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Bunt und Tarnung

Begonnen von Michael Plewka, Oktober 28, 2018, 10:41:22 VORMITTAG

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Michael Plewka

Hallo zusammen,

In Anlehnung an Oles hochinteressanten Beitrag zu den Kleptocniden:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=32576.0
an dieser Stelle ein paar Ergänzungen mit Makro-Aufnahmen von Schnecken  aus wärmeren Gewässern.

Ole hat die besondere Farbigkeit von vielen der  Meeresschnecken schon angesprochen, weshalb diese ja auch häufig als die "Schmetterlinge des Meeres" bezeichnet werden. Man kann viel über die Funktion und die Ursache  dieser extremen Buntheit spekulieren, zumal diese "Farben" ja im Wasser -vor allem in größerer Tiefe- gar nicht sichtbar sind.
Insofern ist ebenfalls der Zusammenhang: Buntheit  der kleptocniden-besitzenden Schnecken  und "Tarnfarben" bei einigen nicht-kleptocniden-besitzenden Schnecken rein spekulativ, aber soll hier im folgenden aufgezeigt werden. 


Auch ich habe mich schon lange gefragt, wie die Nudis es schaffen, die Nesselkapseln in sich aufzunehemn, ohne dass diese explodieren.
Mittlerweile ist bekannt, dass beispielsweise Schnecken  der Gruppe Aeolidia  u.a. die noch nicht entwickelten Cniden der Beute aufnehmen und speichern. Diese reifen dann in der Schnecke zu den aktiven Zellen heran und werden wohl pH-abhängig aktiviert.

Hier ein Vertreter dieser Gruppe:  Flabellina rubrolineata (aus den Philippinen). Die Pfeilspitzen weisen  auf den Cnidocyten-Sack in dem entsprechenden Ceras hin:




Auch  in den Tropen kommen die von Ole gezeigten Gattungen vor, hier z.B. Cuthona sp. 13  (d.h. es handelt sich um eine zwar bekannte Art, die aber noch nicht wissenschaftlich beschrieben ist):




sowie zwei Eubranchus-Arten:  Euchbranchus sp. 22  (25mm):



und Euchbranchus sp. 25 (18 mm), bei der die relative Größe der Cerata im Vergleich zum "Körper" auffällig ist:




sowie ein Vertreter der Gattung Doto: (Doto ussi) (ca 25mm):




Das andere "Hilfsmittel" der Schnecken sind symbiontische Algen, zum einen  Dinoflagellaten (Zooxanthellen), aber auch Zoochlorellen, die durch Aufnahme von chloroplastenhaltigem Gewebe, z.B. aus Algen aufgenommen und  gespeichert  werden  und photosynthetisch aktiv bleiben.

Für einige Arten aus der herbivoren Gattung Plakobranchus (hier ein Exemplar einer noch nicht beschriebenen Art aus Raja-Ampat (Ost-Indonesien)) hat man experimentell nachgewiesen, dass diese in Aquarien  ohne weitere zugeführte Nahrung mit sterilem Sand  leben und sich fortpflanzen können- ausschließlich auf der Basis der Zoochlorellen!




Die Zooxanthellen findet man sehr häufig bei Schnecken-Arten, die auf Korallen leben, die ja selbst wiederum Zooxanthellen enthalten.
Am Beispiel der Gattung Phyllodesmium möchte ich aufzeigen, wie unterschiedlich die Strategien der Schnecken, auch nahe verwandter Arten,  sein können.
Als erstes hier P. crypticum, bei der man sehr schön die Verzweigungen der Mitteldarmdrüsen mit den darin enthaltenen  Zooxanthellen (Symbiodinium) erkennen kann:



crop:




Phyllodesmium jakobsenae ist kaum von  der Weichkoralle, auf und von der sie lebt (Xenia) zu unterscheiden. Diese Art zeichnet sich also durch die besonders raffinierte Tarnung aus (s.o.). Das liegt auch daran, dass die Cerata ähnlich verzweigt sind wie die Korallenpolypen und  die Zooxanthellen auch  ähnlich angeordnet sind. Da diese Schnecke (wie die anderen Arten der Gattung auch) auf Korallen lebt, welche ja Cnidocyten enthalten, liegt natürlich die Vermutung nahe, dass auch Phyllodesmium Kleptocniden besitzt. Das ist aber nicht der Fall. Die Schnecken enthalten aber Inhaltsstoffe der Koralle, die wohl als Fraßschutz dienen.




