Makrooptik oder Stemi? Frage zu Blende und Apertur

Begonnen von reblaus, August 26, 2019, 21:32:55 NACHMITTAGS

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reblaus

Hallo -

neuerdings bin ich glücklicher Besitzer eines MP-E 65 mm F 2.8 Makroobjektivs (Canon), das Vergrößerungen zwischen 1 x und 5 x erlaubt. Die angegebene Blende 2,8 ist nur Theorie, denn sie entspricht einer effektiven Blende zwischen 1:5,6 und 16,8. Bei Vergrößerungen über 4x darf man eigentlich gar nicht mehr abblenden, falls man optimale Schärfe haben möchte - sonst schlägt die Beugungsunschärfe zu.
Nun hat mich natürlich interessiert wie sich die optische Leistung im Vergleich mit meinem Stemi 2000 (Siedentopf) verhält, mit dem ich eigentlich recht zufrieden bin.

Es gab mal irgendwo im Forum Angaben, welche Aperturen man von einem Stemi erwarten kann, aber um das mit dem Makroobjektiv vergleichen zu können, sollte mir ein hilfsbereiter Experte außerdem auch verraten, welch rechnerischer Zusammenhang zwischen Apertur und Blende besteht. Mit Angaben über den Daumen wäre ich schon voll zufrieden!

Erste Fotos auf die Schnelle (Wafer, Bildbreite 2 mm) zeigen schon deutlich, dass zumindest bei einer Vergrößerungen um 2,5x ein beachtlicher Unterschied zwischen Stemi 2000 (erstes Bild) und MP-E 65 mm (zweites Bild mit Offenblende = effektiv etwa 11) besteht.
Die Fotos stammen aus der Bildmitte, beim MP-E 65 mm ist bis zu den Bildecken gleiche Schärfe, über die Ecken beim Stemi 2000 breite ich hier den Mantel des Schweigens.

Frage hier: Ist die Apertur bzw. Blende beim Stemi so viel kleiner, dass hier schon die Beugung eine Rolle spielt?





Viele Grüße

Rolf



Lupus

Hallo Rolf,

das Thema ist etwas komplizierter. Das beginnt damit dass bei den meisten Fotoobjektiven die Offenblende meist zu erhöhten Bildfehlern führt, die die Beugungsunschärfe überlagert - das dürfte beim Makro nicht anders sein. Der Begriff effektive Blende ist übrigens in dem Zusammenhang irreführend, da er die notwendige Belichtungskorrektur angibt. Sie entspricht nicht der Blende, die die Beugung bestimmt.

Und die Bildschärfe hängt auch von der Pixelgröße ab in Bezug auf die Beugungsunschärfe. Die Fotos kann man nur dann vergleichen, wenn der gleiche Abbildungsmaßstab auf dem Bildsensor verwendet wurde.

Ich kenne das Mikroskop nicht genauer, aber es hat einen Stereowinkel von 11°. D.h. dass die NA maximal 0.096 sein kann, in der Praxis um mindestens die Fassungsbreite geringer (der Objektivaperturwinkel kann ebenfalls max. 11° haben da sich die Stereoobjektive günstigstensfalls berühren können). Die NA ist der Sinus des halben Aperturwinkels.

Bei einem Abbildungsmaßstab 1:2.5 ist die Objektweite 91 mm (ergibt sich aus der Linsenformel 1/f=1/g+1/b und der Vergrößerung=b/g).
Und aus dem Blendendurchmesser von 23.2 mm ergibt sich bei dieser Objektweite eine NA von (23.2/2)/91=0.13. Also zumindest theoretisch ist die Makroobjektiv-NA größer. Im Detail müsste man noch die jeweilige Bildweite und Pixelgröße berücksichtigen.

Hubert





reblaus

Hallo Hubert -

vielen Dank für Deine Geduld und Deine Mühe!

