen im Dunkeln absaufen. Mit einer höheren Auflösung hat das nichts zu tun.
Der Mikroskopiker schätzt das seitliche Streiflicht, weil er dann von Auge die Details besser sieht.
Der Fotograf strebt oft auch Bilder an, die natürlich wirken und verwendet deshalb bei der Lichtsetzung oft diffuseres Licht, das weitgehend von allen Richtungen kommt.
In der Auflicht Mikroskopie gelten betreffend Licht nicht die gleichen Kriterien wie bei Durchlicht. Es ist somit oft fehl am Platz, die Beleuchtungsart die bei Durchlicht erfolgreich ist bei Auflicht anzuwenden wollen. Jede Situation muss individuell betrachtet werden und man muss wissen, was man sehen will.
Allgemein kann ich raten, bei Auflicht das Licht nicht zu hart zu setzen, ausser es ist für rein informative Bilder nötig.

Kurt

Carlos

Hallo zusammen, hallo Kurt W.,
Zitat Kurt W.:
ZitatSeitliches Licht aus vorwiegend einer Seite, wirkt kontrastreicher und plastischer, einige Details kommen besser zur Geltung, jedoch können die Tiefen im Dunkeln absaufen. Mit einer höheren Auflösung hat das nichts zu tun.
Detaillierter steht das in der"Mikrofibel" von KH im Kapitel 3.3.4 "Höhere Auflösung bei schiefer Beleuchtung".
Darin heißt es:
Zitat:
ZitatIm Zwischenbild entstehen nun diejenigen Strukturen des Präparats, die von den entsprechenden Nebenmaxima gebildet werden. Sie waren vorher nicht sichtbar, das Auflösungsvermögen ist also dort höher. Allerdings sind nun alle diejenigen Strukturen nicht mehr sichtbar, die von den zur anderen Seite entschwundenen Nebenmaxima gebildet wurden. 
Genau das wollte ich bei meinen Überlegungen ausnutzen.
Gruß Carlos

Jürgen Boschert

Hallo Carlos,

die einseitg schiefe Beleuchtung im Durchlicht führt ja zu einem gewissen Reliefeffekt, der ja gerne auch genutzt wird. Wenn man nun mehrere Aufnahmen mit Schieflicht aus verschiedenen Richtungen überlagert, verliert man letztlich doch auch diesen Relifeffekt. Prinzipiell erhält man ein Bild, das einer allseits schiefen Beleuchtung entspricht, auch ringförmige schiefe Beleuchtung (RFB) oder COL (circular oblique lighting) genannt, die ja auch eine der einseitig schiefen Beleuchtung entsprechende erhöhte Auflösung bietet, nur eben axial für alle Richtungen.

Gruß !

JB

Beste Grüße !

JB

Klaus Henkel

Zitat von: Carlos in Mai 09, 2016, 22:39:23 NACHMITTAGS
[ ... ]

Hallo KH.
Die ,,Mikrofibel" ziehe ich immer als Erstes zur Klärung von Verständnisproblemen in den Grundlagen der Mikroskopie zu rate. [ ... ] 2. und 3. (-die für mich lehrreichsten Kapitel zum Verständnis der Bauweise und Funktion von Lichtmikroskopen überhaupt, deshalb meine Hochachtung KH.-) 
Gruß Carlos

Carlos, so etwas liest der Autor natürlich gerne! Denn nur allzu oft beschleicht ihn der Verdacht, den J. W. Goethe so treffend benennt: "Gewisse Bücher scheinen geschrieben zu sein, nicht damit man daraus lerne, sondern damit man wisse, dass der Verfasser etwas gewusst hat." Da ist es doch beruhigend, wenn man hier und da solche Bestätigung erhält, wie die Ihrige. - Danke
und Gruß!
KH

Ulf Titze

Zitat von: Klaus Henkel in Mai 09, 2016, 11:50:34 VORMITTAG
... Deshalb wird in der Wissenschaft heute nicht mehr diskutiert, weil sie an Artefakten nicht imehr interessiert ist. Es ist deshalb heute so gut wie ausschließlich eine Sache von Schülern und Amateuren. ...

... und von Praktikern. Ich kenne einige Pathologen, die bei der Suche nach Zilien oder anderen feinen Strukturen ganz gern einmal einen Daumen langsam von der Seite über die Lichtaustrittsöffnung bewegen oder schnell mit den Fingern durch den Strahlengang unterhalb des Kondensors "wischen". Das hat sich in der praktischen Erfahrung durchaus eingebürgert. Publizieren würde solche Bilder aber keiner!

