Tümpeln ohne DIK - ja gehts denn noch!?

Begonnen von Ole Riemann, Juli 19, 2021, 20:54:28 NACHMITTAGS

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Ole Riemann

Liebe Mikroskopiefreunde,

aus der Perspektive des tümpelnden Mikroskopikers habe ich die aktuelle Diskussion über die optimale Geräteausstattung bei einem Budget von mehreren Tausend Euro für (ja, wofür eigentlich?) wohl auch Tümpleranwendungen anfänglich interessiert, immer mal wieder erheitert, dann zunehmend kopfschüttelnd verfolgt. Nach diesem wilden Ritt durch die mikroskopische Technik der DIK-Systeme – im Tonfall passagenweise bemerkenswert großspurig – stellt sich der Eindruck ein, dass das Tümpeln, also die Mikroskopie wasserlebender Kleinstorganismen, eines der naheliegendsten und ursprünglichsten mikroskopischen Betätigungsfelder, ohne DIK höchstens noch ein Übergangsphänomen in der Biographie des Mikroskopikers zu sein scheint, wenn nicht sogar gänzlich überholt ist. 

Nun will ich ja gar nicht in Abrede stellen, dass mit dem DIK die Beobachtung lebender, ungefärbter Wasserorganismen eine besondere Freude ist und dass manche Strukturmerkmale nur mit diesem Verfahren dokumentiert werden können. Auch bei mir sind unterschiedliche DIK-Systeme im Einsatz.

Mit Staunen stelle ich aber immer wieder fest, wie klar und natürlich zahlreiche Objekte im reinen Hellfeld – auch fotografisch – wirken. Es ist sogar so, dass für mich diese Stunden am reinen Hellfeldgerät mit einer reichhaltigen Wasserprobe zu den schönsten Mikroskopieerlebnissen zählen.

Im Folgenden stelle ich einige unlängst aufgenommene Objekte aus einem einzigen Präparat vor – die Proben stammen von Martin Kreutz, bei dem ich mich herzlich bedanke. Die verwendete Ausrüstung ist vergleichsweise schlicht: Olympus BH-2/BHT (160mm-System) mit 6V 20W Halogenleuchte, Splan 40/0,70 und A 100/1,30 Öl, Kondensor N.A. 1,4, reines Hellfeld, Projektiv NFK 1,67x (der einzige Luxus) und Canon EOS 700D.

Beste Grüße

Ole

Trachelomonas spec., die derbe Zellhülle ist teilweise geborsten, so dass der Protoplast mit Chloroplasten und Paramylonkörnern hervortritt - ein interessantes Fragment:



Staurodesmus cf. extensus:



Phacus longicauda: Fokus auf die kontraktile Vakuole (Pfeil):



Selbst um ungefärbte, typische Phasenobjekte muss man als Hellfeldmikroskopiker keinen großen Bogen machen, wie diese Beispiele einer Dinamoeba mirabilis zeigen. Die beiden unteren Bilder dokumentieren ungefärbte, lebende Bakterien um den Kern dieser Amöbe; einmal in Aufsicht und einmal im optischen Schnitt als kreisförmige Anschnitte – dicht an dicht, wie bei einem Palisadenzaun, dem Zellkern der Amöbe anliegend. Das verwendete Objektiv war ein schlichter Olympus-Achromat 100:1 (Ekp=Ektoplasma, Nu=Nukleus, Ur=Uroid, Ba=Bakterien, Nk=Nukleolarsubstanz):








Jürgen Boschert

Hallo Ole,

wieder einmal wunderbare Aufnahmen aus Deiner Hand -und das mit völlig veralteter Technik.  ;D
Beste Grüße !

JB

Peter Reil

Hallo Ole,

nicht schlecht die Bilder. Wie würden die erst aussehen, wenn du ein modernes Mikroskop hättest, nicht so ein veraltetes 160 Dingens...  ;D

Liebe Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, BHT, CH2, CHK, Olympus SZ 30, antikes Rotationsmikrotom

Peter V.

#3
Hallo,

ZitatA 100/1,30 Öl
Ole!!! Nur ein A....A....Achro..ich traue mich gar nicht, es auszusprechen!  :o Und sowas zeigst Du im Forum? Du traust Dich was! Respekt!

Aber wartet erstmal, bis Bozidar seine Höllenmaschine anwirft  ;)

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Posting ist frei von kultureller Aneigung, vegan und wurde CO2-frei erstellt. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

raimcomputi

Ich habe mir schon mal Popcorn und Bier besorgt. Ich wusste gar nicht, daß es hier so lustig zugehen kann. Das Forum wird mir immer sympathischer.