Unterdessen habe ich einige alte threads über Aperturen bei Stereomikroskopen wiedergefunden und noch einige Tests gemacht. Ich hatte das Makro 65 mm von jemandem erworben, der nicht damit zurechtkam, weil seine Gewohnheit zwecks Tiefenschärfe routinemäßig bei Blende 16 zu blitzen bei stärkeren Vergrößerungen unscharfe Bilder lieferte.

Die Vergleichsaufnahmen sind beide auf einem 30 MP Vollformatsensor mit gleichem Abbildungsmaßstab entstanden und die abgebildeten Ausschnitte zeigen etwa 15 % der Bildbreite. 
Dieser Vergleich ist prinzipiell eigentlich von vorneherein ungerecht, denn das Gesichtsfeld der Makrooptik ist für 24 x 36 mm berechnet, während beim Stemi dafür ein wesentlich kleineres Zwischenbild erst noch nachvergrößert werden muss. Normalerweise benutze ich für dieses deshalb das APS-C-Format ohne Zusatzoptik. Plane Objekte liegen dabei auf einem um 5,5° geneigten Objektteller.
Für den direkten Vergleich hatte ich nun eine 1,6x Zwischenoptik aufgesetzt. Die stammt zwar auch von Zeiss (wohl Opmi), verstärkt allerdings eine leichten Längsfehler (blau/grün) und leichte Bildfeldwölbung anscheinend überproportional. Man muss aber sagen, dass mir dies erst auffiel, nachdem ich diese Fotos von einem planen Objekten stark nachvergrößert hatte. Im Okular hat man immer ein brilliantes Bild.

Unbequem beim Makro 65 mm ist, dass es nicht parfokal ist, aber u.a. dadurch hat man sich (zumindest in Stellung 2,5x) bereits bei Offenblende ein absolut planes Bild ohne merklichen Längsfehler erkauft. Dass das Stemi eine wesentlich kleiner Apertur haben muss, sieht man natürlich auch beim Fokussieren - eine Tiefenschärfe ist beim Makro praktisch nicht vorhanden und Stacking angesagt.

Viele Grüße

Rolf







Stuessi

#3
Hallo Hubert,

Glückwunsch zu dem Canon Makro!

Ich habe beim Abbildungsmaßstab 2:1 mal mein Wild Stemi M7s mit einer Makrofotografie verglichen.
Mit der Sony A6500 erreicht das Stemi fast die Auflösung des Makroobjektivs bei Blende 5,6.

Auflösung = 500 / (Zahlenwert, aus Foto zu entnehmen!) Lp/mm

Beispiel: Liniengruppe 3 wird aufgelöst: 500/3 Lp/mm = 167 Lp/mm

Die Beleuchtungen sind allerdings unterschiedlich:
Stemi mit Kondensorbeleuchtung
Makro mit diffuser Beleuchtung über Mattscheibe.








Rawfoto

Guten Abend

Zuerst ein Hinweis zur Blende, diese wird bei allen Objektiven bei der theoretischen Einstellung auf Unendlich angegeben - so sieht es der Standard vor. Auch wenn ein Objektiv wie das MP65 gar nicht auf Unendlich fokussiert werden kann.

Bezüglich des Vergleichs Makroobjektiv, Lupenfotoobjektiv oder STEMI - das ist so eine Sache. So ist erstens immer die Kombination Kamera und Objektiv zu betrachten.Die maximale Auflösung eins Objektivs liegt konstruktionsbedingt immer bei der offenen Blende. wenn ich ein Objekt einsetze welches 100 Linienpaare pro Millimeter auflösen kann dann verbessert eine Erhöhung des Abbildungsmaßstabs nichts an dieser Auflösungsgrenze.

Das ist der Grund warum die Hersteller (Canon, Nikon, Olympus, Leitz, Zeiss, Schneider - um nur 6 zu nennen) unterschiedliche Brennweiten anbieten, um so kürzer die Brennweite um so höher ist die maximale Auflösung ausgelegt.

