Objektiv mit Deckglas-Dickenausgleich

Begonnen von rekuwi, April 07, 2009, 00:02:32 VORMITTAG

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rekuwi

Hallo rundum,

wie benutzte ich mein 63x Objektiv mit Deckglas-Dickenausgleich richtig? Ich habe verschiedene Einstellungen gewählt, bekomme aber eigentlich kein richtig scharfes Bild. Ich benutze es hauptsächlich zum  Mikroskopieren von Tümpelproben.

Liebe Grüße
Regi

alemanne

Hallo Regi,
prüfen Sie zunächst, ob der "Deckglasschutz" richtig funktioniert; d. h. die Fassung der Frontlinse muss vorne anschlagen. Manchmal ist das Fett zwischen innerer und äußerer Fassung etwas verharzt, so dass die Feder die Objektivspitze nicht mehr in die Endstellung drückt. Falls das der Fall sein sollte, hilft reinigen und neu fetten.
Ist die Mechanik in Ordnung, die Dickenskala auf 0,17 stellen und fokussieren. Dann mit der Dickenskala und mit der Feinfokussierung "spielen" (+/- 0,02); dieses Interval reicht für ein optimales Bild meistens aus, mehr habe ich noch nie gebraucht.
Es kann aber auch sein, dass die Wasserschicht unter dem Deckglas zu stark ist. Dann bekommt man Schwierigkeiten bei einem 63er Objektiv beim Durchfokussieren und kann kein scharfes Bild erreichen.
Herzlichen Gruß
HG


Klaus Herrmann

Hallo Regi,

noch eine banale Frage: ist es ein Immersionsobjektiv???
Oder ist eventuell die Frontlinse verschmiert? Oder ist es delaminiert (wenn Du ein PH-Fernrohr hast, kannst Du es durchmustern!)

Immer klaren Durchlick wünscht
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Klaus Henkel

Zitat von: rekuwi in April 07, 2009, 00:02:32 VORMITTAG
wie benutzte ich mein 63x Objektiv mit Deckglas-Dickenausgleich richtig? Ich habe verschiedene Einstellungen gewählt, bekomme aber eigentlich kein richtig scharfes Bild. Ich benutze es hauptsächlich zum  Mikroskopieren von Tümpelproben.

Hallo Regi!
Nein, ich glaube nicht, daß Sie Ihr 63er richtig benutzen. Von allen möglichen Objektiven ist dieses für die Betrachtung von Tümpelproben sicherlich eines der ungeeignetsten. Warum?
Erstens. Es hat eine zu hohe Apertur. Als Trockenobjektiv hat es so eine n.A. zwischen 0,8 und 0,95. Wahrscheinlich 0,85 oder 0,9. Das ist wie mit der größten Öffnung eines hochlichtstarken Fotoobjektivs. Die Schärfentiefe ist erschreckend gering, ja wir können ohne Übertreibung sagen, sie ist in etwa NULL. Sie werden also, auch wenn Sie ein Wasserwesen einmal scharf sehen, ohnehin nur seine Oberfläche sehen, auf keinen Fall den ganzen Körper.

Wenn also die Schicht Wasser, die über dem Objekt liegt + Deckglasdicke insgesamt stärker als 0,17 mm sind, bekommen Sie auf keinen Fall ein optimal scharfes Bild, weil solche hochaperturigen Objektive ganz empfindlich auf nur geringste Abweichungen reagieren. Wenn Sie Wassersäule über dem Objekt nur ein Weniges höher ist, dürfte der Fall gegeben sein, daß das Objektiv sich gar nicht weit genug dem Objekt nähern kann, damit dieses scharf abgebildet wird. Und bei der hohen Apertur bedeutet das in vielen Fällen, daß das Objekt "außer Sicht" gerät, es kann dann nur erahnt werden. Alle Objektive sind so korrigiert (berechnet), daß ein Objekt direkt unter dem Deckglas liegt, also mit seiner Oberfläche die Unterseite des Dgl. berührt.

Der Deckglasdickenausgleich Ihres 63er dürfte solche Abweichungen nicht ausgleichen können. Wenn er so etwa zwischen 0,12 und 0,22 mm liegt, dann wirkt er eben nur in diesem Bereich (einschließlich der Wassersäule!). Doch die ist bei Wasserorganismen oftmals viel höher.

