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Botanische Paraffinschnitte

Begonnen von jcs, April 22, 2025, 22:07:46 NACHMITTAGS

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jcs

#30
Im Keimungsstadium der Orchideensamen muss die Interaktion zwischen Pilz und Pflanze anders aussehen als im oben gezeogten Beispiel, da der Samen kein Nährgewebe aufweist und der Keimling die Energie für sein Wachstum aus den Pilzhyphen gewinnen muss. Um dieses Anfangsstadium dokumentieren zu können, habe ich an Stellen, an denen Orchideen wachsen, die vorhandene Erde gemeinsam mit Orchideensamen in kleine Kunststoffsäckchen gegeben und nach 6, 12 und 18 Monaten ausgegraben, um sie untersuchen zu können. Die Samen und Keimlinge sind sehr klein, deshalb habe ich den Inhalt der Säckchen unter dem Stereomikroskop durchmustert.

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Abb Ceph. 06: Aufgeschnittenes Kunststoffsäckchen unter dem Stereomikroskop.

jcs

#31
Es ist erstaunlich, wieviel Leben sich in einer Handvoll Erde etabliert. Neben den Orchideensamen findet man kleine Gliedertiere, Pilzhyphen und Pflanzenwurzeln. Nur Keimlinge des Waldvögleins habe ich lange keine gefunden.

Letzte Woche war ich dann doch erfolgreich, denke ich. An einer Stelle konnte ich eine Miniaturversion des Wurzelstockes aus Abb.Ceph01 finden, die sich von den umgebenden Pflanzenwurzeln durch ihre kompakte, nestartige Struktur unterscheidet. Ich vermute daher, dass es sich hier um einen Keimling des roten Waldvögleins handelt. Die Wurzel ist, im Gegensatz zur Wurzel der adulten Pflanze, komplett von einem Filz aus Pilzhyphen ummantelt.

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Abb. Ceph07: Unterirdischer Wurzelstock eines keimenden Waldvögleins.

Auch im REM erkennt man, dass die Pilzhyphen die Wurzel fast vollständig bedecken. In der Detailaufnahme ist eine Pilzhyphe mit Schnallen zu sehen. Der Keimling liegt bereits im Paraffinblock. Ich hoffe, dass ich aus dieser sehr kleinen Probe ein paar brauchbare Schnitte erhalte. In den nächsten Tagen wird geschnitten und gefärbt, wenn alles klappt.

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Abb. Ceph08: Teil der keimenden Wurzel im REM.

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Abb. Ceph09: Pilzhyphe mit Schnallen an der Wurzel.

mikrowastl

Absolut spannend, Jürgen. Dass sich die Interaktion zwischen Pflanze und Pilz dermassen ändert, ja eigentlich schon ändern muss, in Abhängigkeit von den Bedürfnissen des jeweiligen Entwicklungsstandes der beiden Partner, ist schon bemerkenswert. Andrerseits auch logisch.
Mykorrhiza ist sowieso schon ein Faszinosum, dass es sich aber wandeln kann (und muss) finde ich noch faszinierender.
Freu mich schon auf die Fortsetzung!
Danke fürs teilen!
Gruß Hans
Vorstelllung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=33417.0
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,,Ich vermute inzwischen stark, dass ich doch nichts weiß!"

jcs

#33
Hallo Hans,

mittlerweile habe ich mich etwas durch die Literatur gewühlt. Eine interessante Arbeit ist "Bidartondo, Martin & Read, D.. (2008). Fungal specificity bottlenecks during orchid germination and development. Molecular ecology. 17. 3707-16. 10.1111/j.1365-294X.2008.03848.x. ".

Dort wird unter anderem das langblättrige Waldvöglein (Cephalanthera longifolia) in seinem Keimungsstadium untersucht. Interessanterweise verwenden die Autoren auch unterirdische Nylonsäckchen zum Wiederfinden der Samen, allerdings in einer etwas professionelleren Art und Weise als ich. In der Arbeit wird auch auf die Veänderung der Mykorrhiza vom Keimungsstadium hin zur ausgewachsenen Pflanze hingewiesen. Leider gibt es keine mikroskopischen Aufnahmen der Querschnitte.