Das MP 65 stammt aus der Analogzeit und wird von Canon nicht für Gehäuse mit mehr als 21 Megapixel empfohlen das das Auflösungsvermögen dafür nicht ausgelegt wurde. Wenn man das beachtet kann man immer noch tolle Ergebnisse erzielen. Die beste Qualität erhält man bei 2 bis 2,5facher Vergrößerung, nach unten oder oben fällt die Qualität ab & ja, die Beugung ist ein wesentlicher Faktor ==> sie wird durch die Objektiv und Sensorauflösung bestimmt. Bei 2,5 zu 1 geht über f=4 (theoretischer Wert) gar nichts mehr, darüber darf gar nicht mehr abgeblendet werden.

Liebe Grüße

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Mikroman

Hi,

das Lupenobjektiv von Canon hatte ich auch mal - nur, um mich dann umgehend davon zu trennen: es ist ein unglaublicher Staubsauger, den manche schon als klassische Fehlkonstruktion von Canon bezeichnet haben. Ich kam mit dem 3.5/20mm (Mikroskop)Objektiv von Canon am Balgen besser klar.

Evtl. einen Kauf wert ist auch das hier: https://www.photoscala.de/2016/12/21/lupenobjektiv-fuer-kleinbild-zhongyi-mitakon-20mm-f2-0-4-5x-super-macro/

Gruß
Peter
Zu sehr auf sich selbst zu beharren,
ist ein unvernünftiges Vergeuden der Weltsubstanz (Juarroz, 9. Vertikale Poesie,1)

wilfried48

#6
Zitat von: Stuessi in August 27, 2019, 17:56:58 NACHMITTAGS

Auflösung = 500Lp/mm / Zahlenwert (aus Foto)



Hallo Rolf (Stuessi),

bist du bei diesem Wert sicher ? Dann müssten nämlich die Liniengruppe wo 1µm steht noch aufgelöst sein.
Die Werte in diesem Testobjekt sind Linienbreiten bzw. Linienabstände. 1µm bedeutet dann 500 Linienpaare/mm.
Aus den Fotos kann ich das jedenfalls nicht entnehmen.

viele Grüsse
Wilfried

vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

Mikroman

Also an 500 LP/m vermag ich auch kaum zu glauben. Selbst Hochleistungsoptiken (PL-Apos) von Leica schaffen nur 350 Lp/m (mit dem 1.0 PLanapo) bzw. 700 LP/m mit dem 2.0 Hauptobjektiv.
Zu sehr auf sich selbst zu beharren,
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smashIt

Zitat von: Mikroman in August 27, 2019, 20:13:29 NACHMITTAGS
Also an 500 LP/m vermag ich auch kaum zu glauben. Selbst Hochleistungsoptiken (PL-Apos) von Leica schaffen nur 350 Lp/m (mit dem 1.0 PLanapo) bzw. 700 LP/m mit dem 2.0 Hauptobjektiv.

ich habs jetzt extra ausprobiert:

1000 LP/m sind freihand problemlos möglich




;) :P
MfG,
Chris

Bildung ist das was uns vom Tier unterscheidet.

Funtech.org

Lupus

Hallo Rolf,

noch eine Ergänzung zu Deiner Ausgangsfrage: Wenn ich von der von mir genannten rechnerischen NA von 0.127 bei Offenblende ausgehe und 1:2.5 Abbildungsmaßstab, dann sollte die beugungsbedingte bildseitige Auflösung bei etwa 6.5 μm liegen. Dagegen hat der Sensor eine Pixelbreite von 5.3 μm, also etwas zu wenig um das Beugungsbild voll aufzulösen. Nur - wie von Gerhard schon indirekt erwähnt - Fotoobjektive sind immer eine Kompromisskonstruktion und werden für eine zur Kamera (z.B. Film) passenden Auflösung entwickelt. Und ich gehe daher davon aus dass dss Objektiv bei Offenblende keine bessere (weil weniger beugungsbegrenzte) Auflösung besitzt als bei geringer Abblendung (z.B. eine Blendenstufe). Aber das könnte ein praktischer Test zeigen.