Zweitens. Das 63er wurde geschaffen für sehr dünne Objekte, z. B. Blut- oder Bakterienausstriche, die unmittelbar der Unterseite des Deckglases anliegen.

Drittens. Hinzu kommt noch der geringe Arbeitsabstand. Ein 63er Achromat mit nA 0,80 hat einen AA von etwa 0,14 mm; ein Planachromat mit nA 0,90 einen solchen von etwa 0,12 mm oder gar nur 0,09 mm über dem Deckglas. Wenn Sie weiter "runter" müssen, weil das Objekt nicht direkt an der Deckglas- Unterfläche anliegt, sondern etwas tiefer, dann befinden Sie sich sozusagen außerhalb der möglichen Schärfezone.

Viertens und Fazit. So ein 63er Achromat, Planachromat oder gar Plan-Neofluar oder Planapochromat ist ein für manche Spezialzwecke hervorragendes Objektiv. Aber nicht für Wasserorganismen. --- Nehme Sie ein normales 40er mit etwa 0,65 nA oder einen Fluorit mit 0,75. Auf keinen Fall eine höhere Apertur, weil die mit sehr kleinem Arbeitsabstand, äußerst geringer Schärfentiefe, geringerem Kontrast. Und das Gefummel mit dem Deckglasausgleichsring ist für Wasserorganismen nichts, sondern spielt Vorteile nur bei Dauerpräparaten aus.

Gruß KH

Klaus Henkel

Dort wo ich die hohe Apertur erwähnt habe, gelten meine Ausführungen nur, wenn man die hohe Apertur auch verwendet. Das wird man aber nicht tun, sondern das Objektiv entsprechend abblenden, um besseren Kontrast, also bessere Sichtbarkeit zu erhalten. Der kurze Arbeitsabstand bei Objektiven hoher Apertur beruht auf ihrer kurzen Brennweite, man muß es dem Objekt also stark annähern. Die kurze Brennweite ist aber nicht von der Apertur abhängig, sondern vom Vergrößerungsmaßstab des Objektivs.

Da war mir in der Eile etwas verkürzt und durcheinander geraten. 'zeihung.
KH

rekuwi

Hallo,

danke für die Antworten. Es ist ein Trockenobjektiv NPL Fluotar 63x mit 0,90 Apertur.
Jetzt ist mir klar, warum das bei den Tümpelproben nicht gut geht. Da sehe ich mit meinem 40x schärfer. Oder wenn es sein muß auch mit dem 100x Ölimmersion.

Liebe Grüße
Regi

alemanne

Lieber Herr Henkel,

ich wundere mich ein bisschen, dass ausgerechnet Sie der unnötigen "Abblenderei" das Wort reden - unnötig zumindest bei kontraststarken Spitzenobjektiven. Denn beim Abblenden wird ja nicht wirklich der Kontrast erhöht, sondern die Strukturen werden nur "fetter" und fallen deshalb besser auf, zum Nachteil ihrer Feinheit, die erst dann erkannt wird, wenn man sich auf das Mikrobild "einlässt". Bei einem flüchtigen Blick mag das abgeblendete Mikrobild "kontrastreicher" erscheinen, weil es eher unseren plakativen Sehgewohnheiten entspricht.
Die 1/3-Abblendregel, wie sie seit fast einem Jahrhundert durch die Gebrauchsanweisungen geistert, halte ich für die heutigen Spitzenobjektive (schon ab etwa 1970) für überholt.