Phyllodesmium undulatum als letztes Beispiel für ein weiteres Mitglied dieser Gattung jedoch enthält weder symbiontische Algen noch Kleptocniden.





Viel Spaß beim Anschauen & beste Grüße

Michael Plewka

JürgenG.

Wunderschöne Aufnahmen von wunderschönen Tieren.

Gruß
Jürgen

Dr. Jekyll

An solchen Bildern kann ich mich garnicht satt sehen👍👍👍
Beste Grüße
Harald

klausLM

Lieber Michael,
kein Mikro - aber wieder wunderschön was Du hier zeigst.
Ich war schon vor Jahren am Pillersee von Deinen Unterwasserfotos begeistert.
Danke dafür.

Gruß
Klaus

Ole Riemann

Hallo Michael,

herzlichen Dank für Deine wunderbaren Fotos und die makroskopische Ergänzung zu den Kleptocniden der Nudibranchia. Die Habitus-Fotos meiner Schnecken sind im Labor unter dem Binokular entstanden - Du hast aber mit dem Makro-Objektiv direkt unter Wasser gearbeitet?

Beste Grüße

Ole


Bob

Hallo Michael,
deine Fotos sind ja unglaublich! Wo hast Du die gemacht? In einem Aquarium?
Das letzte Bild gefällt mir am besten.

Viele Grüße,

Bob

Fahrenheit

Hallo Michael,

danke für die schönen Bilder und die Beantwortung meiner Frage aus Ole's Thread!

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
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Michael Plewka

hallo zusammen,

recht herzlichen Dank für die netten Rückmeldungen!
Die "models" in den Tropen sind wirklich faszinierend...

Zu den Aufnahmen: diese entstehen bei mir ausschließlich im freien Wasser (d.h. also nicht im Aquarium) in Südostasien.  Als Kamera verwende ich eine  Olympus MFT-Kamera mit 60 mm Makro-Objektiv. Damit kommt man in etwa auf einen Abbildungsmaßstab von 1:1, d.h. Organismen mit ca 2cm Größe werden formatfüllend abgebildet. Für etwas größere Abbildungsmaßstäbe kommt noch eine (klappbare) Vorsatzlinse hinzu. Geblitzt wird immer, auch weil  viele Arten (wie z.B. die hier gezeigte Phyllodesmium jakobsenae) nachtaktiv und daher tagsüber versteckt sind. 

Beste Grüße
Michael Plewka

Martin Kreutz

Hallo Michael,

ob Mikro oder Makro, scheint Dir beides zu liegen! Wirklich erstaunliche Bilder. Wie Bob gefällt mir das letzte Bild auch am besten. Es hat den Anschein, als wenn die Schnecke von oben beleuchtet wird und fluoresziert. Ein sehr guter Effekt!

Martin

Michael Plewka

Hallo zusammen,

@ Martin: vielen Dank für das Lob aus berufener Feder!

Zitat...Es hat den Anschein, als wenn die Schnecke .... fluoresziert.


Fluoreszenz ist (wie auch in der Mikroskopie)  ein wichtiges Thema  in der UW-Fotografie, da vor allem die Korallen sehr stark (und deshalb sehr "dekorativ") fluoreszieren; von daher könnte das auch bei deren Predatoren, d.h. den Schnecken der Fall sein.
Bestimmt  probiere ich das beim nächsten Mal aus (bei der  letzten Exkursion hatte ich den AnregungsFilter im Meer verloren)....