Herzliche Grüße

Raimund

Michael Müller

Hallo Ole,

vielen Dank für diesen Beitrag, der wieder einmal beweist, dass die Qualität der mikroskopischen Abbildung mehr vom Können und der Erfahrung des Mikroskopikers als dem Preis der Optik abhängt!
Jedes optische Verfahren hat sein Anwendungsgebiet und seine Problemfelder. Es ist immer etwas problematisch, auf die Nachteile von DIK hinzuweisen, ohne in den Verdacht zu geraten, lediglich die Kirschen in Nachbars Garten sauer zu finden. Dennoch sollte man - gerade beim Tümpeln - trotz der vielen verführerischen Vorteile von DIK die Nachteile nicht ignorieren:


  • DIK bildet Gradienten des Brechungsindex als Helligkeitsunterschiede ab. Das kann zu einem völlig anderen Bild führen, als wir mit unser alltäglich gewohnten schiefen Beleuchtung intuitiv interpretieren können
  • DIK ist empfindlich gegenüber Doppelbrechung - dies kann - gerade beim Tümpeln - zu einer gewünschten Kontrastverstärkung führen, die wir aber bei unseren "normalen" Seherfahrungen nicht kennen
  • DIK benötigt eine Menge Licht - das verändert bei vielen Organismen das Verhalten

DIK erzeugt tolle Bilder und kann Details abbilden, die einem ansonsten nicht zugänglich wären - dennoch sollte man das DIK-Bild nicht mit dem "normalen Anblick" der Objekte verwechseln. Nur wer das Abbild eines Objektes im Hellfeld kennt, kann beurteilen, was auf dem DIK-Bild zu sehen ist.

Viele Grüße

Michael
Gerne per Du

SNoK / Stephan Krall

Liebe Hellfelder,

da ich meine Proben, bevor ich sie unters Mikroskop lege, immer erst unter dem Stereomikroskop anschaue, in der Regel bei 20x oder 40x Vergrößerung, habe ich zumindest bei den nicht ganz kleinen Organismen einen guten Eindruck, wie sie eigentlich aussehen, und vor allem sich auch bewegen, wenn sie beweglich sind. Es sind allermeist hyaline Wesen, die sich langsam oder schnell, rotierend oder hin und hersausend oder -zuckend bewegen. Wenn ich sie dann auf dem Deckglas habe, und im DIK schauen, sehen sie meist grau und undurchsichtig aus. Mir ist klar, dass das nicht die Realität ist.

Grüße
Stephan
Mikroskope: Leica DMRB, Leitz Dialux (beide mit DIK), Lomo MBD-1 ("Für-alle-Fälle-Mikroskop")
Stemis: Zeiss 508, Wild Heerbrugg M5
Kameras: Sony alpha 6500 und 6400
Webseite: https://kralls.de
Vorstellung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41749.msg308026#msg308026

Michael Müller

Hallo Stephan

Zitat von: SNoK in Juli 20, 2021, 10:43:40 VORMITTAG
Mir ist klar, dass das nicht die Realität ist.

Realität ist das schon, aber halt nicht das, was unsere Augen sehen würden ...

Viele Grüße

Michael
Gerne per Du

liftboy

Hallo Raimund,

da hast Du noch gar nichts gesehen :-)
schau mal hier:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=5840.0

Grüße
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

spectator

Hallo,

ohne die Vorzüge des DIC in Abrede zu stellen (ich benutze meinen fast ausschließlich zum Tümpeln) möchte ich hier mal noch einen anderen Aspekt erwähnen:
Praktisch alle Bestimmungsbücher und fast die gesamte Literatur über die "Tümpelbewohner" ist mit einfachen Durchlichtmikroskopen entstanden. Es erstaunt mich immer wieder, welche Einzelheiten die Altvorderen mit diesem einfachen Verfahren sehen und zeichnerisch wiedergeben konnten. Man hat heute oftmals mit Phaco und DIC zu tun, diese zu verifizieren. Selten sind da irgendwelche Artefakte in die Abbildungen hineingerutscht. Damit meine ich natürlich nicht die versteckten Gesichter in den alten Auflagen vom Streble/Krauter...;).
Ich habe zu einer Zeit mit dem Mikroskopieren angefangen, als Phasenkontrast für den Amateur unerreichbar war, und mußte mich vom  reinen Hellfeld über schiefe Beleuchtung, ringförmiges Hellfeld (COL), Dunkelfeld bis zur Rheinberg-Beleuchtung durcharbeiten. Ich nutze diese Verfahren gelegentlich heute noch und bin oft erstaunt, was sich alles sichtbar machen läßt - oft nahezu im Widerspruch zur Theorie. Natütlich gab es dann irgendwann den Phasenkontrast, und das war dann wirklich ein Sprung. Aber, und das ist vielen gar nicht bewußt, vieles im Phako-Bild ist gar kein Phasenkontrast: Durch die Ringblenden im Phako-Kondensor hat man immer eine allseitig schiefe Beleuchtung, und damit überlagert das COL-Bild den Phasenkontrast.
Irgendwann habe ich dann doch tiefer in die Tasche gegriffen und mir einen DIC zugelegt. Ich kann allen Vorrednern nur zustimmen: Ein erneuter Quantensprung in der Erkennbarkeit von Details, aber nur sinnvoll im Vergleich mit dem Hellfeld- Bild. Man sollte sich wirklich die Mühe machen, und die Objekte mit beiden Verfahren zu vergleichen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Um gerade beim Tümpeln genußvoll, aber auch mit hohem Informationsgehalt mikroskopieren zu können, braucht man nicht unbedingt eine Ausrüstung im etliche Kilo-€uro Bereich mit "mindestens DIC" - sie schadet definitiv aber auch nicht.
Es kommt auf die Person hinter dem Mikroskop an, an die Anforderungen, die diese stellt, aber auch selbst erfüllt. Es ist wie in der Fotografie: Nicht "Diese Kamera macht gute Bilder!" , sondern der Fotograf entscheidet über die Qualität der Ergebnisse.