Der Hintergrund meiner Erwiderung ist folgender: Ein junger Kollege (damals Arzt im Praktikum) erzählte mir voller Stolz von seiner Neuerwerbung, nämlich ein ZEISS 63/1,40. Nach ein paar Tagen berichtete er mir enttäuscht von den flauen Bildern des neuen (alten) Objektivs. Ich vermutete eine Delaminierung (damit hatte ich beim gleichen Objektiv meine üble Erfahrung) und lud ihn ein, das Objektiv bei mir näher anzuschauen. Vorweg: Das Objektiv des Kollegen hat sich als einwandfrei erwiesen.
Zum Vergleich stand mein Planapo 63/1,40 , ein Achromat 63/0,80 und ein Plan-Neofluar 63/0,90 Korr. nebst einer ungefärbten Schnittserie aus der Histologie zur Verfügung. Ein Schnitt wurde auf ein GFL mit Achromat und Neofluar gelegt, der folgende Schnitt auf ein Phomi mit den beiden Planapos (immergiert). Wegen der Vergleichbarkeit setzte ich beim Phomi auch die alte Beleuchtung 6V/15 W ein. An beiden Mikroskopen wurde die Beleuchtung peinlich genau eingestellt, die Aperturblende nach der 1/3 Regel geschlossen.
Beim ersten Blick fand mein Besucher das Mikrobild mit dem Achromaten "weitaus am besten", weil am kräftigsten. Und: "Dein Planapo ist genauso flau wie meines!" Dann bat ich ihn, am Phomi die Aperturblende weiter zu schließen und wieder zu vergleichen. "Jetzt sind sind die Bilder gleich gut", meinte er dann. Ich sagte: "Nein, sie sind gleich schlecht". Die Blenden wurden darauf fast bis zum Hinterlinsendurchmesser geöffnet und wieder verglichen. Ich machte ihn auf die Feinheit der Gewebestrukturen aufmerksam, die bei voller Öffnung sichtbar wurden, erwartungsgemäß beim Planapo wesentlich deutlicher als beim Achromaten oder beim Plan-Neofluar. Nach einer Weile intensiven Betrachtens und Vergleichens der Mikrobilder sagte mein Gast: "Jetzt sehe ich es auch", und er fing an, die fast gleichen Schnitte fachmännisch zu interpretieren. Er machte mich auf Kleinigkeiten aufmerksam, die ich zwar sah, aber nichts damit anzufangen wusste. Schließlich schraubte er erleichtert sein Planapo wieder in den Behälter und ist seither von Faustregeln geheilt.

Sicherlich gibt Situationen, in denen eine stärkere Abblendung unvermeidlich ist, aber die Regel sollte es meiner Meinung nach nicht mehr sein. Als Regel gilt eher ein genaues Schauen und sich Einlassen auf das Gesehene. Die kleine Mühe wird durch das Wahrnehmen feinster Strukturen belohnt, welche einem in der Hast verborgen bleiben. Dies gilt insbesondere für Liebhabermikroskopiker und weniger für Labore, die täglich mehrere 100 Präparate durchzumustern haben.

Mit herzlichem Gruß
HG

Klaus Henkel

Zitat von: alemanne in April 08, 2009, 00:02:44 VORMITTAG

ich wundere mich ein bisschen, dass ausgerechnet Sie der unnötigen "Abblenderei" das Wort reden - unnötig zumindest bei kontraststarken Spitzenobjektiven.

Von einem kontraststarken Spitzenobjektiv hatte der Fragesteller nichts geschrieben.
Zitat
Denn beim Abblenden wird ja nicht wirklich der Kontrast erhöht, sondern die Strukturen werden nur "fetter" und fallen deshalb besser auf, zum Nachteil ihrer Feinheit, die erst dann erkannt wird, wenn man sich auf das Mikrobild "einlässt". Bei einem flüchtigen Blick mag das abgeblendete Mikrobild "kontrastreicher" erscheinen, weil es eher unseren plakativen Sehgewohnheiten entspricht.

Ja, so habe ich das in der Mikrofibel beschrieben. Schön, daß Sie mich daran erinnern.

Zitat
Die 1/3-Abblendregel, wie sie seit fast einem Jahrhundert durch die Gebrauchsanweisungen geistert, halte ich für die heutigen Spitzenobjektive (schon ab etwa 1970) für überholt.

Sicherlich gibt Situationen, in denen eine stärkere Abblendung unvermeidlich ist, aber die Regel sollte es meiner Meinung nach nicht mehr sein. Als Regel gilt eher ein genaues Schauen und sich Einlassen auf das Gesehene. Die kleine Mühe wird durch das Wahrnehmen feinster Strukturen belohnt, welche einem in der Hast verborgen bleiben. Dies gilt insbesondere für Liebhabermikroskopiker und weniger für Labore, die täglich mehrere 100 Präparate durchzumustern haben.

Das stimmt ja alles, nur hat es mit der gestellten Frage nichts zu tun.

