Zeiss Standard Junior: Möglichkeiten zur Erweiterung der Kondensorpalette

Begonnen von -JS-, August 04, 2012, 21:38:31 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

-JS-


Für das Mikroskop Standard Junior von Zeiss bzw. Zeiss-Winkel standen in der serienmäßigen Ausstattung lediglich Kondensoren zur Verfügung, die durch eine leider nicht zentrierbare Klemmhülse gehalten wurden, welche ihrerseits entweder direkt unterwärts am Tisch oder an einer per Zahntrieb verstellbaren Führung befestigt war.
Die von den größeren Standards bekannten wechselbaren (Revolver-)Kondensoren, z.T. mit Phasenkontrastblenden, Dunkelfeldblenden und evtl. auch DIC-Einrichtung bestückt, konnten am Junior wegen der dort fehlenden Ringschwalbenaufnahme nicht eingesetzt werden.

Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Möglichkeit, ein Standard Junior derart umzurüsten, daß unterschiedliche, auf Schwalbenanschluss basierende und damit zentrierbare Zeiss-Kondensoren  verwendbar sind.
ALs Voraussetzung dafür muß sowohl ein alter Kondensorhalter z.B. vom Standard 14 sowie zusätzlich ein alter Kondensorhalter vom Junior zur Verfügung stehen, letzterer in Form und Ausführung zu dem Mikroskop passend, an dem die Änderung vorgenommen werden soll.
Auf diese Weise bleiben die vorhandenen Originalteile unberührt und somit ist ein Rückbau in den Originalzustand jederzeit gewährleistet.
Ansonsten ist dieser Umbau leider mit irreversiblen Änderungen an den als Ersatz vorgesehenen Altteilen verbunden, damit eine 'blutige' Angelegenheit und somit mit Sicherheit nichts für die Puristen unter uns. Alle übrigen Nutzer dagegen werden den ganz offensichtlich vorhandenen Zugewinn an Flexibilität zu schätzen wissen.

Vom (zweiten) Junior-Kondensorhalter ist zunächst der komplette Ring mit der Klemmhalterung im rechten Winkel zur Senkrechten zu entfernen (um das schmerzliche Wort 'absägen' zu vermeiden). Die gegenüber der Schwalbenführung liegende Fläche ist auf der gesamten Länge sauber planparallel zu dieser zu fräsen, wobei auf möglichst wenig Materialabtrag zu achten ist (max. 0,5 mm, Resthöhe des Werkstückes 13,0 mm [unbehandelt verbleiben: Breite 24 mm, Länge 68 mm]).

Vom Standard-14-Kondensorhalter ist am senkrechten Teil auf der Schwalbenseite mit der Fäse ein Bereich von 1,5 mm plan abnehmen, so daß das verbleibende Gesamtbreitenmaß, von der Vorderkante des Ringes aus gemessen, nun 76,0 mm beträgt.

Die angegebenen Maße stellen sicher, daß die optische Achse nach dem später durchgeführten Zusammenbau wieder hinreichend genau im Zentrum der neu erstellten Kondensoraufnahme liegen wird. Eine exakte optische Zentrizität des Kondensors ist ohnehin durch die in der hier vorgestellten neuen Kondensorhalterung vorhandene Justagemöglichkeiten mittels zwei Zentrierschrauben und einem Federstift gewährleistet.

Die Schwalbenführung am Standard-14-Kondensorhalter wird durch eine dort mittig ausgefräste Vertiefung mit den Maßen Tiefe = 7,0 mm x Breite = 16,0 mm ersetzt.
Hierzu passend hierzu ist ein Rechteckstab aus Aluminium mit Länge = 68 mm, Höhe = 6,9 mm und Breite = 15,9 mm zu fertigen. Dieser Stab stellt über mehrere gesenkt montierte Flachkopfschrauben M3 und passend wechselseitig eingebrachten Durchgangsbohrungen mit D=3,3 mm bzw. Gewinden M3 das Verbindungselement der beiden anderen Teile dar.

