Fluoreszierender Beitrag zur Geschichte der Resveratrol-Forschung

Begonnen von reblaus, November 26, 2015, 13:14:47 NACHMITTAGS

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reblaus

Liebe Mikroskopiegemeinde -

an anderer Stelle hatte ich einen Zwirn eröffnet, der sich mit unspezifischen Fluoreszenzen von Sprossquerschnitten u.ä. befasst.

Hier mal ein besser untersuchtes Beispiel. Man möge bei der Qualität der Fotos berücksichtigen, dass sie fast 40 Jahre alt sind und aus einer Power-Point-Präsentation exzerpiert wurden, die damals noch keine großen Dateien enthalten durfte.

1. Vorgeschichte
Ein Kollege in England hatte an Topfpflanzen von Reben beobachtet, dass diese 24 h nach einer UB-B-Schädigung in der Epidermis eine Substanz produzierten, die im UV-A fluoreszierte und die er als das Stilben Resveratrol (Trihydroxystilben) identifizierte. Pilzanfällige Sorten produzierten weniger davon.

2. Eigene Vorversuche
Da es Winter war wurden die ersten Versuche mit der immergrünen Vitacee Tetrastigma unternommen.
Die linke Hälfte eines Blattfieders wurde ganz abgedeckt - rechts legten wir Buchstaben darauf. Dann 10 min unter einer Chromatographielampe bei 256 (?) nm. Am nächsten Tag sahen wir unter UV A (365 nm) folgendes Bild:


3.  Nun ist diese unnatürliche Schädigung nicht das, was den Rebenzüchter interessiert - deshalb wurden dann im Sommer an ausgewachsenen Rebenblättern weitere Versuche durchgeführt. In der Folge ein Blatt in das wir (oben links) ein großes Loch mit Korkbohrer geschnitten hatten und das an 4 Stellen mit Grauschimmel (Botrytis cinerea) kräftig infiziert wurde. Nach einigen Tagen ergab sich unter UV folgendes Bild:



Man sieht, dass der Auschnitt mit dem Korkbohrer nichts bewirkt hat, wohl aber die Botytisinfektion. An deren Rand wird im gesunden Gewebe eine blaufluoreszierende Substanz produziert, die offensichtlich auch im Blatt wandert.


4. Jetzt was für Mikroskopiker:

Das Blatt wurde mit Nadelstichen malträtiert - Resultat gleich Null wie beim Korkbohrer. Wenn man aber auf das Nadelloch ein Tröpfchen Kulturbrühe des Grauschimmels bringt (ohne Pilzmyzel) sieht man folgendes:



Später hat sich gezeigt, dass es reicht, wenn man statt des Kulturmedium Schleimsäure verwendet - das ist ein Produkt, das der Grauschimmel produziert, wenn er auf Traubenbeeren wächst.

5. Noch stärkere Vergrößerung:
Grauschimmel zersetzt das Blatt zu braunem Matsch.
Mehltau geht da vorsichtiger vor und bohrt einzelne Zellen an, die am Leben bleiben müssen damit sie den Pilz versorgen können, der auf der Blattoberfläche wächst. Das folgende Bild zeigt links eine Blattepidermis in der eine einzelne Zelle von Mehltau befallen ist. Rechts das gleiche unter UV - wir sehen Blaufluoreszenz in den Zellwänden der Nachbarzellen:




6. Zellkulturen

Das ganze funktioniert nicht nur bei intakten Geweben sondern auch in Zellkulturen von Vitaceen. Aber auch hier muss man erst Schleimsäure oder Kulturfiltrat als "Elizitor" zusetzen, damit das Resveratrol produziert wird



7. Natürlich kann man ein Naturprodukt nur in Einzelfällen an Hand seiner Fluoreszenz identifizieren. Wir haben deshalb die anderen Standardverfahren eingesetzt (Dünnschichchromatographie etc.) um sicher zu sein. Die Substanz hatten wird aus Sägemehl von alten Rebknorzen isoliert. In diesem Holz kommt sie nämlich "konstitutiv" vor und muss nicht erst induziert werden.
Aber das gehört nicht mehr zur Mikroskopie - außer diesem Foto von Resveratrolkristallen aus dem Rebholz:



Viele Grüße

Rolf






Heiko

Hallo Rolf,

lese gerade hier, dass die Extraktion schon mit einem Ethanol/Wasser-Gemisch gelingt:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11170579

Ist das wirklich so einfach?

Viele Grüße,
Heiko

reblaus

Hallo Heiko -

das Extrahieren war nie ein Problem! Hier unsere damalige Präparation aus Reb-Sägemehl nach der Fraktionierung mit Säulenchromatorgraphie. Neben Resveratrol sind auch noch verwandte Stilbene enthalten.


In den letzten Jahrzehnte haben sich zahlreiche Jungforscher darauf gestürzt, in der Hoffnung ein Wundermittel gegen Pilzbefall der Reben, Krebskrankheiten, Alterung, Haarausfall und Adipositas vermarkten zu können, zumal auch die Fluoreszenz der Substanz die Untersuchung gewaltig erleichtert.

Wie üblich ist aber die Anzahl der Publikationen dem praktischen Nutzen der Substanz umgekehrt proportional.

Bemerkenswert ist, dass die Wasserlöslichkeit sehr gering ist. Wenn man die Resveratrolsynthese induziert, kann man zuschauen, wie sich der Stoff vom Plasma direkt in die Zellwand einlagert - vermutlich beruht darauf die "Phytoalexin"-Wirkung. Die optischen Aufheller in Waschmitteln gehören ebenfalls in die Stilbenverwandtschaft - auch diese lagern sich gerne an die Baumwollfasern an und haften dort relativ fest.

Viele Grüße

Rolf



Heiko

Hallo Rolf,

habe mich neulich erst von zwei Rebstöcken getrennt, deren Mehltauresistenz überwunden wurde. Material für einen Sud ist also vorhanden ...

Viele Grüße,
Heiko

Bernhard Kaiser

Hallo reblaus,

Meisterleistung! Danke.

Freundliche Grüße
Bernhard Kaiser

Holger Adelmann

Hallo Rolf,

danke für den tollen Beitrag!

Herzliche Grüsse,
Holger

reblaus

Hallo -

Euer Lob macht mich erröten, vor allem, da nicht alles auf meinem Mist gewachsen ist - aber die Mikroskopiererei und die gezeigten Fotos habe ich wirklich überwiegend selbst gemacht.

Viele Grüße

Rolf

beamish

Hallo Rolf,
auch ich danke Dir für diesen spannenden Beitrag! Dass er phototechnisch nicht auf der Höhe der Zeit ist, ist dabei völlig belanglos.
Herzlich
Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D