Hubert

Stuessi

Hallo,

wenn beim Testtarget z. B. die Liniengruppe 2 aufgelöst erscheint, berechnet man die Auflösung, indem man 500 Lp/mm durch 2 teilt: 250 Lp/mm.

Gruß
Rolf

wilfried48

Hallo Rolf,

danke für die Klarstellung !

So klingt es realistisch.

viele Grüsse
Wilfried
vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

reblaus

Hallo und vielen Dank an alle Kommentatoren!

Eigentlich wollt ich nicht einen so langen Zwirn lostreten und nur ganz grob ein paar Anhaltspunkte zum Einfluss der Beugung beim Vergleich Stemi/Makrooptik erfahren, denn in Anbetracht der Riesenzahl an Parametern, die hier eine Rolle spielen würde eine "wissenschaftliche" Analyse sicher das Volumen eine Dissertation annehmen. In die Diskussion über die Linienpaaren pro Millimeter wollte ich schon gar nicht eintreten, drücke aber jetzt doch noch abschließend auf meine Senftube:

Bei (für mich) erschwinglichen Makrooptiken mit variablem Abbildungsmaßstab/Tubuslänge bzw. bei parfokalen Variooptiken von Stereomikroskopen handelt es sich zwangsläufig um Kompromisskonstruktionen, über welche unsere Mikroskopobjektive mit ihren definierten Abständen nur verächtlich lächeln würden so sie ihren Gefühlen Ausdruck verleihen könnten.

Wenn ich mich recht erinnere sind wir bereits vor 50 Jahren davon ausgangen, dass die damaligen KB-Filme mittlerer Empfindlichkeit und Gradation so grob 100 L/mm brauchbar auflösen konnten (ich rede hier nicht von Mikrofilmmaterial  u.ä.) und die Normaloptik war entsprechend daran angepasst.
Wenn, wie Hubert korrekt anmerkt, mein lichtempfindliches Material (30 MP-Sensor) heute etwa 200 Pixel/mm hat, d.h. pro Bildhöhe um die 4800, dann gilt diese Richtzahl 100 ja im wesentlichen immer noch und wenn man die diversen Tests liest mit denen Pixelpeeper die Fotobjektive untersuchen, dann kommen wir auch bei moderneren "Voll"formatoptiken immer noch auf diesen Wert, für APS-C-Optiken gibts halt etwas mehr, und Rolf Stuessis kann mit seinem Makroequipment sogar das doppelte demonstrieren.

Aber was bringts im Makrobereich (z.B bei 2 x) praktisch? Schon bei der Reproduktion von flachen Objekten ist, wenn überhaupt vorhanden, das Stativ zu schwächlich und vibriert, Bild- und Objektebenen sind nicht 100 %ig parallel ausgerichtet, der Stativtrieb zu grob sodass man nach der Schrotschussmethode fokussieren muss um die Schärfe bei Fast-Offenblende (also maximaler Auflösung) wirklich zu treffen - der Aufwand lohnt sich eigentlich nur bei der Reproduktion von Banknoten und Briefmarken oder bei einem anderweitigen fotografischen Broterwerb. Kein Wunder, dass der Vorbesitzer sein MP-E 65 mm wieder verhökert hat, bevor es zu viel Staub einsaugen konnte  ;D

Ein Hobbyist wie ich blendet halt schließlich doch auf eine "förderliche" Blende ab, wie schon von Ernst Abbe et al. für die Kondensorapertur empfohlen haben und verzichtet damit auf die theoretische Auflösung aus dem Testtafelaufbau, wenn ihm das Bild im Ganzen gefällt.

Viele Grüße

Rolf



Stuessi

Hallo Rolf,

nehme ich das Objektiv bei meinem Wild M7 ab,



so sehe ich die beiden Eintrittslinsen der Fernrohre:



Bei etwa 100mm Brennweite des Objektivs und ca. 15mm Durchmesser der Linsen berechne ich die Blendenzahl Bl zu

Bl = 100mm / 15mm  ==>  Bl = 6,7

Die numerische Apertur ist A = 1/ (2*Bl) ==> A = 0,075

Gruß
Rolf