Der Abstand von der neuen Ringoberfläche bis zum oberen Anschlagpunkt des senkrechten Verstell-Elements beträgt beim hier gezeigten Junior von Zeiss-Winkel 22,5 mm. Eine Feinregulierung des Anschlages ist über eine dort mittels Gewindestift M1,8 gesicherte serienmäßig vorhandene Anschlagschraube vorgesehen. Das genannte Abstandsmaß kann jedoch bei anderen Typen und Bauformen des Junior-Mikroskopes variieren und müsste bei Bedarf individuell ermittelt werden, um das jeweils exakte Abstandsmaß der neuen Kondensorauflage festzulegen.
Das Abstandsmaß ist insofern von Bedeutung, als es verhindert, daß die Kondensorkopflinse am oberen Anschlag höher zu liegen kommt als die Mikroskoptischoberfläche. In diesem Fall besteht die Gefahr, daß der Objektträger angehoben wird und eventuell, getrieben durch die Spannung der Feder im Haltearm der Objektführung, seitlich seinen Weg nimmt, nicht ohne vielleicht auch noch eine schöne sauber linear ausgeformte Schramme in der Frontlinse des gerade in Betrieb befindlichen Objektives zu hinterlassen...
Die Länge des senkrechten Teils des Standard-Kondensorhalters ist anschließend von dessen Ringoberfläche aus gemessen noch auf 30 mm zu kürzen und an der Trennstelle auf der zum Ring weisenden Seite ein wenig zu runden.

Die vertikale Einbaugenauigkeit der Halterung ist durch die planparallel ausgeführten Fräsarbeiten gegeben. Die horizontal erforderlichen 90° zur optischen Achse an jedem Punkt des neu montierten Kondensorhalteringes werden gegen die beim Junior freundlicherweise plan ausgeführte Tischunterseite mittels Planscheibe, Objektträgerstapel und/oder Messuhr überprüft.

Eine eventuell notwendige horizontale Ausrichtmöglichkeit besteht durch den leicht untermassig gefertigten Aluminiumstab sowie über die mit relativ großem Durchmesser ausgeführten Durchgangsbohrungen der beiden Halteschrauben für den Kondensorhaltering.

Nach dem Ausrichten wird der umgebaute Kondensorträger vom Standard 14 an dessen unterem Ende mit dort seitlich links und rechts eingebrachten Stiftschrauben M2 gegen die Aluminiumstange festgesetzt.

Nachstehend werden nun die einzelnen Teile sowie deren Zusammen- und Einbau gezeigt.

Bild 1

L / M: befräste Kondensorträgerteile und Rechteckstab in Ober- und Unteransicht, im Bild noch unlackiert, mit eingebrachten Senkungen, Bohrungen und Gewinden M3
R: Montage des modifizierten alten Junior-Kondensorträgers mit dem Rechteckstab aus Aluminium


Bild 2

L: Montage des modifizierten Kondensorringes vom Standard mit der Einheit aus Aluminium-Rechteckstab und dem befrästen Rest vom Junior-Kondensorträger.
M / R: Komplettierung des neuen Kondensorträgers (2 Kondensor-Zentrierschrauben, Federstift, 2 Filterhalter inkl. Achse und Anschlagstift, Triebknopf mit Ritzel)


Bild 3

Ansicht des neuen (hier noch nicht umlackierten) Kondensorträges am Junior zusammen mit einem montierten Phasenkontrastkondensor n.A. 1,4

Bild 4

Neuer Kondensorträger nach dem Lackieren und der anschließenden Endmontage

Bild 5

Gesamtansicht Zeiss Standard Junior mit neuem, grundierten und passend lackierten Kondensorhalter mit Schwalbenaufnahme.
Montiert ist ein Phasenkontrastkondensor n.A.1,4.



Die hier vorgestellte Lösung erlaubt es, am modifizierten Junior nun alle über eine Ringschwalbe gehaltenen Kondensoren der Standard-Reihe zu verwenden. Ein Wechsel ist nach Absenken des modifizierten Trägers ohne Weiteres möglich, allerdings sollte zu diesem Zweck vorsichtshalber der Umlenkspiegel entfernt werden, um ein unnötiges Verschrammen seiner Oberfläche zu vermeiden.