Viele Grüße

Helmut
Trinkt, o Augen, was die Wimper hält, von dem goldnen Überfluß der Welt!

Bozidar

Werte Kollegen,
es freut mich sehr, dass einige endlich ein Thema für Spott scheint gefunden zu haben.
Danke, mir geht es gut und kann sehr wohl damit leben.
Es ist lustig, dass alles zu beobachten, und ja wie soeben oben gesprochen nennt man das Saurer-Trauben-Effekt.
Man sollte sich nun nicht allzu sehr auf so was fixieren, in Leben gibt es auch andere Interessante Dinge.
ZitatHallo,

ohne die Vorzüge des DIC in Abrede zu stellen (ich benutze meinen fast ausschließlich zum Tümpeln) möchte ich hier mal noch einen anderen Aspekt erwähnen:
Praktisch alle Bestimmungsbücher und fast die gesamte Literatur über die "Tümpelbewohner" ist mit einfachen Durchlichtmikroskopen entstanden. Es erstaunt mich immer wieder, welche Einzelheiten die Altvorderen mit diesem einfachen Verfahren sehen und zeichnerisch wiedergeben konnten. Man hat heute oftmals mit Phaco und DIC zu tun, diese zu verifizieren. Selten sind da irgendwelche Artefakte in die Abbildungen hineingerutscht. Damit meine ich natürlich nicht die versteckten Gesichter in den alten Auflagen vom Streble/Krauter...;).
Ich habe zu einer Zeit mit dem Mikroskopieren angefangen, als Phasenkontrast für den Amateur unerreichbar war, und mußte mich vom  reinen Hellfeld über schiefe Beleuchtung, ringförmiges Hellfeld (COL), Dunkelfeld bis zur Rheinberg-Beleuchtung durcharbeiten. Ich nutze diese Verfahren gelegentlich heute noch und bin oft erstaunt, was sich alles sichtbar machen läßt - oft nahezu im Widerspruch zur Theorie. Natütlich gab es dann irgendwann den Phasenkontrast, und das war dann wirklich ein Sprung. Aber, und das ist vielen gar nicht bewußt, vieles im Phako-Bild ist gar kein Phasenkontrast: Durch die Ringblenden im Phako-Kondensor hat man immer eine allseitig schiefe Beleuchtung, und damit überlagert das COL-Bild den Phasenkontrast.
Irgendwann habe ich dann doch tiefer in die Tasche gegriffen und mir einen DIC zugelegt. Ich kann allen Vorrednern nur zustimmen: Ein erneuter Quantensprung in der Erkennbarkeit von Details, aber nur sinnvoll im Vergleich mit dem Hellfeld- Bild. Man sollte sich wirklich die Mühe machen, und die Objekte mit beiden Verfahren zu vergleichen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Um gerade beim Tümpeln genußvoll, aber auch mit hohem Informationsgehalt mikroskopieren zu können, braucht man nicht unbedingt eine Ausrüstung im etliche Kilo-€uro Bereich mit "mindestens DIC" - sie schadet definitiv aber auch nicht.
Es kommt auf die Person hinter dem Mikroskop an, an die Anforderungen, die diese stellt, aber auch selbst erfüllt. Es ist wie in der Fotografie: Nicht "Diese Kamera macht gute Bilder!" , sondern der Fotograf entscheidet über die Qualität der Ergebnisse.

Viele Grüße

Helmut

Danke Helmut,
treffend und angemessen geschrieben.
Mit freundlichen Grüßen / Best regards / 敬具
Dr. Bozidar N.

rhamvossen

Hallo Ole,

Sehr schöne Aufnamen! Auch ich mag die reinen Hellfeldbilder sehr. Die Klarheit die Hellfeld hat sehe ich vor allem wenn ich Video-Aufnahmen mache. Dann habe ich meistens bessere Ergebnisse mit Hellfeld als z.B. Schiefe Beleuchtung. Beste Grüsse,

Rolf