Während beim Mikroskop der Kondensor für die Lichtführung die entscheidende Rolle spielt (vielleicht ist Dir die sog. "Kreutz-Blende" in dieser Hinsicht ein Begriff ... ;).) ist es bei der UW-Fotografie die  Anordnung der Blitze mittels flexibler Blitzarme. Damit experimentiere ich gerne.  Das macht sich besonders bei den vielen gelatinösen Organismen, die das Meer besiedeln, bemerkbar. Welche Unterschiede sich dabei durch die Lichtführung ergeben, sei hier -wenn auch ziemlich off-topic-  an dem Beispiel von Makro-Aufnahmen der ca. 30mm großen Seescheide Rhopalaea cf crassa (die im englischen umgangssprachlichen Sprachgebrauch als "Fluorescent colored sea squirt" bezeichnet wird) gezeigt.

Dasselbe Tier zeigt einmal mit frontaler Beleuchtung sehr schön die "AuflichtFluoreszenz" der Netzstruktur im Mantel. Ich habe  weder Ahnung, was diese morphologisch bzw. funktionell darstellt (Gefäßsystem?), noch, ob es sich wirklich um eine Fluoreszenzerscheinung (ich habe bisher noch keine echten Fluoreszenzaufnahmen im www. zu dieser Art gefunden) oder vielleicht eher um Interferenzeffekte handelt:



In mehr (rück-)seitlicher Beleuchtung kommt dagegen der Kiemendarm besser zur Geltung:



In Ausschnitt (Breite ca. 5mm) sieht man sowohl den Kiemendarm als auch die Netzstrukur des Mantels deutlicher:



Viel Spaß beim Anschauen & beste Grüße

Michael Plewka

koestlfr

Hallo Michael!

Wunderschöne Aufnahmen!

Die Fluoreszenz der Schnecke ist besonders beeindruckend! Das Anregungsfilter steckst du vor den Blitz, weisst du die Wellenlänge - nimmst du auch ein Sperrfilter?
Liebe Grüße
Franz

olaf.med

Lieber Michael,

Deine Bilder begeistern mich immer wieder, sei es als Mikrofotos oder in Form dieser wunderschönen Unterwasser-Motive. Solltest Du in erreichbarer Entfernung wieder einmal einen Vortrag darüber halten, wäre ich für eine Information sehr dankbar - ich kann mich daran nicht sattsehen bzw. hören. Ich bin sicher, dass auch andere Forenmitglieder daran sehr interessiert wären.

Herzliche GRüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Michael Plewka

Hallo  Franz,

ob es sich bei der "Farbe" der  Phyllodesmium undulatum- Schnecke  wirklich um Fluoreszenz handelt, weiß ich nicht (habe auch in meiner Literatur nichts gefunden).

Zu Deiner Frage: bisher habe ich, was Fluoreszenz im Meer angeht, nur mit einer UV-LED- Lampe gearbeitet. Diese ist aber wegen der geringen Beleuchtungsstärke nur bedingt zum Fotografieren geeignet. Da muss man dann schon mal auf 6400 ISO gehen. Deshalb werde ich nun versuchen, im Blaubereich (Wellenlänge ist unbekannt) zu blitzen, d.h. -wie Du richtig vermutest- kommt der Filter vor den Blitz. Das technische Problem ist dabei, dass der Filter unter Wasser abnehmbar sein muss. Vor das Objektiv kommt dann ein ebenfalls (gegen den Makro-Vorsatz) austauschbares Gelbfilter.
Da kann es dann schon mal zu Verlusten kommen......

Hallo Olaf,

es freut mich sehr, wenn Dir die Bilder gefallen! Gelegenheiten zum weiteren UW-Bilder-Anschauen werden bereits angedacht.....

Beste Grüße
Michael Plewka

limno

Guten Morgen Michael,

du bist wirklich ein Meisterfotograf aller Klassen! Bei Dir Schüler sein zu dürfen, muss was Tolles sein!
Mit besten Glückwünschen zu diesen Bildern!
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.