Ovotestis der Spanischen Wegschnecke

Begonnen von Alf, Juli 18, 2022, 15:56:06 NACHMITTAGS

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Alf

Die Anzahl der biologischen Geschlechter erhitzt in letzter Zeit immer wieder die Gemüter. In diesem Beitrag soll es ausschließlich um den histologischen Aufbau und die Fortpflanzung bei spanischen Wegschnecken gehen. 

Die meisten Schnecken sind Zwitter (Hermaphroditen), d. h. sie besitzen weibliche und männliche Keimzellen. Diese Keimzellen entwickeln sich in den Ovotestes. Ein Ovotestis ist Hoden (Testis) und Eierstock (Ovar) zugleich und von einer bindegewebigen Kapsel umgeben. Der Ovotestis der spanischen Wegschnecke befindet sich im hinteren Teil der Schnecke umgeben von Hepatopankreas und Mitteldarm. Der Ovotestis ist in kleine Läppchen untergliedert, die wiederum in kleine Acini unterteilt sind, in denen die Spermatiden und Eizellen reifen. Diese Acini münden in kleinen Ductuli in einem großen Ausführungsgang münden (Zwittergang).

Damit sich Schnecken nicht selbst befruchten reifen die Geschlechtszellen zeitlich versetzt. Dieser Geschlechterwechsel, bei dem die meisten Schnecken zuerst Spermien bilden (also männliche Geschlechtszellen) und im Laufe ihres Lebens dann zu weiblichen Geschlechtszellen (Eizellen) wechseln, nennt sich Protandrie.


Präparation:
Die Schnecken wurden für 5 Minuten mit 10% Ethanol betäubt, anschließend in 8% Formalin in 30% Ethanol für 24 Stunden fixiert. Der Ovotestis wurde herauspräpariert und für weitere 24 Stunden in der Fixierlösung gelassen. Danach wurde in Paraffin eingebettet und 3-5 Mikrometer dünne Schnitte angefertigt. Es wurde mit Hämatoxylin-Eosin und Kernechtrot-Anilinblau-Orange G gefärbt.

Ergebnis:
Bild 1: makroskopische Präparation der Ovotestis.
Bild 2: Übersichtsaufnahme; der Ovotestis ist von einer dünnen, bindegewebigen Kapsel umgeben. In Lappen unterteilt, die sich wiederum in Läppchen gliedern deren Endstücke die Acini sind in denen die Geschlechtszellen heranreifen. An den Rändern der Läppchen findet man kleine Ausführungsgänge, die sich zum großen Ausführungsgang (Zwittergang) vereinigen. Der Zwittergang liegt mit Gefäßen und Nerven in der Mitte des Ovotestis und durchzieht diesen.
Bild 3/4/5: Acini Feinbau; die Spermatocyten (SPC) liegen in kleinen Bäumchen aufgereiht. Die Oocyten (OC) liegen immer am Rand der Acini). Am Rand der Acini findet man Endothelzellen (EC)
Bild 6: reife Spermatiden (in diesem Fall aus einer kleinen Wasserschnecke, die ebenfalls zwittrig ist. Das Exemplar der spanischen Wegschnecke hat keine reifen Spermatiden gezeigt.


In der Hoffung nicht gecancelt zu werden, liebe Grüße,
Alex

Jürgen H.

Lieber Alf,

wenn Du zu diesem schönen mit Aufwand und offensichtlichem histologisch- präparatorischen Können hergestellten Beitrag bisher keine Rückmeldung bekommen hast, kann das vielleicht daran liegen, daß Schnecken, diese schleimigen Kriecher, ein wenig Ekel erregen? Ich habe bei diesem Beitrag einiges für mich Neue gelernt, ich wusste zwar, dass Schnecken Zwitter sind, hatte aber keine Ahnung davon, dass die Hoden und Eierstöcke zu einem Organ zusammengefasst sind, und Ei- und Samenzellen sich sogar gemeinsam nebeneinander wenn auch zeitlich versetzt entwickeln. Wenn ich Deine Bilder richtig interpretiere, entwickelt sich in jedem acinus wenigstens zunächst immer nur ein Ei, aber viele Spermien. Ist dieses Bild nur eine Folge der Protandrie, d.h. Teilung der Eizellen finden später statt? Wie funktioniert, dass in keinem der acini noch Spermien vorhanden sind, wenn die Eizellen reifen? Gibt es zwei verschiedene Stammzellenpopulationen, eine für die Oozyten und eine für die Spermatozyten oder entstehen alle Geschlechtszellen eines acinus aus ein und derselben Stammzellen?

Danke für diesen Beitrag!

Jürgen

Rawfoto

Guten Abend Alf

Ich finde den  Beitrag super & man lernt nie aus👌

Liebe Grüße

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Jürgen Boschert

Hallo Alf,

herzlichen Dank für diesen sehr lehrreichen Beitrag.

Schnitte: Super.
Färbung: Perfekt.
Fotodokumentation: Vorbildlich.
Beste Grüße !

JB

Alfons Renz

#4
Hallo Alf,

Auch von meiner Seite höchste Anerkennung zu dieser schönen Präsentation.

Zwei Dinge haben mich immer bei der Betrachtung der Spermien im Ovotestis fasziniert:

- Die Lage der Köpfe der Spermien in einer 'Ammenzelle' - diese ist auf den Bildern allerdings nur schemenhaft zu erkennen-, und
- die Orientierung der Spermienköpfe in der 'falschen' Richtung, weg vom Ausgang der abführenden Tubuli.

Irgendwie müssen es ja die Spermien schaffen, sich trotz des sehr, sehr langen 'Schwanzes' umzuwenden - oder sie starten und bewegen sich, Schwanz voraus, hin zum Carrefour, dem Scheideweg zwischen männlichem und weiblichen Ausführungsgang.

Herzliche Grüße,

Alfons.

p.s. Die Bild zeigt die Spermienköpfe in Ovotestis von Zebrina, der Zwischenwirtschnecke des kleinen Leberegels,
sowie ein vereinfachtes Schema der Geschlechtsorgane von Lungenschnecken (Original von Peter Wenk).

Alf

Herzlichen Dank für das Lob und die Ergänzungen! :)

ZitatWenn ich Deine Bilder richtig interpretiere, entwickelt sich in jedem acinus wenigstens zunächst immer nur ein Ei, aber viele Spermien. Ist dieses Bild nur eine Folge der Protandrie, d.h. Teilung der Eizellen finden später statt? Wie funktioniert, dass in keinem der acini noch Spermien vorhanden sind, wenn die Eizellen reifen? Gibt es zwei verschiedene Stammzellenpopulationen, eine für die Oozyten und eine für die Spermatozyten oder entstehen alle Geschlechtszellen eines acinus aus ein und derselben Stammzellen?

Die Entwicklung der Spermien erfolgt zeitlich längere Zeit getrennt von der Entwicklung der Spermatiden wodurch eine Selbstbefruchtung verhindert wird. Ich würde vermuten, dass die restlichen Spermien abgebaut werden.

LG,
Alex