Botanik: Der Lavendelheide unter die Cuticula geschaut - Pieris formosa *

Begonnen von Fahrenheit, Januar 18, 2012, 21:45:27 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

in der Winterzeit (war da was?) ist die Auswahl an Pflanzen für botanische Schnitte naturgemäß nicht so groß. Man muss sich auf die immergrünen Pflanzen beschränken. Da kam mir die Lavendelheide im Vorgarten gerade recht, zumal das ausgewählte Sprossstück eine Besonderheit aufweist, auf die ich nachher noch zu sprechen kommen möchte.

Die Formosa-Lavendelheide (Pieris formosa) ist eine von 7 Arten der Gattung Pieris und gehört somit in die Familie der Ericaceae (Erikagewächse). Die attraktive Pflanze ist heute in vielen Gärten zu finden. Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet hingegen liegt im östlichen Himalaja, Nord-Myanmar und der Chinesischen Provinz Yunann. Die Pflanze bevorzugt einen sonnigen bis halbschattigen Standort auf steinigen bis lehmigen Böden und fühlt sich auch auf feuchten Substraten wohl.

Sie ist ein Strauch von kugelförmigem bis gestrecktem Wuchs und wird bis etwa 5 Meter hoch. Pieris formosa ist immergrün und zeigt im Frühjahr zunächst leuchtend rote, später auf der Oberseite dunkelgrüne, lanzettliche Blätter mit hell abgesetzter Mittelrippe und fein gezähntem Rand. Die Unterseite hingegen ist matt hellgrün mit diesmal dunkel hervorgehobener Äderung. Dabei sind die wechselständigen Blätter mehr oder weniger deutlich in Scheinwirteln angeordnet.  

Bild 1: Blattwerk der Lavendelheide


Bild 2a/b: Blattober- und Unterseite



Die weißen, urnenförmigen Blüten hängen in Rispen zu typisch 20 bis 40 Einzelblüten. Die Blütezeit geht von Mai bis Juni. Die flachspaltigen Kapselfrüchte entwickeln sich im Sommer und enthalten relativ kleine Samen.  

Bild 3: Blüten der Formosa-Lavendelheide

Aufnahme von A.Barra, 2001, unter GLFD V1.2

Alle oberirdischen Pflanzenteile sind giftig. Der wichtigste Giftstoff ist der Diterpenester Acetylandromedol, welcher auf der Haut Jucken und Brennen hervorruft und nach Verzehr zu Übelkeit und Erbrechen, starken Darmkrämpfen und Durchfall führt. Entsprechend hohe Dosen können durch Atemlähmung auch letal sein.

Bild 4: auch bei der Lavendelheide darf eine Illustration nicht fehlen

Aus Curtis's Botanical Magazine, London 1909, vol. 135 [= ser. 4, vol. 5]: Tab. 8283, von  Mathilda Smith (Lith. J.N. Fitch.), gemeinfrei.

Wie immer kurz zur Präparation:

Geschnitten habe ich das Frischmaterial auf dem Handzylindermikrotom mit Leica Einmalklingen im SHK-Klingenhalter mit einer Schnittdicke von ca. 50 µm. Die Schnitte sind in AFE fixiert (Einwirkzeit ca. 20 Minuten).
Die anschließende Färbung erfolgte nach dem W3Asim II Verfahren von Rolf-Dieter Müller. Die Färbung ist auf der Webseite des MKB ausführlich beschrieben und es kann auch ein Arbeitsplan heruntergeladen werden.
Der anschließende Einschluss erfolgte - nach Entwässerung in reinem Isopropanol - in Euparal.

Nun zu den Präparaten:

Die neuen Sprosse der Lavendelheide sind zunächst grün, bekommen aber nach 2 bis 3 Jahren eine braune, streifige Rinde. Am Probenstück hatte dieser Prozess bereits eingesetzt, aber leicht asymmetrisch, so dass in einem Schnitt sowohl ein klassisches Rindenparenchym mit Epidermis und Cuticula, als auch das sich bildende Periderm unter den bereits abgestorbenen und schrumpfenden Schichten des alten Parenchyms beobachtet werden kann.

Bild 5: Sprossstück mit Schnittführung

Der gezeigte Spross hat einen Durchmesser von etwa 4 mm.

