Fressen und gefressen werden: Acaulopage ist ein Pilz, der Amöben fängt

Begonnen von Eckhard, Mai 11, 2016, 22:54:44 NACHMITTAGS

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Eckhard

Liebes Forum,

Amöben sind die ersten "Raubtiere" dieses Planeten. Aber auch Amöben haben Fressfeinde. Acaulopage Drechsler 1935 ist ein Pilz, der Amöben anlockt und mit Hilfe einer klebrigen, gelblichen Substanz dazu bringt, an seinem Hyphen festzukleben. Wenn die Amöbe verdaut werden soll, produziert Acaulopage ein Haustorium, das sich innerhalb der Amöbe verzweigt und diese aussaugt. Am Ende bleibt von der Amöbe nur noch die Zellwand übrig. Wir haben schon Acaulopage Hyphen gesehen, an denen über 20 leere Kadaver hingen.


Hier ist das Hyphen mit ein paar anhaftenden Amöben.


Die Amöben kleben regelrecht fest. Die Amöben bewegen sich noch lange und versuchen, dem Pilz zu entkommen. Das scheint aber unmöglich zu sein.


Die Abzweigung am Hyphen ist das Haustorium, ein "Saugorgan", das sich innerhalb der Amöbe verzweigt. Von der Amöbe bleibt nur noch die Zellwand übrig, das Plasma hat der Pilz intus.

Der Pilz scheint einen Lockstoff zu verbreiten, der Amöben in Reichweite direkt Kurs auf den Pilz nehmen lässt. Die Gattung Acaulopage ist hauptsächlich von Charles Drechsler von 1935 bis 1960 bearbeitet worden. Danach gibt es nur noch sporadisch Arbeiten über diese Gruppe von Pilzen. Wenn jemand aktuelle Literatur hat, bin ich für einen Hinweis dankbar. Ich suche bisher vergebens. Tatsächlich sind diese Pilze häufig, vor allem im Erdreich.

Ferry hat diesen Pilz auch schon gefunden: http://arcella.nl/fungus-vannella

Dies ist ein Penard Labs Projekt von Steffen und mir.

Herzliche Grüße
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

the_playstation

Hallo Eckhard.

Vielen Dank für deine sehr spannende, seltene und lehrreiche Präsentation. Wie bist Du an den Pilz gekommen? Züchtest Du Amöben und hat Er deine Zucht heimgesucht? Oder in einer Probe gefunden? Und wie präpariert man so einen Pilz (inkl Amöben) auf einem Rem-Pit/Teller?

Liebe Grüße Jorrit.
Die Realität wird bestimmt durch den Betrachter.

Fahrenheit

Lieber Eckhard,

sehr interessant! Wieder was gelernt. Wie der Pilz die Amöben wohl festhalten mag? Ob da ein "Kleber" im Spiel ist oder ggf. nur diejenigen haften bleiben, die dem Pilz genut Zeit geben, seine Haustorien unter zu bringen?

Herzlich eGrüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Oecoprotonucli

Hallo Eckard,

faszinierend das letzte Bild - wirklich wie eine ausgesaugte Plastiktüte!

Besten Gruß

Sebastian
Ich benutze privat:
Leitz SM-Lux mit (LED-) Durchlicht und Phaco-Ausrüstung (ca. 1975-77)
Hensoldt Wetzlar Stereomikroskop DIAMAL (1950er Jahre)

Eckhard

Hallo in die Runde,

@Jorrit:

Wir haben derzeit etwa 70 verschiedene Amöbenstämme in Kultur. Parasiten sind deswegen für uns eine große Gefahr. Im letzten Jahr haben wir einen großen Teil unserer Kulturen verloren, weil wir uns ein Bakterium, dass zuverlässig Amöben umbringt, eingeschleppt hatten. Zum Glück haben wir mit viel Aufwand alle Stämme retten können.

Eine Petrischale enthält u.U. ein paar Tausend Amöben. Unsere Tabletts fassen 4 Petrischalen, 4 Tabletts kommen auf jede der 5 Etagen im Kulturschrank, mehrere Kulturschränke, da kommt ganz schön was zusammen - ein Paradies für jeden Parasiten. Deswegen werden Kulturen mit Parasiten i.d.R. sofort aussortiert und sterilisiert.

Um Amöben isolieren zu können, werden gesammelte Proben in Petrischalen überführt und dann das Amöben-Wachstum durch Futterzugabe angeregt. Dabei kommt Acaulopage regelmäßig vor. Diesmal haben wir aus Interesse den Pilz präpariert und erst dann die Kultur entsorgt. Wenn wir keinen Parasiten finden, werden interessante Amöben isoliert und wir versuchen, eine stabile Kultur zu erzeugen. Das gelingt nicht immer, denn bei vielen Amöben ist es nicht bekannt, ob und wie sie zu kultivieren sind. Wenn wir eine stabile Kultur haben, wird diese stark vermehrt, damit genug Material für die Mikroskopie vorhanden ist. Wenn wir feststellen, wir haben eine unbeschriebene Art oder eine Amöbe, deren DNA noch nicht sequenziert wurde, schicken wir Material an eine Uni, die sich mit dieser Gruppe beschäftigt. Dann erforschen wir diese Art gemeinsam und bereiten eine entsprechende Publikation vor.

Wir haben auch häufig Wissenschaftler zu Gast, die uns für einige Tage besuchen. Meist haben sie Kulturen dabei, die wir präparieren und deren Ultrastruktur wir untersuchen. Dabei konzentrieren wir uns auf Amöben mit "microscales", das sind Schuppen, die im Lichtmikroskop nicht sichtbar sind. Penard Labs macht also im Prinzip nichts anderes als jedes universitäre Institut, das sich mit Amöben beschäftigt.

Wenn wir für das EM präparieren, werden Deckgläschen in den Petrischalen ausgelegt, danach fixiert, getrocknet und besputtered. Die fertigen Deckgläschen werden dann auf Stiftprobentellern aufgeklebt.


@Jörg:

Soweit ich weiß, kleben die Amöben schon vor der Ausbildung des Haustoriums an den Hyphen fest.

Herzliche Grüße
Eckhard
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Christian3000

Hallo, Eckhard,

sehr interessante Aufnahmen!
Dann ist also der schöne glatte Untergrund die besputterte Oberfläche eines Deckglases ? Ich habe da nämlich so meine Problemchen einen so schönen Untergrund hinzubekommen, die doppelseitig klebenden leitfähigen Leit-Tabs wellen sich oder bekommen Risse bei mir.

Danke für die schönen Bilder!

Viele Grüße,
Christian
Vorstellung: click

the_playstation

Hallo Eckhard.

Vielen Dank für die ausführlichen und spannenden Informationen. Das klingt sehr spannend. Ich drücke Dir die Daumen, daß deine / eure Zucht nur von geringen Parasitenpopulationen heimgesucht werden. Und gerne weitere REM-Aufnahmen der Amöben-Schuppen. Die sind sehr faszinierend.

Liebe Grüße Jorrit.
Die Realität wird bestimmt durch den Betrachter.