Die Möglichkeit des Köhlerns ist über den in Bild 4 gezeigten Umlenkspiegel sowie eine Beistell-Leuchte (mit LED, bündelnder Optik und Iris bestückt) gegeben, oder aber über eine im Fuß des Juniors eingebaute LED-Beleuchtung.

Zu diesem Thema wird in einem gesonderten Artikel berichtet werden.

Ehre, wem Ehre gebührt:
Ich möchte mich bei Nomarski (Bernd) für dessen in meiner Planungs- und Zeichnungsphase zu diesem kleinen Projekt gegebenen Ratschläge sowie für die sorgfältige Durchführung der notwendigen Fräsarbeiten herzlich bedanken.

Einige persönliche Anmerkungen zum Schluß:
Ganz zweifellos steht hier der betriebene Aufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen und die berechtigte Feststellung, man könne schließlich auch gleich auf ein entsprechend größeres Stativ aus der Zeiss-Endlich-Serie zurückgreifen, ist nicht von der Hand zu weisen.
Meine Beweggründe waren eher rein subjektiver Natur:
Zum einen hat es mich geärgert, Kondensoren am Junior nicht wie gewohnt zentrieren zu können.
Zum anderen war ich schlicht neugierig, ob es trotz des knappen Raumes zwischen Objekttischunterseite und Mikroskopfuß nicht doch *irgenwie* möglich sein kann, die oben geschilderte Idee an einem Junior umzusetzten.
Und letztendlich sowie als Hauptmotivation hat die gesamte Planung und die anschließende Ausführung sehr viel Spaß gemacht.
Ich bin der Meinung, genügend Gründe genannt zu haben, die eine Motivation für ein Vorhaben erklären soll, welches unter Umständen in die extremen gedanklichen Schubladen 'technischer Nonsens' bis 'brauchbar umsetzbares Konzept' eingeordnet werden kann.

Viele Grüße
Joachim
... bevorzugt es, ge_Du_zt zu werden ...

beamish

Hallo Joachim,

danke für diesen interessanten Beitrag!
Man fragt sich natürlich unwillkürlich: warum ein Junior umrüsten auf Dinge, die ein 14 Aufwärts kann, beonders wenn man solch ein 14+ im Hause hat.
Ich kann es nachvollziehen. Keines meiner anderen Standard-Stative (14, RA, KF2) mag ich so von der Handhabung her so sehr wie mein Junior. Nur letzteres hat sich als mein Mikroskop für den täglichen Gebrauch herausgestellt. Die Beiträge zum Junior der letzten Monate sprechen für sich.

Grüße

Martin

Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Michael W.

Hallo Joachim,

Glückwunsch zu dem gelungenen Umbau und vielen Dank für den ausführlichen Bericht. Da hast Du wirklich viel Arbeit in die Planung und Umsetzung gesteckt und das zahlt sich sichtlich aus. Wer den Umbauch auch machen möchte (und die dafür nötigen Teile übrig hat), könnte nach der Anleitung das so 1 zu 1 nachbauen. Weiter so!

Da ich etwas puristisch veranlagt bin :D, bin ich eigentlich kein großer Freund von Umbauten. Aber in dem Fall gefällt es mir sogar sehr gut, da der Umbau sehr diskret gemacht ist (wer das Junior nicht genau kennt, wird den Umbau wahrscheinlich gar nicht bemerken) und man das Junior jederzeit wieder in den Originalzustand zurück versetzen kann. Einen ganz kleinen Vorschlag zur Perfektionierung hätte ich aber noch ;D: statt den Inbusschrauben schwarz lackierte Schlitzschrauben zu verwenden (gut.... vielleicht übertreibe ich mit dem Vorschlag auch ein bisschen ;)). Aber wenn man öfter umbaut, ist man mit den Inbusschrauben trotzdem besser beraten, da der Lack von den Schlitzschrauben sonst bald beschädigt wäre.

Wie schon angeklungen ist, steht dabei der betriebene Aufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen. Aber dass der Aufwand den Nutzen übersteigt, bringen viele Hobbys eben so mit sich. Dabei steht eben der Spaß am Hobby im Vordergrund und das ist auch gut so.

Viele Grüße
Michael
Am liebsten per "Du"