Grüße  zurück! KH

alemanne

Stimmt, mein Beitrag hat nichts mit der ursprünglichen Frage zu tun, aber mit Ihrer Antwort, und ich hatte mich an Sie gewendet:
Zitat von: Klaus Henkel in April 07, 2009, 20:13:16 NACHMITTAGS
Dort wo ich die hohe Apertur erwähnt habe, gelten meine Ausführungen nur, wenn man die hohe Apertur auch verwendet. Das wird man aber nicht tun, sondern das Objektiv entsprechend abblenden, um besseren Kontrast, also bessere Sichtbarkeit zu erhalten. Der kurze Arbeitsabstand bei Objektiven hoher Apertur beruht auf ihrer kurzen Brennweite, man muß es dem Objekt also stark annähern. Die kurze Brennweite ist aber nicht von der Apertur abhängig, sondern vom Vergrößerungsmaßstab des Objektivs.
Im Übrigen gibt es noch eigene Erfahrungen und fundiertere Quellen als Ihre Mikrofibel, die ich sicherlich auch sehr schätze.
HG

hinrich husemann

#9
Hallo die Herren,
an sich wollte ich "kein Öl mehr ins Feuer giessen", aber zu der "Abblenderei" möchte ich - selbst wenn sie nicht zum ursprünglichen Thema gehört und sich erst in der Diskussion "eingeschlichen" hat - doch auch einige Anmerkungen machen.
Wenn ich - auch mit meinen ZEISS West und Jena APOs, Planapos und Neofluaren (zwar noch 160 mm, aber schon aus den Endsiebzigern und Anfangsachtzigern, also auch kontrastmäßig vom "Besten") -  ungefärbte, feinstrukturierte Objekte unter Einhaltung von Köhler und allem "Pipapo" (als Amateur nehme ich mir immer die Zeit dazu) betrachte und durch Drehen (ohne Hinschauen!) an der Kondensorblende (damit blende nicht das Objektiv ab, Herr Henkel!) das Bild so optimiere, dass ich die feinsten Details auch noch erkennen kann (so ganz ungeübt bin ich darin nicht), und dann das Okular herausnehme und auf die Aperturblende des Objektivs schaue, bin ich bezüglich der Kondensorapertur  - "ohne Vorsatz" - in den meisten Fällen nahe der 2/3 bis 3/4 -Ausleuchtung der Objektivapertur "gelandet". Soweit meine eigene Erfahrung.
Auch physikalisch lässt sich das verstehen: Natürlich kann ich den Kontrast im Objekt selbst durch Betätigen der Kondensorblende nicht beeinflussen; aber dieser muss ja erst mal durch die Abbildung ins ausschließlich betrachtete Bild übertragen werden! Da aber "liegt der Hase im Pfeffer", denn auch bei aberrationsfreier idealer Abbildung (!) fällt insbesondere bei voll ausgeleuchteter Objektivapertur der Kontast im Bild (Sichtbarkeit) bei Annäherung der Feinheit der Objektstrukturen ("Ortsfrequenzen") an die jeweilige Auflösungsgrenze kontinuierlich ab und verschwindet dort.
Durch Verringerung der Beleuchtungsapertur sinkt zwar das Auflösungsvermögen innerhalb gewisser Grenzen, aber im Gegenzug wird die Kontrastübertragung besser; und so gibt es eben jeweils einen - natürlich auch vom jeweiligen Objekt abhängigen - optimalen Kompromiss. Das Auge braucht zum Erkennen der Bild-Details nun mal einen gewissen Mindestkontrast (wenn der auch wohl kleiner ist als der von dem - etwas willkürlichen - Rayleigh-Kriterium geforderte)!
So völlig "out" und nur "antiquiert" ist diese ursprünglich empirische Regel (es ist aber eben nur eine "Regel"!) aus meiner Sicht deshalb nicht.
(Bei gefärbten Präparaten, wo die Beugung am Objekt sicher weniger bedeutsam ist, wird man die Kondensorblende wohl eher voll öffnen können.)
Soweit meine (aus Interesse nur schwer unterdrückbaren) diesbezüglichen "Einlassungen".
Freundliche, nur leicht abgeblendete Mikrogrüsse
H. Husemann

alemanne

Lieber Herr Husemann,
ich möchte mich ganz herzlich für Ihre Ergänzungen, Präzisierungen und notwendigen Korrekturen bedanken. Nur noch eine Bemerkung: Die in meinem Beispiel erwähnten ungefärbten Schnitte hatten soviel Struktur, dass man sie fast wie gefärbte behandeln konnte. Ich habe keineswegs die Kondensorblende verbannen wollen; sie ist ohne Zweifel notwendig.
Mit herzlichem Gruß
H.G.