Bild 6: Makroaufnahme eines gefärbten Schnittes zur Übersicht

Im Viertel zwischen etwa 3 und 6 Uhr sticht das abgestorbene Gewebe (rot) ins Auge. Beim Rest folgt auf den dunklen Phloem-Ring ein klassisches Rindenparenchym. Zwischen 10:00 und 11:00 Uhr eine Knospe, die leider nach innen umgeschlagen ist.

Bild 7: ein wenig näher heran, Vergrößerung 50x, Stapel aus 12 Bildern

Der Übergang zwischen den beiden unterschiedlichen Begrenzungsgeweben ist gut zu erkennen. Das sich bildende Periderm setzt sich noch ein Stück nach links unter das lebendige Rindenparenchym fort.

Nun zunächst einige Bilder von der "Rindenparenchym-Seite"

Bild 7: Aufnahme vom frisch geschnittenen, unfixierten Material, Vergrößerung 100x, Stapel aus 9 Bildern


Bild 8a/b: Ein ähnlicher Ausschnitt nach der Färbung, Bild 8b mit Beschriftung. Vergrößerung 100x, Stapel aus 8 Bildern


Beschriftung von innen nach außen:
T:    Trachee
XL:   Xylem
MS:  Markstrahl
JRG: Jahresringgrenze, diese liegt recht nah beim Cambium, obwohl die Probe erst in der vergangenen Woche genommen wurde.
      Vielleicht ein Tribut an den trockenen Herbst? Da es bei uns bisher recht mild und dann auch wieder feucht war, ist der
      Spross dann über den Jahreswechsel wieder weiter gewachsen.
Ca:  Cambium
Pl:    Phloem
Skl1: Sklerenchymatisches Phloemparenchym
Skl2: durchbrochener Sklerenchymring im Rindenparenchym
RP:   Rindenparenchym
Ep:   Epidermis
Cu:   Cuticula

Bild 9a/b: schauen wir uns die äußeren Gewebeschichten noch einmal etwas genauer an. Bild 9b mit Beschriftung; Vergrößerung 200x, Stapel aus 15 Bildern


Beschriftung wie unter Bild 8, neu ist die Lakune (La) im Rindenparenchym. Schön sind auch die beiden unterschiedlich angefärbten Sklerenchyme Skl1 (sklerenchymatisches Phloemparenchym) und Skl2 (Reste des Sklerenchymrings im Rindenparenchym) zu erkennen.

Und nun die dunkle Seite der M... äh, Pieris  ;D

Bild 10: wie schon bei der hellen Seite zunächst ein ungefärbter und noch unfixierter Schnitt. Vergrößerung 100x, Stapel aus 6 Bildern


Bild 11 a/b: nun gefärbt, Bild 11b mit Beschriftung. Vergrößerung 100x, Stapel aus 7 Bildern


Die Beschriftung von innen nach außen analog zu Bild 8b:
XL:   Xylem
T:    Trachee
MS:  Markstrahl
JRG: Jahresringgrenze, diese liegt recht nah beim Cambium, obwohl die Probe erst in der vergangenen Woche genommen wurde.
      Vielleicht ein Tribut an den trockenen Herbst? Da es bei uns bisher recht mild und dann auch wieder feucht war, ist der
      Spross dann über den Jahreswechsel wieder weiter gewachsen.
Ca:  Cambium
Pl:    Phloem
Skl1: Sklerenchymatisches Phloemparenchym
Per:  Periderm, das neue Abschlussgewebe bildet sich am Außenrand des Phloems und verdrängt das darüberliegende Rindenparenchym.
      Dieses und die noch weiter außen liegende Epidermis werden von der Nährstoff- und Wasserversorgung abgeschnitten, was schön am
      Übergang der Markstrahlen zu erkennen ist. Zusätzlich werden die Zellschichten vom raumgreifenden Periderm gequetscht und sterben
      schließlich ab.
aSkl: Skl2, die Reste des Sklerenchymrings
aRP:  abgestorbenes Rindenparenchym
aEp:  abgestorbene Epidermis
Cu:   Cuticula

Bild 12 a/b: auch hier schauen wir genauer hin. Bild 12b mit Beschriftung; Vergrößerung 200x, Stapel aus 12 Bildern


Beschriftung analog zur Aufnahme 11b. Dabei fällt es mir schwer, die für mich recht homogen wirkenden Zellen des Periderms genauer nach Phellem, Phellogen und Phelloderm zu unterscheiden.