Nur die Wenigsten, die diesen "Trick" zwar selbstverständlich nutzen, würden auf die Idee kommen, dass es sich dabei streng genommen um ein eigenes Kontrastverfahren handelt. Kaum einer würde mit dem Begriff der "schiefen Beleuchtung" etwas anfangen können. Was ich mal gehört habe, war der unkorrekte Begriff des "Anpolarisierens".  ;D

Tja, in der Weiterbildung für den Facharzt für Pathologie ist die Lektüre der Mikrofibel nicht verankert. Ich kenne aber dennoch einen, der es mit großer Freude und großem Gewinn getan hat....

Herzliche Grüße

Ulf
"Do not worry about your problems with mathematics, I assure you mine are far greater." (A. Einstein)

"Komm wir essen Opi!" - Satzzeichen können Leben retten!!!

Carlos

Hallo zusammen,
Hallo JB,
ZitatWenn man nun mehrere Aufnahmen mit Schieflicht aus verschiedenen Richtungen überlagert, verliert man letztlich doch auch diesen Reliefeffekt. Prinzipiell erhält man ein Bild, das einer allseits schiefen Beleuchtung entspricht, auch ringförmige schiefe Beleuchtung (RFB) oder COL (circular oblique lighting) genannt, die ja auch eine der einseitig schiefen Beleuchtung entsprechende erhöhte Auflösung bietet, nur eben axial für alle Richtungen.

Genau daran habe ich Zweifel. Es ist zwar richtig, das die ,,RFB" ein ,,Schieflichtbild" aller Elemente eines betrachteten Objekts liefert, jedoch zu dem Preis, das aus einem bestimmten ,,Schieflichtwinkel" erkennbare Objekte durch Überlagerung mit ,,Schieflicht"  aus allen Richtungen (Ringblende) überlagert werden und verschwinden. Dies trifft natürlich nicht zu, wenn nur ,,Schieflicht" aus bestimmten Richtungen zugelassen wird. In diesem Fall lassen sich natürlich nicht alle Elemente des betrachteten Objekts optimal darstellen, wohl aber vorher ausgewählte, besonders interessante Elemente. Durch Schieflicht aus definierten Richtungen, z. B. aus  0°, 60°, 120° und  240°, sollten dabei mehr Details des Elements erkennbar sein als aus einer (einfaches Schieflicht)  oder allen Richtungen (RFB).
Realisiert habe ich das bisher nicht. Meine Frage am Anfang dieses Fadens war deshalb, ob jemand das schon versucht hat.
Hallo Ulf,
Das, was Du als Praxis einiger Pathologen beschreibst,  spricht m. E. für meine Überlegungen.
Gruß Carlos

Carlos

Hallo KH.,
Habe gerade die angegebene Literatur (H. Ullrich, Mikrokosmos 72, 1983 S.21-23, Eine neuartige Rundum-Schieflichtmethode ...) gelesen. Faszinierende Methode. Danke für den Hinweis. Genau so was habe ich gesucht.
Es ist schon erstaunlich, welches Fachwissen hier im Forum vertreten ist und vor allem bereitwillig zugänglich gemacht wird.
Nochmals Danke, Gruß Carlos

rhamvossen

Hallo,

Schieflicht gibt es in viele Formen, manche Formen geben mehr artefakten als andere. Das Schieflicht nicht wissenschaftlich sein wurde oder nicht publizierbar erscheint mir als reiner Quatsch. Phasenkontrast gibt mehr Artefakte als gutes Schieflicht. Und das Relief von DIK is ebenso ein Artefakt. Vielleicht sogar das ganze mikroskopische Bild.  Beste Gruesse,

Rolf

Lupus

Hallo,

ZitatPhasenkontrast gibt mehr Artefakte als gutes Schieflicht. Und das Relief von DIK is ebenso ein Artefakt. Vielleicht sogar das ganze mikroskopische Bild.
so würde ich das auch sehen. Es hängt vor allen Dingen davon ab für welchen Zweck man das Schieflicht verwenden möchte. Ich würde es als ideale Alternative zu den anderen Phasenkontrastvefahren sehen, in der Sichtbarmachung von Phasenunterschieden liegt die eigentliche Stärke. Die spezielle Verwendung zur Erhöhung der Auflösung von absorbierenden Objekten würde ich allerdings als eher akademische Spielerei halten, das hätte sich sonst schon durchgesetzt, und da haben die Artefakte fast nur Nachteile.

Hubert