Bei mir hat das Schneiden und Färben ganz gut funktioniert, hier eine erste Aufnahme mit dem 40x-Objektiv eines Schnittes (7µm Dicke), der mit Etzold FCA gefärbt wurde.

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Abb. Ceph10: Querschnitt einer Keimungswurzel (Etzold FCA, 7µm Schnittdicke, DIK 40x Objektiv).

Etzold färbt die verholzten Bereiche (in dem Fall die Rinde der Wurzel) rot. Der im Stereomikroskop erkennbare weiße "Filz" um die Wurzel, der ziemlich sicher einem Pilz zuzuordnen ist, wird kaum gefärbt. Deshalb habe ich diese Aufnahme mit dem Leica DIK aufgenommen, um etwas mehr Kontrast zu bekommen.

Die Wurzel wurde an ihrer KAppe angeschnitten, d.h. man sieht in der Mitte ins Innere hinein und erkennt pflanzliche Zellen. Zum Teil sind si blau gefärbt, das sind wahschneilich Reste der Zellulose aus den Zellwänden. Außerhalb der Wurzel sind ein paar Schnipsel von Hyphen, die hier bräunlich erscheinen. Im zentralen Teil der Wurzel (d.h. innerhalb des Bereiches, der von außen durch die Rinde begrenzt ist) habe ich keine Hyphen gesehen, auch in anderen Aufnahmen nicht. Die Pilzhyphen findet man im weißen Filz und manchmal im Inneren der Rinde.

jcs

Weil das Schneiden gut geklappt hat, hatte ich ausreichend Schnitte, um andere Färbungen auszuprobieren. Hier ein paar Aufnahmen eines 6µm-Schnittes, der mit Wacker gefärbt wurde (Acridinrot - Acriflavin - Alcianblau). Auch hier wird die Rinde rot/rosa eingefärbt, allerdings nimmt der weiße Filz ebenfalls eine leichte Tönung an und wird so besser erkennbar.

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Abb. Ceph11: Färbung mit Wacker, 40x-Objektiv Hellfeld.

Man sieht auch, wie ein Hyphennetz (lila/rot) den Filz, der die eigentliche Wurzel umgibt, durchdringt. In der höheren Vergrößerung mit dem 100x-Objektiv (immergiert) wird das noch besser erkennbar.

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Abb. Ceph12: Färbung mit Wacker, 100x-Objektiv immergiert, Hellfeld.

An anderen Stellen kann man meines Eractens Sporen erkennen, die an den Hyphen wachsen, ebenfalls mit dem 100x-Objektiv.

Diese drei Aufnahmen wurden jeweils als Stack aus 5-6 Einzelbildern erstellt.

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Abb.Ceph13: Pilzhyphen mit Sporen, 100x-Objektiv immergiert, Hellfeld.


jcs

#35
Neben Wacker und Etzold habe ich noch Baumwollblau und Lactophenol-Baumwollblau versucht. Letzteres hat nicht geklappt, da sich die pilzlichen Strukturen vom Objektträger gelöst haben. Aber Baumwollblau ist recht hilfreich, da auch der transparente Filz diesen Farbstoff gut aufnimmt.

Deshalb noch zwei weitere Aufnahmen, einmal mit 40x-Objektiv und einmal mit 100x-Objektiv. Beide Bilder sind wiederum gestackt.

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Abb. Ceph14: Keimende Orchideenwurzel, Färbung mit Baumwollblau, 40x-Objektiv, Hellfeld.

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Abb. Ceph15: Keimende Orchideenwurzel, Färbung mit Baumwollblau, 100x-Objektiv immergiert, Hellfeld.

Man erkennt hier gut, dass die Filzmatrix aus kleinen Filznadeln (blau gefärbt) besteht, die aber kein echtes Hyphennetzwerk bilden. Die eigentlichen Hyphen (grün-gelb) sind deutlich dicker und erkennar hohl im Inneren.

Insgesamt ist das alles schon nocht etwas rätselhaft für mich, vor allem da ich nur eine einzige Probe hatte. Ich denke, ich werde heruer noch ein paar Nylonsäckchen vergraben, die Samen sind bald reif. Vielleicht habe ich dann nächstes Jahr ein etwas größeres Proben-Ensemble, wenn ich auf die britische Methode aus dem oben zitierten Artikel zurückgreife.

LG
Jürgen