Sehr interessant ist auch der Übergang zwischen den beiden unterschiedlichen Begrenzungsgeweben, wo sich das Periderm noch ein gutes Stück unter dem lebenden Rindenparenchym fortsetzt und sogar nach Außen hin eine Begrenzung zwischen diesem und dem bereits abgestorbenen Rindenparenchym bildet.

Bild 13 a/b: der Übergang, Bild 13b mit Beschriftung. Vergrößerung 200x, Stapel aus 12 Bildern


Die Beschriftung wieder analog zu 8b bzw. 11b. Die schwarzen Flecken ähneln stark den Herrmannschen Kellergeistern. Bei ihnen handelt es sich um Lufteinschlüsse innerhalb der betroffenen Zellen. Wieder ein Rätsel gelöst?  ;)

Bild 14 a/b: der letzte Zipfel des Periderms, Bild 14b mit Beschriftung. Vergrößerung 400x, Stapel aus 11 Bildern


Beschriftung wie oben. Ist hier vielleicht eine Unterscheidung nach Phellem, Phellogen und Phelloderm möglich?

Bild 15: das primäre Xylem soll auch nicht zu kurz kommen. Vergrößerung 400x, Stapel aus 6 Bildern


Bild 16: und zum Abschluss noch ein kurzer Blick auf die Knospe. Vergrößerung 100x, Stapel aus 15 Bildern


Vielen Dank fürs Anschauen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Mila

Lieber Jörg,

was für ein lehrreiches Werk! Die ausgeprägten Markstrahlen, das gut zu sehende Kambium, die Jahresringe und vor allem der Querschnitt durch die Knospe sind Highlights für Deinen kommenden Atlas der Pflanzenanatomie ;)

Herzliche Grüße
Mila

Bernhard Kaiser

Lieber Jörg,

eine beachtenswerte Studie. Vielen Dank.

Freundliche Grüße
Bernhard Kaiser

Fahrenheit

#3
Liebe Mila, lieber Bernhard,

vielen Dank für Euer großes Lob! Es war natürlich viel Glück dabei, morgens im Dunkeln ( ;D) eine Probe zu schneiden, die auf nur einem Teil des Umfangs so schön das sich bildende Periderm zeigt. Erst wollte ich an der fiesen, braunen Stelle gar nicht schneiden.

Vielleicht kann eine(r) unserer Botaniker(Innen) ja noch etwas zur Differenzierung der Zellen des Periderms sagen? Oder ist es dazu an der Schnittstelle vielleicht noch zu früh?

Herzliche Grüße
Jörg

p.s.
Liebe Mila, für einen solchen Atlas muss ich gefühlt noch eine ganze Menge Material sammeln - unter anderem auch jede Menge Mut und Erfahrung. Vielleicht in 10 Jahren mal?
;)
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A. Büschlen

Hallo Jörg,

ein geeignetes Objekt vorzüglich präpariert und dokumentiert!

Gruss Arnold Büschlen
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.
- Nikon Optiphot I mit HF, DIC.
- Nikon Microphot mit HF, Pol.
- Zeiss Standard Universal mit HF, Ph, Pol.
- Wild M3Z mit Ergotubus.
- Nikon SMZ-U Zoom 1:10 mit ED Plan Apo 1x.

Detlef Kramer

 Lieber Jörg,

dem Lob der Anderen schließe ich mich natürlich an. Zu Deiner Frage, die ja bestimmt auch an mich gerichtet war: es ist wirklich nicht einfach, denn dieses Periderm ist ja noch ganz jung. Ich gehe mal so vor: die innersten Zellen müssen das Pelloderm sein. Einige Zelllagen darüber erkennt man (leider nicht immer) eine Lage auffallend schmaler Zellen. Das muss das Phellogen sein. Darüber liegt dann das vielschichtige Phellem, das noch kaum differenziert ist. Versuch einmal, dies nachzuvollziehen. Wenn gewünscht kann ich aber auch eines der Fotos beschriften.

Herzliche Grüße
Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken

Mila

Liebe Interessierte,

nur eine kleine Ergänzung/Übersetzung:
Das Phellogen wird auch als Korkkambium bezeichnet und ist ein Meristem (Bildungsgewebe, es wird etwas generiert), dieses besteht aus einer Zellschicht und bildet nach innen (also zur Sprossmitte hin) das Peri Phelloderm, während nach außen Phellem (Kork) gebildet wird. Detlef schrieb es auch so, ich möchte nur ein bisschen ergänzen.
Eine Verkorkung kann ich hier noch nicht erkennen, das Sprösslein ist zu jung ;)

Herzlich-generierte Grüße
Mila

P.S.: Verbesserung: Periderm (sek. Abschlussgewebe) = Phelloderm + Phellogen + Phellem, s.u. :-[

Omaruru

#7
Hallo Jörg,

auch von mir ein Kompliment, speziell für die Knospe.
Zu deiner Frage des jungen sekundären Abschlußgewebes kann ich mich nur Detlef anschließen. Am einfachsten vielleicht in den Bildern 14a, b nachzuvollziehen. Das Korkkambium besteht definitonsgemäß aus den, in radialer Richtung dünnsten Zellen, der gebildeten Zellstapel. in Bild 14 also die 3. oder 4. Zelle von innen. Pflicht ist auch der direkte Kontakt links und  rechts zu den benachbarten meristematischen Zellen, so daß sich eine geschlossene Schicht bildet, wie das in dem Bild gut nachvollziehbar ist. Wenn auch, bei deinem Objekt, nur lokal. Ich habe die Pflanze leider nicht im Garten, aber ich vermute, daß sich hier eine Schuppenborke ähnlich der Platane bildet.
Dein pech ist momentan die Vegetationsruhe,so daß keine aktuellen Zellteilungen zu sehen sind. Aber auch wenn die suberinisierung der Zellwände im Phellem noch nicht abgeschloßen ist, kommt es zum Absterben des Rindenparenchyms durch die Blockade des radialen Stofftransportes.

Viel Spaß weiter, vielleicht auch mit den "Haftwurzeln" des Efeu wenn sie im Frühjahr wieder austreiben. Beobachte einfach die kreisrunden verkorkten Bereiche an der Unter- / Schattenseite des Sproßes.

Klaus

p.s. Stichwort "Cuticula"  - hat schon jemand die Entwicklung der Cuticula im Verlauf des Blatt- / Sproßwachstums mikroskopisch begleitet ?

Ich habe da noch offene Fragen :-\
Gut, die beziehen sich speziell auf Sukkulente, aber da sollten sich auch Objekte der heimischen Flora finden lassen.
Hat jemand Lust auf einen neuen Thread?
Ich bevorzuge ein kollegiales Du ;-).

Scientists like to name anything.
      Jack Horner

Klaus Herrmann

Lieber Jörg,

wieder mal eine schöne umfassende Darstellung!

Auch mein Favorit ist die Knospe auf dem letzten Bild. Erstaunlich, das sie bei Frischmaterial so perfekt heil geblieben ist!
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Detlef Kramer

Liebe Mila,

danke für Deine Definitionen. Bei
Zitatund bildet nach innen (also zur Sprossmitte hin) das Periderm
ist Dir sicherlich ein Flüchtigkeitsfehler unterlaufen. Du meintest sicherlich Phelloderm. Also noch einmal, damit es klar ist: Das Periderm = sekundäres Abschlussgewebe besteht aus Phelloderm innen, Phellem außen und dazwischen Phellogen = Korkkambium.

Herzliche Grüße
Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Mila

Lieber Detlef,

Danke, Du hast völlig Recht. Ich sollte nicht posten, wenn ich völlig übermüdet bin, es tut mir leid. Ich verbessere meinen Beitrag entsprechend.

Viele Grüße
Mila

Omaruru

Hi Mila,

übermüdet odr nicht, verbessern ist doch schon passiert  ;)

klaus
Ich bevorzuge ein kollegiales Du ;-).

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      Jack Horner


Holger Adelmann

Lieber Jörg,

Glückwunsch zu dieser sehr gelungenen Arbeit! Enorm wie gleichmässig dünn Du so einen dicken und bestimmt auch nicht allzu weichen Spross mit der Hand geschnitten bekommst !
Ich glaube die Pflanze ist auch als Glanzmispel bzw. Glanzblatt im Handel?
Na ich habe sie auch im Garten im Bergischen stehen, der frische rote Austrieb ist immer wieder sehr schön.

Herzliche Grüsse
Holger

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

eine sehr interessante Arbeit.
Wie entstehen die Hohlräume im Rindenparenchym und haben die Lakunen eine Funktion ?

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"